Crimetime Vorschau – Titelfoto © ORF, Petro Domenigg
30 Fälle haben Moritz Eisner und Bibi Fellner schon gelöst, seit sie vor zwölf Jahren erstmals gemeinsam im Wien-Tatort auftraten. Gab es beim ORF eine Zeit vor den beiden? Und wie könnte es weitergehen?
Man erinnert sich kaum noch, weil sie als Duo so erfolgreich und sympathisch sind. Aber Moritz Eisner hat in der Tat – bisher – länger alleine gearbeitet als mit Bibi zusammen, nämlich 13 Jahre. Wie sah Harald Krassnitzer eigentlich damals aus, der den Eisner spielt? Hier geht’s zum ersten Fall „Nie wieder Oper“, inklusive Bildern dazu: Tatort Folge 404: Nie wieder Oper – Tatort Fans (tatort-fans.de)
Im kommenden Jahr wird Moritz Eisner und wird sein Darsteller also 25-Jähriges feiern. Das ist eine riesige Erfolgsgeschichte. Nur noch in Ludwigshafen (Lena Odenthal, aktuell 34 Jahre Dienstzeit), in München (Batic und Leitmayr, 32 Jahre Dienstzeit) und in Köln (Ballauf und Schenk, 26 Jahre Dienstzeit) gibt es Teams, die dauerhafter sind. Dann kommen schon Kiel und Münster mit jeweils 21 Jahren. Das alles ist so legendär wie die Reihe Tatort selbst und wird in unserer und der folgenden Generation vielleicht nicht mehr zu beobachten sein.
Junge Darsteller:innen, die bei den Sendern ihre Förder:innen hatten, beim Tatort einsteigen und mit ihm bekannt und beliebt werden, war ein typisches Phänomen der 1990er. Es hat auch damit zu tun, dass heute wieder, wie zum Start des „Tatort“ vor über 50 Jahren, etablierte Stars gesucht werden, um die tragenden Rollen zu spielen. Diese sind dann schon etwas älter und hören nach spätestens zehn, fünfzehn Jahren auf, widmen sich anderen Projekten, wie es so nett heißt, wenn Differenzen zwischen diesen Charakteren und den Sendern auftreten, oder die Jungermittler sind in der Tat noch sehr jung und ziehen neben den Etablierten häufig nicht so, dass sie es schaffen, die tragenden Cop-Figuren für die nächsten Jahre zu werden. Manche von ihnen wandern dann erst einmal in andere, mehr auf sie zugeschnittene, etwas „kleinere“ Formate ab. Es gibt viele Gründe, warum solche Karrieren, wie die oben genannten inklusive Eisner sie hatten oder noch haben, selten werden dürften. Einholen kann Bibi Fellner ihn nicht, sie kann höchstens alleine weitermachen, falls es Eisner mal einfallen sollte, zu demissionieren.
Nun zum Tatort 1226:
Warum wird ein Mensch ermordet, der im Leben alles richtig gemacht hat? In ihrem 30. Einsatz müssen Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) vom Bundeskriminalamt Wien den Mord an einem IT-Spezialisten aufklären und können lange kein Motiv finden. Je länger sie jedoch im Freundes- und Kollegenkreis des Toten ermitteln, desto mehr gerät das Bild des charmanten und erfolgreichen jungen Mannes ins Wanken. Tatort Folge 1226: Was ist das für eine Welt – Tatort Fans (tatort-fans.de)
Wegen der beiden Menschen, die in Wien ermitteln, neige ich dazu, jeden Tatort gut zu finden, der von dort kommt, aber das stimmt so natürlich nicht. Nicht, das Inhaltliche betreffend. Man muss sogar sagen, nach den spektakulären Anfangsjahren ging es insgesamt etwas zurück, wurde ruhiger, die Filme näherten sich mehr dem Duktus jener Produktionen an, in denen Eisner noch alleine ermittelt hat. Zuzüglich einer oft ausführlichen Einmündung ins Privatleben, weil ja nun zwei Cops ein solches haben, nicht nur einer. Immer wieder bekommen wir es mit Eisners Tochter oder auf Bibis Seite mit Inkasso-Heinzi zu tun, mit der Vergangenheit, die allerdings so präsentiert wird, dass die Chance zu einer horizontalen Erzählung längst verpasst wurde. Wie bei den meisten Tatort-Teams übrigens.
