Mobilfunk: Die großen Netzanbieter, Nutzeranteile +++ Foto-Apps +++ 30 Jahre SMS | Briefing 75| Konsum, Gesellschaft, Technik

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Briefing 75 (hier zu Briefing 74)

Liebe Leser:innen, wir dachten, wir fangen heute mal ganz unverdächtig an. Auch, damit sich unser Ärger vielleicht etwas kanalisiert. Der hat, die Politik betreffend, gestern eine neue Höchststufe erreicht. Der erste Artikel des Tages ist aber ein Technik-Sammler.

  • Nutzen Sie Foto-Apps auf dem Handy? Dann sind Sie zwar in der Minderheit, aber je nach Geburtsjahr ist es eine starke Minderheit, die sich zusätzliche Tools zum Fotografieren bzw. Fotos bearbeiten herunterlädt. Selbstverständlich gibt es auch hier einen politischen bzw. gesellschaftsrelevanten Gehalt, Sie können das im Begleittext zur folgenden Grafik nachlesen.

Infografik: Zum Schnappschuss freigegeben | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die vom US-Hersteller Prisma Labs entwickelte Anwendung Lensa ist Daten von SensorTower zufolge sowohl im App Store als auch bei Google Play seit dem gestrigen Donnerstag die beliebteste Fotoapp in Deutschland. Um die App zu nutzen, müssen zehn bis zwanzig Selfies oder Portrait-Fotos eingespeist werden, aus denen die Lensa zugrundeliegenden KI-Algorithmen sogenannte „Magic Avatars“, also Profilbilder der Nutzenden in verschiedenen Kunst- und Illustrationsstilen, generieren. Wie unsere Grafik auf Basis unseres Statista Global Consumer Survey zeigt, könnten vor allem Millennials anfällig für den KI-Kunst-Trend sein.

44 Prozent der zwischen 1994 und 1980 geborenen Befragten geben an, regelmäßig Kamera- oder Fotoapps auf ihrem Smartphone zu nutzen, während der Anteil der Generation Z interessanterweise lediglich bei 40 Prozent liegt. In der Generation X, die Umfrageteilnehmer:innen mit Geburtsjahr zwischen 1979 und 1965 umfasst, beschäftigt sich noch ein Drittel mit entsprechenden Anwendungen auf ihren Handys, und auch bei den Baby Boomern nutzt noch knapp jede:r Dritte Apps zu Fotografie- oder Bildbearbeitungszwecken.

Die Technik hinter der Erstellung der „Magic Avatars“ liefert das KI-Modell Stable Diffusion, das auf Basis der Bilddatenbank LAION 2B-en trainiert wurde. Auch wenn KI-Kunst in Zukunft eine gewisse Rolle in der Kreativindustrie spielen dürfte, ist das Konzept nicht unproblematisch. So werden beispielsweise die Künstler:innen, deren Werke sich in LAION 2B-en wiederfinden und anhand derer Stable Diffusion trainiert wird, nicht dafür entlohnt, was den Verdacht auf Diebstahl von geistigem Eigentum nahelegt. Eine Entfernung der eigenen Werke aus der Datenbank ist zwar möglich, aber aufwendig. Zudem sind KI-Modelle in der Regel von einem menschlichen Bias geprägt, der dazu führen kann, dass das KI-Modell beispielsweise bestimmte Adjektive oder Werte mit bestimmten Geschlechtern oder Hautfarben assoziiert.

