Das Ultimatum (Twilight’s Las Gleaming, USA 1977) #Filmfest 898

Filmfest 898 Cinema 

„Twilight’s Last Gleaming“ zitiert eine Stelle der Nationalhymne der USA und war für uns eine der Überraschungen der letzten Monate.

Das Ultimatum (Originaltitel: Twilight’s Last Gleaming) ist ein US-amerikanischdeutscher Thriller von Robert Aldrich aus dem Jahr 1977. Die Literaturverfilmung basiert auf dem Roman Rothaut in Viper 3 von Walter Wager. Er handelt von einem früheren US-General, der einen Atomraketen-Silo in seine Gewalt bringt, um die Veröffentlichung geheimer Dokumente über den Vietnamkrieg zu erzwingen.

„Robert Aldrich, der in diesem Film „einen Beitrag zur 200-Jahr Feier der USA“ sieht, äußerte sich gegenüber der Presse: „Mit dieser Geschichte, die sich mit dem Recht des Volkes auf umfassende Informationen befasst, hätten wir in Amerika große Schwierigkeiten gehabt. Deshalb sind wir damit nach Deutschland gegangen“ (zu Bavaria Film und Produzent Helmut Jedele).“, zitiert nach der Wikipedia. Mehr dazu lesen Sie in der –> Rezension.

Handlung (1)

Montana, USA, 1981: Der aus dem Gefängnis ausgebrochene Ex-General Dell dringt mit drei Begleitern in einen unterirdischen Raketensilo ein. Er kennt sich hier bestens aus, denn die Pläne der Station stammen von ihm selbst. Dell war aus dem Verkehr gezogen worden, weil er die wahren Hintergründe des Vietnamkriegs kennt und darauf gedrängt hatte, die Öffentlichkeit nicht länger zu täuschen. Vom neugewählten US-Präsidenten Stevens, einem Mann des Volkes, erhofft der Ex-General, er werde die ganze schmutzige Affäre offenlegen und so zu seiner, Dells, persönlichen Rehabilitierung beitragen. Dell stellt dem Präsidenten ein Ultimatum und droht mit dem Abschuss der Atomraketen, die er jetzt kontrolliert.

Die Abschussbasis der Titan-Raketen wird von Armee-Einheiten umstellt. Leiter dieser Gegenaktion ist der eiskalte General MacKenzie, der Dell und seine Freunde zu überrumpeln versucht. Als dies missglückt, erklärt sich Präsident Stevens bereit, Dells Geisel zu werden und mit ihm und dessen letztem Begleiter in einem Flugzeug die USA zu verlassen. Die Dokumente, die die frühere Regierung belasten, sollen im Fernsehen verlesen werden. Dass Staatsgeheimnisse jedoch mehr gelten als Menschenleben, wird spätestens bei der Prophezeiung von Dells letztem Freund klar, die Mächtigen würden sogar den Präsidenten über die Klinge springen lassen, wenn sie diese Geheimnisse anders nicht bewahren könnten. Als Dell, sein Begleiter und der Präsident ins Freie treten, sterben sie im Kugelhagel der Scharfschützen.

Präsident Stevens, der mit der Möglichkeit seines Todes gerechnet hat, wird noch nachträglich betrogen: Die Dokumente bleiben im Safe, denn Staatsgeheimnisse müssen geheim bleiben.

Rezension

Sicher ist die Art, wie hier ein paar Männer gegen das System antreten, die im System gelebt haben und von ihm aussortiert wurden, etwas übertrieben dargestellt. So einfach wird es hoffentlich nicht sein, eine Atomraketen-Abschussbasis zu „erobern“, wie es in „Das Ultimatum“ dargestellt wird. Aber der Film ist auf politischer Ebene hervorragend und gerade heute wieder sehr aktuell. Außerdem dürften Verschwörungstheoretiker Sätze wie diesen lieben, die der Realist unter den vier Eindringlingen in die Abschussbasis dem idealistischen General gegenüber äußert: „Hey, du zielst auf das Gehirn dieses Landes! Denen ist es komplett egal, was aus dem Präsidenten wird. Er ist austauschbar.“ Sinngemäß wiedergegeben.

