Briefing 184 | Demokratie, Monarchie, Weltpolitik
Dies ist ein Update zu: Ein Ereignis wirft seinen Schatten voraus – Überblick über die Monarchien der Welt (Statista + Kommentar) | Briefing 184 – DER WAHLBERLINER
Heute ist der Tag der Krönung von König Charles III, die Zeremonie hat bereits begonnen. Wer es ganz genau wissen will:
Dort erfahren Sie auch, was eine Supertunika ist und wieder goldene Löffel, mit dem manche geboren werden, aussieht, wie die verschiedenen Kronen, Kutschen und Uniformen aussehen und bestückt sind, die bei der Krönung eine Rolle spielen und natürlich alle Details der Zeremonie, inklusive grafischer Aufbereitung der genauen Standorte in der Westminster Abbey, die König Charles zu diesem oder jenem Zeitpunkt einnehmen wird. In dem nachfolgenden Artikel vom Verfassungsblog lesen Sie unter anderem, dass nur die britische Monarchie in Europa noch Königskrönungen durchführt und was die Bauern in der Uckermark vielleicht mit dem englischen König verbindet, mehr möglicherweise als mit den deutschen Grünen.
Krönungszeitplan: Ihr vollständiger Leitfaden für den Tag – BBC News
Da hat die BBC wahrhaft Historisches hübsch aufbereitet. In einem weiteren Artikel wird, anders als auch hierzulande zuweilen berichtet, dargelegt, dass die britische Monarchie nach wie vor von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen wird, dass man dem neuen Monarchen Charles III aber etwas reserviert gegenübersteht, was seine Verbindung mit der Bevölkerung angeht.
Krönung: Wie beliebt ist die Monarchie unter König Charles? – BBC-Nachrichten
Nach dem, was wir von außen wahrnehmen, wird er sich eher volksnäher geben und ernsthafter für die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit einsetzen als seine verstorbene Mutter Elizabeth II, die noch ganz und gar ins koloniale Zeitalter hineingewachsen war. Als Charles geboren wurde, war insbesondere das fürs Empire wichtigste Land, Indien, bereits unabhängig und seine Kindheit war auch geprägt von der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegung. Wenn nichts besonders Schlimmes passiert, wird die Monarchie in Großbritannien nach unserer Prognose weiterbestehen.
Als wir sahen, dass vor allem junge Menschen die Monarchie ablehnen, dachten wir uns in etwa das, was die BBC im weiteren Verlauf des Textes erläutert hat: Menschen werden, im Durchschnitt betrachtet, im Laufe ihres Lebens konservativer, was in England auch heißt, monarchiefreundlicher. Wer selbst schon lange dabei ist, weiß eine lange Tradition eher zu schätzen und hinterfragt sie weniger, solange er selbst unter den herrschenden Bedingungen einigermaßen gut durchs Leben gekommen ist. Einiges wird aber auch davon abhängen, wie Großbritannien wirtschaftlich in den nächsten Jahrzehnten prosperieren wird.
Die Diskussion um die Zahlung der Krönungsfeierlichkeiten mitten in der Wirtschaftskrise deutet an, dass das Barometer einen anderen Ausschlag zeigen könnte, mit Sturmwarnung für die Royals. Das könnte der Fall sein, wenn die Gleichung, welche die meisten Briten sehr wohl kennen, nämlich, dass der wirtschaftliche Folklorewert der Royals größer ist als die Summe, die sie den Staat kosten, in dem Artikel wird sogar von „Preis-Leistungs-Verhältnis“ gesprochen, nicht mehr funktioniert. Vielleicht wird dann jemand die Rechnung aufmachen, dass all diese Besitztümer, die für die königliche Familie Erträge einbringen und sie wirtschaftlich unabhängig von direkten Staatszuwendungen machen, unzeitgemäße Erbtatbestände sind. Doch selbst dann ist eine Abkehr nicht sicher, denn gerade in der Krise kommt der Monarchie eine staatserhaltende Wirkung zu, die es in Deutschland beispielsweise nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr gab. Wir haben die positiven Aspekte der Monarchie für gut funktionierende Staaten wie die skandinavischen im Ausgangsartikel besprochen.
