Straßen in Flammen (Streets of Fire, USA 1984) #Filmfest 1023

Filmfest 1023 Cinema

Die Blitze der frühen 1980er

Straßen in Flammen ist ein 1984 veröffentlichter Actionfilm von Walter Hill, in dem Michael ParéWillem DafoeDiane Lane und Amy Madigan die Hauptrollen spielen.

Die frühen 1980er waren eine Zeit der Bewegung, in der viel Neues im Kino ausprobiert wurde und „Straßen in Flammen“ von Action-Spezialist Walter Hill („Nur 48 Stunden“) gehörte zu den Werken, die auf ihre Weise an der Spitze der Bewegung standen. Nicht nur, weil mit einem neuen Filmmaterial Nachtszenen weitgehend mit available Light gefilmt werden konnten, ohne dass helle Zonen deutlich überbelichtet waren. Damit hat der Film natürlich eine tolle Atmosphäre, und die gehört gewiss zu seinen Pluspunkten, weil man diese Möglichkeit des ungehinderten Nachtfilmens sehr ausgereizt hat. Straßen in Flammen sehen eben im Dunkeln besonders eindrucksvoll aus. Ist der Film auch sonst eindrucksvoll? Dies und mehr klären wir in der –> Rezension.

Handlung (1)

Die Geschichte spielt in einer nicht näher bestimmten Zeit, in der zwar das Ambiente und die Kleidung, Autos etc. auf die USA etwa Mitte der 1950er Jahre schließen lassen, die Musik und Videoclips im Farbfernsehen aber eher in die 1980er Jahre passen.

Bei einem umjubelten Benefiz-Auftritt wird eines Abends die Rocksängerin Ellen Aim von der Bühne durch den Bandenführer Raven und seinen Männern, den „Bombern“, entführt. Reva bittet ihren Bruder Tom, nach Hause zu kommen, damit er Ellen aus den Händen der Entführer befreit. Tom will Geld dafür, obwohl Ellen einmal seine Freundin und große Liebe war. Mit Ellens Manager Billy Fish handelt er eine Summe von 10.000 US-Dollar für die Befreiung von Ellen aus. Obwohl es Billy zuwider ist und er froh ist, aus dem Schlammloch die Battery herausgekommen zu sein, muss er Tom unterstützen, weil er sich dort auskennt. Die Ex-Soldatin McCoy (Zitat: „Ich heiße McCoy. Ich bin Soldat. Das war ich jedenfalls bis vor einem Jahr. Dann sind mir die Kriege ausgegangen.“), die Tom in der Kneipe „Black Hawk“ kennengelernt hat, hilft ihm dabei, weil auch sie Geld braucht.

Zu dritt brechen sie in die Battery auf, befreien Ellen, müssen aber untertauchen, weil die Aktion viel Staub aufgewirbelt hat. Auf ihrer Flucht vor den Bombern und der Polizei streifen sie durch ein Rotlichtviertel, nehmen den Bus der Sorrels an sich und setzen ihre Reise fort. Ein Fan von Ellen begleitet die mittlerweile auf acht Köpfe angestiegene Gruppe. (…)

Rezension

 Actionseitig war der Film ebenfalls für damalige Verhältnisse ziemlich hoch angesiedelt, obwohl er nicht an „Rambo“ herankam, dessen ersten Teil es damals gab und bezüglich der Gewaltdarstellung hatte es auch schon eindeutigere Werke gegeben. Es spritzt kein Blut, aber dafür löst jeder Schuss aus einer Pumpgun ein Feuerwerk aus. Dass am Ende der Showdown untödlich endet und die Rocker wirklich abziehen, anstatt dass es zu einer Massenschießerei kommt, hätte man, wenn man heutige Filme gewöhnt ist, nicht erwartet. Deswegen hat ein Nutzer der IMDb auch die wichtige Frage gestellt, ob eine Fortsetzung geplant war: Ja, aber man hat darauf verzichtet.

Es entspricht jedoch den Konventionen des Genres, dem der Film deutlich frönt: denen des Westerns. Die Clans, die gegeneinander kämpfen, die relative Gesetzlosigkeit in der Stadt, die schäbigen Straßen und Gemächer, das ist das wilde, weite Land, verlegt in den Großstadtdschungel. Und Raven und Cody sind typische Westerner. Der eine als Bandenchef fordert den Helden heraus, der das Mädchen befreit. Zeitgemäß war in den 1980ern schon, dass der Held keinen Buddy, sondern ein Mädchen an seiner Seite hat, das ein Tomboy ist.

Es gibt eine Polizei, aber wenn die den Laden im Griff hätte, könnte die  Handlung nicht stattfinden, also muss die Stadt so dargestellt werden, dass die Cops mehr als Platzpatronen denn als echte Bewahrer der Ordnung erscheinen. Die Rockergang erinnert nicht von ungefähr an die Hells Angels und ähnliche Gruppierungen. So unrealistisch wirkt alles gar nicht, was hier gezeigt wird, auch wenn es sehr stilisiert wurde und die Entführung einer Frau von offener Bühne bisher ein wohl einmaliger Fall ist, auch in der Geschichte bekannterer Filme.

