Volksabstimmung über das Grundgesetz? (Infos + Leitkommentar: Bumerang in Sicht?) | Briefing 557 | #DiG #Demokratie in #Gefahr #PPP Politik Parteien Personen, #Verfassung #Volksabstimmung #Grundgesetz #GG #Rechtswirklichkeit

Briefing 557 Volksabstimmung über die Verfassung?

Die Diskussion kam schon vor der Europawahl auf, aber jetzt hat Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) noch einmal begründet, warum in Deutschland noch einmal über das Grundgesetz abgestimmt werden sollte. Petra Pau für Volksabstimmung über das Grundgesetz | WEB.DE

Dies ist keine Umfrage, auch wenn der Titel als Frage formuliert ist. So, wie wir einige Meinungsforscher kennen, schätzen wir, sie sicher eine Art Vorabstimmung organisieren. Die Bundestagsvizepräsidentin kommt aus dem Osten, genauer: aus Ostberlin. Wir halten ein paar Punkte fest zu dem, was sie in dem Artikel geäußert hat.

  • Formal haben die Ostdeutschen mit der Volkskammerwahl im März 1990 und mit dem Beitritt zur BRD auch dem Grundgesetz zugestimmt. Es ist richtig, dass dabei Art. 23 genutzt wurde und nicht Art. 146, der eine Neuverhandlung „auf gleich“ ermöglicht hätte. Vielleicht hätte man diesen Beitritt damals von westlicher Seite ohne das gesonderte Abstimmen über die Verfassung gar nicht hätte zulassen dürfen. Aber konnte man 1990 einschätzen, wie sich die Lage im damals beitrittsbegeisterten Osten entwickeln würde und welche Fehler man machen würde, die zur Änderung des Stimmungsbildes beitrugen?

Vorteile einer Volksabstimmung über das Grundgesetz, die angeführt werden.

  1. Höhere demokratische Legitimation: Eine Abstimmung durch die Bürger würde dem Grundgesetz eine direkte Zustimmung durch das Volk verleihen und seine demokratische Legitimation stärken. 
  2. Identifikation der Bürger: Eine Volksabstimmung könnte das Zugehörigkeitsgefühl und die Akzeptanz des Grundgesetzes in der Bevölkerung erhöhen, da die Bürger es sich aktiv „aneignen“ würden. 

Das ist es, was Petra Pau und andere sagen. Offenbar wird dabei davon ausgegangen, dass das Grundgesetz eine Mehrheit in der Bevölkerung findet.

  1. Stärkung der direkten Demokratie: Befürworter sehen in Volksabstimmungen ein Mittel, die repräsentative Demokratie durch mehr direkte Demokratie zu ergänzen und die Bürger stärker einzubinden. Auch wir sind der Ansicht, dass man nach 75 bzw. 35 Jahren gelebter Demokratie plebiszitäre Elemente stärken sollte.

Auf Schweizer Niveau wird das sicher nicht ablaufen können, außerdem kommt es stark darauf an, wie die Politik mit Volksabstimmungen umgeht. Wir sehen gerade in Berlin, wie schädlich es ist, wenn Volksabstimmungsergebnisse schlicht ignoriert werden.[1]

  • Bildung und Aufklärung: Ein Referendum könnte eine breite öffentliche Debatte und eine verstärkte politische Bildung und Aufklärung über die Verfassung und ihre Bedeutung anstoßen. Dies könnte das Bewusstsein und das Verständnis der Bürger für die Grundwerte und Prinzipien der Verfassung stärken.

Wir meinen, die politische Bildung müsste schon im Vorfeld gestärkt werden. Wir sehen in der Praxis immer wieder, wie wenig sich Menschen mit der Rechtslage in Deutschland auskennen.

Nachteile einer Volksabstimmung, die angeführt werden.

  1. Historische Gründe: Die Erfahrungen mit Volksabstimmungen in der Weimarer Republik waren negativ und führten dazu, dass im Parlamentarischen Rat 1949 bewusst darauf verzichtet wurde, Volksentscheide auf Bundesebene vorzusehen. 