Auch in der nächsten Generation ist die Nachfolge gesichert. Die Erben von Charles, Thronfolger William und Herzogin Kate, führen zudem ein auffallend skandalfreies Leben. Das ist wichtiger als der häufige Zoff um den jüngeren Prinzen Harry und seine Frau Meghan. Auch die weitere Sukzession scheint mit drei gesunden Kindern, deren ältestes, der übernächste König, wenn alles normal läuft, wiederum männlich ist geklärt. Selbst, wenn das nicht der Fall wäre, gibt es weitere Mitglieder der königlichen Familie, die in der Thronfolge nachrücken würden.
Wir müssen diesen Absatz korrigieren, weil wir zunächst dachten, es ginge um die exakte juristische Definition des Königtums im Vereinigten Königreich, aber der folgende Artikel ist erstaunlich allgemeinpolitisch gehalten und stellt den König als Möglichkeit heraus, die Moderne, die sich in die Sackgasse gefahren hat, in einem positiv-konservativen Sinne zu überwinden. Ob wir da so ganz mitgehen, lassen wir mal dahingestellt, irgendwie gehören wir ja auch zu diesem städtischen Milieu, das vielleicht nicht so affin den Wandelanforderungen gegenüber ist, welche die Klimakrise stellt, wie wir selbst gerne denken. Zwangshandlungen aus wirtschaftlichen Gründen, wie sie sowohl in Großbritannien wie in Deutschland immer mehr Menschen vornehmen müssen, sind eben keine echte Bejahung einer ressourcenschonenden, klimaneutralen Zukunft.
Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Maximilian Steinbeis, Verfassungsblog, 06.05.2023
Es gibt vermutlich niemandem, dem es leicht fiele zu erklären, was da eigentlich genau passieren wird am morgigen Tag in der Westminster Abbey in London, UK. Die Krönung Karls des Dritten und seiner Frau Camilla wird passieren, schon klar. Aber was heißt das? Ihm wird im Rahmen eines anglikanischen Gottesdienstes von einem Bischof ein Eid abgenommen, er wird mit Olivenöl beträufelt, ihm werden ein Gewand umgehängt, eine Krone auf den Kopf und allerlei juwelengeschmückte Gerätschaften in die Hände gedrückt und zuletzt wird er auf einen Stuhl gesetzt. Schon klar. Aber was passiert da? Es ist ja nicht so, dass das halt das juristische Verfahren, der illokutionäre Sprechakt ist, der Karl den Prinzen – pling! – in Karl den König verwandelt und so die staatsrechtliche Position des Staatsoberhaupts besetzt. König ist Karl auch jetzt schon und wurde es im Moment des Todes seiner Mutter. Es ist auch nicht so, dass da ein großer und mächtiger Herrscher mit viel Gold und Weihrauch seine eigene Größe und Herrlichkeit feiert. Die Zeremonie ist, wie alles, was der König tut und sagt, auf das Strikteste von der Regierung des Premierministers seiner Majestät Rishi Sunak kontrolliert und diktiert, um deren Größe und Herrlichkeit es bekanntlich nicht besonders gut bestellt ist in diesen Zeiten der nationalen Qual. Den König krönen? Keine andere Monarchie in Europa macht das noch. Was soll das also? Was passiert da?