Wenn man den Film anschaut, hat man das Gefühl, er spielt in zwei verschiedenen Epochen. Die Autos und die Kleidung der Leute sind den 1950ern entlehnt, besonders die Studebaker-Polizeiwagen sind ikonisch und natürlich auch das Custom Car, das Cody zwischenzeitlich fährt und das genauso sexy ist wie für manche Leute das Reitpferd des avancierten Westerners. Da die Figuren aber sehr eindeutig Genre-Archetypen darstellen, mangelt es ein wenig an individueller Ausgestaltung. Ein Schauspielerfilm ist „Straßen in Flammen“ gewiss nicht, und die damals erst 19jährige Diane Lane wirkt in „Cotton Club“ aus demselben Jahr wesentlich mehr als Schauspielerin präsent. Gleiches gilt mehr oder weniger für alle Figuren und ihre Darsteller. Aber das ist nun einmal ein Merkmal des Actionfilms, zumal, wenn er Western-Archetypen in eine andere Welt transferieren will, dass die Charaktere eher holzschnittartig sind.

In den Musikszenen wirkt „Straßen in Flammen“ allerdings nicht wie in den 1950ern, sondern wie in der damaligen Jetztzeit angesiedelt. Der Score von Ry Cooder („Buena Vista Social Club“, 1996) und die Lieder, die Ellen Aim singt, entsprechen dem, was in den 1980ern an Rockpop gängig war. Das ist eine interessante, weil ungewöhnliche Mischung, die den Film auch heute noch ziemlich stylish wirken lässt. Ursprünglich sollte James Horner die Musik schreiben, was dem Film möglicherweise eine mehr sinfonische oder klassische Klangunterlage verschafft hätte.

Dass Amy Madigan als blonde Dauerwellen-Kämpferin einen (eher wenig bekannten) Filmpreis für ihre Darstellung erhielt, Diane Lane hingegen für die berühmte Goldene Himbeere als schlechteste Schauspielerin in einer Nebenrolle nominiert wurde, liegt für uns unter anderem daran, dass ihr Part so traditionell ist, dass er nicht viel hergibt. Er entspricht nicht dem neueren Frauenbild, wie es etwa in „Flashdance“ (1983) deutlicher hervortritt, während Madigans herb wirkender Charakter für damalige Verhältnisse noch recht neuartig war und mit ihrer kämpferischen Attitüde einen gewissen Schauwert hat. Ihre Figur war ursprünglich für einen Mann geschrieben worden – und Madigan sollte möglicherweise den Part von Toms Schwester Reva übernehmen, den Deborah Van Valkenburgh letztlich bekam.

Man mag es kaum glauben, aber auch die Rolle von Diane Lane war ursprünglich für einen Mann vorgesehen, sodass es überhaupt keine weibliche Hauptrolle gegeben hätte. Man hatte sie für  Paul McCartney reserviert, von dem man wusste, dass er den Wunsch hatte, in einem Spielfilm mitzuwirken. Wie es gewirkt hätte, wenn das Entführungsopfer ein Beatle gewesen wäre, mag man sich kaum vorstellen. Vielleicht hätte eine so spektakuläre Besetzung den Film gerettet.

Kommerziell war „Straßen in Flammen“ nämlich ein echter Reinfall, bei 14,5 Millionen Dollar Produktionskosten spielte er in den USA nur ca. 8 Millionen ein – heute gilt er zumindest technisch als wichtig, aus dem oben erwähnten Grund. Wegen des unzureichenden kommerziellen Erfolgs gab es auch keinen zweiten Teil, obgleich das Ende eindeutig auf einen solchen zugeschnitten ist. Es war sogar eine Trilogie geplant. Man kann dem Film nicht vorwerfen, er habe keine stringente Handlung oder sei langweilig, aber vielleicht ist, wenn man ein wenig tiefer blickt, nichts mehr zu entdecken. Der Actionfilmgucker erwartet das nicht, aber etwas fehlt in diesem Bereich dann doch zur Spitzenklasse. Ein Musikfilm ist „Straßen in Flammen“ hingegen ebenfalls nicht, sondern ein Genremix.

Finale

Wir kümmern uns im Moment ein wenig um die Filme der frühen 1980er, haben gerade „Flashdance“ rezensiert, haben „Fame“ auf der Agenda und auch „Straßen in Flammen“ gehört zu den typischen Werken jener Epoche, die eine letzte Übergangsphase auf dem Zeitstrahl der Kinogeschichte hin zu dem war, was wir nun seit über zwanzig Jahren kennen. Lediglich die Technik wird immer weiter perfektioniert und es gibt nur noch gute oder schlechte Filme, aber kaum noch bahnbrechende. „Straßen in Flammen“ ist ein Experiment, das nicht funktioniert hat, in den Augen des Publikums. In der IMDb bewerten die Nutzer den Film heute mit durchschnittlich 6,7/10, was zwar nicht grottig ist, aber belegt, dass er immer noch nicht als Meilenstein angesehen wird.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2023: Die Wikipedia hat den Film mittlerweile umfangreicher dargestellt und ihm dabei einige fragwürdige Superlative und Avantgarde-Stellungen verpasst. Des Weiteren hat sie ihn zum Kultfilm erhoben. Sagen wir es so, im Rahmen der Einrichtung immer weiterer verbaler Steigerungen, die die Tendenz zum Übertreiben abbilden: Ein Mega-Kultfilm ist er bisher nicht geworden.

70/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Walter Hill
Drehbuch Walter Hill
Larry Gross
Produktion Ronald L. Schwary für RKO Pictures
Kamera Andrew Laszlo
Schnitt Freeman A. Davies
Michael Ripps
Besetzung

 

 

 


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