Filmfest 1002 Cinema
The King of Comedy ist eine US-amerikanische Filmkomödie von Martin Scorsese aus dem Jahr 1982.
Wer kennt das nicht? Ich denke schon seit vielen Jahren daran, ein Verbrechen zu begehen, das Aufmerksamkeit erregt, und dann im Gefängnis eine Biografie zu schreiben. Dies könnte der einfachste Weg zum Ruhm sein. Rupert Pupkin hat diesen Weg jedenfalls gewählt und das Ende des Films ist das Schöne daran. Aufatmen bricht sich Bahn, denn die letzte Sequenz davor war schon sehr peinlich. Wie Pupkin sich also seinen Auftritt ernötigt und seine Witze die eigene Kindheit auf trashige Weise ausschlachten – auch wenn wir instruiert werden, dass sich das so nicht zugetragen hat, weil seine Mutter ja noch lebt, anders als im Show-Auftritt behauptet. Was gibt es sonst zum Film kundzutun? Es steht in der –> Rezension.
Handlung (1)
Rupert Pupkin ist ein Möchtegern-Komiker in New York. Sein größtes Vorbild ist der umschwärmte Jerry Langford, in dessen regelmäßiger Fernsehshow Pupkin gerne als Gast auftreten würde, um aus dem Stand heraus einen Durchbruch als Entertainer zu erzielen. Um Langfords Aufmerksamkeit zu erregen, hilft Pupkin eines Tages diesem, vor einer Meute belagernder Fans zu fliehen. Als Langford in Pupkin einen nicht minder nervenden Fan wittert, verweist er ihn an seine Sekretärin. Fast täglich belagert Pupkin ab da die Produktionsfirma Langfords, jedoch ohne Erfolg. Seine Obsession verwandelt sich schließlich in ein intensives Stalking, bis er gemeinsam mit seiner Freundin Masha Langford entführt, um auf diese Weise zu einem Auftritt in dessen Fernsehshow zu kommen.
Aus Angst, Langford könne ernsthaft in Gefahr geraten, willigt die Produktionsfirma ein und ermöglicht Pupkin einen einmaligen Auftritt. Nachdem die Sendung im Fernsehen ausgestrahlt wird und sich Langford zwischenzeitlich selbst befreit, wird Pupkin von der Polizei verhaftet. Im Gefängnis verfasst er eine Autobiografie und erlangt am Ende doch den selbst ersehnten Ruhm. Weniger durch seine Witze, als vielmehr aufgrund der Umstände seines Auftritts.
Rezension
Genauso kann alles andere Fiktion sein. Aber auf einer psychologischen Ebene ist es das nicht. Ganz und gar nicht. Pupkin musste viele Frustrationen und Diskriminierungen erfahren haben, um so zu werden, wie er ist. Ein Freak, der sich in eine fixe Idee vom eigenen Talent, von der eigenen Erzählung über sein Talent verbeißt und dabei zum Stalker eines wirklichen Comedy-Stars wird. Das Publikum im Fernsehen lacht über derbe Selbstironie, aber ist das Lachen echt, das wir hören, ist irgendetwas echt am Showbiz und am Ruhm?
Witzigerweise gibt es einen weiblichen Fan, mit dem Pupkin bei der Entführung von Langford kooperiert, aber sie will nur ihrem Star nah sein, nicht etwa selbst Karriere machen. Man hat den Eindruck, hier geht es um etwas viel Realistischeres als bei Pupkins Träumen, der nächste King of Comedy zu werden; verrückt, gleichwohl nicht so grenzenlos ambitioniert. Ein amerikanischer Kritiker hat geschrieben, die Einsamkeit sei unten, bei den verkannten Talenten, genauso groß wie bei den echten Stars, gemäß diesem Film.
Die unten sind also nicht wenigstens emotional mehr umsorgt und eingebunden, denn sie leben ja alle diesen absolut egoistischen amerikanischen Traum, der zu einer extrem verzerrten Selbstwahrnehmung führen kann und schon viele Theatermacher sie Arthur Miller und Tennessee Williams und manchen Filmregisseur beschäftigt hat – und sogar zum Erfolg führen kann, wenn man dermaßen getrieben ist wie Pupkin. Der allerdings wartet, bis er 34 ist, um seinen Angriff auf Jerry Langford zu starten. Mehrere Jahre bereitet er sich auf seine große Stunde vor und simuliert dabei ein professionelles Showtraining, das er mit sich selbst absolviert.
