Was die Staatsschulden wirklich erzählen (Statista + Kommentar) | Briefing 187

Briefing 187 | Wirtschaft, Staatsschulden, Verschuldung, Vermögen

Die Woche fängt gut an, denn es geht wieder ums Geld. Dieses Mal um das Geld, das man nicht hatte und weswegen man Schulden aufnehmen musste. Heute um die Staatsschulden, die relativ einfach zu berechnen sind. Oder sein müssten. Wir haben uns erst vor wenigen Tagen dazu geäußert, dass das, was Sie nun unten sehen werden, nicht der wirkliche deutsche Schuldenberg ist.

 Hinzu kommen Bad Banks und „Sondervermögen“ aller Art, die wie Pilze nach einem Frühlingsregen aus dem Boden schießen. Würde man sie einrechnen, inklusive dem neuen „Sondervermögen“ Bundeswehr, käme Deutschland vermutlich auf mindestens 3,5 Billionen Euro Staatsverschuldung. Denn nicht nur der Bund, sondern auch die Länder sind beteiligt, Berlin ist natürlich auch dabei. Machen anderen Staaten auch solche Tricks, um besser auszusehen, als sie sind? In den USA käme es auf ein paar Billionen nun auch nicht mehr an, wie die Grafik belegt. Natürlich ist die US-Volkswirtschaft etwa fünf Mal größer als die Deutsche, der (offizielle) Schuldenbergt ist aber zehn Mal so hoch. Kann das ewig so weitergehen? Oder ist eine Totalwährungsreform, dieses Mal nicht nur für einen einzelnen Staat, längt mehr oder weniger klar? Treffen würde es wiederum die „kleinen Leute“, die nur ein bisschen Erspartes haben und keine Immobilien oder Produktionsmittel, also Wirtschaftseinheiten, in denen andere für sie die Arbeit machen.

Infografik: Amerikas gigantischer Schuldenberg im Vergleich | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz 

 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die Staatsverschuldung er USA beläuft sich auf rund 30 Billionen Euro (31,4 Billionen US-Dollar). Damit ist die aktuelle Schuldenobergrenze erreicht. Zwar verschafft das Department of the Treasury der Regierung mit sogenannten „extraordinary measures“ derzeit noch einen Galgenfrist. Aber nur wenn das Limit bis zum 1. juni angehoben wird, darf der Staat sich weiteres Geld leihen. Diese Woche verhandelt US-Präsident Biden mit Demokraten und Republikaner über eine Anhebung. Sollte es bis Ende des Monats nicht zu einer Einigung kommen, droht den USA die Zahlungsunfähigkeit. Wie gewaltig der US-Schuldenberg ist, zeigt der direkte Vergleich mit der Europäischen Union. Die Gesamtschulden ihrer 27 Mitgliedsstaaten bezifferten sich Ende 2022 auf 13,3 Billionen Euro – davon steuert Deutschland 2,6 Billionen Euro bei.

Falls Frankreich und Italien, die auf der Grafik etwas höhere Schuldenstände ausweisen, bei den Angaben ehrlicher sind, was immerhin denkbar wäre, da sie auch nicht ihre Arbeitslosenstatistiken so massiv schönen, wie das bei uns der Fall ist und die Menschen dort den Schulden ein höheres Medianvermögen entgegensetzen können als die Deutschen (wirklich wahr: müssten die Bürger:innen aus eigener sofort alle Staatsschulden bezahlen, wäre das in diesen Länder leichter möglich als bei uns).

Und da kommen wir zu den USA. Was oben beschrieben wird, ist mittlerweile ein Ritual. Seit Präsident Obamas Zeiten wiederholt sich dieses Schauspiel regelmäßig. Zumindest in unserer Wahrnehmung, vielleicht ging es schon mit George W. Bush los. Mit dessen Vorgänger Bill Clinton sicher nicht, damals hatten die USA ihre bisher letzte Phase einer Schuldenkonsolidierung eingeleitet.

Diesem Schuldenberg, der sich so exorbitant ausnimmt, stehen aber gigantische 145 Billionen Dollar Volksvermögen gegenüber. Ungleich verteilt, aber immerhin. Und nicht nur das, er wächst auch rasant. Eine zweite Grafik auf der betr. Wikipedia zeigt, dass der Abstand zu China als klare Nr. 2 sich zuletzt nominal, nicht prozentual, sogar wieder zugunsten der USA vergrößert hat. Der heutige Vermögensbestand in den USA liegt um das 3,4-Fache höher als im Jahr 2000, in Deutschland nur um das 2,8-fache, was, im Rahmen der etablierten Industrieländer betrachtet, auch kein schlechter Wert ist.