Die eigentliche Macht ist also das Militär und während der informellen Krisensitzung im Weißen Haus positioniert sich natürlich die CIA auch eindeutig: Bloß nichts verraten. Das Ende ist komplett offen. Wird sich der Berater des Präsidenten an das Versprechen halten, das er diesem gegeben hat – und die Dokumente an das Volk weitergeben? Man hat den Film interessanterweise ein paar Jahre in die Zukunft verlegt, er wurde 1977 gedreht und spielt im Jahr 1981. Die Mode hatte sich damals schon so geändert, dass man merkt, es kann nicht 1981 sein und außerdem hatte der Wechsel von Jimmy Carter zu Ronald Reagan in der realen Sukzession amerikanischer Präsidenten stattgefunden. Damit war ohnehin die Chance auf Ehrlichkeit vertan. Das eine, große, alles offenlegende Dokument wird es wohl auch nicht geben, aber wie die USA in den Vietnamkrieg eintraten, ist immer noch ein heißes Eisen und auf der Ebene der Hintergründe nicht komplett aufgearbeitet. Fairerweise muss man sagen, die großen Vietnamkriegsfilme von „Apocalypse Now“ bis „Platoon“ und „Full Metal Jacket“ folgten ab 1979 mit einem Höhepunkt 1986-1988, aber es ist schwierig, bei aller Differenziertheit, die meisten von ihnen als Antikriegsfilme zu bezeichnen. In manchen von ihnen wird hervorgehoben, wie die Politik die einfachen Soldaten verraten und ins Feuer für eine falsche Sache geschickt hatten.

Seit dem Kennedy-Mord 1963 wurde kein Präsident mehr umgebracht, obwohl es just in dem Jahr, in dem in „Das Ultimatum“ ein Präsident stirbt, tatsächlich einen Anschlag auf Ronald Reagan gab, bei dem dieser sogar verletzt wurde. Viele haben spekuliert, wie lange Trump es wohl machen würde, wenn er sich nicht vom „tiefen Staat“ einhegen lässt, aber er ist immer noch erstaunlich lebendig und wenn wir die Stimmung in den USA richtig deuten, wird er 2020 gute Chancen haben, weiterzumachen. Nur: Einen Präsidenten wie diesen konnte man sich 1977 wohl nicht vorstellen oder es wäre ein zu großer Skandal gewesen, eine solche Figur zu zeigen. Heute ist es wieder wahrscheinlicher geworden, dass nicht Terroristen, sondern Politiker die Welt in einen Atomkrieg stürzen werden.

Man spürt in „DasUltimatum“ die Nähe zum Vietnamkrieg und das Trauma, das er in den USA verursacht hat. Mit Burt Lancaster als General, der auszieht, um der Nation die Wahrheit zu bringen, hat man einen glaubwürdigen Hauptdarsteller gefunden, weil Lancaster zu den Linken in Hollywood zählte und mit Robert Aldrich einen Regisseur, der schon mehrfach bewiesen hatte, dass er heikle Stoffe nicht scheut. Dass der Film in Deutschland produziert wurde und in einem Jahr, in dem der Terror hierzulande ein großes Thema war, ruft ein seltsames Gefühl hervor. Man spürt die Angst, die Paranoia, die damals herrschte, schaut sich die heutige Situation an und merkt, wie sich das alles über die Jahrzehnte zieht und eine zunehmend neurotische Verfassung der Zivilisation zu beklagen ist. Die Unsicherheit ist da, weil die Technik da ist, die Menschheit problemlos auszurotten. Gäbe es diese Technik aber nicht, hätten längst konventionelle Großkriege wieder wesentlich mehr Opfer gefordert als die vielen kleineren und mittleren Konflikte der letzten Jahrzehnte.

