Fame – Der Weg zum Ruhm (Fame, USA 1980) #Filmfest 979

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Der lange und unsichere Weg zum Ruhm

Fame – Der Weg zum Ruhm ist ein US-amerikanischer Spielfilm über Jugendliche an der High School of Music and Art in Manhattan, eine New Yorker Schule für darstellende Künste, aus dem Jahr 1980. Regie führte Alan Parker.

Alan Parkers heute am höchsten eingeschätzter Film ist „Mississippi Burning“ (1988), den wir für den Wahlberliner rezensiert haben. Im Moment beschäftigen wir uns mit dem US-Film der frühen 1980er, mit Ikonen, die bis heute bekannt sind, wie „Flashdance“, „Straßen in Flammen“ und die entweder sehr nach dem damaligen Jugendgeschmack gefilmt wurden oder werden sollten oder, das ist allerdings kein Spezifikum der frühen 1980er, den Karriereweg junger Menschen beleuchten. In einem Land, das so karriereversessen ist wie die USA, wimmelt es von Filmen, die auf unterschiedliche Art biografisch sind – auf einzelne Personen konzentriert meistens, meist sehr affirmativ, manchmal auch kritischer. Mehr dazu lesen Sie in der –> Rezension.

Handlung (1)

Alan Parkers Film aus dem Jahr 1980 beschreibt den Weg mehrerer Schüler und Schülerinnen an einer New Yorker High School für „Performing Arts“ und für die Aufnahmeprüfung zählt nur eines: Talent. Wir verfolgen den Weg der jungen Frauen und Männer über vier Jahre hinweg, der Film in fünf Akte unterteilt: Vor der Aufnahmprüfung und die vier Schuljahre, die in den USA allesamt eigene Bezeichnungen haben: Freshmen, Sophomores, Junior, Senior. Die Schüler werden ausgebildet, erleben Krisen, stoßen an ihre Grenzen und am Ende steht eine Abschlussvorstellung.

Rezension

Auch Kinowerke über Highschool-Klassen oder –schüler gibt es wie Sand am Meer, wobei man einschränken sagen muss, dass dieses Genre erst in den 1980ern so richtig in Schwung kam und dem größeren Cluster der Initialisierungsgeschichten zugeordnet werden kann.

„Fame“ verbindet all dies miteinander, und das ist dann wieder eher ungewöhnlich, weil es einer geschickten Handlungsführung bedarf, so viele Schüler gleichzeitig zu begleiten. Die Lösung ist natürlich, sie unterschiedlich zu gewichten. Die wichtigsten sind das schüchterne Mädchen Doris (Maureen Teefy), der Puertoricaner Ralph  (Barry Miller), die hervorragende Sängerin Coco (Irene Cara), der homosexuelle Montgomery (Paul McCrane), das Upperclass-Mädchen Hilary (Antonia Franceschi), das Ghettokid Leroy (Gene Anthony Ray), der E-Musik-Künstler Bruno (Lee Curreri).

Der Film kommt in einem für die Zeit modernen Gewand, das unter anderem durch das Aufkommen der hautengen Leggings und Trikots und deren meist verschwitzten Zustand eine gewisse dampfend-erotische Aura erhält. Zehn Jahre früher gedreht, würde es heute wohl dreißig Jahre älter wirken.

Die jungen Leute sind tatsächlich Schauspiel- und Tanzschüler einer New Yorker Institution und spielen im Film mehr oder weniger sich selbst. Nicht ohne Ironie und Tragik. Die untalentierte Lisa beispielsweise wird von Laura Dean gespielt, die auf jüngeren Bildern, vorsichtig ausgedrückt, ein wenig rundlich wirkt. Gene Anthony Ray, der den aggressiven Beinahe-Analphabeten Leory spielt, welcher zwischenzeitlich einen Teil der Einrichtung in der Bibliothek demoliert, ist zwei Jahre nach dem Film tatsächlich von der Schule suspendiert worden. Leben und Film liegen in diesem Fall besonders eng zusammen, weil die Schüler die Typen spielen, die sie auch im wirklichen Leben darstellen.