Das ist jetzt uns zu pauschal ausgedrückt und wir sind nicht ganz einverstanden: Die Nazis kamen nicht durch eine Volksabstimmung, sondern durch parteipolitische Koalitionen an die Macht, das heißt, andere Parteien haben ihr dabei geholfen. Sie hatten nie eine absolute Mehrheit, die Bevölkerung hatte nie gegen die Demokratie gestimmt.

  1. Komplexität des Themas: Die Ausgestaltung einer Verfassung ist sehr komplex. Es wird bezweifelt, ob die Bürger die nötige Expertise haben, um fundiert über alle Details abzustimmen. 

Eine Abstimmung würde sicher nicht so aussehen, dass die Bürger selbst der Konvent wären, falls das Grundgesetz abgelehnt würde und eine neue Verfassung erarbeitet werden müsste. Wie aber der exakte Volkswille ermittelt werden soll, den die neue Verfassung ja spiegeln müsste, sonst wäre die Erstellung einer solchen unsinnig, ist in der Tat ein Problem. Vielleicht könnte man artikelweise abstimmen lassen, aber da kommt dann doch die Expertise ins Spiel.

  1. Populistische Tendenzen: Es besteht die Befürchtung, dass Volksabstimmungen zu populistischen und extremistischen Entscheidungen führen könnten, die die Grundwerte der Verfassung untergraben. 

Darauf werden wir noch einmal gesondert eingehen.

  1. Praktische Hürden: Eine bundesweite Volksabstimmung wäre organisatorisch und finanziell sehr aufwändig. Zudem ist unklar, wie eine Änderung des Grundgesetzes per Referendum rechtlich umgesetzt werden könnte. 

Das Argument finden wir nicht besonders tragfähig, wenn wir sehen, was an anderer Stelle für unglaubliche Summen herausgehauen werden.

  • Nach einem Referendum würde sicherlich Art. 146 GG entfallen können, der die Möglichkeit einer neuen Verfassung ausdrücklich vorsieht. Darauf hat Petra Pau verwiesen. Der Vorläufigkeitscharakter wird aber nach anderer Ansicht schon durch den Entfall der früheren Präambel aufgehoben, die ausdrücklich darauf verwies, dass das Grundgesetz nur gelten soll, bis alle Staatsbürger:innen in freier Entscheidung eine neue Verfassung angenommen haben. Der Charakter des Ergebnisses der Volkskammerwahl von 1990 auch als Zustimmung zum Beitritt hat zu dieser Aufhebung der Präambel geführt.

Die Frage ist aber, ob die dann konstatierte Endgültigkeit tatsächlich besteht, wenn nun neu abgestimmt wird, gleich, ob es dadurch zu Änderungen am Grundgesetz kommt oder nicht. Im Grunde müsste man jede (weitere) Grundgesetzänderung dann per Volksabstimmung absichern, denn wenn die Verfassung von der Politik geändert wird, wie bisher, dann besteht sie ja nicht mehr in der Form, in der über sie abgestimmt wurde.

  • Systemfremdheit: Die Bevölkerung über politische Themen abstimmen zu lassen, ist etwas anderes, als die Rechtsetzung direkt in ihre Hände zu legen. Fachleute müssen das, was per Abstimmung beschlossen wird, immer in Normen fassen. Beim wichtigsten aller Gesetze wäre also trotzdem eine Transmission des Volkswillens notwendig, die am Ende bedeuten könnte, dass die Umsetzung des Volkswillens nicht von allen anerkannt wird, weil man diese Umsetzung für auf einer falschen Interpretation basierend auffasst. Bei einer so komplexen Materie wie der gesamten Verfassung ist die Gefahr viel höher als bei einem Einthemengesetz, dass sich durch das Gießen in Rechtsnormen eine Form der neuen Verfassungswirklichkeit zeigt, die doch wieder nicht alle zufriedenstellt.