Etwas Generelles muss heute auch sein: Wir beobachten, dass Statista sich immer mehr mit Industrieunternehmen oder -verbänden zusammentut, um Grafiken zu erstellen, weil die Daten von dort kommen und natürlich von diesen wiederum zur Illustration genutzt werden können. In diesen Fällen gibt es logischerweise keine kritischen Textbestandteile mehr. Oben ist das hingegen der Fall, weil die Grafik als unabhängig gelten kann, zumindest dem Hersteller des beschriebenen Tools gegenüber. Wir sind wieder einmal zwiegespalten, was diese Entwicklung angeht: Einerseits verengt die Anbindung an Hersteller und Verbände die Sichtweise und bestimmt, wie berichtet wird, andererseits sind wir unbedingt daran interessiert, dass die kostenfreien Grafiken von Statista erhalten bleiben, die wir mittlerweile häufig für unsere Berichte verwenden. Außerdem lässt sich jede Grafik politisch interpretieren, dann müssen wir eben selbst mehr recherchieren oder den Zusammenhang herstellen, der uns wichtig ist. So auch hier: Klar ist es wieder eine US-Firma, die im Fokus steht, das war nicht anders zu erwarten. Wann kommt endlich die technologische Unabhängigkeit Europas und Deutschlands, die immer wieder beschworen wird? Wir finden das auch bei mehr oder weniger eklektischen Dingen wie solchen Apps relevant. Wir haben so etwas auch auf dem Handy, z. B., um schnell DSGVO-gemäße Bilder herstellen zu können, falls wir sie mal direkt ins Netz schicken, wenn auch nicht das oben besprochene Produkt. Aber ganz sicher ist es ein amerikanisches Tool. Überwiegend setzen wir, wie die meisten Nutzer:innen unserer Generation, auf das Aufspielen von Fotos  auf den Computer und die dortige Bearbeitung an einem größeren Bildschirm.

  • 30 Jahre SMS. Wir bleiben noch ein wenig bei der Technik der Mobiltelefonie und springen zurück, machen eine kleine Zeitreise. Wir erinnern uns nämlich noch daran, als 1992 die ersten Handys aufkamen. Wir verfügten seinerzeit über ein D-Netz-Autotelefon, mit im Kofferraum angebrachtem, herausnehmbarem Technik- und Batteriekasten zum Telefonieren außerhalb des Wagens. Wir wunderten uns, wo die Leute die Batterien verstaut hatten, die sich diese neuartigen, hundeknochenförmigen Geräte aufs Ohr drückten. Es hätte doch mindestens zu ausgebeulten Manteltaschen kommen müssen. Auf die Idee, dass man mit diesen Telefonen auch Fotos machen oder Musik darauf abspielen könnte, war man weit entfernt. Das änderte sich aber schon in den 2000ern,noch,  bevor die Smartphones aufkamen, nur konnte man die Fotos nicht direkt von der Kamera aus   Textnachrichten, natürlich längst auch mit Bildern, Emojis, animierten Bestandteilen, sind aber immer wichtig geblieben. Die Träger-Apps haben sich indes gewandelt.

Infografik: SMS verzeichnen 2021 Anstieg | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

„Merry Christmas“ lautet der Text der allerersten SMS der Welt. Verschickt wurde die Kurzmitteilung vor etwas mehr als 30 Jahren am 3. Dezember 1992 vom Vodafone-Mitarbeiter Richard Jarvis . Vier Jahre später veröffentlichte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (heute Bundesnetzagentur) erstmals eine offizielle Zahl zur Nutzung. 41 Millionen der kurzen Textbotschaften hatten die Deutschen 1996 verschickt. Das sollte indes nur der Anfang sein. Im Rekordjahr 2012 wurden hierzulande fast 60 Milliarden SMS verschickt. Seitdem geht es allerdings deutlich bergab, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. Der deutliche Rückgang ist vor allem der Verbreitung von Smartphones und der damit einhergehenden Nutzung von Messenger-Apps wie WhatsApp geschuldet. Indes verzeichnete die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr erstmals wieder einen leichten Anstieg. „Grund für den leichten Zuwachs könnte die Nutzung von SMS-Diensten im Rahmen von Corona sowie die 2-Faktor-Authentifizierung von Bezahldiensten sein,“ heißt es im Jahresbericht der Behörde.

In der Tat spielt auch bei unserer Nutzung von SMS-Nachrichten die oben genannte Authentifizierung eine Rolle und es gibt ein paar Menschen, denen wir dienstlich nach wie vor SMS schicken und nicht via Whatsapp, Signal etc. mit ihnen kommunizieren, weil es für uns nach wie vor einen mehr offiziellen, dienstlichen Anstrich hat. Die optische wie inhaltliche Sachlichkeit der Nachricht spielt dabei eine wichtige Rolle.

  • Die großen Netzanbieter. Überraschungen für uns.

