Impact (USA 1949) #Filmfest 860

Filmfest 860 Cinema

Impact ist ein in Schwarzweiß gedrehter US-amerikanischer Film noir von Arthur Lubin aus dem Jahr 1949.

Der Film beginnt damit, dass ein Wörterbuch aufgeschlagen und der Begriff Impact erklärt wird. Am Ende wird dies wiederholt, nun exemplifiziert anhand dessen, was das Publikum inzwischen gesehen hat. Am deutlichsten bemerkt man den Impact, finde ich, als der Film auf der Bergstraße im wörtlichen Sinne einem Höhepunkt zusteuert und der (Anti-) Held einen Abhang heruntergestoßen wird. Danach kommt es zu einer Wende, die mir auf eine Weise bekannt vorkam … mehr dazu und zu weiten Aspekten des Films steht in der -> Rezension.

Handlung[1]

San Francisco zur Gegenwartszeit. Walter Williams, ein erfolgreicher Topmanager, ist mit der schönen, aber kapriziösen Irene verheiratet, die ihn heimlich mit einem jüngeren Mann betrügt. Walter möchte Irene auf eine Geschäftsreise nach Denver mitnehmen, und da er vor der Abreise in der Nähe von Sausalito zu tun hat, schlägt er ihr vor, sich dort mit ihr zu treffen und gemeinsam mit dem Auto weiterzureisen. Unter einem Vorwand hält Irene die Verabredung nicht ein und als Walter sie anruft, bittet sie ihn, ihren Cousin Jim, der zufällig dasselbe Reiseziel habe, von Sausalito aus mit seinem Wagen nach Denver mitzunehmen. Walter kennt den vermeintlichen Verwandten seiner Frau nicht und geht auf ihren Wunsch arglos ein.

Jim ist in Wirklichkeit Irenes Liebhaber, der dafür sorgt, dass der Wagen an abgelegener Stelle mit einem platten Reifen liegenbleibt. Gemeinsam beheben die beiden Männer den Schaden, dabei schlägt Jim den Nebenbuhler jedoch mit einem Schraubenschlüssel bewusstlos. Nachdem er Walter auch noch einen Steilhang hinabwirft, hält er ihn für tot. Als zwei Möbelwagenfahrer Zeugen werden, wie Jim nach der Tat wieder in den Wagen einsteigt, gerät er so in Panik, dass er das Auto in einen entgegenkommenden Tankwagen steuert, was mit einer Explosion und dem Ausbrennen seines Fahrzeuges endet.

Trotz einer schweren Kopfverletzung ist Walter nicht tot, sondern kommt wieder zu sich und schafft es sogar, unbemerkt auf den Möbelwagen zu klettern. Auf diese Weise gelangt er unbemerkt bis nach Nevada, wo er herausfindet, dass Irene überhaupt keinen Verwandten namens Jim hat.

Da die verbrannte Leiche nicht mehr zu identifizieren ist, geht die Polizei davon aus, dass Walter der Tote ist. Die Aussagen der beiden Möbelwagenfahrer decken jedoch Ungereimtheiten auf, sodass Lt. Quincy, ein kurz vor der Pensionierung stehender Polizeioffizier, mit Ermittlungen beginnt. Ein erster Hinweis ergibt sich für ihn, als im Möbelwagen Walters Aktentasche gefunden wird. Darauf befinden sich Fingerabdrücke, die als die von Jim Torrence identifiziert werden, der der Polizei aufgrund seiner kriminellen Vorgeschichte bereits bekannt ist. Den zweiten Hinweis liefert die Durchsuchung einer Wäschereilieferung für Jim, bei der Quincy Taschentücher mit Irenes Monogramm entdeckt. Bald können weitere Beweismittel sichergestellt werden, die darauf hinweisen, dass Irene und Jim gemeinsam Walters Ermordung geplant haben. Das Material reicht schließlich, um Irene unter Mordanklage vor Gericht zu stellen. (…)

