Der vierte Mann (Kansas City Confidential, USA 1952) #Filmfest 887

Filmfest 887 Cinema

 Der vierte Mann (Originaltitel: Kansas City Confidential) ist ein in Schwarzweiß gedrehter US-amerikanischer Film noir von Phil Karlson aus dem Jahr 1952.[1]

Da, wo ich den Film gesehen habe, war er nachkoloriert. Deshalb gleich eine Empfehlung: Nehmen Sie diese total künstliche und manchmal den Bewegungen nicht ordnungsgemäß folgende Farbe raus, wenn Sie einen Film vor sich haben, der ursprünglich in S/W gedreht wurde. Ich habe das hier nach mehreren anderen Filmen aus dieser Quelle endlich getan und dadurch gewinnt der Film vielleicht nicht das totale Noir-Gepräge, aber mehr Kontrast und Natürlichkeit.

„Der vierte Mann ist einer der besten Film noirs der 1950er Jahre.“ – Geoff Mayer und Brian McDonnell, Encyclopedia of Film Noir[3]

Ob das stimmt, klären wir in der Rezension.

Handlung

Tim Foster plant in Kansas City einen Bankraub. Dazu trifft er sich nacheinander mit den drei Kriminellen Pete Harris, Tony Romano und Boyd Kane, um sie als Komplizen anzuwerben. Da Foster während dieser Treffen sein Gesicht hinter einer Maske versteckt, bleibt er selbst für die Gangster aber anonym. Damit sich die drei im Falle einer späteren Verhaftung auch untereinander nicht identifizieren können, tragen alle auch während des Überfalls Masken. Der Raub läuft wie geplant und die Räuber können unerkannt fliehen. Foster gibt seinen Komplizen die Anweisung, sich an verschiedenen Orten außerhalb des Landes zu verstecken und dort abzuwarten, bis er ihnen ein Telegramm schickt, um sie zur Aufteilung der Beute zusammenzurufen.

Da die Gangster als Fluchtfahrzeug einen Lieferwagen mit der Aufschrift eines Blumengroßhändlers verwendet haben, wird Joe Rolfe, der Fahrer des echten Auslieferfahrzeugs, festgenommen. Weil Rolfe selbst eine kriminelle Vergangenheit hat, geht die Polizei mit ihm bei den folgenden Verhören alles andere als zimperlich um. Obwohl man ihm letztendlich nichts nachweisen kann und er wieder frei gelassen wird, verliert Rolfe seinen Job, der für ihn die Chance eines Neuanfangs bedeutet hatte. Um seinen ruinierten Ruf wiederherzustellen, macht er sich selbst auf die Suche nach den Bankräubern.

Durch seine alten Unterwelt-Verbindungen gerät Rolfe auf die Spur von Pete Harris. Es gelingt ihm, Harris in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana aufzuspüren und aus ihm die Wahrheit über den Banküberfall herauszupressen. Da Harris zwischenzeitlich das erwartete Telegramm erhalten hat, wird er von Rolfe gezwungen, gemeinsam zum geplanten Treffen zu fliegen. Als Harris in der Abflughalle von der Polizei gestellt und erschossen wird, schlüpft Rolfe kurzerhand in dessen Rolle und fliegt selbst zum Treffpunkt, einem Urlaubshotel in einem mexikanischen Badeort. Dort trifft er auf die anderen drei Bankräuber.

Es stellt sich heraus, dass Foster ein verbitterter ehemaliger Polizeibeamter ist, der die Beute nicht wirklich aufteilen will. Vielmehr beabsichtigt er, seine Komplizen der Polizei ans Messer zu liefern, um die ausgeschriebene Belohnung der Versicherungsgesellschaft zu kassieren. Als herauskommt, dass Rolfe nicht der ist, für den er sich ausgibt, überschlagen sich die Ereignisse. Bei der finalen Konfrontation werden Romano und Kane erschossen und Foster tödlich verwundet. Bevor er stirbt, teilt Foster der Polizei mit, dass er gemeinsam mit Rolfe die Gangster überführt hätte und Rolfe deshalb die Belohnung zustünde. Rolfe bringt es nicht übers Herz, Fosters Lüge aufzudecken, und bestätigt seine Geschichte.

