Crimetime Vorschau – Titelbild © WDR / Bavaria Fiction, Thomas Kost
Sie erinnern sich gewiss oder haben davon gehört, dass im Tatort Nr. 1190 aus Dortmund mit dem Titel „Liebe mich“ Martina Bönisch, Peter Fabers Ermittlungspartnerin, verstorben ist. Nun muss er mit den übrigen aus dem Team alleine mitmachen. Einen Ersatz gibt es zumindest in Episode 1190 noch nicht für die Frau, zu der Faber ein so ambivalentes Verhältnis hatte.
Um dem Film trotz der Leerstelle eine gewisse Fülle mitzugeben, hat man die nicht gerade seltene Variante gewählt, dass Fabers Vater ins Visier von Ermittlungen gerät und damit für Faber auch eine Reise in die Vergangenheit stattfindet. Man ist versucht zu sagen, das hatten wir, das kennen wir, damit werden Drehbücher aufgeblasen, die fallseitig zu wenig hergeben. Muss aber nicht so sein, außerdem hat Faber-Darsteller Jörg Hartmann selbst an dem Skript mitgearbeitet, weil er wollte, dass der Tod von Martina Bönisch eine angemessene Trauerarbeit seitens der Zurückgebliebenen erfährt, zuallererst natürlich durch seine eigene Person. Weil wir heute sehr spät dran sind, steigen wir gleich in die Kritiken ein, die den Hauptbestandteil unserer Vorschauen für den Sonntagabendkrimi bilden.
Tatort Folge 1222: Du bleibst hier – Tatort Fans (tatort-fans.de)
„Ein „Weiter so“ kann es nach dem Tod von Martina Bönisch nicht geben, das war nach dem dramatischen Ende des letzten Falls klar. Und dieser Film stellt eine angemessene Würdigung der tiefen Zäsur dar, die das Dortmunder Team erfahren musste. Dass Faber, Herzog und Pawlak nicht zu sehr in Melancholie und Sentimentalität versinken, sondern ihren ganz eigenen Weg der Trauerbewältigung gehen – mal jeder für sich allein, mal gemeinsam –, verleiht dieser Episode bei allem stets präsenten Verlustschmerz auch eine gewisse Leichtigkeit und stellenweise sogar Heiterkeit. Durch die Fokussierung auf Fabers problematisches Verhältnis zu seinem Vater erhält der Krimi zudem eine sehr persönliche Komponente, die Jörg Hartmann und Wolfgang Rüter in ihrem fein nuancierten Spiel wunderbar umsetzen.
Schön anzusehen ist auch die 70er-Jahre-Kulisse im Salon Engel und in Jupp Fabers Wohnung, die manchmal an der Grenze zu Kitsch und Nostalgie kratzt und die Zuschauer dabei in eine längst untergegangene Welt entführt.“
Dass die 1970er untergegangen sind, merkt man jedes Jahr mehr, denn damals hatten die Menschen noch positive Erwartungen, die Zukunft betreffend. Aprops Erwartungen …
Tatort-Kritik: „Du bleibst hier“ mit Faber, Pawlak und Herzog – SWR3
„Ein Tatort mit vielen Nebenhandlungen, sodass der eigentliche Fall fast in Vergessenheit gerät. Trotzdem ein „wirklich guter Tatort“, sagt SWR3-Tatortchecker Michael Haas. (…) Faber und sein dementer Vater, fast Hand in Hand. Das versöhnt dann auch ein bisschen mit den hohen, teilweise enttäuschten Erwartungen, die man vielleicht vorher an den Tatort hatte, weil die letzte Folge so überragend war. Deshalb sag ich: Auch dieser Tatort ist wirklich gut. Auch wenn’s schon bessere aus Dortmund gab. Aber wirklich einfach gut. Drei von fünf Elchen.“
Tatort »Du bleibst hier« aus Dortmund: Beim Barte des Proleten! – DER SPIEGEL
„Beim Barte des Proleten! Was bleibt vom Pott? Currywurst, Eintopf, Liebe. Man muss nur tief graben. Der Schauspieler Jörg Hartmann, Sohn des Ruhrgebiets, hat einen furiosen Arbeiter-»Tatort« um seinen Parka-Wüterich Faber geschrieben. (…) Die um Faber/Hartmann herumgebaute Familienshow, bei der nur wenig Raum ist für die Subplots von Kolleginnen und Kollegen, hätte leicht zu einer Farce der Selbstrührung werden können. Doch immer wieder öffnet sich die Geschichte zu den universalen Themen Verlust, Liebe und Solidarität. Und für Liebe und Solidarität ist es doch nie zu spät. Beim Barte des Proleten: So wollen wir leben!“
Jürgen Buß vom Spiegel ist nicht nur aufgefallen, dass Faber sein sensibles Ich jetzt hinter einem Bart versteckt, er glaubt auch der Beschwörung von Liebe und Solidarität (und Nostalgie etc.) und vergibt erstklassige 9/10. Hoffentlich ist es keine Selbsttäuschung von uns allen, dass Solidarität und Liebe möglich sind. Falls doch, würde der Tatort doch die eine oder andere Erwartung wecken, die das Leben nicht erfüllen kann. Wir werden sehen, ob es glaubwürdig ist. Sehr bald.
