600 Milliarden Euro Sondervermögen für ökologischen Umbau der Industrie? (Umfrage + Kurzkommentar) | Briefing 415 | Wirtschaft, Gesellschaft

Briefing 415 Wirtschaft, Gesellschaft, ökologischer Umbau, Transformation der Wirtschaft, Economy, Sondervermögen, Sonderschuldenberg, Reiche mitmachen lassen, Gerechtigkeit

Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie die Forderung der IG Metall an die Bundesregierung, dass ein 600-Milliarden-Sondervermögen für den ökologischen Umbau der Industrie bereitgestellt werden soll? – Civey

Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Die IG Metall fordert ein milliardenschweres Sondervermögen für die Transformation und den ökologischen Umbau der Industrie. Dafür sprach sich IG-Metall-Chefin Christiane Benner jüngst in der Funke Mediengruppe aus. Konkret schlägt sie eine Summe zwischen „500 und 600 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030” vor. Die Summe sei nötig, um den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur zu finanzieren.

„Die Industrie befindet sich in der kritischsten Phase seit Gründung der Bundesrepublik. Eine starke Industrie mit guten und sicheren Arbeitsplätzen bedeutet Wohlstand und stabile Demokratie“, so begründete Benner ihren Vorschlag. Sie hält es ferner für erforderlich, das Industrie-Sondervermögen „wasserdicht“ im Grundgesetz zu verankern, da diese Investitionen im nationalen Interesse seien. In diesem Zuge appellierte sie an alle demokratischen Parteien, die Idee zu unterstützen.

„Der Debattenbeitrag der IG Metall hat keine Auswirkungen auf die aktuelle Regierungspolitik oder den Umgang mit der Schuldenbremse“. So die Reaktion von FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer in der Funke Mediengruppe. „Es ist bedauerlich, dass viele Gewerkschaften sich nur auf schuldenfinanzierte Subventionströpfe fokussieren“, ergänzte er. Statt auf staatlich kontrollierte, schuldenfinanzierte Subventionen empfahl Meyer, auf das Investitionspotential über privatwirtschaftliches Kapital zu setzen.

Da muss man sich erst einmal hinsetzen. Was man oben liest, sind schon beinahe amerikanische Dimensionen an Subventionen, nur dass die dortige Volkswirtschaft um ein Mehrfaches größer ist als die deutsch.

Aber ist es wirklich falsch? Muss nicht endlich der Investitionsstau aufgelöst wird, der dieses Land immer mehr in Schwierigkeiten bringt? Und zieht der übliche FDP-Spin, dass alles privatwirtschaftlich regelbar ist?

Letzteres darf man klar verneinen. Das private Kapital investiert nur immer zu seinem eigenen engen Vorteil, nie für ein größeres Ziel wie die ökologische Transformation. Außerdem denkt es oft viel zu kurzfristig. Soziale und ökologische Folgen dieses engen, egoistischen Denkens werden seit jeher ausgelagert an die Gemeinschaft, in den letzten Jahre immer stärker. Derweil akkumuliert sich privates Kapital immer schneller, durch alle Krisen hindurch. Manchmal profitiert es auch von diesen Krisen, in nicht geringem Ausmaß.

Die Forderung des DGB ist neu in dieser konkreten Form und mit dem Zeithorizont von sieben Jahren, während die Notwendigkeit zum Umbau der Wirtschaft bereits seit Langem drängt.

Wir haben uns relativ schnell eine Meinung gebildet – und mit Unentschieden votiert. Wir sehen nicht ein, dass die Mehrheit der kleinen und mittleren Einkommensbezieher alles schultern soll, was politisch und vom Kapital versäumt wurde und immer noch versäumt wird.

Für diese neuen Schulden würden wir uns aussprechen, wenn die Reichen endlich angemessen an der Finanzierung dieser Aufgaben beteiligt würden, anstatt die Biege zu machen und den Industriestandort abzubauen. Privilegien sind nicht zu verschenken an Leute, die zufällig reich auf die Welt kamen, sondern müssen die Belohnung für gemeinschaftsdienliches Verhalten sein. Nicht nur der Klimaschutz und die dafür notwendige Transformation der Wirtschaft sind allein das Problem, die Ungleichheit im Land nimmt aufgrund der massiven Investitionslücken immer schneller zu, verschärft soziale Gegensätze und behindert den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der für einen großen ökologisch-ökonomischen Sprung nach vorne notwendig ist.