Das gesamte deutsche Volksvermögen beträgt nur 18 Billionen Dollar. Die USA, aber auch Frankreich, Italien und andere Länder haben eine höhere Vermögensquote im Verhältnis zum BIP als Deutschland. Von der Schweiz hätte man das sowieso vermutet, es trifft aber auch auf Spanien und weitere Länder zu, in denen Menschen ganz offenbar mehr vom Einkommen zum Vermögensaufbau übrig behalten als in Deutschland. Dies wird natürlich auch dadurch möglich, dass viele dieser Länder (nicht die Schweiz, die zählt zu einer Staatengruppe, auf die wir noch zu sprechen kommen) höhere Staatsschulden in Kauf nehmen, denen dann höhere Medianvermögen gegenüberstehen, als das in Deutschland der Fall ist. Allerdings ist hierzulande immer noch das West-Ost-Gefälle einer der Faktoren, die das Bild eintrüben. In Ostdeutschland haben Menschen im Durchschnitt nicht einmal 25 Prozent des Vermögens wie Westdeutsche. Die guten ersten Nachkriegsjahrzehnte fehlen dort quasi komplett, im Sinne einer Möglichkeit des Aufbaus von Vermögen auch für normale Haushalte.

Liste der Länder nach Gesamtvermögen – Wikipedia

Was die Schuldenstände der privaten Haushalte angeht: In Deutschland ist dieser Stand höher als derjenige der öffentlichen Hand, er liegt aktuell bei etwa 100 Prozent des BIP = 5 Billionen Euro und ist vom Volksvermögen abzuziehen bzw. schon abgezogen. In den USA ist er etwa ebenso hoch, das heißt aber, dort haben Private weniger Schulden als der Staat, der mit fast 150 Prozent des jährlichen BIP in der Kreide steht, Deutschland aktuell mit ca. 77 Prozent. Womit auch wiederlegt wäre, dass, zumindest für die gesamte Nation betrachtet, die Amerikaner nur auf Pump leben, während hierzulande gespart wird auf Teufel komm raus.

Die Staatschulden betreffen, es waren vor Corona in Deutschland etwa 60 Prozent. Alles wieder futsch, was die harte Schwarze-Null-Politik über zehn Jahre aus der Infrastruktur herausgequetscht hat, woraufhin sie großflächig verfiel. Wir stehen wieder auf dem Stand von etwa 2010. Andere Länder in Europa winken nur ab, wenn es um das Maastricht-Kriterium geht, das ebenjene 60 Prozent als Höchstverschuldung vorsieht, die Deutschland hatte, als es just wieder Probleme gab, die leider mit vielen neuen Schulden gelöst werden mussten. Wer davon profitiert? Wir sicher nicht. Auch Leistungsempfänger bei den schmalen Zuwendungen hierzulande kam. Sondern diejenigen, die als Krisengewinnler im Rausch sind.

Deutschland – OECD Daten

Genau wegen des riesigen Volksvermögens, das fast ein Drittel des Weltvermögens aus macht, haben die USA auch noch eine relativ gute Bonität. Nicht mehr die allerbeste, je nach Ratingagentur, aber immerhin. Es reicht, um sich günstig refinanzieren zu können. Dabei hilft auch, dass der Dollar die Weltleitwährung ist und Währungsschwankungen aufgrund eines Verhältnisses zum Dollar ausfallen, wenn Schulden i Dollar aufgenommen werden. Ein weiterer Aspekt: Auch in den USA werden die Schulden derzeit massiv weginflationiert, genau wie bei uns. Insofern ist der IRA (der Inflation Reduction Act), der wegen seiner industriepolitischen Aspekte bei uns für so viel Aufregung sorgt, für die USA relativ leicht zu stemmen, auch wenn er das Schuldenaufkommen weiter erhöhen wird.

Ein anderes Problem kann man aber nicht auf die leichte Schulter nehmen: Der IRA wird viele Investitionen von woanders abziehen, gleichzeitig befindet sich die Welt in einem mittlerweile epischen Wettlauf um niedrigere Steuersätze. Vor einiger Zeit hat Frankreich seine Reichen damit noch reicher gemacht. Es kommt nicht von ungefähr, dass der LVMH-Eigner Bernard Arnault mittlerweile selbst Größen wie Elon Musk und Jeff Bezos hinter sich gelassen hat. Die Staatsschulden werden also kaum zu bremsen sein, wenn es das Kapital schafft, mehr oder weniger gar keine Abgaben für Gemeinschaftsaufgaben mehr zahlen zu müssen. Und das trifft, siehe oben, wieder ärmere Mehrheit. Für sie ist kein Geld mehr da, soziale Aufgaben, in den USA ohnehin eher ein Nebenschauplatz, in Europa aber unabdingbar, um die Gesellschaften zu stabilisieren, werden mit Verweis auf die Schulden nicht in erforderlichem Maß stattfinden.