Es gibt zwei einfache Antworten, die mir beide nicht einleuchten: Das ist abergläubischer Hokuspokus, ein teures Zirkusspektakel der Regierung zur Ablenkung der Massen und für eine aufgeklärten modernen Menschen eine Zumutung, über die jedes Wort außer beißendem Spott verschwendet wäre, lautet die eine. Das ist ein liebenswertes, von jahrhundertealter Tradition durchwirktes, Gemeinschaft, Sicherheitsgefühl und Kontinuität stiftendes Ritual, das man zwar vielleicht nicht ganz ernst nehmen kann, aber doch jedenfalls jubelnd und fähnchenschwenkend genießen sollte, lautet die andere. Beide Antworten tun so, als würde sich von selbst verstehen, dass die Krönung überhaupt für etwas gut sein und einem außer ihr liegenden Zweck dienen soll. Das täte es dann, wenn sie eine moderne Sache wäre. Was sie, um das Offensichtliche zu sagen, nicht ist.
Durch die modernen Zeiten ist die britische Monarchie dadurch gekommen, dass sie sich in ein lächelndes, würdevolles Stück politischer Quasi-Nichtvorhandenheit verwandelt hat. Das kann auch gar nicht anders sein. Dass ein moderner, demokratischer Staat überhaupt ein Oberhaupt hat, lässt sich sehr viel leichter ohne Selbstwiderspruch behaupten, wenn daraus nichts wirklich Wichtiges mehr folgt. Das ist in Republiken wie die unseren ja auch nicht anders: Lächelnde Quasi-Nichtvorhandenheit ist auch für Bundespräsident*innen nicht die schlechteste Wahl, um ohne allzu großen Würdeverlust durch dieses seltsamste aller modernen Staatsämter zu kommen.
Karl kennzeichnet allerdings, dass er sehr vorhanden ist, im Übermaß sogar für viele, die sich seit jeher schon auf diesen sonderbaren, großohrigen, traurigen, linkischen, in so vieler Hinsicht entsetzlich unmodernen Mann keinen Reim machen können. Anders als bei seiner Mutter weiß man sehr genau über seine politischen Präferenzen und Meinungen Bescheid, aus denen er nie einen Hehl gemacht hat, im Gegenteil. Er ist ebenso leidenschaftlich für Biogemüse wie gegen moderne Architektur engagiert und lässt darüber zur großen Irritation der britischen Presse und eines nicht geringen Teils der Bevölkerung auch niemanden im Ungewissen, am allerwenigsten die demokratisch gewählte Regierung, die er jahrzehntelang mit Briefen zu bombardieren pflegte, ohne aber für die Relevanz seiner Ansichten einen besseren Grund angeben zu können als eben seine Geburt. So ragt dieser Mann in die Moderne, die mit ihm so wenig zurechtkommt wie er mit ihr. Und jetzt ist er König.
Die Ironie daran ist aber, dass Karl, seit 71 seiner 74 Lebensjahre Kronprinz, den Thron zu einem Zeitpunkt besteigt, an dem die Moderne längst selbst nicht mehr richtig modern ist. In der zweiten Staffel der legendären BBC-Serie House of Cards (dem Original, nicht zu verwechseln mit dem US-Remake mit Kevin Spacey) wird ein fiktiver König für seine unbeholfenen, demokratisch fragwürdigen Versuche, die Regierung zu einer sozial verträglicheren Politik zu bewegen, vom bodenlos zynischen, teuflisch cleveren, mörderisch machthungrigen Tory-Premierminister Francis Urquhart nach allen Regeln der Kunst fertig gemacht. 1993 war das, keine drei Jahre nach dem Rücktritt von Margaret Thatcher. Seither sind 30 Jahre und acht Premierminister*innen ins Land gegangen, sechs davon solche von der Conservative Party. Sich Rishi Sunak oder sonst irgendeine Gestalt in dieser vollkommen heruntergewirtschafteten Partei als Francis Urquhart vorzustellen, fällt schwer. Karl hingegen ist immer noch der Gleiche. Und irgendwie müssen auch die, die ihn die ganze Zeit ausgelacht haben, am Ende doch zugeben: He was kind of right all along, wasn’t he?