Rezension

„Inszenatorisch mäßiger Gangsterfilm mit einigen Rohheiten, der als Spiegel menschlicher Verworfenheit angepriesen wurde, diesem reißerischen Anspruch aber nie gerecht wird.“ – Lexikon des internationalen Films[2]

Wie der Verleih den Film in Deutschland angekündigt hat, weiß ich nicht, aber „Der vierte Mann“ ist ein ausgesprochen unreißerischer Verleihtitel. Allerdings erinnert er an einen der besten Thriller aller Zeiten namens „Der dritte Mann“, eine britische Produktion, die wenige Jahre zuvor entstand, und, wenn man es von diesem Film aus betrachtet, fällt fast jeder andere Krimi ab. Trotzdem geben die IMDb-Nuter:innen „Der vierte Mann“ aktuell 7,3/10, das ist sehr anständig für ein Werk, bei dem ich nicht ganz sicher bin, ob es sich um einen B-Film handelt. Von der Länge eher nicht, 100 Minuten sind damals für den Hauptfilm des Abends üblich gewesen. Von der Besetzung her aber schon, denn Lee van Cleef war damals noch fast unbekannt und John Payne war ein Hauptdarsteller der zweiten Reihe. Der Film ist aber nach meiner Anicht nicht mäßig, sondern  „straight“ inszeniert, ohne viel Firlefanz. Und er hat einen interessanten Plot. Zumindest ab dem Moment, in dem der „falsche“ Mann ins Spiel kommt und anfängt, sich an die eigentlichen Gauner heranzumachen.

Die Ausgangssituation, die das ermöglicht, weist hingegen einige Fragwürdigkeiten auf: Warum musste unbedingt ein zweiter Blumenwagen kunstvoll organisiert werden und wie haben sie es hingekriegt, wenn sie ohnehin diesen Wagen kurz darauf in einen Lastwagen verladen haben und er somit aus dem Blick der Öffentlichkeit war? Und den Lastwagen haben sie dann samit dem Blumen-Lieferwagen einfach irgendwo stehenlassen, wo die Polizei beide gefunden hat. Nicht sehr geschickt, zumal der Verdacht tatsächlich auf dem Fahrer des echten Blumenwagens lastete, der zufällig keine ganz saubere Vergangenheit hat. Schnell kommt er in die Mühlen der Polizei und ist fast gezwungen, selbst zu ermitteln, um aus der Kiste rauszukommen. Dieser Part ist zwar ebenfalls von ein paar kleinen Fehlern nicht frei, aber sehr spannend, weil man nicht einschätzen kann, wie die Charaktere handeln werden. Sicher, dass sie am Ende einander umbringen wollen, weil die Gier nicht bei 300.000 Dollar haltmacht und außerdem von demjenigen, der alles inszeniert, hinters Licht geführt wurden, das sind Standards: He, legen wir doch C um, sagt B zu A, dann haben wir mehr von der Beute. Da denkt sich A: Am meisten hätte ich davon, wenn ich B auch kaltmache. Wenn Heist-Movies immer so enden würden, würde sich niemals eine Bande zusammenfinden, die so einen richtig guten Einbruch hinkriegt, das ist voll gegen die Ganovenehre.

Mir gefällt deshalb „Rififi“ besser, in dem eine Ansammlung vom Schicksal geplagter Profis minutiös beim Einbruch gefilmt wird. An diesen Film hat mich „Der vierte Mann“ nicht wegen der Charaktere erinnert, aber wegen des Beginns. Die Beobachtung von nebenan aus, der Blumenwagen, der jeden Morgen zu einem ähnlichen Zeitpunkt neben der Bank hält wie der Geldtransporter vor der Bank. Die Ausführung des Coups ist aber in „Der vierte Mann“ nicht so wichtig, die echt guten Heist-Movies sollten auch noch folgen, wie eben „Rififi“. Einen Auftakt dazu bildete der großartige „Asphalt Jungle“ aus dem Jahr 1950 allerdings schon vor „Der vierte Mann“.

„Der vierte Mann“ lebt also eher von der Spannung, bei mir sogar noch mehr als bei Zuschauern, die einen Fehler nicht gemacht haben oder deren visuelle Kognition besser ist als meine es an dem Abend war: Mir war zunächst nicht klar, dass der Typ Foster in der Freizeitkleidung, der Expolizist, der Chef beim Überfall war, der sich den anderen nur mit Maske zeigte. Der Zuschauer sieht ihn ja auch ohne. Ja, Kleider machen Leute und man zieht halt zum Fischen im Trüben keine Anzüge an. Insofern wissen die meisten Zuschauer, wen sie vor sich haben, als der Mann dort auftaucht, wo er die drei ausführenden Räuber hinbestellt hat.

