Filmfest 1260 Cinema
Im Staub der verblichenen Systeme
Im Staub der Sterne ist ein Science-Fiction-Film, den die Künstlerische Arbeitsgruppe futurum der DEFA unter der Regie von Gottfried Kolditz produzierte. Der Film hatte offiziell während der Sommerfilmtage am 1. Juli 1976 Premiere.
Mit „Der schweigende Stern“ haben wir bereits einen DDR-SF-Film rezensiert (der Text ist auf dem Filmfest des „neuen“ Wahlberliners noch nicht zu sehen). Doch, es gab tatsächlich mehrere Raumfahrtabenteuer, die im östlichen Teil Deutschlands hergestellt worden waren, während die BRD nicht einen vergleichbaren Film hervorgebracht hatte – dafür die Serie „Raumpatrouille Orion“, die zeitlich etwa in der Mitte zwischen den beiden DDR-Filmen entstand (1966). Das Interesse an den Kosmonauten war im Osten als größer als das an den Astronauten auf der anderen Seite der Grenze – zumindest, wenn man vom Filmschaffen auf die Realität schließt. Die DEFA hatte sogar eine Werkgruppe „Futurum“.
Handlung (1)
Das Raumschiff Cynro 19/4 erreicht nach einem empfangenen Notruf den Planeten TEM 4, findet dort aber keine Notsituation vor. Im Gegenteil, der Herrscher des Planeten versucht, die Besucher zur baldigen Rückkehr zu bewegen, hierzu sind ihm auch Bewusstseinsmanipulationen als Mittel recht. Nur der an Bord verbliebene Navigator schöpft Verdacht und entdeckt auf eigene Faust die Ureinwohner des Planeten, die in unterirdischen Bergwerken Sklavenarbeit verrichten müssen.
Die Besatzung ist sich uneinig, ob sie die Ureinwohner im Kampf gegen die Unterdrücker unterstützen oder die Angelegenheit dem Lauf der Zeit überlassen soll. Die Besatzer von TEM 4 zwingen die Mannschaft jedoch zur überstürzten Abreise, indem sie den Landeplatz des Raumschiffes überfluten. Die Kommandantin und der sterbende Navigator müssen zurückgelassen werden.
Der Film endet mit der Beerdigung des Navigators durch die Ureinwohner, die zuvor das startende Raumschiff wie eine Gottheit verabschieden.
Rezension
Den oben angesprochen Rückschluss sollte man jedoch besser vermeiden, denn auf anderen Sternen wird anders gedacht. Und die DDR war ein anderer Stern, das steht nach der Sichtung dieser beiden Filme eindeutig fest. Hätte die deutsche Teilung noch einige Jahrzehnte länger gedauert, wären die unterschiedlichen Rassen oder Ethnien vermutlich so weit auseinandergedriftet, dass sie nicht einmal mehr hätten gemeinsame Kinder zeugen können – geschweige denn, miteinander kommunizieren.
In „Im Staub der Sterne“ ist das intergalaktisch ohne Probleme möglich. Alle sprechen möglicherweise Russisch, denn das Bessere setzt sich bekanntlich durch, im Film, anders als in der Wirklichkeit. „Der schweigende Stern“ hatte uns wirklich fasziniert, war sicher eine der größten Produktionen östlichen Filmschaffens seiner Zeit und entstand in Zusammenarbeit mit Polen. Die Aufmachung des Films und die Fantasie und Verve der Macher, die man deutlich herausspüren kann, wiegt beinahe die Überideologisierung auf. Wenn die DDR nicht auch Western gemacht hätte, hätten wir geschrieben, das All ist der Westen des Ostens, denn außerhalb unserer verzwickten und mit vielen Wenns und Abers behafteten Wirklichkeit lassen sich weltanschauliche Prinzipien viel besser und reiner darstellen. Die archaische Welt des Westens, der noch keine Staatsmacht besitzt, die alles kontrolliert, ist dabei eine ebensolche Spielwiese für die Indoktrinierung des Zuschauers wie der SF – auch der amerikanische SF ist davon nicht ausgenommen.
Nur, so plump geht es in „Star Wars“ nicht zu, obwohl auch dort die Unterdrückten gegen die Mächte des Bösen kämpfen. Im Grunde ist es doch überall ähnlich: Die Sympathien mit denen, die von anderen ausgebeutet werden, sollten uns alle erfassen. Wir könnten uns also prima auf dieser Ebene verständigen. Und doch merkt man an einem Film wie „Im Staub der Sterne“, der ja auch in einer späteren Phase der DDR-Existenz entstand, warum es nicht so einfach ist.