In keinem Land wird so viel über die Illusion von Menschen über sich selbst und die Glitterwelt des Erfolgs und über das Showbiz nachgedacht wie in den USA und das ist ja auch natürlich. Im Grunde ist Pupkins Story eine von unzähligen, die sich um das Streben nach Erfolg drehen und die vor allem in den konservativen 1950ern auch fast immer zum Erfolg geführt haben. Die Biopics über berühmte amerikanische Persönlichkeiten sind fast immer gleich aufgebaut – humble Beginnings, die Suche nach dem eigenen Stil, der sich auch einfindet, befördert vom eigenen göttlichen Funken … oder doch mehr von harter Arbeit. Es ist immer etwas von Beidem und Pupkin hat Ersteres nicht, ist nicht von der Muse geküsst, die nicht nur Inspiration, sondern auch Talent durch ihren Kuss an den Künstler weitergibt. HarteArbeit investiert er allerdings schon.
Ganz anders als die beiden Persönlichkeiten, die diesen Film bestimmen. Martin Scorsese als Regisseur und Robert De Niro als Pupkin. Zuvor haben die beiden schon in „Hexenkessel“ (1974), „Raging Bull“ (1980) und in dem legendären „Taxi Driver“ (1978) zusammengearbeitet, später den heute besonders hoch eingeschätzten „Goodfellas“ (1990) gemacht. Es wirkt aber bei „The King of Comey“ beinahe so, als hätten sich beide vorgenommen, sich selbst gegen den Strich zu bürsten. So variantenreich die Arbeit beider ist, sie sind keine Spezialisten fürs Fach Komödie. Nun der Film ist ja auch keine Komödie, sondern eher eine Abrechnung mit dem, was die Amerikaner unter Comedy verstehen und nicht nur sie, mittlerweile: das pausenlose Abfeuern mittelmäßiger Gags durch einen Alleinunterhalter oder durch eine kleine Gruppe von möglichst schrägen Menschen in einem Wohnzimmer (weil sie da fast immer auf einer schrecklichen Couch sitzen, heißt diese Variante der Blödelei Sitcom).
Keine Frage, dass die größten Komödien und die wundervollsten Komödianten in den USA zuhause sind, aber natürlich ist das alles auch eine Massenveranstaltung, allein die Zahl der Sitcoms, die täglich über die Bildschirme flimmern, dürfte mehrere Dutzend betragen, neue und wiederholte Episoden als Massenware.
Man hätten nun vermuten können, fürs Witzige wurde Jerry Lewis als Jerry Langford engagiert, aber dessen Performance ist fast die Beste, weil wirklich, wirklich unkomisch. Die Frage, die dabei unweigerlich auftaucht, ist die, warum macht solch ein Star sowas? Um sich zu demontieren? Hatte Lewis das in den 1980ern dann doch schon nötig oder war er, im Gegenteil, so weit, dass ihm eine solche Entzauberung nichts anhaben konnte, dieses Weit-weit-weg von seinen quirligen, leicht debilen Typen, die er in den teilweise echt witzigen Filmen mit Dean Martin gespielt hat?
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2023: Wir sind gerade dabei, eine Retrospektive mit diesen Film zu erstellen, die von 1949 bis 1956 entstanden sind, eine Martin-Lewis-Werkschau.
Manchmal nerven seine Auftritte auch, hier aber ist er vor allem in seiner Rolle als Langford selbst genervt und muss ganz schön was einstecken – vor allem in der Klebeband-Szene. Da dachte ich wirklich, armer Jerry Lewis, warum so was?
Vermutlich trägt diese Performance dazu bei, dass Roger Ebert, der ja eigentlich eher aufgeschlossen für Satire ist, hier nur 75/100 vergibt. Der Film sei einfach unangenehm, urteilt er. In der Tat, das ist er, obwohl gleichermaßen faszinierend. Von Robert De Niro überrascht zu sein, ist vielleicht nur möglich, wenn man nicht weiß, was der Mann drauf hat, aber dass er hinter diesem Pupkin so verschwinden kann, der sich ja doch von seinen sehr intensiven Rollen in ernsten Filmen deutlich unterscheidet, ist wirklich zum Niederknien.
Er hat seinen Test, dass er zumindest die traurige, am Ende auch rührende Imitation eines Komikers geben kann, jedenfalls bestanden. Kein anderer Filmschauspieler ist wohl so variabel, so sehr einer, der in seine Rollen schlüpfen kann wie De Niro,
De Niro ist ein Method Actor, wie sie ab den 1940ern n in Hollywood häufiger zu finden waren und in den 1950ern zunächst den Stil des melodramatischen Films geprägt haben. Aber keiner von ihnen hat dieses Vermögen, ganz die Rolle zu sein. Dabei sieht De Niro ja wiedererkennbar aus, man weiß also immer, wen man vor sich hat. Ich bin drauf und dran zu sagen, De Niro ist der beste Filmschauspieler der Welt bisher, aber es ist doch auch eine Frage der Kriterien. Präsenz und Statur sind auch nicht unwichtig, und da ist De Niro nach oben eben auch limitiert. Er ist nicht der Superstar-Typ, dem die Welt zu Füßen liegt. Man sieht, die Kategorien, um die es auch in diesem Film geht, die kann man nicht abschütteln, wenn man über Filme schreibt. Kann man schon, alles eine Frage der Herangehensweise, wie die Bewertung von Schauspielern.