Wenn es die Trennung zwischen Gesellschaft und Natur ist, die die Moderne kennzeichnet, dann ist es heute viel mehr als 1993 ein nicht nur plausibles, sondern im höchsten Grad dringliches politisches Anliegen, diese Moderne zu überwinden. Klimawandel und Artensterben sind unabweisbare Realität, und der große politische Konflikt unserer Zeit ist der zwischen denjenigen, die die Forderung, dass es so nicht weiter geht, abwehren und aufschieben, und denjenigen, die sie annehmen und gestalten wollen. Die konservativen Parteien, soweit sie nicht zu autoritär-populistischen Scheußlichkeiten degenerieren wollen oder bereits degeneriert sind, sollten das als Chance begreifen. Was ist konservativ, wenn nicht die Moderne überwinden wollen?
Ich verbringe gerade viel Zeit in der Uckermark, 70 km nördlich von Berlin, eine sehr ländliche Gegend. Was hier auffällt, ist das Maß an Abneigung, das den Grünen entgegengebracht wird, bei gleichzeitig hohem Problembewusstsein für den Zustand dessen, was wir Modernen uns als „Natur“ zu bezeichnen angewöhnt haben und was für die Menschen auf dem Land einfach das Land ist, auf dem sie leben. Was es bedeutet, wenn es monatelang nicht regnet und die Ernte verkümmert und die Wälder wie Zunder brennen, erfahren die Menschen auf dem Land viel unmittelbarer und körperlicher als die in den Städten. Dass es so nicht weiter geht, ist den allermeisten hier schon lange klar. Sie ärgern sich über Windräder, die vor ihren Fenstern stehen, aber irgendwelchen Investoren gehören, und über hohe Benzinpreise bei gleichzeitig immer ausgedünnterer Infrastruktur und haben oft generell keine hohe Meinung von der Politik und der Aussicht, dass sie ihr Leben verbessert, und ich wüsste nicht, mit welchem Recht ich ihnen darin widersprechen sollte. Fans von Agrobusiness und Massentierhaltung sind hier die wenigsten, und wenn sie einen SUV fahren, dann zumeist deshalb, weil sie damit in unwegsamem Gelände unterwegs sind, und zwar nicht des Spaßes wegen. Ich will nichts idyllisieren, aber mir scheint, die meisten Menschen, denen ich hier begegne, wären durchaus leichter für eine effektive Klimapolitik zu gewinnen als die „liberal-konservativen“ Bewohner*innen städtischer Suburbs und Villenviertel, die ich so kenne. Nur halt nicht durch die Grünen.
So wie es aussieht, stehen die britischen Konservativen bei den nächsten Wahlen fast sicher vor einer Niederlage von epischen Dimensionen. Die Hoffnung, dass der autoritäre Populismus sie rettet, können sie kaum haben, das haben sie bereits ausprobiert. Ist es völlig ausgeschlossen, dass die Tory-Partei, wenn sie sich nach der ihr bevorstehenden Nahtoderfahrung wieder berappelt, neue Orientierung darin findet, sich in gut konservativer Manier hinter ihrem König zu versammeln? Auch wenn das bedeuten würde, mit ihren bisherigen Allianzen radikal zu brechen? Wenn das so käme: wie ironisch wäre das denn, wenn ausgerechnet das Land, das den Liberalismus, die empirische Naturwissenschaft, die Industrialisierung, sprich: die Moderne in wesentlichen Teilen erfunden hat, sich auf diese Weise an die Spitze derer setzt, die die Erde vor ihr retten?
Naja, man wird ja noch ein bisschen hoffen dürfen.
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Ende des republizierten Artikels.