Die Deutsche Telekom ist bei Weitem nicht mehr der meistgenutzte Netzanbieter in Deutschland. Das hat uns doch sehr überrascht, obwohl die Preispolitik des Konzerns es wiederum verständlich macht. Vielleicht setzt man lieber auf hohe Gewinnmargen als große Verbreitung. Leider gilt das mittlerweile auch für Festnetz und Internet und aufgrund des zunehmenden Spardrucks überlegen wir derzeit, ob wir erstmals nicht nur mobil, sondern auch zu Hause von der Telekom zu einem anderen Anbieter wechseln. Auch eine Überraschung für uns: Der hohe Anteil von Aldi Talk an den Mobilfunkanbietern. Möglicherweise  nutzen viele Menschen diesen Anbieter, die einen günstigen Prepaid-Tarif haben möchten.

Infografik: 51% vertrauen auf große Netzbetreiber | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Laut einer aktuellen Mitteilung der Bundesnetzagentur muss der Mobilfunkanbieter 1&1, der derzeit das Telefónica-Netz nutzt, zu Ende 2023 den Vertrieb und Ende 2025 die Geschäftstätigkeit als Diensteanbieter einstellen. Konkret bedeutet das, dass ab Ende 2023 keine Verträge in fremden Netzen mehr angeboten werden dürfen und bestehende Verträge zwei Jahre später enden müssen. Wie unsere Grafik zeigt, betrifft das einen nicht unwesentlichen Teil der Teilnehmer:innen an unserem Statista Global Consumer Survey.

Zwölf Prozent der zwischen Oktober 2021 und September 2022 Befragten gaben an, für ihr primäres Handy oder Smartphone einen Vertrag bei 1&1 abgeschlossen zu haben. Damit liegt der 2016 aus der Mutterfirma 1&1 Internet SE hervorgegangene Mobilfunkanbieter gleichauf mit der Deutschen Telekom. O2 und Vodafone hingegen kommen zusammen auf rund 39 Prozent. Besonders auffällig: Die Dominanz des Telefónica-Netzes unter den Teilnehmer:innen. Fünf der acht beliebtesten Anbieter, darunter neben 1&1 auch die Discounter Aldi Talk und Blau, setzen auf den 2014 durchgeführten Zusammenschluss der Netze von O2 und E-Plus.

Aus dem Mobilfunkgeschäft ausscheiden will 1&1 trotz der Verfügung der Bundesnetzagentur nicht. Diese bezieht sich lediglich auf die „Doppelrolle“ der Firma als derzeitiger Dienstanbieter und künftiger Netzbetreiber. Schon 2019 hatte der Konzern Frequenznutzungsrechte erworben und plant seitdem mit einem eigenen Netz als Konkurrenzangebot zu Vodafone, der Deutschen Telekom und Telefónica. Bis zum Sommer 2023 sollen deutschlandweit 1.000 5G-Masten von 1&1 in Betrieb sein, ein Ziel, das eigentlich schon für Ende 2022 angesetzt war.

Also weitere Exemplare im Mastenwald, weitere Strahlung usw. Es nimmt offenbar kein Ende und vielleicht ist das wirklich der Anfang vom Ende. Auch kurios: eine weitere Grafik zeigt, dass die Zahl der Mobilnetzanschlüsse in Deutschland immer weiter wächst. Nach einer Beruhigung Ende der 2000er bei etwas über 100 Millionen Anschlüssen gibt es seit 2016 einen erheblichen weiteren Zuwachs, der darauf hinausläuft, dass mittlerweile jeder Einwohner dieses Landes, vom Baby bis zu den Hochbetagten, über zwei Anschlüsse verfügt. Kann das sein und worauf ist es zurückzuführen? Bei zwei Autos ergibt sich der Sinn ja noch irgendwie aus der unterschiedlichen Nutzung, wenn es sich um sehr unterschiedliche Fahrzeugklassen handelt, aber bei Mobiltelefonen? Selbst, wenn jeder Erwerbstätige zusätzlich zum privaten Gerät ein Diensthandy besäße, wären das höchsten etwa 45 Millionen Geräte. Vielleicht ist dieser Überfluss und Überschuss ja … genau. Wir sehen bei einigen Menschen noch viel Sparpotenzial, erst, wenn sie dieses ausgeschöpft haben, dürfen sie tun, was wir demnächst wieder tun werden: ausführlich über die sich verschlechternde Lage Beschwerde führen.

TH

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