Crimetime Vorschau – Titelfoto © MDR / Made for, Hardy Spitz
Es ist nur so ein Gefühl von uns oder stimmt es objektiv, dass aus Dresden jetzt mit am häufigsten neue Tatorte kommen? Sicher hat es damit zu tun, dass wir den letzten, den Verschwörungstheoretiker-Krimi mit der Maus („Katz und Maus“) kurz nach seinem Erscheinen bereits rezensiert haben, die Veröffentlichung des Textes ist leider noch nicht möglich, weil wir insgesamt einen Rückstand bei „Crimetime“ und „Filmfest“ haben.
Wir möchten nicht eine Rezension zu einem Zeitpunkt rückwirkend veröffentlichen, und sei es unbeabsichtigt, der auch weiter zurück liegt als das Premierendatum. Damit würden wir suggerieren, wir gehörten zu den Privilegierten (die sich die Filme vorab anschauen dürfen). Außerdem kämen dann die Rezensionen zeitlich vor den Vorschauen an unsere Leser:innen. Ist es eklektisch, worüber wir gerade reflektieren?
Whatever, hier die Fakten: In allerjüngster Zeit trifft unser Eindruck zu. Nach dem erwähnten Tatort (er trägt die Nr. 1217) kommt auch die 1221 wieder vom MDR, der es zunehmend schafft, endlich eine überzeugende Schiene zu etablieren. Auch wenn uns „Katz und Maus“ nicht wirklich überzeugt hat, aber das werden Sie dann ja bald lesen. Der nächste Dresden-Tatort, rückwärts gerechnet, ist die Nr. 1203, „Das kalte Haus“. Eine relativ große Pause gab es zuvor, „Unsichtbar“ trug die Nummer 1174. Nun wollten wir es genau wissen: 15 Tatorte aus Dresden seit 2016, beginnend mit der Nummer 978. Welchen Durchschnitt von Film zu Film ergibt dies? 16,2.
In der Tat, bei 21 bzw. 22 Teams in dieser Phase präsentiert man in Dresden häufiger neue Krimikost als der Durchschnitt. Underperformer in dieser Hinsicht sind z. B. der Saar-Tatort, der nur einmal pro Jahr kommt, das macht einen von 35 bis 40 Tatorten. Des einen Unter- ist des anderen Überrepräsentanz, daran führt nichts vorbei. Die gefühlte Häufung hat allerdings auch damit zu tun, dass wir nach dem dritten Winkler-Gorniak-Film nicht mehr konsequent nach den Tatort-Premieren rezensiert haben und uns daher mehrere Filme des heutigen Teams fehlen, während wir über alle Sieland-Gorniak-Tatorte geschrieben haben. Für uns besteht der Eindruck, Leonie Winkler ist noch relativ neu, während sie in Wahrheit schon neunmal mit Karin Gorniak geteamt wurde, Sieland zuvor nur sechsmal. Immer dabei: Gorniak selbst und Dienststellenleiter Schnabel.
Damit diese Vorschau nicht über Seiten hinweg konsequent auf Distanz zum konkreten Fall 1221 bleibt, steigen wir nun mit denen ein, die es besser wissen als wir:
Der Mörder ist immer der Gärtner? Nein, in diesem Fall trifft die Berufsbezeichnung auf die Ermordete zu. Die Dresdner Oberkommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) müssen in ihrem neunten gemeinsamen Einsatz den Mord an einer Gärtnereibesitzerin aufklären. Was zunächst nach einem unerklärlichen Gewaltverbrechen an einer tadellosen Geschäftsfrau aussieht, entpuppt sich im Laufe der Ermittlungen als Familiendrama ungeheuren Ausmaßes, dessen Wurzeln bis in die DDR zurückreichen.