Ausgangsartikel vom 04.05.2023
In zwei Tagen, am 06.05.2023, findet für Royalisten das Ereignis des Jahres statt. Ach was, des Jahrzehntes. König ist zwar Charles III bereits, durch den Tod seiner Mutter Elizabeth II, aber die Krönung hat vom unwirtlichen Herbst 2022, als sie schon möglich gewesen wäre, ins Frühjahr des nächsten Jahres verschoben, damit sie sich touristisch besonders gut nutzen lässt.
Statista hat das Ereignis zum Anlass genommen, eine Grafik mit der Übersicht über alle noch existierenden Königshäuser und die Art der Monarchie herauszugeben, die wir im Folgenden zeigen. Nach diesem Folgenden folgt der Erklärungstext und auf diesen folgt unser kurzer Kommentar.
Infografik: Welche Länder sind (noch) Monarchien? | Statista
Am 6. Mai wird Charles III. offiziell zum 13. König des Vereinigten Königreichs seit der Vereinigung Englands und Schottlands im Jahr 1707 gekrönt. Neben seiner Funktion als Staatsoberhaupt Englands, Schottlands, Wales und Nordirlands herrscht der Nachfolger Elisabeths II. auch über 14 andere Länder des britischen Commonwealths. Diese Zahl könnte sich allerdings in Zukunft ändern. Nachdem sich Barbados Ende 2021 von der britischen Krone abgekoppelt und die Staatsform der Republik angenommen hatte, gab die jamaikanische Regierung nach ihrer Wiederwahl im Juni 2022 bekannt, sich bis 2025 ebenfalls als Republik neu zu konstitutieren. Wie unsere Grafik zeigt, gibt es Stand jetzt weltweit noch 43 Monarchien.
Die kleinsten Gruppen machen die absoluten und semi-konstitutionellen Monarchien aus. Zu ersteren gehören primär die Golfstaaten mit den Königreichen Saudi-Arabien, Oman, und Katar. Eine Ausnahme stellt die Vatikanstadt mit ihrem Staatsoberhaupt Papst Franziskus dar. Unter den semi-konstitutionellen Monarchien finden sich mit Kuwait, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten weitere Länder am persischen Golf. Liechtenstein fällt ebenfalls unter diese Gruppe, deren Mitglieder bestimmte, aber nicht alle Aspekte einer konstitutionellen Monarchie erfüllen.
Dazu gehören zum Beispiel auch Königreiche, in denen die jeweiligen Monarch:innen zwar an eine Verfassung gebunden sind und die Regierungsgewalt de jure auf mehrere Organe verteilt ist, diese allerdings zugunsten des Staatsoberhaupts besetzt oder zusammengestellt werden. In Kuwait setzt der ungewählte Emir als Staatsoberhaupt beispielsweise alle Richter:innen persönlich ein und bestimmt den Premierminister, der wiederum das Ministerialkabinett besetzt.
Die restlichen bestehenden Monarchien, darunter auch die des Vereinigten Königreichs und der Commonwealth-Staaten, lassen sich der Staatsform der konstitutionellen und parlamentarischen Monarchie zuordnen, in denen adlige Staatsoberhäupter primär eine repräsentative beziehungsweise staatsnotarielle Funktion erfüllen, während die hauptsächlichen Regierungsentscheidungen durch ein gewähltes Parlament getroffen werden.
Der Kopf-ab-Staat Saudi Arabien ist also die größte „echte“, vollständige Monarchie, die nicht wenigstens mit demokratischen Institutionen kooperiert. Das Land finanziert den Terror, hat in vieler Hinsicht eines der rigidesten Gesellschaftssysteme der Welt und mischt wirtschaftlich mit dieser Art von Staatsführung fast überall mit. Wäre dieses Land die Referenz, müsste man sagen, Monarchien müssen weg, weil in ihnen der staatlichen Wilkür Tür und Tor geöffnet sind und weil sie krasse Beispiel von sozialer Ungleichheit im Land darstellen.
Zur britischen Monarchie hatten wir uns anlässlich des Todes von Queen Elizabeth II geäußert.