Wir sprechen vielleicht dieselbe Sprache. Grundsätzlich. Aber wir meinen damit nicht immer das Gleiche. In unserer Berliner Zeit haben wir das live im Dialog mit gelernten OstbürgerInnen erfahren dürfen. Daher auch die Anmerkung, was geschehen wäre, wäre das Land weiter geteilt gewesen. Die Sprachverwendung hätte sich immer weiter voneinander entfernt, sodass Missverständnisse noch häufiger geworden wären, als sie es nach der Wende ohnehin waren.
Schon während wir „Im Staub der Sterne“ angeschaut haben, dachten wir angestrengt darüber nach, welcher Geist hinter solchen Werken stehen mochte. Produktionstechnisch ist der Film ein klarer Rückschritt gegenüber dem wesentlich älteren „Der schweigende Stern“, aus dem Aufbruch in den Weltraum ist eine von technisch hochstehenden Kulturen erfüllte Galaxis geworden, und alles, was man dort tut, um jemandem zu helfen, muss dialektisch betrachtet werden, da es einen Schmetterlingseffekt auslösen kann.
Dummerweise gibt es aber keine Lösung. Die Raumfahrer von Cynro können den Untertage-Mineuren nicht einfach Waffen liefern, weil das einen galaktischen Krieg heraufbeschwören würde, sondern ziehen am Ende erst einmal ab, nachdem eines der Besatzungsmitglieder getötet wurde. Dieser Film hat wirklich eines der unbefriedigendsten Endings, das je in den Weiten des Weltalls stattfand. Kommandeurin Akala verliert ihren Liebsten, die Herrscher von TEM4 lassen ihren Wassergraben umsonst bauen, das Raumschiff hebt ab, ohne dass man weiß, was weiterhin geschehen wird, die Minenarbeiter haben zwar den Korpus des Navigators, zu dem sie künftig aufschauen oder gar beten können, aber an ihrer Situation hat sich erst einmal nichts geändert. Irgendwie kam uns der Film wie eine vorgezogene Bankrotterklärung der höheren menschlichen Prinzipien vor.
Verstärkt wurde dieser Eindruck dadurch, dass man in der DDR zwar 1976 noch nicht den Vergleich mit Star Wars hatte, aber sehr wohl mit anderen aufwendigen SF-Filme, die in den späten 1960ern und frühen 1970ern entstanden sind. Aber so ist das, wenn man Plaste anstatt von Platik verwendet – alles wirkt irgendwie dünn und billig und kann sich nicht davon befreien. Die schmale Brust der DDR spätestens seit dem Scheitern der Neuen Ökonomischen Politik schlug sich nicht nur im Design von real verwendbaren Gegenständen (bis auf einige schöne Ausnahmen) sondern auch bei den Filmdekorationen nieder. Wo man im Westen einen aalglatt glänzenden Raumboden hinbekommen hätte, gibt es im DDR-Production Design sichtbare Fugen von Fliesen, über die ein dünner Lacküberzug gelegt wurde. Was eine echte Traumfabrik hätte wie Alu oder Stahl wirken lassen, kommt hier wie lackierte Pappe rüber und wackelt immer mal wieder vor sich hin.
Die Kostüme sind teilweise nett und auch sexy, das wollen wir nicht auslassen. Ihre Verwendung in Tanzsequenzen und Ballettszenen macht zudem klar, dass man in der DDR die rhythmische Sportgymnastik durchaus pflegte. Die Synchronität und Gestaltung der Bewegungsabläufe in diesen Szenen gehört zu den Benefits von „Im Staub der Sterne“. Die dazu verwendete Musik eher nicht, auch wenn sie ungeheuer spacig wirkt, in ihrer Monotonie. New Age für Kosmonauten, unter denen Führungsangelegenheiten ausdiskutiert werden, vor allem, wenn’s schnell gehen muss. Nett, wie die Kommandantin erst einmal alle überzeugen muss, bevor sie eine Entscheidung trifft – und es deshalb keine eindeutige Entscheidung gibt. Als ob die Führungskultur tatsächlich im Realsozialismus so gewesen wäre. Aber es gab eben dort nicht nur Genossen mit unwichtigen Rangabzeichen, sondern gelebte Hierarchien, genau wie auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs.
