„Ist Greta Thunberg ein Vorbild?“ (Umfrage + Kommentar) | Briefing 93 | #Klimawandel #Thunberg

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Man glaubt es kaum, aber vier Jahre ist es her, dass Greta Thunberg das Licht der Öffentlichkeit betreten hat und „Fridays For Future“ gegründet wurde. Und was ist seitdem alles passiert. Vieles davon hat leider auch die Aufmerksamkeit beansprucht, die wir für den Klimawandel dringend bräuchten. 

Greta Thunberg selbst ist nicht mehr ganz so präsent wie damals, aber dass sie abgetaucht wäre, kann man nun wirklich nicht behaupten. In Deutschland macht derzeit aber auch die „Letzte Generation“ viel von sich reden, das heißt, für dasselbe Thema gibt es mittlerweile eine weitere Gruppe, die es der Öffentlichkeit vermitteln möchte, mit Aktionen, die noch etwas sehr Ursprüngliches haben, während Thunberg mittlerweile geradezu gereift wirkt und Bücher schreibt. Ist sie ein Vorbild, mit dem, was sie alles gesagt, getan und vielleicht durch die Präsenz von FFF und ihre Person erreicht hat?

Ist Greta Thunberg Ihrer Meinung nach ein Vorbild im Bereich Klimaschutz?

Der Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Greta Thunberg wurde bekannt als Symbolfigur der globalen Klimabewegung Fridays for Future. Vorletztes Jahr erhielt sie den Alternativen Nobelpreis aufgrund ihres aufklärerischen Einsatzes für das Klima. Seither ist es ruhiger um die mittlerweile 19-Jährige geworden. Vor kurzem veröffentlichte sie zusammen mit Wissenschaftlern, Journalisten und Künstlern „Das Klima-Buch“.

Die NZZ ist irritiert, wie die schwedische Autorin im Buch die Rolle der Medien beurteilt. Laut Thunberg ist die „Unfähigkeit, die Klima- und Ökologiekrise aufzuhalten, (…) das Ergebnis eines fortwährenden Versagens der Medien.“ Der SWR beschreibt das Buch als „weise und infantil zugleich.“ Laut SWR liefern die Autorinnen und Autoren hervorragende Antworten auf die Frage, wie alles zusammenhängt beim Klima. Aber die These, dass die Krise am System und an den Medien liege, sei „wenig zielführend.“ Für das Handelsblatt ist die Publikation „eine harte Abrechnung mit den globalen Eliten – und das völlig zu Recht.“

Thunberg erntet durch ihre Aussagen neben Zustimmung regelmäßig auch Kritik und Spott. Aufgrund ihres Alters und ihres Asperger-Syndroms hinterfragten etwa Politiker wie Friedrich Merz (CDU) oder Florian Post (SPD) früher ihre politischen Auftritte und ihre Kompetenz.

Die Frage klingt, als ob es um ihre Person geht und ihren Lebensstil. Genau der stand ja schon in der Kritik, wegen ihrer Reisetätigkeit, aber der Erklärungstext enthält nichts in dieser Richtung. 

Was glauben Sie, wie die Menschen bisher abgestimmt haben? Nur 23 Prozent sagen „eindeutig“ ja, 50 Prozent hingegen eindeutig „nein“. Nun haben viele der Abstimmenden nicht diesen Text zur Verfügung, der erläutert, was mit der Frage gemeint ist. Das ist durchaus kritisch, denn ohne diese Präzisierung dessen, worum es geht und wie man es vernünftigerweise auch verstehen sollte, ist eben die Zielrichtung der Frage nicht komplett klar. Es gibt aber noch etwas, das uns sofort aufgefallen ist. Wir sind bisher klare Unterstützer der „Letzte Generation“ und wissen daher einigermaßen darüber Bescheid, wie deren Standing in der Bevölkerung ist. Und jetzt kommt das Wichtige: Die Ablehnungs- und Zustimmungsquote ist der zur Person Greta Thunberg sehr ähnlich. Was sagt uns das?

Kommt es wirklich auf die Protestform an oder doch aufs Thema, wie Menschen reagieren? Greta Thunberg hat genau das getan, was man zuletzt von der „LG“ gefordert hat. Sie hat die Politik adressiert und dort ganz oben angefangen, auf dem Weltwirtschaftsforum von Davos. Sie hat sich nirgendwo festgeklebt, aber dass viele Schüler:innen ihrem Beispiel gefolgt sind und freitags friedlich protestiert haben, hat man ihr schon übel genommen.

Wir meinen, bezüglich des Themas Klimawandel wird viel mit Nebelkerzen geworfen. Von all jenen Konservativen und Rechten, die den Klimawandel leugnen und seine Folgen schon gar nicht für sich als persönliche Handlungsmaxime gelten lassen wollen. Es wird an allen Protestformen immer genau das kritisiert, was dem eigenen engen Weltbild nicht frommt, in Wirklichkeit geht es um die Abwehr der Realität, wie sie ist. Wir werden nach mehreren Dürrejahren vermutlich einen der wärmsten Winter bisher bekommen, zumindest, wenn aktuelle Modellierungen eintreten. Schon in den nächsten Tagen werden wir Temperaturen von 15 bis 20 Grad sehen, je nach Region in Deutschland. Was braucht es noch, um klarzustellen, dass die Klimakrise uns längst erreicht hat? Wir müssen hier nicht schon wieder die Grafik der Abweichungen vom Temperaturmittel mit Nullpunkt 1970 zeigen, die sozusagen die Standard-Darstellung zu diesem Thema ist. 

