Convoy (USA 1978) #Filmfest 930

Filmfest 930 Cinema

Convoy ist ein Roadmovie von Sam Peckinpah aus dem Jahr 1978, das den Trucker als modernen Cowboy darstellt. Der Film basiert grob auf dem gleichnamigen Country-Song von C. W. McCall aus dem Jahr 1975.

Peckinpah, der bis zu diesem Film überwiegend Western gemacht hatte, übertrug deren „Outlaw“- oder Räuber-und-Gendarm-Schwarzweißmalerei in das moderne Leben: Die Fronten von „Gut und Böse“ sind klar. Ein Mann gerät mit korrupten Autoritäten in Konflikt und wird unfreiwillig zum Anführer einer Revolte von kleinen Leuten. Die Truckfahrer nehmen hier den Platz von modernen Cowboys ein, wie dies auch in vielen zeitgenössischen Country- und Rock-Songs der Fall ist. Der Film war mit Produktionskosten in Höhe von (damals) 12 Millionen Dollar Peckinpahs teuerste Produktion.

So viele Lastwagen mit so vielen Pferdestärken, meisterhaft gezähmt von den wilden Kerlen unserer Tage, den Truckern. Die Helden der Landstraße, wie man sie bei uns nennt, die Asphaltcowboys, diejenigen, die Einsamkeit kennen und sich trotzdem den lieben langen Tag über CB-Funk unterhalten. Nur einer von den vielen Trucks, die den Convoy in Sam Peckinpahs Film von 1978 bilden, kippt bei erster Gelegenheit um, weil er zu scharf um die Kurve gefahren wird. Es ist der einzige im ganzen Convoy, der von einer Frau gesteuert wurde, dazu von einer Afroamerikanerin. Alles klar.

Ob es eine Kontroverse über diese Darstellung gab, wie mehr als 30 Jahre zuvor über Walt Disneys „Song of the South“ mit seinen vermeintlichen oder echten Stereotypen, haben wir nicht nachgeschaut, aber für einen Film aus dem Jahr 1978 ist das schon eine erstaunlich unsensible Darstellung, die außerdem realitätsfern wirkt. Damit ist der Film natürlich noch nicht zu Ende beschrieben, deswegen steht mehr in der -> Rezension.

Handlung (1)

Der Trucker Martin Penwald, CB-Rufname „Rubber Duck“ (Gummiente), ist auf einer einsamen Landstraße in Arizona unterwegs und trifft dabei auf die gutaussehende Fotografin Melissa, unterwegs in einem Jaguar E-Type. Um zu flirten, fahren sie nebeneinanderher, wobei Rubber Duck einen Streifenwagen im Gegenverkehr übersieht und diesen beinahe rammt. Er wird daraufhin von dem Polizisten gestoppt und zur Rede gestellt, Melissa hält in einiger Entfernung an. Rubber Duck kann einer Strafe jedoch entgehen, indem er dem Polizisten weismacht, Melissa würde ohne Höschen am Steuer sitzen, worauf dieser sofort ihre Verfolgung aufnimmt und sie flüchtet. Wenig später trifft Rubber Duck auf dem Highway seine Kollegen mit den Rufnamen „Spider Mike“ und „Love Machine“ (aufgrund der luxuriösen Innenausstattung seines Trucks – später „Pig Pen“ (Schweinestall) genannt, da er eine Ladung Schweine transportiert).

Sie werden von dem korrupten Sheriff Lyle Wallace in eine Falle gelockt, als dieser sich am Funkgerät als Trucker-Kollege ausgibt und sie verleitet, die Geschwindigkeitsbegrenzung zu überschreiten. Kurz darauf werden sie von ihm in seiner „Radarfalle“ zur Kasse gebeten. Dabei stellt sich heraus, dass er und Rubber Duck alte Bekannte sind und die beiden eine Hassliebe verbindet. Als die drei Trucker kurze Zeit später in einem Truck Stop essen, folgt ihnen Lyle Wallace, der wegen seiner fiesen Art auch „Dirty Lyle“ genannt wird. Im Autohof treffen sie auch auf Melissa, die mit ihrem Jaguar nach einer Panne liegen geblieben ist. Nach einer kleinen Provokation seitens der Trucker über CB-Funk will der rassistisch eingestellte Lyle Wallace (in der deutschen Synchronisation von den Truckern meist als „Bulle“ tituliert) erneut Ärger machen und den dunkelhäutigen Kollegen Spider Mike wegen Landstreicherei einsperren, da er aufgrund des vorherigen Strafzettels pleite ist.