„Im Staub der Sterne“ hat eindeutige Vorbilder im westlichen Film. Wären es nicht sechs, sondern sieben Kosmonauten gewesen, hätte das Anfangszenario stark dem von „Die sieben Samurai“ geähnelt. Nur greifen die Kosmonauten ja dann nicht zu den Waffen, sondern liefern sich ein Katz- und Maus-Spiel mit den Herrschern des besuchten Planeten. Eineutiger aber noch sind die Bezüge zur wundervollen (Original-) Verfilmung von H. G. Wells‘ „Die Zeitmaschine“ (1960), einem der poetischsten und grausamsten SF der Filmgeschichte. Leider hat „IM Staub der Sterne“ nicht annähernd dessen hohe emotionale Temperatur und außerdem ist oben und unten verkehrt worden – was nicht lyrischer, aber realistischer ist. Dass in „Die Zeitmaschine“ hübsche Menschen an der Oberfläche leben, die von gierigen Morlocks gegessen werden, die es vorziehen, unterirdisch zu verbleiben, und die sichtlich verroht sind, ist optisch stark, aber wer haust freiwillig unter Tage, anstatt die anderen dort für sich arbeiten zu lassen? Auch die Klassenteilung in „Metropolis“ (1927) steht dem, was wir in „Im Staub der Sterne“ sehen, sehr nah, und dort ist auch der Aufbau ähnlich. Unten wird geschuftet, oben gefeiert.
Dass „Im Staub der Sterne“ nicht ganz wirkt wie ein Ed Wood made in GdR, liegt unter anderem daran, dass man offenbar einen größeren VEB komplett abkommandiert hatte, um die vielen Minenarbeiter und deren Bewacher zu spielen. Dafür gibt es einige auffällige Schnittfehler, die wir so noch nie in einem Nachkriegsfilm gesehen haben. Man merkt sehr, dass einige Einstellungen nicht durchgängig gefilmt, sondern nachträglich aus verschiedenen Takes montiert worden waren. Auch das spart natürlich Kosten, aber das beunruhigende Gefühl, dass die DDR es in den 1970ern nicht mehr so mit der Qualität hatte, verstärkt sich.
Aber die DEFA war eben nicht die Ufa, und schon die wäre an dem megateuren „Metropolis“ beinahe pleite gegangen. Weil man sich für den Erhalt des Systems, das man propagierte, verantwortlich fühlte, sieht man in „Im Staub der Sterne“ nur ein paar der erwähnten Innenraumdekorationen, aber keine futuristische Außenwelt, wie sie in „Der schweigende Stern“ noch durchaus wahrzunehmen war – in dystopischer Ausformung.
Finale
Mit Jana Brejchová als Star und Kommaneurin hatte die DDR immerhin eine international arbeitende, renommierte Hauptdarstellerin für „Im Staub der Sterne“ verpflichtet, aber auch sie kann die zwischen zu sehr auf Droge und zu akademisch schwankenden Dialoge nicht in komplett glaubwürdiges Spiel umsetzen. Am natürlichsten und sympathischsten wirkt Navigator Suko (Alfred Struwe), auch der Analytiker Thob, der für den Humor an Bord zuständig ist – manchmal jedenfalls – hat uns recht gut gefallen (gespielt von Leon Niemczyk, einem der wichtigsten polnischen Nachkriegsschauspieler).
Es ist heute beinahe so billig, wie der Film selbst wirkt, auf seinen technischen Qualitäten herumzuhacken, aber auch Ideologie verkauft sich am besten, wenn sie exzellent verpackt ist, wenn das, was wir sehen, uns so fasziniert wie „Krieg der Sterne“, der seit den 1970ern als Maßstab für SF-Filme gilt. Obwohl der Inhalt ein reines Märchen ist, das mit religiösen mit philosophisch-weltanschaulichen und politischen Chiffren ganz hübsch manipuliert, hilft dem DDR-SF seine größere Ehrlichkeit im sozialistischen Sinn wenig – er wirkt in beinahe jeder Hinsicht zweidimensional. 1976 zählte „Im Staub der Sterne“ ca. 800.000 Kinobesucher, das wären, auf BRD-Verhältnisse hochgerechnet, etwa 2,5 Millionen gewesen – kein schlechter Wert.
50/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
| Regie | Gottfried Kolditz |
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| Drehbuch | Gottfried Kolditz |
| Produktion | Helmut Klein |
| Musik | Karl-Ernst Sasse |
| Kamera | Peter Süring |
| Schnitt | Christa Helwig |
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