Es würde den Gewerkschaften gut anstehen, diejenigen, die über Jahrzehnte vom billigen Wirtschaften auf Kosten der Gesellschaft, der Zukunft, der Umwelt überdimensional profitiert haben, nun, wenn Zahltag ist, endlich in die Pflicht zu nehmen. Werden die Karten auf den Tisch gelegt und die Versäumnisse von Jahrzehnten immerhin ernsthaft besprochen? Dazu gehört auf jeden Fall, ihre Ursachen und Verursacher in den Blick zu nehmen.

Ein so großes Sondervermögen wie das oben in Rede stehende muss überwiegend von denen gemanagt werden, die tatsächlich besonders vermögend sind.

Die Politik wird sich aber nach aller Voraussicht  nicht an die mächtigen Lobbys und Einzelpersonen herantrauen, der „Bauch der Gesellschaft“ wird diese Schulden also eines Tages abtragen müssen, falls sie denn je wieder abzutragen sind.

Damit kommen wir zu etwas, das die Menschen im Land derzeit besonders beschäftigt: Wie steht es mit der Demokratie? Wann wird die demokratieschädigende Politik endlich aufhören, immer nur diejenigen ohne Macht und Einfluss für alles bezahlen zu müssen, wovon dann wieder die Reichen profitieren werden, ohne einen Finger krumm zu machen? Manches Statement der Politik gegen rechts wäre glaubwürdiger, wenn damit auch etwas mehr Mut bei der Umsetzung von Gerechtigkeit verbunden wäre. Auch die Gewerkschaften haben dazu beizutragen, damit nicht gerade deren Mitglieder wieder die Einzahler sind und die Kapitalisten die Empfänger der Subventionen.

Auch das Herumpfuschen an der Verfassung geht uns längst zu weit. Nicht dieses Sondervermögen muss rein, sondern die Schuldenbremse muss raus. Das Grundgesetz muss mal wieder durchgelüftet, nicht immer häufiger mit neuen Einzelfallregelungen vollgestopft werden, die in einer Verfassung nichts zu suchen haben.

Grundsätzlich finden wir einen großen Investitionsschub richtig, aber nicht schon wieder auf Kosten der Kleinen.

TH

Wir haben es vorausgesehen, als klar war, dass die Schuldenbremse für 2024 auf Biegen und Brechen eingehalten werden sollte: Es wird zu Forderungen kommen, sie zu umgehen, indem sogenannte Sondervermögen = Sonderschuldenberge generiert. Was halten Sie davon? Das fragt Civey heute.

Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie die Forderung der IG Metall an die Bundesregierung, dass ein 600-Milliarden-Sondervermögen für den ökologischen Umbau der Industrie bereitgestellt werden soll? – Civey

 Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

 Die IG Metall fordert ein milliardenschweres Sondervermögen für die Transformation und den ökologischen Umbau der Industrie. Dafür sprach sich IG-Metall-Chefin Christiane Benner jüngst in der Funke Mediengruppe aus. Konkret schlägt sie eine Summe zwischen „500 und 600 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030” vor. Die Summe sei nötig, um den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur zu finanzieren.

 „Die Industrie befindet sich in der kritischsten Phase seit Gründung der Bundesrepublik. Eine starke Industrie mit guten und sicheren Arbeitsplätzen bedeutet Wohlstand und stabile Demokratie“, so begründete Benner ihren Vorschlag. Sie hält es ferner für erforderlich, das Industrie-Sondervermögen „wasserdicht“ im Grundgesetz zu verankern, da diese Investitionen im nationalen Interesse seien. In diesem Zuge appellierte sie an alle demokratischen Parteien, die Idee zu unterstützen.

 „Der Debattenbeitrag der IG Metall hat keine Auswirkungen auf die aktuelle Regierungspolitik oder den Umgang mit der Schuldenbremse“. So die Reaktion von FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer in der Funke Mediengruppe. „Es ist bedauerlich, dass viele Gewerkschaften sich nur auf schuldenfinanzierte Subventionströpfe fokussieren“, ergänzte er. Statt auf staatlich kontrollierte, schuldenfinanzierte Subventionen empfahl Meyer, auf das Investitionspotential über privatwirtschaftliches Kapital zu setzen.

