Frontpage | Briefing 107 (hier zu 106) | Agrarwende, Profite mit Lebensmitteln, Wir haben es satt
Liebe Leser:innen, heute möchten wir Sie wieder aktivieren, falls Sie nicht längst aktiv sind. Mit einer Aktion, die man gut und gerne als Traditionsdemo bezeichnen kann. Wir waren vor zwölf Jahren erstmals dabei, als unter dem Motto „Wir haben es satt“ viele Menschen für die Agrarwende auf die Straße gegangen sind. Im „ersten Wahlberliner“ erschien ein ausführlicher Bericht.
Was wurde seitdem erreicht? Wenig. Und das wenige steht nun wegen des Ukrainekriegs und der Inflation infrage:
Text für die Dema auf Campact:
Milliardengeschäft mit unserem Essen
Essen wird teurer – die Angst vor weiter steigenden Preisen ist hoch. Agrarkonzerne freuen sich darüber. Für sie ist die Krise eine Chance, um Pestizide, Massentierhaltung und Monokulturen als Lösung zu verkaufen. Am Samstag, 21. Januar stellen wir uns dagegen: mit der „Wir haben es satt”-Demo in Berlin. Thomas, bitte komm auch Du und steh ein für gesunde, bezahlbare Lebensmittel! Hier sind alle Infos für Dich.
Ja, ich komme zur „Wir haben es satt”-Demo
Ich kann leider nicht teilnehmen
Hallo Thomas,
die Agrarlobby bringt sich in Stellung. Denn der Krieg gegen die Ukraine treibt die Preise für Mais, Weizen und Gerste nach oben. Die Folge: Hungerkatastrophen im globalen Süden und hohe Lebensmittelpreise bei uns. Für die Agrarlobby ist diese Not ideal. Sie will von der Krise profitieren und die ersten Erfolge einer beginnenden Agrarwende zurückdrängen. Menschen, Artenvielfalt und Klima sind den Konzernen sichtlich egal.
Bisher hat die Lobby Erfolg: Die EU-Kommission hat bereits ihre Pläne gestoppt, Glyphosat zu verbieten und den Viehbestand in Megaställen zu reduzieren.[1][2] Und auch Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) knickte ein: Flächen für den Artenschutz hat er wieder für die Produktion von Futter für die Massentierhaltung freigegeben.[3] Wir müssen diesen Trend stoppen – und Özdemir an seine Worte zur Agrarwende erinnern: „Die Zeit ist jetzt!“[4] Wir zeigen dem Minister, dass wir uns gegen die Lobby und ihren Einfluss wehren und fordern auf der „Wir haben es satt”-Demo: Menschen und Klima müssen über den Profiten einzelner Konzerne stehen!
Die Gelegenheit ist günstig. Zur Grünen Woche, der größten Agrarmesse der Welt, präsentieren Bayer, Bauernverband und Co. ihre klimaschädlichen Antworten auf die Krise. Wir lassen diese PR-Show auffliegen. Mit über 60 Bündnispartner*innen zeigen wir, wie nachhaltige Antworten auf die Nahrungsmittelkrise aussehen. Zum Auftakt der Messe am Samstag, 21. Januar, ziehen wir mit Landwirt*innen, Bäcker*innen, Imker*innen, Umweltschützer*innen und Gewerkschaftler*innen bei „Wir haben es satt” durch Berlin.
Ein Korso von Treckern, die durchs Regierungsviertel rollen; überall Plakate und Transparente. Eine riesige Abschlusskundgebung. „Wir haben es satt” ist zurück – und soll nach der Pandemie wieder zur vollen Stärke auflaufen! Das hätte die Kraft, Özdemir zu überzeugen, dass er in der Schuld steht. Er muss sich einsetzen für weniger Getreide in den Futtertrögen, mehr regional und ökologisch erzeugte Lebensmittel und weniger Pestizide. Ob die Demo uns in der Agrarwende nach vorne bringt, hängt von Menschen wie Dir ab. Bitte sag uns jetzt Bescheid, ob Du am Samstag, 21. Januar in Berlin dabei bist! Mit dem Button kommst Du auf die Demo-Seite.
Ort: Brandenburger Tor, Berlin (Stadtplanlink)
Zeit: Samstag, 21. Januar 2023, 12 Uhr
Auf den ersten Blick klingen die Forderungen der Agrarindustrie plausibel. Ja, es ist richtig, dass mit dem Krieg in der Ukraine eine große Exporteurin von Agrargütern weniger liefern kann. Doch es wäre falsch, den gesetzlichen Rahmen zu lockern, um kurzfristig mehr Getreide ernten zu können.
Denn den Konzernen geht es nicht um die Bekämpfung des Welthungers, sondern um Profit. Das sieht man daran, wie stark sie weiter auf Tiermast setzen: 60 Prozent der Anbauflächen in Deutschland werden für Tierfutter genutzt.[5] Dabei verbraucht die Produktion von Fleisch unverhältnismäßig viele Rohstoffe. 15.400 Liter Wasser und bis zu 9,4 Kilo Getreide – das kostet ein einziges Kilo Rindfleisch.[6] Megaställe verschärfen so die Nahrungsknappheit.
Mit der „Wir haben es satt”-Demo zeigen wir am 21. Januar, dass es anders geht. Bäuer*innen fordern Artenschutz ein und lassen neben ihren Äckern Platz für Kleintiere. Bäcker*innen verkaufen ein „Inflationsbrot”, mit dem sie keinen Gewinn machen, sondern Menschen unterstützen, die wenig besitzen. Köch*innen bekennen sich zu pflanzlicher Küche. Ohne Konzerne, die Milliarden an unserem Essen verdienen, gibt es bezahlbare und gute Lebensmittel für alle.