Rezension / mit Auflösung

Selbstverständlich ist das, was wir als  Handlungsangabe übernommen haben, nicht das Ende eines Films, der immerhin 110 Minuten lang ist. Sehr viel Spielzeit für einen Film noir. Nach etlichem Kopfschütteln, was so alles dieser Gattung oder diesem Subgenre des Krimis zugerechnet wird, muss ich in diesem Fall gleich Entwarnung geben: Er zwar ein Happy End, das darf ich spoilern, weil ich es in der Überschrift zur Rezension erwähnt habe, ohne die Wiki-Handlung komplett übernommen zu haben und man kann sich darüber streiten, ob ein Mann wie „Softy“ Walter Williams vom Schicksal dazu bestimmt sein kann, aus einem Tagtraum über die Frauen geweckt zu werden, aber ebenjene Frau, die sich als sein Alb herausstellt, die gibt es, und das ist ebenso typisch für den Noir wie die Tatsache, dass wir als Hauptfigur jemandem zu folgen haben, der kein Held, nicht einmal clever ist, sondern ein Techniker, der begeistert von seinem Job und seiner schönen Frau ist, aber sie ist ein Biest und er merkt es nicht. In diesem Film hat Helen Walker eine substanziellere Rolle und eine negative, im Vergleich zu „Kennwort 777“ aus dem Jahr zuvor, in dem sie als nette Frau der Hauptfigur im Wesentlichen eine Stichwortgeberin ist und nicht viel zur Wirkung des Films beitragen kann. In „Impact“ ist das anders. Besonders, nachdem … nun, wir spoilern wieder … nachdem das Good Girl, das es zum Glück auch gibt, Williams gebeten hat, in die Stadt zurückzukehren und dafür zu sorgen, dass seine Frau nicht möglicherweise auf dem elektrischen Stuhl endet, weil er ja noch lebt, tappt er noch einmal in ihre Falle und man kann diesen Charakter ab diesem Moment wirklich hassen – selbst, wenn man ihr Komplett gegen den Ehemann noch abgehakt hat, weil dieser dadurch ein idyllische Plätzchen – in Idaho? – findet und dort ein neues Leben beginnen kann.

Was ich an dem Film besonders mag: Dass ein Mann aus einer wirklich furchtbaren Lage heraus ganz und gar aufersteht und plötzlich mehr Spaß am Leben zu haben scheint als je zuvor. In dem Fall fängt er als Automechaniker neu an, so wie einst in der Firma, in der er zum Manager aufgestiegen war, eine typisch amerikanische Geschichte, die man nebenbei verkauft bekommt. Weniger schön: Dass die Frau, die die Autowerkstatt nach dem Tod ihres Mannes im Krieg betreibt, Motoren durch darauf Herumhämmern reparieren will. Das schmerzt den Automann natürlich in der Seele und ist so fies Frauen gegenüber. Ja, die Zeiten waren so, und auch das gehört zu solchen Filmen: Frauen wurden gerne als gefährlich dargestellt, wie die Ehefrau, oder sie mussten ihre traditionellen Plätze wieder mehr oder weniger einnehmen, weil die Männer sie wieder beanspruchten. Und wenn eben der Mann gefallen war, gibt es leicht Ersatz, der mit einem Schraubenschlüssel umzugehen weiß. Dieser Part wird negativ in die Gesamtbewertung einfließen, aber nicht im Sinne eines nachträglichen Abzugs, wie wir das zuletzt bei deutschen Filmen aus den frühen 1950ern wegen ihrer diskriminierenden Tendenzen getan haben, sondern „integriert“.

Die Meinungen der Kritiker über diesen Film fallen weit auseinander, wobei vor allem seine Einstufung als Film noir umstritten ist. Gary W. Tooze bezeichnet „Impact“ als „clandestine jewel“ (unentdecktes Schmuckstück) und „true Noir masterpiece“ (wahres Meisterwerk des Film noir). Mordlust.de hingegen urteilt, „die wenigen Noir-Aspekte des Anfangs“ verlieren sich „schon bald in einer langatmigen, wackeligen Geschichte mit dem Flair eines Gerichtsdramas und einer ‚Reicher Mann findet seine wahre Bestimmung‘-Schnulze“.