Auch der Umstand, dass Spider Mikes Frau hochschwanger ist und er zur Geburt seines Kindes heimkehren muss, interessiert Lyle Wallace nicht. Nach einem Wortgefecht widersetzt sich Spider Mike schließlich der Festnahme und schlägt den Sheriff nieder. Als zwei weitere Polizisten im Restaurant auftauchen und die Trucker verhaften wollen, lassen sich diese die übertriebene Schikane nicht gefallen. Es kommt zu einer wilden Schlägerei mit der Polizei, in deren Verlauf noch weitere anwesende Trucker eingreifen und die beiden Polizisten schließlich k. o. geschlagen werden.  

Da die Fahrer jetzt straffällig geworden sind, wollen sie möglichst schnell verschwinden und bilden einen Konvoi. Durch die Verfolgungsjagd werden sie allerdings zu weiteren Vergehen gezwungen, woraufhin das Polizeiaufgebot immer größer wird. Immer mehr Fernfahrer hören den Funkverkehr mit und schließen sich dem Konvoi an – aus dem Zwischenfall im Restaurant wird so ein riesiger Protestzug gegen die Behördenwillkür. Nachdem Straßensperren den Konvoi nicht aufhalten können und das Katz- und Mausspiel zwischen Polizei und Fernfahrern zu eskalieren droht, sieht der Gouverneur eine ideale Möglichkeit, sich im Zuge des Wahlkampfes positive Publicity zu verschaffen und sich außerdem zusätzliche Wählerstimmen – nämlich die der Trucker – zu sichern. „Spider Mike“ wird während der Heimfahrt zu seiner hochschwangeren Frau, die kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes steht, von einem anderen, ebenfalls rassistischen Sheriff in einem texanischen Nest verhaftet, zusammengeschlagen und dann auf Geheiß von „Dirty Lyle“ gefangen gehalten. Dieser will „Spider Mike“ als Köder benutzen, um mit „Rubber Duck“ abzurechnen. Während einer offiziellen Versammlung der Trucker mit dem Gouverneur bekommt „Rubber Duck“ über das Stille-Post-Prinzip per CB-Funk davon Kenntnis, und er macht sich auf, um „Spider Mike“ – notfalls mit Gewalt – aus der Hand der korrupten Polizei zu befreien. (…)

Rezension

The Wild Bunch“ (1969) gilt heute als Sam Peckinpahs Meisterwerk, ein Spätwestern voller Gewalt und der Entmythologisierung eines Genres im Sinn von New Hollywood verpflichtet. Schon dort spielte Ernst Borgnine eine der wichtigen Rollen, der als Vertreter der korrputen Staatsmacht in „Convoy“ zu sehen ist, währen die weibliche Hauptrolle Ali McGraw zufiel, die Peckinpah zusammen mit Steve McQueen in „The Getaway“ (1972) vor der Kamera hatte.

Während des Anschauens dachten wir, der Film sei etwa aus 1974, es hat uns überrascht, dass er vier Jahre jünger ist. Woran man sehen kann, dass wir von amerikanischen Trucks kein vollkommenes Verständnis haben, sonst hätten wir vielleicht den einen oder anderen Mack gesichtet, den es 1974 noch nicht gab oder die Typen der Polizeiautos als neuer identifiziert. Vielleicht waren sie das aber gar nicht, denn es gehen so viele davon zu Bruch, dass es trotz für damalige Verhältnisse beachtlicher 12 Millionen Dollar Produktionskosten für „Convoy“ wohl angeraten erschien, zum Schrotten nicht ausschließlich Neuwagen zu verwenden.

Der Film basiert auf einem gleichnamigen Country-Song, der auch den Inhalt vorgibt und der selbstverständlich im Verlauf der Handlung intoniert wird. Es geht genau darum: Wie die letzten Freiheitskämpfer der USA sich gegen immer mehr Gängelung wehren und gegen die Benzinpreiserhöhungen und überhaupt gegen alles, was den guten, alten Individualismus endgültig zu ersticken droht.