Da muss man sich erst einmal hinsetzen. Was man oben liest, sind schon beinahe amerikanische Dimensionen an Subventionen, nur dass die dortige Volkswirtschaft um ein Mehrfaches größer ist als die deutsch.

Aber ist es wirklich falsch? Muss nicht endlich der Investitionsstau aufgelöst wird, der dieses Land immer mehr in Schwierigkeiten bringt? Und zieht der übliche FDP-Spin, dass alles privatwirtschaftlich regelbar ist?

Letzteres darf man klar verneinen. Das private Kapital investiert nur immer zu seinem eigenen engen Vorteil, nie für ein größeres Ziel wie die ökologische Transformation. Außerdem denkt es oft viel zu kurzfristig. Soziale und ökologische Folgen dieses engen, egoistischen Denkens werden seit jeher ausgelagert an die Gemeinschaft, in den letzten Jahre immer stärker. Derweil akkumuliert sich privates Kapital immer schneller, durch alle Krisen hindurch. Manchmal profitiert es auch von diesen Krisen, in nicht geringem Ausmaß.

Die Forderung des DGB ist neu in dieser konkreten Form und mit dem Zeithorizont von sieben Jahren, während die Notwendigkeit zum Umbau der Wirtschaft bereits seit Langem drängt.

Wir haben uns relativ schnell eine Meinung gebildet – und mit Unentschieden votiert. Wir sehen nicht ein, dass die Mehrheit der kleinen und mittleren Einkommensbezieher alles schultern soll, was politisch und vom Kapital versäumt wurde und immer noch versäumt wird.

Für diese neuen Schulden würden wir uns aussprechen, wenn die Reichen endlich angemessen an der Finanzierung dieser Aufgaben beteiligt würden, anstatt die Biege zu machen und den Industriestandort abzubauen. Privilegien sind nicht zu verschenken an Leute, die zufällig reich auf die Welt kamen, sondern müssen die Belohnung für gemeinschaftsdienliches Verhalten sein. Nicht nur der Klimaschutz und die dafür notwendige Transformation der Wirtschaft sind allein das Problem, die Ungleichheit im Land nimmt aufgrund der massiven Investitionslücken immer schneller zu, verschärft soziale Gegensätze und behindert den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der für einen großen ökologisch-ökonomischen Sprung nach vorne notwendig ist.

Es würde den Gewerkschaften gut anstehen, diejenigen, die über Jahrzehnte vom billigen Wirtschaften auf Kosten der Gesellschaft, der Zukunft, der Umwelt überdimensional profitiert haben, nun, wenn Zahltag ist, endlich in die Pflicht zu nehmen. Werden die Karten auf den Tisch gelegt und die Versäumnisse von Jahrzehnten immerhin ernsthaft besprochen? Dazu gehört auf jeden Fall, ihre Ursachen und Verursacher in den Blick zu nehmen.

Ein so großes Sondervermögen wie das oben in Rede stehende muss überwiegend von denen gemanagt werden, die tatsächlich besonders vermögend sind.

Die Politik wird sich aber nach aller Voraussicht  nicht an die mächtigen Lobbys und Einzelpersonen herantrauen, der „Bauch der Gesellschaft“ wird diese Schulden also eines Tages abtragen müssen, falls sie denn je wieder abzutragen sind.

Damit kommen wir zu etwas, das die Menschen im Land derzeit besonders beschäftigt: Wie steht es mit der Demokratie? Wann wird die demokratieschädigende Politik endlich aufhören, immer nur diejenigen ohne Macht und Einfluss für alles bezahlen zu müssen, wovon dann wieder die Reichen profitieren werden, ohne einen Finger krumm zu machen? Manches Statement der Politik gegen rechts wäre glaubwürdiger, wenn damit auch etwas mehr Mut bei der Umsetzung von Gerechtigkeit verbunden wäre.

Auch das Herumpfuschen an der Verfassung geht uns längst zu weit. Nicht dieses Sondervermögen muss rein, sondern die Schuldenbremse muss raus. Das Grundgesetz muss mal wieder durchgelüftet, nicht immer häufiger mit neuen Einzelfallregelungen vollgestopft werden, die in einer Verfassung nichts zu suchen haben.

Grundsätzlich finden wir einen großen Investitionsschub richtig, aber nicht schon wieder auf Kosten der Kleinen.

TH

 

 

 


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