Der andere Hochbegabte ist natürlich Martin Scorsese, der über nunmehr 50 jahre zu den wichtigsten amerikanischen Filmemachern zählt – vielleicht sogar der größte Autorenfilmer überhaupt ist. Auch wieder so ein Absolutum, aber wie er immer wieder das amerikanische Sein in ganz verschieden anmutenden Filmen und her gewendet hat, ist grandios. Jüngere Arbeiten wie „The Woolf of Wallstreet“ belegen, dass er immer noch in der Lage ist, Wichtiges beizutragen und dabei nicht von einem neueren Stil überholt wird, wie es leider vielen Regisseuren der klassischen Hollywood-Ära in den 1960ern ging.
„The King of Comedy“ ist aber auch in seinem Schaffen nicht der meistgeschätzte Film, vielleicht zu Recht, weil er auf eine Weise nicht ganz vollständig wirkt und für einen Scorsese-Film recht distanziert. Scorsese steht nicht hinter Pupkin und schon gar nicht hinter Langford, sondern neben ihnen und beobachtet sie mit einem kritischen Blick.
Alle Figuren sind so angelegt, dass sie die Identifikation nicht fördern und das hat Ebert sicher ebenfalls gemeint. Ich tendiere unabhängig von der Punktevergabe, die am Ende folgen wird, anders, weil eine Analyse nicht so emotional einbinden soll wie eine mitreißende Story, und hier wird mehr Wert auf Ersteres gelegt, was sich auch daran zeigt, dass die Handlung langsamer ist, weniger Drive und Fokus hat als bei Scorsese üblich. Sie ist trotzdem logisch aufgebaut. Nicht zwingend, aber annehmbar bezüglich ihrer Elemente und ihrer Entwicklung. Vor allem aber hat der Film noch den kritischen Stil der 1970er, der nun einmal etwas mehr Distanzierung vom Zuschauer verlangte als die frühere und heutige Art, die Figuren so aufzustellen, dass man mindestens eine findet, mit der man mitgehen, der man folgen, in die man sich auch versetzen möchte. Mir waren Pupkin und Langford vielfach zu peinlich, als dass ich das gerne getan hätte.
Ich hatte sogar zwei-, dreimal den Impuls, eine alte Gewohnheit oder Marotte wieder anzunehmen, die ich natürlich ablegen musste, als ich mit dem Rezensieren oder mit der ernsthafteren Befassung mit dem Medium Film begann: Nämlich, den Fernseher auszuschalten und erst nach ein paar Sekunden wieder ein, wenn der hoffentlich übelste Moment vorbei sein würde. Kein Wunder, dass ich in sehr jungen Jahren Musicals am meisten liebte. In ihnen kommt es selten zu peinlichen Szenen und ich war damals auch kein Fan der damals noch fast aktuellen 1970er-Filme, die ich heute sehr schätze, weil man in der Zeit ein Fenster geöffnet hat.
in Fenster, das es auch erwachsenem Publikum erlaubt hat, mal ins Kino zu schauen. Und da „The King of Comedy“ diesen Stil von „Network“ und anderen Werken noch echot, mag ich ihn zwar emotional nicht besonders, finde ihn aber gut gemacht. Und De Niro und Scorses folge ich dann eben, weil ich ihre Arbeit generell großartig finde, nicht, weil die von ihnen geschaffenen Figuren in diesem Film so sehr anziehend wären.
Finale
„The King of Comedy“ ist ein interessanter, heute mit 7,8/10 in der IMDb auch sehr anständig bewerteter Film, der Kritiker-Metascore liegt derzeit bei 73/100. Ich gehe ein wenig höher und gebe 77/100. Wenn der Film noch etwas schärfer und dezidierter wäre, hätte ich auch in das Regel mit den 80ern gegriffen.
77/100
© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2018)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Martin Scorsese |
|---|---|
| Drehbuch | Paul D. Zimmerman |
| Produktion | Arnon Milchan |
| Kamera | Fred Schuler |
| Schnitt | Thelma Schoonmaker |
| Besetzung | |
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