Abgesehen von der Sache mit der unfähigen Autowerkstattbesitzerin darf man den Film eben nicht nur unter Mordlust-Gesichtspunkten betrachten. Die Szene, in der Brian Donlevy sich in die Dorfgesellschaft integriert hat, bei der freiwilligen Feuerwehr gelandet ist und Riesenspaß bei einem Einsatz hat, ist wundervoll und das Drumherum sehr hintergründig. Gehen wir zwei Jahre zurück. Ganz sicher hat man sich, als man die Handlung zu „Impact“ konzipierte, an „Out of the Past“ orientiert. Der fängt damit an, dass ein Mann seine Vergangenheit vergessen wollte und irgendwo knapp außerhalb des Nirgendwo eine Autowerkstatt aufgemacht hat. Aber die Vergangenheit holt ihn zufällig ein oder schicksalhaft, denn dies ist ein echter Schicksalsfilm, ein prototypischer Noir mit Bad Ending. Aber der Mann lernt dort auch ein Mädchen kennen und erzählt ihr seine Vorgeschichte, die wir erst dadurch erfahren („The Past“). Am Ende versucht er, die Dinge zu bereinigen, aber das misslingt ihm und er verliert das Good Girl und das Leben. So weit wollte man in „Impact“ nicht gehen, außerdem ließ man lieber die Finger von einer komplexen Zeitkonstruktion mit Rahmen und gestaffelter Binnenhandlung, sondern filmte chronologisch.

Aber in beiden Filmen werden der Großstadtdschungel und die Idylle, das schöne, einfache Leben einander gegenübergestellt. Das ist ja nicht nur in US-Filmen jener Zeit eine Masche gewesen, sondern wurde in Deutschland zu einem eigenen Genre, dem Heimatfilm, ausgewalzt. Wenn man sieht, die Städte im Vergleich zum Land dargestellt werden, fragt man sich immer wieder, warum es so viele Menschen in die Stadt zieht, inklusive der Macher von Filmen wie diesem.

Da ist wohl eine unerfüllte Sehnsucht nach etwas, was es so nicht gibt. Kluge Filme stellen deshalb auch die negative Seite von kleinen Dörfern dar: die soziale Überwachung, den Tratsch, das Mobbing von Außenseitern, die begrenzten Chancen zur Freizeitgestaltung und  zur persönlichen Weiterentwicklung.

Nicht jeder Film, der es etwas einfacher halten will, ist dumm, weil damit ja auch Prinzipien verkauft werden, außerdem ist dieser Gegensatz in „Impact“ nur einer von vielen Aspekten. Es hätte auch eine größere, mittlere Stadt sein können, in der William Unterschlupf und ein neues Glück findet. Ob es sentimental oder gefühlvoll ist, hängt davon ab, wie man es filmt. Stimmt schon, für eine gewisse Zeit verlässt der Film den düsteren Pfad. Die erwähnte Fire-Brigade-Szene ist humorvoll und licht gefilmt und steht symbolisch dafür, aber die Zeit in Idaho macht den Film auch reichhaltiger, ohne ihm ganz die Spannung zu nehmen, denn man ahnt, auf die eine oder andere Weise wird Williams sich stellen müssen. Das Glück ist erst einmal nur geborgt und kann erst durch eine Prüfung gefestigt werden. Die kommt alsbald und der Film noch einmal richtig Fahrt auf, als er zeigt, wie böse die Ehefrau des etwas einfältigen Mannes wirklich ist. Sein gutes Mädchen ist bekümmert, weil sie ihn quasi dieser Situation ausgesetzt hat.

 Als Hauptdarsteller wurde der 48-jährige Ire Brian Donlevy ausgewählt, der für seine Nebenrolle in dem Abenteuerfilm „Beau Geste“ (1939) für einen Oscar nominiert worden war. Größere Rollen hatte er in den Filmen „The Great McGinty“ (1940), „The Glass Key“ (1942) und „Hangmen Also Die“ (1943) gespielt. Helen Walker, die in „Impact“ die untreue Ehefrau spielt, war dem zeitgenössischen Publikum bestenfalls aus George Marshalls Kriminalkomödie „Murder, He Says“ oder durch ihre Nebenrollen in „Cluny Brown“ (1946) und „Nightmare Alley“ (1947) bekannt. Ella Raines hingegen war durch ihre Hauptrollen in den Filmen „Phantom Lady“ „Hail the Conquering Hero“ und „The Suspect“ (alle drei 1944) gut eingeführt. Charles Coburn, der den alternden Polizeileutnant spielt, hatte 1944 für seine Nebenrolle in der Liebeskomödie „The More the Merrier“ (1943) einen Oscar gewonnen und war dem Publikum aus vielen Filmen – wie „Bachelor Mother“ (1939), „The Lady Eve“, „The Devil and Miss Jones“ (beide 1941), „Kings Row“ (1942) und „Heaven Can Wait“ (1943) – ein Begriff. Ein Wiedersehen bot der Film auch mit der inzwischen schwer kranken Anna May Wong.