Wichtig ist für die Betrachtung auch, dass er sich Handlanger sucht, die etwas auf dem Kerbholz haben und die er zum Mitmachen mehr oder weniger unsanft überreden kann. So richtig ist nicht klar, ob er sie mit aktuellen, noch ungesühnten Verbrechen erpresst, die er der Polizei mitteilen könnte. Dann wäre sein Coup auch noch der Festsetzung dieser Galgenvögel dienlich und er könnte gleichzeitig die Belohnung kassieren. Trotzdem ist er rechtstechnisch gesehen selbstverständlich Anstifter und nötigt die anderen sogar zur Ausführung des von ihm geplanten Raubes.

Zur Spannung trägt weiterhin bei, dass eben Hauptdarsteller John Payne nicht so berühmt ist wie die Superstars der damaligen Zeit. Auch bei Humphrey Bogart war es zwar so, dass er sowohl in Filmen mit gutem wie solchen mit bösem Ende spielte, zwielichtige, bessere oder ganz ungute Figuren, aber wenn innerhalb eines Films klar ist, wo er steht, hat man auch eine Ahnung davon, wie es ausgeht. Positiv, wie in „African Queen“ oder unbedingt tödlich, wie in „An einem Tag wie jeder andere“. Oder irgendwie dazwischen, sogar melancholisch, wie in „Casablanca“. Bei John Payne aber hatte ich keine Idee, wie seine Figur wirklich handeln wird und da er ebenso straight spielt, wie der Film inszeniert ist, hätte ich fast jede Überraschung akzeptiert, gekauft sozusagen. Zumindest, bis das good Girl ins Spiel kommt, ausgerechnet die Tochter des frustrierten Polizisten und Jurastudentin. Wenn es zu einer solchen Figur kommt, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass es auch gut ausgeht. Zumindest, sofern der männliche Hauptdarsteller noch keine Unschuldigen auf dem Gewissen hat und, wie hier, an dem Raub gar nicht beteiligt war. Es ist ein wenig misslich, dass Plots durch den Auftritt von netten Frauen im Grunde bezüglich des weiteren Verlaufs stark verengt werden, sofern der schattige Held kein Generalschurke ist.

Finale

Ich bin auch weiterhin dagegen, einen Krimi oder Thriller wie diesen als Film noir zu bezeichnen. Es gibt eben keine Femme fatale, es gibt kein düsteres, vorherbestimmtes Schicksal und gut ausgehen tut das Ganze auch noch. Klar, die Schurken sterben und Foster muss wegen seiner Manipulation ebenfalls dran glauben, aber im Grunde ist das ja, nach jedem simplen Maßstab, den man anlegen kann, gerecht oder doch okay. Ein bisschen traurig, wegen seiner Tochter, die nun vaterlos ist, aber sie kriegt ja dafür einen Mann, der sich, um seinen Ruf zu retten, in eine wirklich gefährliche Situation begeben hat und sie bravourös meistert. Vielleicht beginnt er unter ihrem Einfluss ein Jurastudium und man möge mir bitte nicht entgegenhalten: „Wenn das kein Film-noir-Ende ist!“. Man sieht ja nicht, wie es weitergehen könnte, ich habe nur spekuliert. Mir hat „Der vierte Mann“ vor allem deshalb gefallen, weil er nicht vorhersehbar ist, die Charaktere recht gut gezeichnet werden, die Handlung ab einem gewissen Punkt ohne größere Holperer abläuft und man sich, großer Vorteil, nicht auf das schmale Brett begibt, bei der vorhandenen Besetzung und den von ihr dargestellten Charakteren zu sehr ins Philosophische zu verheben. Einer der besten Noirs der 1950er ist „Der vierte Mann“ also für mich nicht, aber ein solider, packender Krimi. Im Grunde kann ich mich der IMDb-Nutzer:innenwertung anschließen.

74/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

[1], kursiv, tabellarisch: Der vierte Mann (1952) – Wikipedia

Regie Phil Karlson
Drehbuch George Bruce
Harry Essex
Rowland Brown (Story)
Harold Greene (Story)
Produktion Edward Small
Musik Paul Sawtell
Kamera George E. Diskant
Schnitt Buddy Small
Besetzung

Hinterlasse einen Kommentar