„Erneut ein sehenswerter Tatort aus Wien, der es schafft, gesellschaftlich relevante Themen anhand von persönlichen Schicksalen zu erzählen, ohne dabei in hoffnungslose Düsternis abzugleiten, sondern sich eine gewisse Leichtigkeit bewahrt, was auch an dem wie immer kongenialen Zusammenspiel von Krassnitzer und Neuhauser liegt. Als erfrischender Sidekick kommt diesmal noch Christina Scherrer als Kriminalassistentin Meret Schande hinzu, aus deren Perspektive teilweise erzählt wird. Das packende Finale entschädigt für die manchmal etwas langatmigen Ermittlungsszenen, also: Dranbleiben bis zum Ende, es lohnt sich.“ Tatort Folge 1226: Was ist das für eine Welt – Tatort Fans (tatort-fans.de)
Das etwas Langatmige war schon in den Solo-Fällen von Eisner ein Kritikpunkt und wurde mit dem Einsatz von Bibi in Fällen, die in der Wiener Unterwelt und nicht irgendwo zufällig auf dem Lande spielen, beendet. Aber, siehe oben, es ist nicht ausgestorben. Dem steht fraglos gegenüber, dass man die Gewichtigkeit der Themen in Wien gar nicht ausklammert, besonders wird die Politik immer wieder durch den Kakao gezogen auf eine Weise, die man sich hierzulande immer noch nicht traut. Und dass man dieser Gewichtigkeit gleich wieder den Stachel zieht, weil sie durch Bibi und Moritz so vermittelt wird, dass man nie das Gefühl hat, es kann nicht alles wieder in Ordnung kommen, wenn man nur die richtigen guten Menschen ermitteln lässt.
Ganz ähnliche Typen sucht man bei den aktuellen deutschen Teams vergebens, die mittendrin sind und doch immer auf Distanz (Bibi weniger, Moritz mehr) und die ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, auch wenn sie gerade bezüglich der Falllösung unsicher und persönlich angefasst sind. Vielleicht kommen ihnen die Kölner bezüglich der emotionalen Anbindung des Publikums an quasi jedes Thema am nächsten, trotzdem sind die Themenschwerpunkte andere. Vielleicht, weil dieses Insiderische fehlt, das auch durch den Chef der Wiener Ermittlerinnen eingebracht wird und die gwünschte Einordnung politischer Verstrickungen in die Welt des Verbrechens hinein ermöglicht. In Deutschland müssen sich die Cops Dinge, von denen sie keine Ahnung haben, immer irgendwie aus der konkreten Fallerfahrung heraus erarbeiten, und das ist um einiges mühsamer und würde die Filme zu komplex werden lassen, wenn man es gut inszenieren wollte. Ersatzweise wird der eigentliche Staat durch das BKA repräsentiert, das dann immer wirkt wie eine dunkle, zunächst undurchschaubare Macht und nicht wie eine Ansammlung von Hilfspersonen, das von politischen Spezln für deren Zwecke eingesetzt wird.
„Dieser Tatort war wirklich schwer zu bewerten. (…) Einerseits sind diese Perspektiv-Wechsel schon interessant, bei denen man immer wieder in die Rolle der Assistentin Meret Schade versetzt wird. Andererseits können die vielen Rückblenden auch verwirren. Im Laufe des Zuguckens war ich erst bei drei Elchen, doch dann kam der Schluss. Dafür geb ich noch einen! Denn plötzlich machen die Rückblenden Sinn. Man muss sich ein bisschen auf ihn einlassen, auf diesen Tatort, aber dann ist er sehr gut. Am Ende vier von fünf Elchen.“ Tatort-Kritik: „Was ist das für eine Welt“ mit Eisner und Fellner – SWR3
Ähnlichkeiten mit dem Tenor der ersten Kritik sind beim SWR sind zu erkennen und wir machen gleich weiter:
„Kleines Jubiläum: Der „Tatort – Was ist das für eine Welt“ (ARD / Prisma Film) ist der 30. Fall für das längst schon kultige Austria-Duo Bibi Fellner und Moritz Eisner, wieder unverkennbar gut gespielt von Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer, das diesmal etwas im Schatten der jungen Ermittlerin Meret Schande steht. Es geht um den Mord an einem IT-Spezialisten; auf den ersten Blick ein smarter „Everybody’s Darling“-Typ, aber hinter der Fassade auch ein skrupelloser Job-Rationalisierer. Das Buch vom eingespielten Duo Thomas Weingartner & Stefan Hafner ist wendungsreich, zuweilen aber ein wenig verkopft und sperrig geraten, doch der Krimi ist intensiv, atmosphärisch bedrückend und flüssig erzählt. Die Musik liefert die Wiener Indie-Band Kreisky, die mit einem Live-Auftritt zu sehen ist.“ http://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-6279.html
Klar, nach wem die „Indie-Band“ Kreisky benannt ist und dieses Mal gibt es von Tittelbach-TV 4/6. Das ist im Rahmen dessen, was von dieser Seite für Tatorte vergeben wird, eher unterdurchschnittlich. Wir werden also sehen, ob ein verkopftes Drehbuch die flüssige Erzählung doch irgendwie beeinträchtigt. Und wieder wird erwähnt, dass das Wiener Team sich vergrößert hat. Natürlich fragt man sich sofort, ob man es dort auch einmal mit einem Generationen-Übergang versuchen will, der bisher so selten gelungen ist, siehe oben. Dabei wäre es doch eine so schöne Symbolik dafür, dass das Leben ein Kreislauf ist und gleichzeitig immer nach vorne strebt. Und das ist ja in diesen abrupten Zeiten auch so wichtig. In Wien, wo man zuweilen den Eindruck hat, die k. u. k.-Monarchie mit ihrem mittelosteuropäischen Imperium hat nie ganz aufgehört, könnte man das besonders sinnvoll und hintersinnig zeigen.