Wir wollen hier keinen Abriss über den Weg der USA zum Vietnamkrieg, durch ihn hindurch und danach zeigen, zumal „Das Dokument“, das nur ein Kürzel trägt, eine Art McGuffin ist. Man erfährt als Zuschauer nicht, was drinsteht und damit nicht, wie sich der Inhalt zu heutigen Erkenntnissen verhält. Wir fanden den Film durchaus spannend, wenn auch stellenweise etwas steif inszeniert, Regisseur Aldrich hat sich hier eindeutig mehr auf den Inhalt als auf den Stil konzentriert und einige Stellen, wie die mit dem toten Kamerawinkel, erscheinen nicht schlüssig. Das Abseilen vom Hubschrauber hätten die auf dem Dach der Atomwaffenbasis installierten Kameras auf jeden Fall erfassen müssen, so, wie es gezeigt wird.

Wir fanden den Film spannend und auch nicht wesentlich zu lang, aber es ist ein politischer Film von einem sehr politischen Regisseur, der bereits in eine Politikerfamilie hineingeboren worden war und von den 1970ern, auch wenn „Das Ultimatum“ außerhalb der USA entstand, kann man in der Nachbetrachtung als dem Jahrzehnt des politischen Kinos sprechen – nicht nur  die USA betreffend. Robert Aldrich und Burt Lancaster waren offensichtlich gute Freunde mit ähnlichen Ansichten. Schon in Aldrichs allererster Regiearbeit, „Massai“ aus dem Jahr 1954, war Lancaster der Hauptdarsteller, der Film nahm als wohl erster überhaupt die Perspektive eines von Weißen verfolgten Native American ein. Auch der folgende Abenteuerwestern „Vera Cruz“, der zu unseren Lieblingen des Genres zählt, ist eine sehr humorvolle und wendungsreiche Geschichte, für Aldrichs Verhältnisse sehr humorvoll erzählt und durchaus nicht unpolitisch, die mexikanischen Verhältnisse zur Zeit von Benito Juarez betreffend – aber selbstverständlich auf die damalige und heutige Gegenwart übertragbar. Leider verstarb Aldrich bereits 1983, dabei wäre er als liberale Stimme im Zeitalter des Neokonservatisvismus doch gebraucht worden.

Finale

Sicher ist stilistisch manches etwas outdated an „Das Ultimatum“, anderes etwas zu platt, etwa, wie der hier gut in Szene gesetzte afromerkanische Realist dem idealistischen General die Welt der Politiker erklärt und es diesem beinahe wie Schuppen von den Augen fällt, welch einem Schurkensystem er gedient hat. Aber so ganz mag er ja nicht an die Thesen von Willis glauben, als der Präsident dann tatsächlich zur Basis kommt, um sich als Geisel zur Verfügung zu stellen. Das Ende ist offen, haben wir oben geschrieben, aber vorerst siegt der eiskalte Militär, der Scharfschützen zum Einsatz bringt, die dann leider nicht nur die beiden Rebellen für Geld bzw. die Wahrheit umbringen, sondern auch den Präsidenten. Auch dabei gibt es eine ziemliche Logiklücke: Nachdem der Präsident sich freiwillig in die Gewalt der beiden begeben hatte, aber auch schon zu früheren Zeitpunkten, hätten diese unbedingt fordern müssen, dass alle Militärfahrzeuge aus der Umgebung der Basis abgezogen werden. Ansonsten: Raketenstart, später: Dem Präsidenten etwas antun. So war das Ende leider ein wenig vorhersehbar, unter der Prämisse, dass in den 1970ern Filme wie dieser nicht alle mit einem seifigen Happy End schlossen. 

80/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2019)

Regie Robert Aldrich
Drehbuch Ronald M. Cohen,
Edward Huebsch
Produktion Merv Adelson,
Helmut Jedele,
Lutz Hengst
Musik Jerry Goldsmith
Kamera Robert B. Hauser
Schnitt Michael Luciano,
William Martin,
Maury Winetrobe
Besetzung

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