Zum Tod von Queen Elizabeth II. (Leitkommentar) +++ Sonderausgabe | Briefing 28
Die britische Monarchie mit ihrem Imperialismus-Kolonialismus, für den sich auch die Queen nie entschuldigt hat, war alles andere als harmlos. Aber der gute Charles könnte ja hier neue Akzente setzen. Dann wäre sie, von heute aus betrachtet, nicht viel mehr als die übrigen Monarchien Europas, nämlich eine Art von Tradition und Folklore, die offenbar gesellschaftserhaltend ist. Und es gibt noch die Länder des Commonwealth, teilweise viel größer, wenn auch nicht einwohnerstärker als Großbritannien, die sich offenbar alleine fühlen würden, wäre Charles III nicht ihr Staatsoberhaupt. Bei Ländern wie Kanada und Australien ist das schon etwas verwunderlich, aber wenn alle Beteiligten glauben, es bringt ihnen etwas und einige Analysten glauben, die alten imperialistischen Seilschaften sind noch am Werk, die zu einer ungewöhnlich starken Angloamerikanisierung der Welt beigetragen haben, dann muss man dem entgegenhalten, es gibt gefährliche Seilschaften, die nicht auf solchen alten Relationen fußen. Die USA zählen natürlich zu dieser Seilschaft bzw. sind ihr Zentrum, auch wenn sie eine Republik sind.
Und hier noch ein schneller Nachtrag zu den britischen Royals kurz nach der Veröffentlichung des Artikels, weil er uns sozusagen gerad ein die Hände gefallen ist, hier wird relativ kritisch über das britische Königshaus vor allem das Thema angesprochen, das wir nur in einem Satz gestreift haben. Es ist richtig, dass Großbritannien, die Deutschland, ziemlich hart von der aktuellen Wirtschaftslage getroffen wird, aber letztlich geht es dabei um andere Summen als die für die Krönungsfeier. Also ist es der Symbolwert, über den diskutiert wird.
In Kontinentaleuropa fällt schon auf, dass die stabilsten, demokratischsten und reichsten Länder Monarchien sind. Länder, in denen die Menschen nicht durch die Monarchien ausgebeutet werden, wie früher, sondern in denen es ihnen relativ gutgeht. Natürlich sind wieder einmal die skandinavischen Länder dabei, wie immer, wenn es darum geht, die Besten der Welt zu ermitteln. Es gibt keine relevante Statistik, die etwas über Freiheiten, allgemeinen Wohlstand und das gesamte Wohlergehen der Bevölkerung aussagen, wo diese Länder nicht vorne sind. Offenbar stören die Monarchien in Dänemark, Norwegen und Schweden dabei nicht. Nur Finnland ist eine Republik. Und das kleine Island natürlich, das auch zu Skandinavien zählt.
Mitten in Europa sind, abgesehen von der Schweiz, vor allem die Steuerfluchtländerchen, wie Luxemburg, Monaco, Liechtenstein, Monarchien. Sie belegen, dass Monarchie nicht Monarchie ist, denn sie sind Blutsauger der größeren Volkswirtschaften, das muss man einfach so sagen, wie es ist. Was diesen größeren Volkswirtschaften verlorengeht, weil dort Kapital verbuddelt wird oder sich Mwenschen, die woanders ihre Erfolge erzielen, dort niederlassen, ist enorm. Das dürfte es eigentlich nicht geben, es zählt zu den Verhinderungstatbeständen des weltweiten Fortschritts.
In Norwegen andererseits kommt auch Glück dazu. Das Land wäre ärmer als die übrigens Scandics, wenn man nicht vor der Küste Öl gefunden hätte. Aber hätte man es in einer Republik so klug im Sinne der Bevölkerung eingesetzt, wie es im Kapitalismus überhaupt möglich ist, nämlich, in dem man sich weltweit in Unternehmen einkauft? In Deutschland gibt es nicht einmal Ansätze von einer staatlichen Vermögensbildungsstrategie, und das gilt für die meisten Länder. In einigen Monarchien, wie dem erwähnten Saudi-Arabien, gibt es so etwas zwar, aber es dient nur den Herrschenden.