Es ist ein absoluter Irrsinn, was sich da seit Jahrzehnten abspielt und die Staaten auch schuldenmäßig in die Bredouille bringt. Die USA hatten im und nach dem Zweiten Weltkrieg Spitzen-Einkommensteuersätze von bis zu 90 Prozent. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, aber damals war es üblich, dass sich alle am Wohl der Nation beteiligt haben, nicht nur die Masse der nicht oder wenig Besitzenden. Gäbe es noch vernünftige Steuersätze, sie müssten ja nicht gerade bei 90 Prozent in der Spitze liegen, hätten die USA angesichts ihrer volkswirtschaftlichen Prosperität überhaupt keine Schulden. Heute würde aber das Kapital auch dort mit Abwanderung drohen, wie einzelne Superreiche es immer wieder vorführen, die wirklichen vaterlandslosen Gesellen. Das wäre nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen hohen Kosten verpönt gewesen. Deswegen ist auch der heutige Patriotismus in Ländern wie den USA komplett hohl und nur für diejenigen gedacht, die nicht durchblicken, wie sie abgezockt werden.

Der IRA, die Transformierung, Nationalisierung, Reindustrialisierung,  ist im Grunde wieder eine Gemeinschaftsaufgabe, an der sich alle beteiligten müssten. Besonders diejenigen, die durch großflächige Subventionen aus dem IRA gepampert werden. Aber der Staat wuppt es und das Kapital profitiert davon und fährt immer höhere Gewinne ein, ohne entsprechend etwas zurückzugeben. Man ist beinahe verblüfft, dass immerhin ein weltweiter Mindeststeuersatz von 15 Prozent auf Unternehmensgewinne ausgerechnet von der US-Regierung vorgeschlagen wurde. Aus logischen Gründen dennoch, denn viele Firmen, die in den USA und anderen größeren Ländern ihre Umsätze erwirtschaften, zahlen in jenen größeren Ländern so gut wie gar nichts, weil sie in kleinen Steueroasen residieren. Diese Steuervermeidungsterritorien haben natürlich so gut wie keine Schulden. Sie sind klein und das, was die Großen, die sich dort niederlassen, an Jobs mitbringen und die sehr geringen Steuern reichen aus, um solche kleinen Länder richtig wohlhabend zu machen. Die Großen sind an all dem mit einigen ihrer Sonderterritorien beteiligt, das darf man allerdings nicht vergessen. Um die Schulden der Staaten wirklich zu sanieren, müssten also vernünftige, höhere Steuersätze eingerichtet werden und man müsste den Steuervermeidungsterritorien und Kapitalversenkungssandkästen den Hahn zudrehen. Die USA haben die mit Abstand am meisten hochgerüstete Streitmacht der Welt. Wie wär’s mal mit einer geopolitisch wirklich guten Tat, nämlich dort einzurücken und dem Spuk ein Ende zu bereiten?

Die Überwachung der Ehrlichkeit des Kapitals wäre eine tolle Aufgabe für eine Armee, die weltweit keine wirklichen Feinde hat. Da könnte sie mal sinnvoll eingesetzt werden. Vermutlich würde aber schon die Drohung ausreichen, damit das Staaten-Parasitentum, das die Schuldenstände größerer Volkswirtschaften anheizt, wenigstens gedämpft wird. Warum das nicht passieren wird? Die komplett aufgeblasenen US-Streitkräfte sind nicht dazu da, etwas im Sinne der Nation oder des ganzen Globus im Sinne von Demokratie und Recht zu schützen, sondern um das Kapital zu schützen und zu vermehren, denn die Rüstungsindustrie ist aufgrund der vielen Topprodukte, die sie aufgrund hoher heimischer Nachfrage entwickelt, auch die größte Exportbranche der USA. Um jeden Preis, wie man an der abenteuerlichen Höhe allein dieses Etats sieht (er ist fast doppelt so groß wie der gesamte deutsche Bundeshaushalt).

Wenn man ein wenig hinter die Schuldenberge schaut, merkt man, dass sie, wenn sie Probleme verursachen, nicht die Staaten treffen, sondern die Mehrheit der Menschen in jenen Staaten, die nicht für das Anwachsen dieser Schuldenberge verantwortlich sind. Insofern sind sie alles andere als egal, sie können jeden von uns sehr teuer zu stehen kommen. Ungünstigerweise dann, wenn wir ohnehin von Problemen wie der aktuell hohen Inflation geplagt sind.

TH

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