Brian Donlevy kannte ich bisher eher als Darsteller aalglatter Typen, die nicht die charakterfestesten sind, aber hier wirkt er sehr authentisch. Sicher trägt dazu bei, dass einer etwas untersetzte Statur, sehr kräftige Unterarme mit breiten Handgelenken hat, die in seiner Funktion als Automechaniker auch hinreichend herausgehoben werden und die einfache,  nur körperlich robuste Ausstattung  des Charakters, den er spielt authentisch wirken lässt. Im Anzug als Nebendarsteller kommt diese Physis nicht so zum Tragen. Über Helen Walkers Qualitäten als Femme fatale habe ich mich schon geäußert, das macht sie ausgezeichnet – und Charles Coburn als schrulliger alter Polizist war so gut, dass ich ihn stellenweise nicht verstanden habe. Doch gut, dass ich immer noch die englischen Untertitel mitlaufen lasse. Die manchmal sehr aufschlussreich sind. Warum wird darin zum Beispiel „Softy“ mit „little Lamb“ übersetzt, sodass auch in der Folge, als der Originalbegriff am Telefon buchstabiert wird, die Dialogführung komplett redigiert  werden muss –  und auch sonst fast jedes Wort verändert? Wir werden es an dieser Stelle nicht klären können. Aber wir wissen, wie die Softies in die Welt kamen und warum Selbstironie nicht immer die Lösung für ein zu großes Machtgefälle in einer Paarbeziehung darstellt.

Interessant in dem Zusammenhang ist auch, dass Donlevy hier einen Typ spielt, der dem Männlichkeitsideal nicht entspricht, das man damals zu vollenden suchte, mit Darstellern besonders in den Genres Crime und Western, die selbst als Antihelden noch etwas Monumentales und hochgradig Viriles hatten, wie Burt Lancaster als athletischer Verlorener, der auf sein Ende wartet in „The Killers“ (1946) oder der dem Schicksal gegenüber nicht immune Lakoniker Robert Mitchum und sein manischer Gegenspieler Kirk Douglas in „Out of the Past“. Im Vergleich mit  solchen Typen wirkt Brian Donlevy als Walter Williams eher normal oder durchschnittlich.

Finale

Sicher, der Film hätte stellenweise ein wenig straffer gefilmt sein können. Der wesentlich kompliziertere „Out of the Past“ beispielsweise ist fast eine Vierstelstunde kürzer. Allerdings muss man sich auch ziemlich zu konzentrieren, um folgen zu können. Das ist bei „Impact“ nicht der Fall, alles liegt auf der Hand, auch wenn es nicht immer ganz logisch ist. Ich finde es immer wieder faszinierend, was Menschen alles inszenieren, um andere zu framen, in Filmen wie diesem. Die Fahrt der beiden Männer, durch die  es zu einer der bis dahin sicher spektakulärsten Roadmovie-Sequenzen kommt, ist ziemlich herbeikonstruiert, aber ein Roadmovie ist für mich nur steigerbar in Form eines Roadmovies, in dem schreckliche Dinge passieren, auf der langen, hier nicht ganz so einsamen Straße. Die Sequenz enthält sogar Bestandteile, die ich mir ähnlich für einen literarischen im Sinne von geschriebenen Film noir ausgedacht habe.

Jetzt gibt es also noch einen Film mehr, von dem ich abgekupfert habe, wie man bemerken wird, wenn das Buch erscheint. Spaß muss auch mal sein, den hat sogar der Antiheld während seines Sabbaticals in Idaho. Danach geht er mit seiner neuen Flamme nach Denver um ein Autowerkt zu leiten für die Firma, die ihm gegenüber so loyal ist wie er ihr gegenüber stets war. Ja, schön, und doch auch noir. Denn hängt unser Schicksal nicht an einem sehr dünnen, seidenen Faden, wenn wir Frauen vertrauen? Das spürt man in diesem Film sehr gut und es ist genauso wahr wie der umgekehrte Fall.

74/100

© 2023, 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

[1] , kursiv, tabellarisch: Impact (1949) – Wikipedia

Regie Arthur Lubin
Drehbuch Jay Dratler,
Dorothy Davenport
Produktion Leo C. Popkin für
Cardinal Pictures
Musik Michel Michelet
Kamera Ernest Laszlo
Schnitt Arthur H. Nadel
Besetzung

 

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