Tatort Folge 1221: Totes Herz – Tatort Fans (tatort-fans.de)
Oh, in die DDR! Also über 30 Jahre zurück. Wann hatten wir das beim MDR zuletzt? Wir erinnern uns noch an „Nasse Sachen“, einen Tatort mit Stasi-Hintergrund, gedreht mit dem Vorgängerteam Saalfeld / Keppler, die in Leipzig ermittelten. Es ist gar kein Ende absehbar, denn falls diejenigen nicht mehr leben, welche die DDR noch erlebt haben, könnte man deren Nachfahren als Rächer installieren und die Nachfahren der Täter als Opfer. Damit es in einer Welt, in der Familientragödien nicht so statuarisch sind wie in Gegenden, in denen es die Blutrache gibt, der Hintergrund plausibel bleibt, sollte es etwas wie eine fortgesetzte Bereicherung auf der einen und eine unüberwindbare Verarmung auf der anderen Seite geben, ganz im Brecht’schen Sinne. Geld beherrscht sowieso die Welt und führt zu unzähligen Verbrechen ganz unterschiedlichen Ausmaßes, manche davon werden auch als gerechter Krieg und dergleichen propagandistisch verkauft und drauf gehen dabei immer die, die kein Geld haben. Das ist, bezüglich „Das tote Haus“, aber nur Spekulation, wir kennen den Hintergrund ja noch nicht. Unsere Vorschauen haben dennoch den Vorzug, dass die Kritiker:innen, die wir zu Wort kommen lassen, Ihnen aufgrund unserer geschickt gewählten Ausschnitte aus ihren Texten ein recht umfassendes Bild von dem liefern, was Sie erwartet, ohne zu sehr zu spoilern:
„Totes Herz“ ist ein Film, der mit einem ziemlich gewöhnlichen Mordfall beginnt, sich aber im Laufe der Handlung zu einem echten „Crime Thriller“ entwickelt, der den Zuschauer komplett in seinen Bann zieht. Raffiniert werden beständig falsche Fährten gelegt, sodass sich erst ganz am Ende das wahre Ausmaß der familiären und menschlichen Tragödie erschließt, die hier erzählt wird. Ein Spiel mit Vertrauen und Misstrauen sowohl innerhalb der erzählten Welt als auch gegenüber dem Publikum, schauspielerisch und dramaturgisch erstklassig umgesetzt. Das ist Krimiunterhaltung auf höchstem Niveau, wie sie mittlerweile zum Markenzeichen des Duos Gorniak/Winkler geworden ist. Einschalten lohnt sich!“
Tatort Folge 1221: Totes Herz – Tatort Fans (tatort-fans.de)
Siehe oben, ich bin der Ansicht, dass die vorausgehende Nr. 1217 allzu flach in das Thema des Lebens und Wirkens von Verschwörungstheoretiker:innen eingestiegen ist, aber ich erinnere mich auch an wirklich gute Filme des Teams. Wir machen gleich weiter:
„Ab der Hälfte ist dieser Tatort richtig gut, schauspielerisch ragt Alexander Schuster als Juri für mich heraus und dann haben sich die Macher ganz zum Schluss noch einen besonderen Kniff überlegt: In einer Art Abspann bekommen wir als Zuschauer nachgeliefert, was wir im Fall nicht gesehen haben und die Sache wird rund. Auch wenn man nicht alles hinterfragen darf. Von mir gibt’s 3 von 5 Elchen.“
Tatort-Kritik: „Totes Herz“ mit Winkler, Gorniak und Schnabel – SWR3
Bis jetzt haben wir besonders wenig gespoilert, wenn man es an der zweiten Kritik festmacht, aber dass es um eine Gärtnerei geht, wird weiter vorne im Text auch erwähnt und wir lassen diese Information hier vorsichtig fallen, denn der Mörder ist nicht immer der Gärtner.
Tatort – Totes Herz – Kritik zum Film – Tittelbach.tv
„Nachdem „Totes Herz“ (MDR / MadeFor) alle Krimi-Konventionen weidlich ausgeschöpft hat, dürften „Tatort“-Kenner nach etwa dreißig Filmminuten ahnen, dass dies wohl einer jener Whodunits werden muss, die zur Halbzeit noch mal neu durchstarten. Bis dahin ist alles Routine. Danach wird es zumindest thematisch interessant, bevor es auf der Zielgeraden verblüffend und spannend wird. Psychologisch allerdings sollte man die Geschichte besser nicht hinterfragen. Was diesem „Tatort“ – wie zuletzt fast immer beim Dresdner Reihen-Ableger – vor allem fehlt, ist eine spürbare übergeordnete Erzählinstanz, die nicht mit der Perspektive der Ermittler identisch ist. Und so hecheln diese einmal mehr blauäugig, bieder und beredt den Fakten hinterher und geben ihren Senf dazu. Für Zuschauer mit langer Leitung erstatten die Kommissarinnen in regelmäßigen Abständen ihrem Chef brav Bericht.“
Rainer Tittelbach vergibt für „Totes Herz“ 3,5/6, das ist in etwa die Untergrenze dessen, was man in dieser Publikation Filmen wertungsmäßig verabreicht, die dem Premium-Sonntagabendkrimi-Format angehören, das umschließt auch die Parallelreihe „Polizeiruf 110“. Jetzt weiß ich wenigstens, was mir an „Katz und Maus“ so schlicht vorkam: Es liegt an den schlichten Gemütern der Ermittler:innen, dass der Film den intellektuellen Background der V-Theoretiker nicht zu beleuchten vermag. Klar, Winkler und Gorniak haben das Ziel, ein Verbrechen aufzuklären, nicht, eine inhaltliche Auseinandersetzung über Menschen wie den Typ zu führen, der sich einen überdimensionalen Mäusekopf aufsetzt und behauptet, Kinder würden gefangen gehalten und von Politiker:innen sexuell missbraucht. Oder so ähnlich.
