Ronny – Polizeiruf 110 Episode 404 #Crimetime Vorschau Das Erste 19.03.2023, 20:15 Uhr #Magdeburg #Brasch #Ronny

Crimetime Vorschau – Foto © MDR,  Stefan Erhard

Heute ist wieder Magdeburg-Time beim Polizeiruf 110. Das heißt, es wird düster und die Handlungsbeschreibung liest sich auch so, denn es sind soziale Verwerfungen angesagt. Mich erstaunt, wie lange sich dieses immer gleiche Schema, das außerdem darauf fußt, dass die mit der Lösung der Fälle betraute Kommissarin nicht teamfähig ist und auch sonst ihre Probleme mit sozialem Verhalten hat, schon funktioniert.

Möglicherweise spiegelt es aber einen Teil unserer Realität viel besser, als konstruierte Combos das tun, wie wir sie von anderen Polizeirevieren kennen. Sehr in Mode: Einwort-Titel, die gleichzeitig der Vorname eines oder einer Beteiligten, also einer Episodenfigur, darstellen.

Ronny ist ein Fernsehfilm aus der Krimireihe Polizeiruf 110. Der vom MDR produzierte Beitrag ist die 404. Polizeiruf 110-Episode und soll am 19. März 2023 im Ersten ausgestrahlt werden. Die Magdeburger Ermittlerin Doreen Brasch ermittelt in ihrem 17. Fall.[1]

Wir fangen auch gleich dort mit den kritischen Stimmen an, woher wir den vorherigen Absatz übernommen haben:

„Eine Philosophie über Menschen, die sich gegenseitig schrecklich alleinlassen können. Für jenen Teil des Publikums, der Krimis immer nur danach beurteilt, ob sie denn auch schön hell ausgeleuchtet sind, wird’s mal wieder zu dunkel sein. Aber „Ronny“ ist genauso finster wie das Leben.“ – Holger GertzSüddeutsche Zeitung[2]

Eine bekannte Aussage sei hier wiederholt: Wir schreiben diese Vorschauen im Discovery-Modus, haben also das, was Sie oben sehen, erst entdeckt, nachdem wir eingangs die Düsternis der Magdeburg-Krimis hervorgehoben haben. Na bitte, wir werden nicht auf neue Pfade geführt, mit dem 17. Fall von Doreen Brasch. Allerdings spielt auch das Umfeld eine Rolle. Und derzeit sind Familien- und Sozialdramen wieder dermaßen häufig, dass wir uns ab und zu mal eine knackige Räuberpistole wünschen würden. Die muss aber nicht gerade aus Magdeburg kommen, das ist auch wahr. Warum dort etwas anderes machen, wo man nach dem Wechsel von dem Kommissaren Schmücke und Schneider (die in Halle an der Saale ermittelten) den Wechsel von sonnig bis heiter nach Drama und Pein so fleißig und hart erarbeitete?

„Wer Dialogpower und Lautstärke für ein befriedigendes Krimierlebnis braucht, wird hier nicht bedient. Der Film ist verbal und volumetechnisch runtergefahren. Und vielleicht ist das ganz gut so. Als am Ende im Vernehmungsraum das laute, schräge, gemeine Lachen der schuldigen Person erklingt, wünscht man sich sofort zurück ins stille kalte Nass der Flusslandschaft.“ – Christian BußDer Spiegel[3]

Über den Wiki-Umweg sind wir dieses Mal auch wieder an eine der geschätzten Kritiken von Christian Buß herangekommen, die sich mittlerweile immer häufiger hinter einer Paywall verschanzen. Worum geht es in dem Film.

Ein Kind aus schwierigen sozialen Verhältnissen verschwindet, anschließend greifen Verzweiflung, Wut und Aggressionen um sich – ein häufig genutztes Schema, um eine mal mehr, mal weniger plausible Krimihandlung drumherum zu bauen. Dass das Endprodukt diesmal besonders überzeugen kann, liegt zum einen am realitätsnahen Drehbuch von Jan Braren mit seinen schnörkellosen Dialogen, zum anderen am wunderbar harmonierenden jungen Ensemble, das jeder einzelnen Figur eine Authentizität und Eindringlichkeit verleiht, wie man sie in Krimis nicht oft erlebt. Der Film nimmt sich Zeit für kleine, aber vielsagende Gesten, Blicke, Haltungen, die viel mehr über die Figuren und ihr Verhältnis zueinander aussagen, als es ausschweifende Gespräche je könnten. Sehr gelungen! – Polizeiruf: Ronny – Tatort Fans (tatort-fans.de)

Das, was die einen verbal heruntergefahren nennen, bezeichnen die andere als schnörkellose Dialoge, aber die Tendenz ist ähnlich. Ein Film, der durch seine Schlichtheit wirkt? Wir ziehen nochmal etwas an:

Ein Zehnjähriger ist verschwunden, ausgerechnet an seinem Geburtstag. Ist er Opfer eines Unfalls oder eines Verbrechens geworden? Bei Kommissarin Brasch wecken die Ermittlungen unliebsame Erinnerungen. Drei Frauen, allesamt Mütter, bestimmen die Geschichte und den Ton von „Ronny“  (…). Beziehungs- und gesellschaftskritisch relevant ist dieser „Polizeiruf“ auch ohne pädagogischen Impetus und ohne eindeutige Botschaft. Dramaturgisch auffallend ist die kluge Interdependenz zwischen der Kommissarin und den Episodenfiguren. Sie ist der Motor der Handlung. Und dass dieser Motor wie geschmiert läuft, das liegt an einem Ensemble, das perfekt zusammengestellt wurde und bei dem jede(r) Einzelne, allen voran Claudia Michelsen, absolut überzeugt. Und was Regisseurin Barbara Ott aus dem ausgezeichneten Drehbuch macht, ist Erzählfernsehen allererster Güte: Die Bilder haben das Sagen. Die Kommunikation ist schroff, die Filmsprache und die Körpersprache der Schauspieler verbinden sich zu einem unaufdringlichen Gesamtkunstwerk. Echte Gespräche kommen dabei selten zustande. Und wenn doch, dann redet man, wie man eben redet in so einer schmerzvollen Situation. – http://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-6291.html

