Crimetime 1246 – Titelfoto © WDR
Zweikampf ist ein Fernsehfilm aus der Fernseh-Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF. Der Film wurde vom WDR produziert und am 23. Juni 1974 zum ersten Mal gesendet. Er ist die 41. Folge der Tatort-Reihe, die zweite mit Kommissar Haferkamp.
Zwei Jahre vor diesem Tatort kam ein kleiner Film, eigentlich ein Fernsehfilm, namens „Duel“ heraus, in den USA natürlich. Da ging es um einen Zweikampf auf der Landstraße, und das Werk war der Erstling eines gewissen Stevenspielberg, sorgte für viel Furore und startete eine einmalige Karriere.
Ob man bei „Zweikampf“ daran gedacht hat, der etwa sinngleichen Übersetzung? Sicher waren die Macher des zweiten Tatorts mit dem Essener Ermittler Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) davon beseelt, einen Howcatchem so zu gestalten, dass Kommissar und Täter sich in etwa gleichstark gegenüberstehen und dabei viele für die Verhältnisse der Zeit coole Sprüche und philosophische Statements liefern können (dass in Tunnel einfahrende Züge ihren sexuellen Bezug haben können, wissen wir seit Hitchcock, aber dass aufsteigende Flugzeuge aussehen wie erigierte Penisse, auf die Idee sind wir bisher nicht gekommen – und dabei erklärt diese Deutung doch so gut die Faszination des Fliegens). Mehr zum Film jedenfalls steht in der Rezension.
Handlung
Marion Mezger, die Frau eines Millionärs, wird entführt. Sie wird mit verbundenen Augen in einem Appartement festgehalten. Der Ehemann zahlt fünf Millionen Lösegeld. Der Erpresser, der verkrachte Bauunternehmer Degenhart, versteckt das Geld. Er will es erst holen, wenn Gras über die Sache gewachsen ist.
Die Kriminalpolizei geht zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Eine Frau hat Degenhart beobachtet, wie er in ein Appartement ging, das lange nicht bewohnt war. Heinz Haferkamp von der Essener Kripo geht dem Hinweis nach und findet viele Indizien. So fällt ihm auf, dass alle Fingerabdrücke in dem Appartement sorgfältig verwischt worden sind. Haferkamp glaubt sich der Lösung des Falles nahe. Er führt Marion Mezger in das Appartement, und zwar mit verbundenen Augen. Wird sie es wieder erkennen? Marion Mezger verneint. Haferkamp ist trotzdem überzeugt, dass Degenhart der Täter ist. Aber er kann nichts nachweisen. Er muss Degenhart freilassen.
Ein zäher Kampf zwischen Haferkamp und Degenhart beginnt. Degenhart muss an das Versteck mit den Millionen ran, denn er steht vor der geschäftlichen Pleite. Haferkamp weiß, dass Degenhart einen verlässlichen Menschen braucht, der für ihn die Millionen aus dem Versteck holt und sie im Ausland in unverdächtige Banknoten umtauscht. Wird es sein ehemaliger Schulfreund Max Fischer sein? Im Morgengrauen wartet Haferkamp auf den, der die Millionen aus dem Versteck holt. Durch den Nebel wankt eine Gestalt. Ist es Degenhart selbst? Oder jemand anders?
Rezension
Vom Zusammenspiel oder Gegeneinander-Spiel Haferkamp / Degenhart bzw. Felmy / Baumann lebt der Tatort weitgehend. Handlungsseitig ist er alles andere als überdurchschnittlich, die sehr hohe Bewertung, die ihm Tatort-Fans heute noch geben, hat uns durchaus erstaunt. Man kann das tun unter der Prämisse, dass man das Zeitkolorit sehr stark einfließen lässt, aber das gilt dann für fast alle Tatorte dieser frühen Phase der Reihe. Man kann sagen, die Haferkamp-Figur, die mag ich einfach, und das ist jedermanns gutes Recht. Oder man steht auf die Autos, die hier verwendet werden, immerhin fährt Degenhart schon die damals ganz neue S-Klasse, wenn auch bescheiden in ihrer kleinsten Version, dem 280 S (ohne Einspritzung). Aber wer den Krimi als solchen überragend findet, heutige Tatorte jedoch wesentlich schlechter bewertet, an dem sind doch 40 Jahre Entwicklung ein wenig vorbeigegangen.
Das Grundproblem von „Zweikampf“ ist, dass eine echte Täterermittlung nicht erfolgt. Das heißt auch, es ist im Grunde egal, was die Spurensicherung zutage fördert, sie hilft sowieso nicht weiter. Es ist auch egal, ob Degenhart nach der Tat irgendwelche Fehler begeht, denn darauf kommt es gar nicht an. Seine Geschicklichkeit ist zweitrangig, denn alles hängt davon ab, ob sein Opfer irgendwann die Karten aufdeckt, was es ja unbeabsichtigt tut, und zwar auf eine ziemlich unglaubwürdige Weise. Dass Frau Mezger am Ende ihrem Mann eins auswischen wollen könnte, erschließt sich nur aus einer Szene: Als er darauf hinweist, dass es seine sauer verdienten fünf Millionen sind, die auf dem Spiel stehen, und sie darauf patzig reagiert und dann gleich wieder ganz sanft wirkt. Ob das als psychologischer Humus für ihr Handeln am Ende ausreicht? Es wirkt eben doch ein wenig an den Haaren herbeigezogen.