Szenarien und Bedingungen

Wir sind mit dem Grundgesetz aufgewachsen und können uns kaum eine andere Verfassung vorstellen, wir schreiben hingegen immer wieder darüber, dass sie von der Politik viel zu einseitig gehandhabt wird. Das war für uns ein großes Thema angesichts von „75 Jahre Grundgesetz“ am 23.05.2024. Die allerbeste aller denkbaren Verfassungen ist immer nur so gut, wie sie von der Politik in die Wirklichkeit übertragen wird – und wie sie von den Gerichten ausgelegt wird. Das Bundesverfassungsgericht, das sicher weiterexistieren würde, hat dazu beigetragen, dass die Verfassungswirklichkeit nicht so ist, wie sie im Sinne von mehr Demokratie, Gleichheit und Gerechtigkeit sein könnte. Diese zuletzt immer restriktivere Auslegung zulasten der Bürger:innen könnte es auch bei einer neuen Verfassung fortführen. Gleiches gilt für andere Gerichte, vor allem das Bundesverwaltungsgericht ist bekannt für seine oftmals geradezu reaktionäre Rechtsprechung, die nach unserer Ansicht am Rande der Verfassungsmäßigkeit liegt.

Etwas anderes beschäftigt uns noch mehr. Wie groß muss die Mehrheit für das GG sein, wenn es weitergelten soll? Nehmen wir an, gemäß der aktuellen politischen Lage käme es im Westen zu einer soliden Mehrheit für das Grundgesetz, mehr als  zwei Drittel der Abstimmenden würden sich dafür aussprechen. Das halten wir durchaus für möglich.

Kommentar

Wie aber, wenn es im Osten anders aussähe? Würde man sagen, ohne überwiegende Zustimmung auch im Osten kann das Grundgesetz nicht weitergelten? Das wäre undemokratisch, darauf möchten wir verweisen, wenn es in Gesamtdeutschland eine Mehrheit gäbe. Eine gefühlte Benachteiligung de Ostens in eine reale Benachteiligung des Westens umzuwandeln, wird kam zu einer besseren Akzeptanz des Grundgesetzes führen. Geht man aber strikt bundesweit nach Abstimmungsergebnis vor und erhält das Grundgesetz dabei eine Mehrheit, dann fühlen sich die Menschen im Osten, falls sie sich mehrheitlich anders entschieden haben, wiederum benachteiligt, weil sie nun einmal der kleinere Bevölkerungsteil sind. Sie würden sich wieder majorisiert fühlen.

Nach Abwägung kommen wir grundsätzlich zu dem Schluss, eine Volksabstimmung über das Grundgesetz wäre mindestens derzeit keine gute Idee. Im Osten käme wieder ein Denkzetteleffekt zum Tragen, weil das GG ja nicht dort erstellt wurde, dem Populismus wären in der Tat Tür und Tor geöffnet, dem Grundgesetz selbst würde man nicht gerecht und wollte es auch nicht. Mit etwas Pech sinkt am Ende die Akzeptanz des GG sogar, weil im Osten selbst keine Mehrheit für seinen Erhalt zustande kam, es aufgrund einer weit überwiegenden Zustimmung im Westen aber trotzdem fortbestehen würde, sofern man kein Ostprivileg etablieren möchte, das wir wiederum für problematisch halten würden. Noch gilt das Grundgesetz, und schon Art. 3 (Gleichheitsgrundsatz) könnte mit einem solchen Privileg verletzt sein. Auch Abstimmungen über die Verfassung müssen verfassungsgemäß abgehalten werden.

Was anstelle des Grundgesetzes kommen soll, ist vollkommen offen. Was immer es wird, es wäre nur dann voll demokratisch legitimiert, wenn jede weitere Änderung ebenfalls per Volksabstimmung möglich wäre. In der Schweiz ist das tatsächlich so geregelt, zumindest grundsätzlich. Die dortige Verfassung ist aber auch viel leichter verständlich als alles, was im Grundgesetz dem Grundrechte-Katalog folgt (nach Art. 1 bis 19) und die dortige Verfassung basiert auf einer revolutionären Tradition des berühmten Jahres 1848. Dieses Jahr war auch in Deutschland ein wichtiges,  aber die 48er-Revolution fürhte nicht zu einer freiheitlichen Verfassung – das konnte sie schon deshalb nicht, weil Deutschland damals nicht geeint war.

Im weit überwiegenden Teil der Demokratien wird hingegen nicht so weit gegangen, dass die Bevölkerung Verfassungsänderungen initiieren kann.