Südlich von Skandinavien sind die Niederlande, Belgien und Spanien die nennenswerten Demokratien in Europa. Das sind nun auch keine Länder, die durch ständige Negativschlagzeilen auffallen, was ihre ökonomischen oder menschenrechtlichen Fakten angeht.
Manchmal haben wir schon den Eindruck, dass konstitutionelle Monarchien, die repräsentativ angelegt sind, durchaus Gesellschaften nicht schaden, sondern helfen, sie zusammenzuhalten. Daran ändern auch die Schwedendemokraten nichts, die sich eine Sondersitution in dem Land zunutze gemacht haben, nämlich die negativen Folgeerscheinungen davon, dass man eben gerade so humanistisch unterwegs war und nicht vorbereitet auf neue Formen und Dimensionen der Gewalt, die sich dort ausgebreitet haben. Trotzdem schafft es Schweden, wie die anderen Monarchien in der Ecke, nach wie vor zu den weltweit führenden Ländern in Sachen Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit zu gehören. Was soll also an einer solchen Demokratie schlecht sein, wenn sie nicht so skandalbehaftet ist, dass die Menschen sie nicht mehr mögen oder viel mehr kostet, als sie einbringt. Besonders bei der britischen Monarchie ist das sicher nicht so. Die Skandale gab es und wird es immer wieder geben, weil sie so groß sind und ihre Mitglieder nicht gerade unauffällige Typen, auch die Diskussion über die Versteuerung des Einkommens der Royals wird sicher weitergehen – aber was Großbritannien touristisch an Vorteilen aus der Monarchie zieht, kann sich damit ganz sicher aufrechnen lassen und es bleibt noch eine Menge übrig. Die Royals sind also Unternehmer für sich selbst, aber auch im Dienst des Landes.
Wir glauben auch, ohne die Monarchie hätten die Briten den Brexit nicht gewagt. Wir sind ja auch nicht für den Brexit gewesen, aber die Tatsache, dass es eine Institution gibt, die von der Mehrheit befürwortet wird und die viel älter ist als die EU und die Großbritannien immer eine Sonderstellung in der Welt gesichert hatte, hat sicher diesen riskanten Move unterstützt. Bis jetzt ist nach unserer Ansicht nicht geklärt, ob er für das Land selbst sinnvoll war und die Queen hatte sich mühsam herausgehalten, denn gefragt wurde sie oft. Es gab aber dezente Anzeichen dafür, dass sie nichts gegen den Brexit hatte. Auch das wäre bei Charles vielleicht anders. Sowohl Europa betreffend, das er schätzt, als auch die Zurückhaltung. Hätte er die Klappe so halten können wie seine Mutter und trotzdem beim Steuern geholfen?