Es stellt sich die Frage, ob der Film nun verspätet kam, weil die Zeit des Aufbegehrens im Kino, das Subversive, das erfrischend Fiese, Ende der 1970er bereits zu Ende ging, oder ob „Convoy“ bereits die kommenden Reagan-Jahre voraussah, in denen die guten, t Pionierwerte wieder in den Vordergrund gerückt werden. Mit dem Glauben an die Integrität des Staates war es in den 1970ern sowieso endgültig vorbei, doch das hat, von heute aus betrachtet, eher den fortschrittlichen Kräften geschadet, denn die hätten einen starken Staat gebraucht, um die USA etwas sozialer werden zu lassen. Filme wie „Convoy“ spielen den Konservativen in die Hände, daran besteht kein Zweifel.

Während die großen Spätwestern sich am Mythos des Genres und damit dem der Nation als ein Land der Freien und Aufrechten abarbeiteten, wendet sich Peckinpah letztlich gegen sich selbst und seine früheren Arbeiten, auch wenn Rubber Duck, sein filmisches Maskottchen, am Ende schwimmen kann und den Angriff seitens der Nationalgarde auf seinen mit Explosivstoffen angefüllten Truck überlebt. Wie er diese Eigenschaft an die Fotografin Melissa referiert, das ist einer der wenigen Dialoge in diesem Werk, der wirklich zum Schmunzeln ist.

Die Handlung und Dramaturgie sind recht konventionell, nicht besser oder schlechter als bei vielen anderen Streifen, die irgendwo zwischen Roadmovie und Heist-Movie pendeln und viel Landstraße und sowas alles zeigen.

Die Figuren hätte man wesentlich mehr ausformen können, vor allem aber wirken, zumindest in der deutschen Übersetzung, die Dialoge hölzern und wenig inspiriert. Wenn man Peckinpah und seinem Trucker-Epos gut will, kann man sagen, sie sind alltagsnah, nicht stilisiert, nicht so am Reißbrett entworfen, wie wir das häufig in US-Filmen sehen, wo die Gagdichte so hoch liegt, dass jeder weiß, der Alltag kann nicht derart sein, sonst wären diejenigen, die so reden, nach einem Jahr in der Klapsmühle oder wenigstens total ausgebrannt. Das kann den Leuten in „Convoy“ nicht passieren, und es ist auch alles sehr leicht verständlich, aber – es wirkt, als übe Peckinpah die Sprache der neuen Zeit, und auch deswegen hatten wir den Film vor der Nachrecherche eher für ein Produkt der frühen 1970er gehalten. Alles wirkt ein wenig sehr simpel, banal, manchmal auch gerade überraschend, und interessanterweise fanden wir Cop Lyle Wallace auch deshalb gar nicht so schlecht, weil er auf eine seltsame Weise die differenzierteste Figur in diesem Film darstellt. Klar ist er korrupt, aber er wird auch immer wieder provoziert, denn die Trucker wissen, dass er ihren Funk abhört, und er reagiert nicht wie ein komplett Wilder, sondern nimmt immer auch wieder einen halbwegs menschlichen Standpunkt ein. Das hat bei uns dazu geführt, dass wir Ernest Borgnine als den Darsteller in „Convoy“ sehen, der als einziger ein nennenswertes Spiel zeigt.

Finale

Ob der gesamte strafrechtliche Teil, die Art, wie die Polizei über die Grenzen von Bundesstaaten hinaus zusammenarbeitet, wie das FBI eingesetzt wird, ob das alles realistisch ist, lassen wir außen vor, denn wir sind ja in einem Mythen-Revival unterwegs, in dem die Guten und Bösen nicht mehr Cowboys und Indianer oder Sheriffs und Gangster heißen, sondern Trucker und Sheriffs. Auf den ersten Blick wirkt der Film dadurch kritisch, auch der Politik gegenüber, die in Form eines Gouverneurs-Anwärters gezeigt wird, der sich die Trucker für seine Wahlzwecke instrumentalisieren will, aber das Ganze ist doch recht plump geraten. Gewalt- oder Sexzenen sind für heutige Verhältnisse nicht der Rede wert, und dass man in den USA Materialschlachten viel besser drehen kann als bei uns, zeigt, welche Vorteile die Leichtbauweise der ländlichen Häuser aus Holzpaneelen hat, wenn auch nicht bei den allfälligen Hurricanes.

55/100

© 2023 Der Wahlberliner, Alexander Platz (Entwurf 2015)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Sam Peckinpah
Drehbuch Bill L. Norton
Produktion Robert M. Sherman
Musik Chip Davis
Kamera Harry Stradling jr.
Schnitt Graeme Clifford,
Garth Craven,
John Wright
Besetzung

 

Hinterlasse einen Kommentar