Tatort – Du bleibst hier – Kritik zum Film – Tittelbach.tv
„Nach dem unerwarteten tragischen Abgang von Martina Bönisch in „Liebe mich!“ war zu erwarten, dass das Rest-Trio nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Und so ist denn auch der „Tatort – Du bleibst hier“ (…) eine emotional aufgeladene, psychologisch packende filmische Trauerarbeit geworden. Faber steht wie vor zehn Jahren am Abgrund und versucht das Unmögliche: weiterleben. Rosa Herzog und Jan Pawlak bekommen es derweil mit einem Fall ohne Leiche zu tun, bei dem sie auf einen gewissen Josef „Jupp“ Faber treffen. Der scheint in den Fall um zwei verschwundene Männer verwickelt zu sein, und er leidet an Demenz. Grund genug für Faber, wieder Kontakt zu seinem Vater aufzunehmen. Die Gegenwart überstehen und Hoffnung für die Zukunft gewinnen, indem man ein Trauma der Jugend bewältigt. (…) In seinem 22. Fall dominiert erwartungsgemäß das Vater-Sohn-Drama über den Krimiplot. Nicht zuletzt, weil die „Beziehungsarbeit“ in eindrucksvolle Bilder getaucht wird und weil dieser „Tatort“ (…) so wichtig ist für die horizontale Psychologie der Ermittler, ist der gleichermaßen mit rauer Dortmunder Wirklichkeit und westfälischer Nostalgie durchsetzte Film von Richard Huber ein besonderer geworden.“
Dafür gibt es überdurchschnittliche 5/6 vom Gründer von Tittelbach-TV. Daran müssen wir (uns) erst einmal wieder erinnern: Schon einmal hat Faber einen traumatischen Verlust verarbeiten müssen, den seiner Frau und seines Kindes. Dabei hat ihm Martina Bönisch geholfen, die nun selbst verstorben ist. Vielleicht kommt ja doch alles zurück. Oder kehrt in ähnlicher Form wieder. Hoffentlich nicht.
TH
Handlung
Im Dortmunder Westpark stehen Jan Pawlak und Rosa Herzog vor einer großen Blutlache, aber es gibt keine Leiche. Jedoch wird Andreas Richter, der Chef einer Dortmunder Immobilienfirma, vermisst. Mit seinem Geschäftsmodell hat er sich in den letzten Jahren in Dortmund etliche Gegner gemacht: Er kauft Immobilien im Kreuzviertel auf und verwandelt Mitwohnungen in begehrte Luxusobjekte. Privat lässt er sich gerade von seiner Frau Natalia scheiden. Auch sie lässt kein gutes Haar an ihrem Noch-Ehemann.
Während Kommissar Peter Faber den Tod seiner Kollegin Martina Bönisch noch nicht verkraftet hat, krankgeschrieben ist und mehr oder weniger in seinem alten Manta lebt, stoßen Jan und Rosa auf Fabers Vater Josef. Er und Faber hatten offenbar seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr. Was ist zwischen Vater und Sohn passiert und was hat Josef Faber mit dem Fall zu tun?
Besetzung und Stab
Hauptkommissar Peter Faber – Jörg Hartmann
Hauptkommissarin Rosa Herzog – Stefanie Reinsperger
Hauptkommissar Jan Pawlak – Rick Okon
Gerichtsmedizinerin Dr. Greta Leitner – Sybille Schedwill
Josef „Jupp“ Faber – Wolfgang Rüter
Martin Engel – Andreas Schröders
Natalja Richter – Valery Tscheplanowa
Jannik Richter – Linus Moog
Nikolaj Sorokin – Rafael Stachowiak
Sylvia Schiefer – Tanja Haller
Tarek Hadad – Carl Benzschawel
Lina Köhler – Lea Taake
Britta Tremmel – Angelika Bartsch
Mia – Jana Giesel
Peter Faber (8 Jahre) – Aedan D’Inca
Josef Faber (32 Jahre) – Daniel Kötter
Thomas Kempf – Martin Horn
u. v. a.
Drehbuch – Jörg Hartmann, Jürgen Werner
Regie – Richard Huber
Musik – Dürbeck & Dohmen