Es sind nur noch zwei Wochen bis zur Demonstration. Und wir wollen als beeindruckender Zug am Ministerium von Landwirtschaftsminister Özdemir vorbeiziehen. Doch dafür müssen sich jetzt viele Menschen an unsere Seite stellen. Nur so setzen wir der mächtigen Agrarlobby etwas entgegen und haben die Chance, weitere Kriegsprofite zu verhindern. Am 21. Januar in Berlin kommt es auf jede einzelne Stimme an. Sei auch Du dabei – klicke auf den Button und erfahre alle Details!
Ja, ich komme zur „Wir haben es satt”-Demo
Ich kann leider nicht teilnehmen
Herzliche Grüße
Verena Kraß, Campaignerin
PS: Trotz Ukraine-Krieg und Energiekrise ist der Gewinn der Bayer AG in diesem Jahr um 73 Prozent gestiegen. Konzerne profitieren von den hohen Preisen für Saatgut und Pestizide. In vielen Regionen der Welt ist das Pflanzengift Glyphosat inzwischen zwei- bis dreimal so teuer wie noch vor einem Jahr. Absurde Profite mitten in der Krise – das muss ein Ende haben. Bitte komm am Samstag, 21. Januar in Berlin mit auf die Straße, denn wir haben Krisenprofite satt!
Ja, ich komme zur „Wir haben es satt”-Demo
Ich kann leider nicht teilnehmen
[1]„Glyphosat-Verlängerung in der EU – Was das bedeutet“, Bayerischer Rundfunk Online, 9. Dezember 2022
[2]„EU-Agrarpolitik kommt wegen Ukraine-Krieg auf den Prüfstand“, agrarheute Online, 3. März 2022
[3]„‚Ein Kompromiss, der auch wehtut‘: Agrarminister Özdemir will Getreideanbau auf Brachflächen erlauben“, Tagesspiegel Online, 7. August 2022
[4]„Rede des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir“, Website der Bundesregierung, 15. Dezember 2022
[5]„Trog oder Teller?“, Tagesschau Online, 18. April 2022
[6]„Das steckt hinter einem Kilogramm Rindfleisch“, Internetseite der Albert Schweizer Stiftung, eingesehen am 9. Dezember 2022
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Vorhin hatten wir noch ein Gespräch mit Arbeitskolleg:innen. Glaubt irgendwer von euch, dass die exorbitanten Preissteigerungen bei den Lebensmitteln wirklich der Energiekrise geschuldet sind, die längst wieder im Abflauen begriffen ist? Die Energiebeschaffungsprobleme gehen, das, was die Konzerne und nicht nur die Konzerne an höheren Preisen durchgedrückt habt, wird bestehen bleiben. Im Oktober 2022 lag die Lebensmittelinflation auf Jahresbasis offiziel bei mehr als 14 Prozent, also noch einmal um ca. 4 Prozent höher als die allgemeine Teuerung. Aber dieses Bild ist verzerrt, weil Luxusprodukte aus dem Lebensmittelsektor in die Betrachtung einfließen, die weniger stark vom Preisauftrieb betroffen sind. Bei Grundnahrungsmitteln wie Brot beträgt die Teuerung satte 20-25 Prozent und die Befürchtung, dass es so weitergehen wird, ist sehr realistisch. Wenn die Produzenten erst einmal merken, dass die Menschen sich wegen der sogenannten Krisen nicht mehr trauen, aufzumucken, zocken sie die Verbraucher:innen noch mehr ab.
Der andere Part ist die Agrarwende. Warum sollte es ihr besser gehen als der Energiewende, die hinten und vorne nicht funktioniert? It’s the Lobbyismus, stupid. Lobbyismus schlägt Demokratie und gute Ware, gute Energie, gutes Leben für uns alle. Man weiß schon gar nicht mehr, wogegen man derzeit demonstrieren soll, was die höchste Priorität hat. Wer die Zeit erübrigen kann, sollte überall mitmachen. Am besten wäre es, es gäbe eine konzertierte Aktion, die alle derzeitigen Ziele vereint und dadurch auch einen hohen Wirkungsgrad erreicht, dass sie mehr als nur einmal im Jahr Präsenz zeigen kann.
Deswegen wiederholen wir es immer wieder gerne: Wer nur eines der Probleme im Blick hat und vor allem den Hintergrund nicht ausleuchtet, der zu dieser wenig nachhaltigen Wirtschaftsform geführt hat, die wir haben, der sollte das ändern von der Kritik an einzelnen Tatbeständen, seien sie für sich auch noch so wichtig, zur Systemkritik übergehen.
Die Agrarwende-Demo unterstützen wir auf jeden Fall, denn die Initiator:innen haben bewiesen, dass sie einen langen Atem haben, nie aufgeben und schon auf der Straße waren, bevor der Klimawandel die Menschen bewegt hat. Wir sind sicher, die Aktiven werden gerade einem grünen Agrarminister, der sich gegen nachhaltiges Wirtschaften stellt, auf die Finger klopfen. Denn hier werden, wie auch bei der Energiewende, gerade in massiver Form grüne Versprechen gebrochen und eine Partei, die mitregiert, muss dafür mehr in die Verantwortung genommen werden als eine Oppositionspartei. Wir lassen uns nicht einreden, der Rückfall in alte Muster oder deren Beibehaltung bei der Massenproduktion von Lebensmitteln sei notwendig, damit niemand hungert. Dieser Rücksturz soll die Profite mit Lebensmitteln in bisher für unmöglich gehaltene Höhen treiben, das ist die leider ebenso banale wie unerfreuliche Wahrheit. Sind Sie am Samstag, den 21. Januar dabei?
TH