Dass Haferkamp überhaupt auf Degenharts Spur kommt, ist einer alten Frau zu verdanken, die zufälligerweise als Zeugin mal ernstgenommen wird, während Haferkamp ansonsten die vielen (Fehl-) Hinweise, die aufgrund der hohen Belohnung aus der Bevölkerung kommen, sehr nervtötend findet. Aber was für ein Gespür, ausgerechnet diesem Hinweis auf das Appartement so dezidiert und aufwendig nachzugehen. Und natürlich spürt Haferkamp auch, dass mit dieser Wohnung etwas gewesen sein könnte. Toll hingegen, dass er Frau Mezger mitbringt, damit diese alles abtastet, was sie aufgrund der Augenklappen nicht sehen konnte, da ist der Degenhart doch erst einmal schockiert. Dass sie in dem Moment schon beschließt, so zu tun, als erkenne sie den Ort ihrer Gefangennahme nicht, würde aber heißen, sie entschließt sich schon zu diesem frühen Zeitpunkt, Degenhart ihrerseits zu erpressen, indem sie ihm sagt, entweder teilt er das Geld mit ihr, oder sie verrät der Polizei doch, dass er der Entführer gewesen sein muss. Interessanterweise aber kann man von der Wohnung nicht einmal eins zu eins auf den Mieter als Täter schließen, denn seine charakteristische Stimme hat Frau Mezger ja nie gehört – er könnte zum Beispiel behaupten, die Hausverwaltung weiß, dass er nur sehr selten in dieser Wohnung anwesend ist und verwendet ihren eigenen Schlüssel, um eine Art Zweitnutzung zu organisieren.
Nachgewiesen wird dem Degenhart im Prinzip nichts, alles hängt davon ab, dass Haferkamp so lange an ihm dranbleibt, bis er am Ende das anscheinend beinahe sichere Indiz vor Augen hat, dass Frau Mezger das Geld abholt.
Auch sehr konstruiert: die Sache mit dem Freund in München. Zwanzig Jahre später. Der Mann erklärt sich sofort bereit, für Degenhart tätig zu werden, und für die enge Verbundenheit muss die gemeinsame Erinnerung an einen Schullehrer herhalten, die nicht einmal besonders ingeniös inszeniert wird – und am Ende ist der Freund dann doch lieber auf die Belohnung aus, wenn eh klar ist, dass er an das Geld nicht herankommt. Und wieso gibt der zweite Entführer sich mit 10.000 Mark zufrieden, er hatte doch das gleiche Risiko wie Degenhart und musste außerdem seine Stimme hergeben? Außerdem ist er eine Art Ermittlungs-Kollateralschaden, denn was mit ihm passiert oder vermutlich eher nicht, bleibt offen. Auch sehr konstruiert wirkt, dass Degenhart ganz schnell an die 5 Millionen heranmuss, und das nur, weil Herr Mezger seinen Kredithai kennt und diesen anleitet, die Wechsel, die Degenhart zu schaffen machen, nicht mehr zu prolongieren. Auch Degenharts Lebensstil im Jet-Set wird nur von seiner Frau behauptet, was wir sehen, ist eher ein rustikaler Typ, der gerne in der Kneipe sitzt und über Fußball redet (bezüglich Borussia Dortmund in prophetischer Manier: „Die kommen wieder!“).
Finale
Sicher ist „Zweikampf“ nicht der plotstärkste und auch nicht der psychologisch ausgefeilteste Tatort mit Heinz Haferkamp, da haben uns „Rechnung mit einer Unbekannten“ oder „Schussfahrt“ um einiges mehr überzeugt. Gut gespielt ist er schon, und eine gewisse Spannung liegt in den Hauptfiguren. Insgesamt für uns aber kein Werk, das innerhalb des mittlerweile fast 1000 Filme* umfassenden Fundus der Reihe herausragt:
6/10.
*Diese und andere Angaben sind bezogen auf die Zeit, in der wir den nahezu unverändert publizierten Entwurf erstellt haben
Kursiv und tabellarisch: Wikipedia
© 2016 Der Wahlberliner, Alexander Platz
| Regie | Wolfgang Becker |
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| Drehbuch | Karl Heinz Willschrei |
| Produktion | Werner Kließ |
| Kamera | Gernot Roll |
| Schnitt | Hannes Nikel |
| Premiere | 23. Juni 1974 auf ARD |
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