Gerade aktuell erweist sich das auch als richtig, angesichts der Rechtstendenzen in den westlichen Demokratien. Eine Verfassung, die von einer rüden Mehrheit gegen alle Minderheiten beschlossen würde, wäre eine zivilisatorische Katastrophe, nicht bloß ein Rückfall, Nazitum mit echter Volkslegitimierung. Man könnte freilich etwas anderes tun: Bestimmte Regelungen, wie es jetzt schon im Grundgesetz der Fall ist, unter die sogenannte Ewigkeitsgarantie stellen.

Ein interessanter Aspekt dabei: Ob die bereits bestehenden Ewigkeitsgarantien auch im Fall einer neuen Verfassung fortgelten würden. Einerseits sind sie Gegenstand der jetzigen Verfassung, andererseits werden sie als konstitutiv für den Erhalt der Demokratie im Ganzen angesehen. Wir tendieren dazu, die Fortgeltung anzunehmen. Damit wäre auch die Legitimation einer neuen Verfassung wiederum mit Einschränkungen verstehen, weil sie zwingend Tatbestände des Grundgesetzes übernehmen müsste, die 1949 als unabdingbar festgehalten wurden. Diese Unabdingbarkeit lässt sich in der Tat aus der deutschen Geschichte herleiten, die niemals vergessen werden darf. Die Ewigkeitsgarantie umfasst:

  • die Gliederung des Bundes in Länder,
  • die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung,
  • die in den Artikeln 1 (Menschenwürde, Grundrechte) und 20 (Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat) niedergelegten Grundsätze.

Wir halten es für besser, das Grundgesetz selbst der Lage und 75 / 35 Jahren demokratischer Übung anzupassen, zum Beispiel durch mehr Möglichkeiten zur direkten Demokratie, als eine Verfassung zu erstellen, die nach unserer Ansicht das GG kaum toppen könnte. Die Zivilgesellschaft könnte es sich zur Aufgabe machen, die Politik darauf einzustimmen, dass sie solche Änderungen beschließt. Gelängen die ersten Erweiterungen hin zum Plebiszitären gut und ohne die Rechte von Minderheiten zu gefährden, könnte man über weitere Schritte nachdenken und auch die Möglichkeit, solche einzurichten, schon im GG festhalten.

Hingegen befürchten wir, dass eine Volksabstimmung über das GG, die das Gleichheitsgebot wahrt und nicht auf das schmale Brett sich begibt, Menschen im Osten zu einer besonderen Minderheit zu erklären, die die Mehrheit überstimmen kann, für noch mehr Verdruss sorgen wird. Vielleicht würde alles gutgehen, auch Osten gäbe es eine Mehrheit, Art. 146 könnte gestrichen werden, man könnte sogar eine Art bedingter Abstimmung durchführen. Annahme, wie es ist, Annahme unter Voraussetzung bestimmter Änderung oder doch lieber Neuerarbeitung einer Verfassung. Gegen all dies gibt es natürlich ein Meta-Argument: Da das Grundgesetz nach wohl herrschender Meinung seinen Vorläufigkeitscharakter bereits verloren hat, kann es nicht durch ein Instrument abgeschafft werden, das in ihm gar nicht vorgesehen ist. Dazu müsste es also erst geändert werden. Und das kann nur die Politik tun, und zwar mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundesrat und Bundestag. Gäbe es diese Mehrheit aktuell? Wir glauben, nein. Dafür müsste massiv geworben werden, und das kann erfahrungsgemäß viele Jahre dauern.

Kommt es nun zu einer Umfrage, werden wir wohl mit „nein“ abstimmen. Im Grunde ist uns das Grundgesetz auch zu wertvoll, um es zum Spielball politischer Stimmungen zu machen. Nach der Wiedervereinigung hätte im Osten ganz sicher noch eine Mehrheit in direkter Abstimmung für das Grundgesetz gestimmt, wenige Jahre später vielleicht nicht mehr. Das Grundgesetz kann aber nichts für die weitere Entwicklung, wie immer man sie auch beurteilt. Sie waren unter seiner Ägide zwar möglich, aber jede Verfassung ist nur so gut, wie die Politik sie ernstnimmt. Das gilt auch dann, wenn Volksabstimmungen die Politik beeinflussen sollen. Was einige sich vielleicht vorstellen, im Osten natürlich, ist eine Art ewige Verabsolutierung des Gleichheitsgrundsatzes. Aber wäre das gerecht? Ein Beispiel:

Populisten, die gerne die Ost-Benachteiligungssaite zum Klingen bringen und dadurch einene recht monotone musikalische Vorstellung abliefern, versteifen sich darauf, dass dort die Gehälter und Renten niedriger sind als im Westen. Das ganze Instrument der Wirklichkeit hat aber mehrere Saiten. Die Menschen dort haben netto nicht weniger Geld zur Verfügung, da die Lebenshaltungskosten mindestens um den gleichen Grad geringer sind. Wir hatten einmal ausgerechnet, dass in vielen Gegenden des Ostens sogar mehr Geld zum Leben bleibt als in jenen im Westen, in denen die Preise stark anziehen, die Gehaltsentwicklung aber nicht mithält, wie zum Beispiel, besonders auf die Mieten bezogen, in Berlin.

Das ist alles nicht so einfach, wenn man genauer hinschaut, vieles ist Narrativ, nicht die ganze Wahrheit und Politiker:innen bedienen Narrative, um gewählt zu werden, zumal die Darstellung der gesamten Wahrheit auch alle Ausnahmen und Einzelfälle berücksichtigen müsste, die wir hier ebenfalls nicht abbilden können. Insofern ist Journalismus immer bezüglich seines Wahrheitsgehaltes begrenzt. Dies sollten vor allem die Maniacs in den „alternativen Medien“ endlich ihren Leser:innen auch einmal mitteilen, anstatt sie mit vorgeblicher Faktenvielfalt zu manipulieren, die Belege aber ganz einseitig auszusuchen.

Was hat das mit der Verfassung zu tun? Dies ist wiederum einfach zu erklären: Das Grundgesetz ist nach unserer Überzeugung viel besser als alles, was selektiv, je nach politischer Wirklichkeit oder nach Interessenlage, aus ihm herausgegriffen und popularisiert wird.

Politische Bildung muss erst einmal damit anfangen, dafür ein Verständnis zu schaffen, anstatt das über etwas abgestimmt wird, das die meisten nicht einmal ansatzweise beurteilen können und das durch eine neoliberale politische Wirklichkeit stark verengt wird. An dieser gilt es also zu arbeiten. Womit wir bei einem Problem angelangt sind, das keine Verfassung der Welt lösen kann, wenn nicht der Wille dazu vorhanden ist. Will die Politik bei uns überhaupt, dass Menschen aufgeklärt sind? Könnte man das durch eine verfassungsmäßige Festhaltung ändern, sie zur Aufklärung zwingen? Falls ja, dann reichen die Regeln des Grundgesetzes dafür aus, sie müssten höchstens noch etwas präzisiert und in einfaches Recht gegossen werden.

Noch ein letzter Gedanke. So, wie die Realität im Moment aussieht, so, wie das Grundgesetz nach 75 Jahren von vielen in der Politik nicht mehr richtig ernstgenommen wird und auch von Teilen der Bevölkerung nicht: Würde jetzt eine neue Verfassung beschlossen, die tatsächlich fundamentale Änderungen enthalten würde, wäre zu befürchten, dass sie hinter dem Grundgesetz zurückbleibt, die Standards der Grund- und Menschenrechte betreffend. Da lassen wir es lieber zu, dass immer noch behauptet wird, das Grundgesetz gelte ja gar nicht wirklich. Dieser Spin wird übrigens durch die Forderungen nach einer (neuen) Abstimmung auch befördert. Am Ende bleibt ein wenig der Eindruck, dass man sich bloß wieder günstig als Stimme des Ostens ins Spiel bringen will. So leicht wird das aber nicht sein und die Ergebnisse der Umsetzung des Verfassungsneugestaltungsvorschlags könnten sogar nachteilig für die Demokratie ausfallen.

TH

[1] Volksabstimmung darüber, große Wohnungskonzerne in Berlin zu enteignen, um den Preisauftrieb der Mieten zu bremsen als letztes Mittel, weil alle anderen Instrumente sich bisher als unwirksam erwiesen haben, 59,1 Prozent Zustimmung im September 2021, die Abstimmung wurde zusammen mit den später im Ganzen bzw. teilweise für ungültig erklärten Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Bundestag abgehalten, wurde selbst aber nicht als ungültig angesehen.

Hinterlasse einen Kommentar