Wer den exzellenten Münchner „Tatort: Lass den Mond am Himmel stehen“ vom Juni 2020 gesehen hat, weiß um die Kunstfertigkeit des österreichischen Autorenduos Stefan Hafner und Thomas Weingartner. Im „Tatort: Was ist das für eine Welt?“ haben die beiden nun wieder eine Geschichte voller kreativer, geheimnisvoller Figuren gebaut, die spannend anzuschauen sind. Geschickt wird mit Erwartungen des Publikums gespielt und gebrochen. „Was ist das für eine Welt?“ ist sicher der – im positiven Sinne – anspruchsvollste Wiener Beitrag seit einiger Zeit. Dazu noch wunderschön anzusehen, was an der Regiearbeit der vielfach ausgezeichneten Cutterin Evi Romen liegt. „Tatort: Was ist das für eine Welt?“: TV-Kritik zum ARD-Krimi (prisma.de)
Dummerweise haben wir den erwähnten München-Tatort noch nicht gesehen, weil wir ja nicht mehr regelmäßig direkt nach der Premiere rezensieren. Aber wir werden das alles nachholen und vielleicht … ja, vielleicht und weil es die Wiener sind, werden wir, wie bei deren letztem Film, direkt heute Abend oder in den nächsten Tagen reinschauen und eine Kritik schreiben. Für heute schließen wir und überlassen Sie und uns den Erwartungen an das Wien-Duo und seine Fälle und den Erwartungen an den Krimi im Allgemeinen, die dann möglicherweise gebrochen werden.
TH
Handlung
Jung, beliebt und extrem erfolgreich: Marlon Unger ist der Hotshot einer IT-Firma. Eines Abends wird er vor seiner Wohnung überfallen und erstochen. Während Moritz Eisner, Bibi Fellner und Meret Schande in dem Fall zu ermitteln beginnen, ändert sich das Bild, das sie von dem Opfer gewinnen, mehrmals. War er nun beliebt? Oder nicht? Ein skrupelloser Typ oder doch jemand mit Gewissen? Einer, dem die Herzen zufliegen, oder einer, dem es zutiefst egal war, wenn er sich Feinde machte? Der Fall wird jedenfalls zunehmend undurchsichtiger und bedrückender. Denn als sich der Kreis der Verdächtigen endlich verkleinert, passiert eine weitere Tat, die die Ermittler/innen in Zugzwang versetzt und vor dramatische Entscheidungen stellt …
In ihrem neuen Fall bekommen es Moritz Eisner und seine Kollegin Bibi Fellner mit dem Mord an einem jungen, extrem erfolgreichen IT-Mitarbeiter zu tun, von dem sich nur schwer ein Bild machen lässt. Auf den ersten Blick Everybody’s Darling, ergeben sich im Laufe der Ermittlungen Hinweise und Erkenntnisse, die nicht nur Eisner und Fellner, sondern vor allem deren Kollegin Meret Schande vor eine große Bewährungsprobe stellen.
Stab und Besetzung
Moritz Eisner – Harald Krassnitzer
Bibi Fellner – Adele Neuhauser
Meret Schande – Christina Scherrer
Arnold Cistota – Valentin Postlmayr
Anna Feistinger – Marlene Hauser
Wolfgang Feistinger – Rainer Egger
Jasmina Celan – Elena Wolff
Gernot Schlager – Dirk Stermann
Raffaella Unger – Katja Lechthaler
Marlon Unger – Felix Oitzinger
Kajetan Krajnc – Paul Hassler
Arbeiterin in Molkerei – Johanna Orsini-Rosenberg
Gero Czernin – Stefan Wancura
Psychiater von Meret – Christian Himmelbauer
Frau Cistota – Christina Cervenka
Marie – Ariana Stöckle
Arbeitskollege – Harald Staub
Radlerfreund – Hans Peter Falkner
Regie – Evi Romen
Drehbuch – Thomas Weingartner, Stefan Hafner
Kamera – Ioan Gavriel
Musik – Kreisky