Fast genauso schlimm: Dass Politiker:innen das in der Realität gar nicht nötig haben, ihrer Dämonen illegal und im Verborgenen wirken zu lassen. Mal sehen, ob wir noch Kritiker:innen finden, die vor Begeisterung aus den Nähten platzen.
„Die komplexe Story, die weit in die DDR zurückführt, ist zwar reichlich konstruiert, punktet aber mit falschen Fährten und dramatischen Wendungen. Autorin Kristin Derfler, für das IS-Drama „Brüder“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, schrieb ihr erstes „Tatort“-Skript, das Andreas Herzog („Die Toten von Marnow“) stringent und mit Drive inszenierte.“
Tatort: Totes Herz – Filmkritik – Film – TV SPIELFILM
Na bitte, geht doch. Fast jedenfalls. Daumen noch ist ja auch eine Bewertung, wenn auch keine so präzise wie die vielen Sterne und Punkte, inklusive möglichem Durchschneiden eines Sterns oder Punktes in der Mitte, wie es auch bei uns möglich ist. Um nicht wieder die gute Stimmung zu verderben, die sich gerade ergeben hat, belassen wir es heute auch bei vier Stimmen und schließen den Vorbericht zum 15. Dresden-Tatort der aktuellen Generation.
TH
Handlung
Während der Arbeit im Gewächshaus entdeckt Patrick Teichmann die Leiche seiner Schwiegermutter Heike Teichmann. Der Gärtnereihelfer Juri flieht, die Tatwaffe in der Hand, und gerät so als Erster ins Visier der Ermittlerinnen Gorniak und Winkler. Doch auch die Tochter des Opfers, Nadine Teichmann, kommt als potenzielle Täterin infrage. Denn die Kommissarinnen erleben am Tatort einen Familienbetrieb, der von einem friedlichen Zusammenleben dreier Generationen unter einem Dach weit entfernt scheint. Auch von Eheharmonie zwischen Nadine und ihrem Mann Patrick Teichmann kann nicht die Rede sein – sie stehen kurz vor der Trennung.
Die Ereignisse nehmen eine neue Wendung, als ein wichtiger Zeuge beseitigt wird und die Obduktion ergibt, dass Heike Teichmann am Broken-Heart-Syndrom litt. Sie muss sich zuletzt in einem emotionalen Ausnahmezustand befunden haben. Die Kommissarinnen kommen mit psychologischem Feingespür der Wahrheit auf die Spur – die weit in die Vergangenheit Heike Teichmanns führt. Nun muss auch ihre eben noch tatverdächtige Tochter Nadine um ihr Leben fürchten. Karin Gorniak und Leonie Winkler werden zu einem atemlosen Wettlauf herausgefordert, der für sie zuletzt eine schockierende Entdeckung bereithält.
Besetzung und Stab
Oberkommissarin Karin Gorniak – Karin Hanczewski
Oberkommissarin Leonie Winkler – Cornelia Gröschel
Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel – Martin Brambach
Kriminaltechniker Philipp Laupheimer – Yassin Trabelsi
Gerichtsmediziner Dr. Himpe – Ron Helbig
Nadine Teichmann – Kristin Suckow
Patrick Teichmann – Nico Rogner
Anna Teichmann – Amelie Zappe
Heike Teichmann – Tanja de Wendt
Swetlana Nowak – Lara Feith
Juri Nowak – Alexander Schuster
Claudia Melles – Yvonne Yung Hee Bormann
Dr. Erwin Stirn – Lutz Blochberger
u. v. a.
Drehbuch – Kristin Derfler
Regie – Andreas Herzog
Kamera – Marcus Kanter
Musik – Chris Bremus
Ton – Alexander Schindler
Licht – Martin Handrow
Schnitt – Gerald Slovak
Szenenbild – Thilo Mengler
Kostümbild – Filiz Ertas
Producerin – Philine Zebralla
Produzenten – Nanni Erben, Gunnar Juncken
Redaktion – Sven Döble