Alle wichtigeren unter den jungen Akteuren haben hin und wieder in Fernsehserien gespielt, manche auch in dem einen oder anderen Kinofilm, doch berühmt wurde nur eine von ihnen und war es schon, als sie in „Fame“ mitmachte: Irene Cara, die vier Jahre später den Oscar für ihren Titelsong zu „Flashdance“ erhielt, den sie sowohl geschrieben wie gesungen hat. Bei der Gelegenheit fragen wir uns, warum man ihr nicht auch die Rolle von Alex gegeben hat, die Jennifer Beals spielte. Tänzerisch wäre sie sicher gut genug gewesen, zumindest wirkt sie in „Fame“ so, auch schauspielerisch hätte es nach unserer Ansicht keine Bedenken gegeben. Vielleicht, weil es im Mainstream-Kino eben noch nicht war, wie es ein nörgelndes weißes Mädchen in „Fame“ behauptet, nämlich, dass man als Farbige oder Farbiger an der Schule bessere Aufnahmechancen hat – sondern umgekehrt, wie im richtigen amerikanischen Leben? Weil man auf Nummer sicher gehen wollte, aucht wegen der Beziehung zu dem reichen Weißen, ihrem Chef.

Natürlich ist das anfangs schüchterne Mädchen Doris, das als irisch-jüdisch bezeichnet wird (aber Finsecker heißt, was auf eine zusätzliche mitteleuropäische Linie schließen lässt) tatächlich Irin und so schön klischeehaft rothaarig gelockt, auch die anderen Schauspieler haben den ethnischen Hintergrund, der ihren Rollen entspricht. Das ist schon deshalb logisch, weil die jungen Menschen sich ja mehr oder weniger selbst spielen.

In „Fame“ gibt es keine wirklich sichtbare Bevorzugung oder Benachteiligung, denn dort, so Kunst gelehrt wird, entscheidet nur das Talent. Wir glauben tatsächlich, dass im künstlerischen Bereich die Chancen ausgeglichener sind als anderswo, weil die Lehrer vor allem daran interessiert sind, ihre Zeit nicht mit zu wenig talentierten Menschen zu verschwende. Sie müssen ja nicht jeden nehmen, sondern können gezielt aussieben. Künstler sind überdies in der Regel toleranter und offener als der Durchschnitt der BevölkerungDas Leben mit der Kunst hat, davon sind wir überzeugt, positiven Einfluss auf die Persönlichkeitsbildung.

Vor allem, wenn der Weg so hart ist wie für diese Schüler. Manches zeigt der Film nicht, es bleibt unserer Vorstellung überlassen. Es gibt nur einen ganz kurzen Einblick in die Stimmübungen, man sieht eigentlich nie, wie die Tänzer das langweilige Ausdauertraining absolvieren, auch dieser Film unterliegt selbstverständlich der Versuchung, das Leben als werdender Künstler hin zur interessanten Seite zu verdichten. Die swingende Kantine und ähnliche Szene zeugen von dieser Einstellung. Es geht ganz überwiegend um die Ausübung, nicht um das Lernen an sich. Deswegen ist eine der wenigen Übungen, die intensiv gezeigt werden, die kurze Performance, in der die Schüler wichtige Erlebnisse aus ihrem eigenen Leben darstellen sollen, dort kommt es zu erschütternden Offenbarungen, insbesondere seitens von Ralph, der mit seinen zwei kleinen Schwestern in einer besonders wüsten Gegend von New York lebt.

Ob Menschen mit Schauspieltalent da wirklich immer so viel von sich selbst rauslassen, wo sie die Chance haben, ihr Talent zu  zeigen, indem sie sich fiktionalisieren, ist eine andere Frage, schließlich sind das hier Menschen, die schon etwa 18 Jahre alt sind, keine kleinen Kinder, die nicht abstrahieren können.

Die frühen 1980er sind auch deshalb eine interessante Kino-Epoche, weil sie noch einmal eine Auffächerung und Neubestimmung von Genres mit sich brachte, die man seitdem nicht mehr gesehen hat. Jeder der Filme aus dieser Zeit, die wir zuletzt besprochen haben, ist wichtig, weil er noch einmal Neues zeigt. Zwar ist  die Figurenaufschlüsselung von „Fame“ traitionell, aber als Ensemblefilm mit offenem Ende für alle dieser Jungperformer in Sachen Schauspiel, Tanz und Musik hat er doch eine Eigenständigkeit und die Inszenierung ist nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern erweitert stellenweise die bisherigen Grenzen. Das Drehbuch hat die Juroren der Academy of Motion Pictures so überzeugt, dass es einen Michael Gore einen Oscar dafür erhielt – ebenso wie für die Musik.