Rainer Tittelbach ist ohnehin ein Fan der Reihen Tatort und Polizeiruf 110, was sicher auch an seiner Biografie bzw. an seiner Funktion als früherer Juror des Grimmepreises liegt, aber 5,5/6 sind auch für diese Publikation viel, der Durchschnitt liegt bei etwa 4,5/6, das untere Ende der Bewertungen  für diese Formate liegt nach dem, was ich bisher gesehen habe, bei 3,5/6. Einer der von mir nicht selten als ziemlich dissonant empfundenen Magdeburg-Polizeirufe als Gesamtkunstwerk, das wär’s doch. Ich will aber, das muss an der Stelle gesagt sein, nicht ausschließen, dass das Dissonante ja gerade die Kunst ist.

Heute Abend gibt es mit „Polizeiruf 110: Ronny ein hoch spannendes und verstörend gut gespieltes Krimi-Drama. Darin sucht Ermittlerin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) nach einem zehnjährigen Jungen, der am Tag seines Geburtstages aus dem Kinderheim verschwindet. – „Polizeiruf 110: Ronny“: TV-Kritik zum Krimi-Drama heute im Ersten (prisma.de)

Verstört werden wir kurz vor dem Start in eine sicher wiederum anstregende und mit etwas Pech verstörende Woche auch noch. Für mich eine der spannendsten Fragen: Woher kommt es, dass in Zeiten, in denen die Menschen immer mehr mit sich und der Lebensbewältigung zu tun haben, sich auch noch immer mehr verdüsterte und möglichst auf Mindfuck angelegte Krimis reinziehen? Man kann es als Anzeichen dafür sehen, dass die Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion bei einem geübten Cluster von Medienrezipient:innen immer noch gut, vielleicht sogar immer besser funktioniert und das Schema, dass man sich nicht jeden Tag maximal über die Schlechtigkeit der Welt echauffieren kann, wenn man gesund bleiben will, so gut wirkt. Man kann auch die Deutung bevorzugen, dass es auf ein paar mehr Verbrechen auch nicht mehr ankommt oder die Menschen gar nicht mehr aus dem Negativmodus herauswollen.

Dieses Grübeln kommt auch daher, dass ich es meist nicht mehr schaffe, einen neuen Tatort oder Polizeiruf direkt nach der Premiere zu rezensieren. Dies wiederum muss nichts mit Vermeidung oder zu viel zu tun haben, sondern kann daran liegen, dass wir aktuell das Filmfest voranbringen möchten und nur noch Raum für einen bis zwei Crimetime-Artikel pro Woche bleibt. Einer dieser Plätze ist schon durch die Vorschauen belegt, deren neueste Sie gerade gelesen haben.

TH

Handlung

Der zehnjährige Ronny verschwindet nach seiner Geburtstagsfeier auf dem Weg von seiner Mutter zurück ins Kinderheim. Eine intensive polizeiliche Suche durch Hauptkommisssarin Doreen Brasch und ihre Kollegen beginnt. Ronnys Mutter Sabine und deren neuer Lebensgefährte René stehen sofort unter Verdacht. Sabine versucht seit einiger Zeit das Sorgerecht für Ronny wieder zu erlangen. Bislang jedoch ohne Erfolg, weil das Jugendamt sie für nicht stabil genug hält. Ihr neuer Partner René hingegen empfindet Ronny als Störenfried, der das gemeinsame Leben mit Sabine und seiner Tochter Josefine sabotiert.

Wie so oft kommt es auch an diesem Tag zu einer Auseinandersetzung zwischen René und dem Jungen. Daraufhin läuft Ronny wutentbrannt und mit blutender Nase davon. Mit seinem Lieblings-Heimerzieher Matthias Precht wollte Ronny sich am Abend seines Geburtstages noch zum Angeln treffen. Matthias lügt in seiner ersten Befragung und gerät damit ebenso unter Verdacht. Was ist Ronny zugestoßen, lebt er noch? Die Suche nach dem Jungen wird für Brasch und ihre Kollegen zu einem zermürbenden Wettlauf gegen die Zeit, denn die eisigen Temperaturen schmälern jede Chance, das Kind noch lebend zu finden.

Besetzung und Stab

Hauptkommissarin Doreen Brasch – Claudia Michelsen
Kriminalrat Uwe Lemp – Felix Vörtler
Kriminalobermeister Günther Márquez – Pablo Grant
Ronny – Johann Barnstorf
Sabine Hartwig, Ronnys Mutter – Ceci Chuh
René Maier, ihr Freund – Oskar Bökelmann
Matthias Precht, Erzieher im Kinderheim – Thomas Schubert
Gaby Kleinschmidt, Leiterin des Kinderheims – Maja Schöne
Gordon Kleinschmidt, ihr Sohn – Valentin Oppermann
u. v. a.

Drehbuch – Jan Braren
Regie – Barbara Ott
Kamera – Falko Lachmund
Musik – Jasmin Reuter

[1] und  kursiv, wenn keine andere Quelle benannt ist: Polizeiruf 110: Ronny – Wikipedia

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