Das ist der Moment, in dem es immer noch wichtig ist, wie solche politisch im Grunde inaktiven Monarchien ticken. Und da können sie, wenn sie das richtige tun, auf eine Verwurzelung im Volk zählen, die auf keine demokratisch gewählte Institution zutrifft, auch nicht auf Politiker:innen, sehr lange an der Regierung sind, wie Angela Merkel. Das kann man nicht mit der 70-jährigen Regentschaft von Queen Elizabeth vergleich, die das Land schon zuvor, durch den Zweiten Weltkrieg hindurch, aktiv begleitet hatte. In mancher Hinsicht könnte Großbritannien fortschrittlicher sein, aber das liegt nach unserer Ansicht nicht an der Monarchie. Dass es nicht so ist. Sondern an der rüden kapitalistischen Ausrichtung der letzten Jahrzehnte. In Schweden verbinden sich nämlich guter Sozialstaat und Monarchie miteinander. Es wäre sogar eine sozialistische Staatsform unter dem Dach einer konstitutionellen Monarchie denkbar. So etwas hat es nie gegeben, weil es nicht dem Selbstverständnis von Sozialisten und Kommunisten entspricht. Dem Zarismus in Russland wurde auf wirklich drastische Weise ein Ende bereitet. Er war allerdings auch nicht konstitutionell im Sinne heutiger Repräsentationsmonarchien, sondern absolut. Gleichwohl gab es ab dem frühen 20. Jahrhundert Ansätze zur Demokratisierung, die von den Bolschewiki gleich mit eingestampft wurden. Das bürgerliche Zeitalter wollte man einfach überspringen. Das ist aber nicht so einfach, denn die Zivilgesellschaft rekrutiert sich überwiegend aus dem mittleren, bildungsstarken Bürgertum. In allen heutigen Demokratien hat sie mehr oder weniger den Boden für diese Staatsform bereitet.
Wir meinen, Monarchie ist nicht gleich Monarchie. Sicher spielt dabei auch eine Rolle, dass die Republik Deutschland es nicht schafft, gleiche Standards wie die Scandics zu erreichen, obwohl grundsätzlich genug Potenzial dafür vorhanden wäre. Da wünscht man sich mal, dass eine unangefochtene, unabhängige Institution vielleicht doch mal ein Wort zur Lage der Nation spricht. Denn Politiker:innen in der Republik sind eines nicht grundsätzlich: unabhängiger. Bei uns sind sie vielfach Interessengruppen stark verbunden, die wiederum vielfach gegen Mehrheit der Bevölkerung arbeiten. Vielleicht hat es doch auch mit der Staatsform zu tun, dass die besten Monarchien in Europa auch zu den am wenigsten korrupten Ländern zählen. Auch hier ist Finnland wieder ein Gegenbeispiel, das ein wohl weltweit einmaliges Auditing für viele zivilgesellschaftliche Belange hat. Aber es ist in der Hinsicht auch eine Ausnahme, nicht die Regel.
Wenn man es nicht ideologisch, sondern pragmatisch sieht, kann man nur sagen: Es kommt darauf an. Wenn Menschen in sozialen Dingen ohnehin relativ ernsthaft und demokatisch erfahren sind, wie die Skandinavier, können sie sich auch eine Monarchie leisten, die dann wiederum die Demokratie positiv inspirieren oder gar schützen kann. Über die Frage, wie wäre die deutsche Geschichte verlaufen, wenn sich die Monarchie in konstitutioneller Form erhalten hätte, ist schwer zu beantworten. Es gibt durchaus Argumente dafür, dass es den Nazi-Staat nicht gegeben hätte oder er wenigstens nicht solche Exzess erreicht hätte, wie es der Fall war. Was wiederum nicht heißt, dass die deutsche Monarchie im damaligen Zustand wirklich erhaltenswert gewesen wäre, sie war eine der nationalistischsten, großspurigsten und imperalistischsten. Von diesem Gepräge sind die heutigen konstitutionellen Monarchien weit entfernt. Selbst die britische.
Wir sind selbstverständlich keine Royalisten, aber wir sagen bei diesem Thema: Es kommt darauf an. Und manchmal denken wir: Wer greift eigentlich bei uns ein, wenn die Demokratie von innen und außen so torpediert und ausgehöhlt wird, dass sie nicht nur nachlässt, das ist ohnehin der Fall, sondern verlorengehen könnte? Da gibt es niemanden, der sie, wie in Spanien 1981, vor einem Putsch schützen könnte. Bei uns wäre es sicher kein Militärputsch, aber es gibt viele Formen der Abschaffung der Freiheit. Wir finden es eher bedenklich, dass wir uns solche Gedanken machen müssen und dabei auch an Rettung durch Menschen denken, die nicht demokratisch in ihre Positionen gewählt wurden.
TH