Selbstverständlich hat Greta Thunberg eine Vorbildfunktion, weil sie durch ihre Person mit ihrem Gepräge vor vier Jahren perfekt war, um eine Kontroverse hervorzurufen, die wichtig war, um das Thema Klimawandel noch irgenwie durch diese Krisenzeiten zu retten. Dass sie nicht so viel bewirkt hat, wie es notwendig wäre, um die Erderwärmung noch einigermaßen zu begrenzen, ist nun wirklich nicht ihre Schuld. Mehr, als sie getan hat, kann eine einzelne Person, zumal eine Schülerin, nicht tun. Dass sie für ihre Eigenschaften angefeindet wurde, zeigt auch wieder, wie roh ihre Gegner:innen sind. Bestimmte psychische Dispositionen sind zwar ein Nachteil bei den Alltagsautomatismen, lassen Menschen etwas vom Mainstream abweichend wirken. Sie sind jedoch ein Vorteil, wenn es darum geht, Dinge in größeren Zusammenhängen zu betrachten und auf eine zugegebenermaßen nervige Art die Essenz der daraus resultierenden Überlegungen immer wieder auf den Tisch zu legen. 

Die Mehrheit hingegen ist schlicht ignorant dem Problem gegenüber. Immer noch. Und das spiegelt sich im Abstimmungsverhalten. Es gibt keinen Klimaprotest, der dieser Mehrheit genehm wäre. Keinen Protest zumindest, der Aufmerksamkeit erregt und wachrüttelt. Deswegen werden Menschen wie Thunberg auch persönlich angegriffen, sogar für ihre mittelständische soziale Herkunft, ähnlich wie jetzt die Angehörigen der „Letzte Generation“. Man kann an jedem Menschen etwas aussetzen, etwas finden, woran man sich hochziehen kann, wenn man einfach das nicht mag, wofür jemand steht. Mangel an Ehrlichkeit gegenüber den Klimaaktivist:innen ist leider eines von vielen Problemen in diesem Spannungsfeld und führt zu haarsträubnden, wirklich unsinnigen Argumenten gegen Menschen wie Thunberg oder die „LG“-Aktivist:innen. Und dass Dass Medien wie die NZZ etwas an Thunberg auszusetzen haben, ist eher ein Beleg dafür, dass sie vieles richtig macht. Hier auch wieder eine Kritik am Erklärungstext: Was eigentlich? Das wird hier zu unbestimmt wiedergegeben. 

Was wir jetzt nicht recherchiert haben: Wie stellt sich Thunberg eigentlich zur LG? Siehst sie diese als Verbündete oder als Konkurrenz? Letzteres wäre schade, auch in der umgekehrten Richtung. Alle die sich fürs Klima einsetzen, müssen zusammenarbeiten, denn sie haben zudem die Aufgabe, denjenigen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die immer behaupten, Klimaschutz sei antisozial. Das ist er natürlich nicht, wen die Folgekosten gerecht verteilt werden. Dies anzumahnen, ist aber nicht in erster Linie die Aufgabe von Greta Thunberg, sondern eine Ergänzung, die linke Politiker:innen beizufügen hätten, wenn sie schon nicht die Avantgarde sind, die vorangeht.

Auf das eine hinweisen und sich an den aus dem Problem entstehenden Anforderungen orientieren, ohne das andere deswegen zu diskreditieren, ist das Gebot der Stunde. Thunberg ist keine Erfahrungsexpertin in Sachen Wirtschaftstransformation und es ist albern, Expertise auch noch auf diesem Gebiet von ihr zu fordern. Diejenigen, die sich damit auskennen, haben bisher aber keine Breitenwirkung erzielt und sollten dankbar dafür sein, dass die Tür zum Klimaschutz, durch die wir hindurchmüssen, wenn wir uns als Spezies retten wollen, durch sie geöffnet wurde. Manches lässt sich jetzt leichter argumentieren, wie zum Beispiel eine von Profitzwängen befreite, maßvolle, die Natur und die Ressourcen schonende Wirtschaftsweise, wenn man auf den Klimawandel hinweist.

Der Klimawandel ist das zweite Argument neben der sozialen Komponente, oder, aus unserer Sicht, dem Klassenkampf, um dem aggressiven und letztlich autoaggressiven Kapitalismus endlich den Rücken zuzuwenden. Deswegen müssen beide Themen auch miteinander gedacht und in ein gemeinsames System gestellt werden. 

Es versteht sich von selbst, dass wir mit „eindeutig ja“ gestimmt haben.

TH

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