Der Film erklärt uns nebenbei, warum amerikanische Künstler meist mehrere Sparten beherrschen, nämlich, dann, wenn sie richtig ausgebildet sind, wie an dieser High School. Sie können singen, tanzen, ein Instrument spielen oder mehrere. Ganz sicher ist das ein wesentlicher Grund, warum amerikanisches Entertainment weltweit führend ist. Denn dass jemand, der Talent zum Singen hat, auch das Musikgefühl zum Tanzen mitbringt und fürs Spielen eines Instruments, liegt nahe und warum sollte man eine dieser Begabungen verkümmern lassen zugunsten einer Hochspezialisierung? Später, nach der High School, kann man sich immer noch auf eine Sparte konzentrieren, sich an Konservatorien weiterbilden und sich zum Spitzenkönner in einem Bereich entwickeln.

Auch während des Films verändern sich die Schüler bereits. Besonderen Wert hat man dabei auf die Entwicklung von Doris gelegt, die vom zurückhaltend-schwärmerischen Teenie zu einer jungen Frau wird, die man schon als erwachsen bezeichnen kann. Interessanterweise war die Schauspielerin Maureen Teefy nicht, wie die meisten anderen Darsteller in Fame, wirklich eine Schauspielschülerin, sondern bereits 27 Jahre alt, als sie die anfangs 16jährige Doris spielte und konnte daher eine Wandlung natürlich besser verkörpern als junge Menschen, die in der Realität eine solche noch nicht vollzogen hatten.

Ein wenig Einblick erhält man auch in die Art, wie geschauspielert wird oder werden soll – mit dem ganzen Ausdruck, von Understatement als Stilmittel ist eher nicht die Rede. Das leitet uns zu der Tatsache, dass spätestens mit dem Einzug des Method Acting in den amerikanischen Film in den 1940er / 1950er Jahren das Schauspiel viel exzentrischer wurde (Marlon Brando, James Dean sind die bekanntesten Vertreter dieser New Yorker Schauspielausrichtung, die etwa bei Lee Strassberg gelehrt wurde). Das Lakonische der frühen Hollywoodhelden war mehr oder weniger passé, das ja auch daher kam, dass die erste Generation von Stars mehr oder weniger sich selbst gespielt hat und nicht in jede Rolle schlüpfen konnte wie in eine zweite Haut. 

Gelernte Schauspieler pendeln ja auch oft zwischen Film und Bühne und sind, das ist doch das Gute an einer Ausbildung, wie sie in „Fame“ gezeigt wird, in der Lage, sich mit ihrem Beruf durchzubringen, auch wenn sie nicht die ganz großen Stars werden. Dass man sie als Kellner wiedersieht, wie den ersten Schwarm von Doris, der zu der Zeit die Schule beendet hatte, in der Doris anfing, kann allerdings ohne Weiteres vorkommen und ist geradezu ein amerikanisches Klischee, ähnlich wie die Entwicklung vom Tellerwäscher zum Millionär. Wir lesen davon auch in den Biografien vieler späterer Stars.

Finale

Lexikon des internationalen FilmsMusical mit blendenden Musik- und Tanzszenen, das ohne ausgesprochene soziale Problematik doch einiges vom Lebensgefühl der jungen Menschen einzufangen vermag. Handwerklich perfekt.[4]

„Fame“ zählt heute interessanterweise nicht mehr zu den ganz bekannten Filmen seiner Generation, die letztlich doch mehr durch die Fortsetzungen von „Star Wars“ oder „Indiana Jones“ geprägt wurde als von den teilweise eigenwilligen Einzelstücken, die es zu der Zeit ebenfalls gab und zu denen wir „Fame“ rechnen. Das Higschoolfilm-Genre ist nie aus der Mode gekommen, hat aber eine andere Richtung genommen als die, die in „Fame“ vorgegeben wird. Aus „Fame“ selbst wurde aber ein Muscial, das immer wieder erfolgreich durch die Welt tourt und ein Remake gibt’s auch. Wir rechnen den Film zu den wichtigen Werken der frühen 1980er und bewerten ihn mit

75/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie Alan Parker
Drehbuch Christopher Gore
Produktion David De Silva,
Alan Marshall
Musik Dominic Bugatti,
Michael Gore
Kamera Michael Seresin
Schnitt Gerry Hambling
Besetzung

 

 

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