„Nur die wachsame Demokratie kann eine wehrhafte Demokratie sein“ (Verfassungsblog + Kommentar / zum Tod von Margot Friedländer)

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 Das gestrige Editorial des Verfassungsblogs passt so gut zu unserer aktuellen Berichterstattung, dass wir uns wieder einmal erlauben, es zu republizieren. Es klärt vor allem über die aktuelle Lage bezüglich der Einschätzung der AfD als verfassungsfeindlich durch das BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz) auf, gibt eine interessante Einschätzung zur Notwendigkeit eines Verbotsantrags beim BVerfG (Bundesverfassungsgericht) ab und befasst sich auch mit der Handhabe des BfV, die AfD nicht mehr als „gesichert rechtsextremistisch“ zu bezeichnen, solange diese bei einem Verwaltungsgericht gegen diese Einstufung klagt und in der Sache noch nicht entschieden ist. Wir kommentieren unterhalb des Editorials.

„Nur die wachsame Demokratie kann eine wehrhafte Demokratie sein“

Fünf Fragen an Kyrill-Alexander Schwarz / von Eva Maria Bredler auf Verfassungsblog

Seit 2021 führte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als Verdachtsfall – nun hat das BfV die Partei als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig will zeitnah im Kabinett darüber beraten, wie jetzt mit der AfD umzugehen ist. Wir haben mit Kyrill-Alexander Schwarz darüber gesprochen, was aus der Einstufung folgt. Er ist Professor für Öffentliches Recht am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Würzburg und hat letztes Jahr eine rechtswissenschaftliche Stellungnahme zum AfD-Parteiverbot mitverfasst.

  1. Das BfV hat die AfD zwar als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft, verweigert jedoch die Freigabe des 1108-seitigen Gutachtens. Am Mittwoch veröffentlichte FragDenStaat einen 17-seitigen Auszug und der Spiegel eine Auswertung des Gutachtens. Welche legitimen Gründe können die weitere Geheimhaltung rechtfertigen?

Jenseits der Frage eines möglicherweise notwendigen Quellenschutzes kann es in einem transparenten Rechtsstaat keinen tragenden Grund geben, das Gutachten nicht zu publizieren. Wenn eine Partei mit dem Vorwurf verfassungsfeindlicher Tendenzen konfrontiert wird, muss die Öffentlichkeit wissen, warum hier ein massiver Eingriff in die Mitwirkung an der politischen Willensbildung erfolgt – gerade um die öffentliche Kontrolle zu gewährleisten, auch in einem möglichen gerichtlichen Verfahren. Nur die wachsame Demokratie kann eine wehrhafte Demokratie sein. Dabei ist es für die Öffentlichkeit auch von Interesse zu erfahren, warum die Veröffentlichung gerade jetzt erfolgte. Geschah dies auf Weisung oder vielleicht ohne Wissen der ehemaligen Bundesinnenministerin? Wie selbständig kann das BfV – immerhin eine nachgeordnete und weisungsgebundene Behörde im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums – hier agieren? All das sind Fragen, an deren Beantwortung ein legitimes Interesse besteht, um die Fairness der Auseinandersetzung im politischen Prozess auch mit Extremisten zu garantieren und damit von Anfang an zu verhindern, dass die AfD wieder politische Narrative einer gezielten Benachteiligung durch das „System“ bedient, um so ihre Opferrolle zu pflegen.

  1. Seit der Einstufung wird vor allem diskutiert, ob nun ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD eingeleitet werden muss. Laut Gesetz „können“ Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung den Antrag dazu stellen, das BVerfG spricht sowohl von „pflichtgemäßem“ als auch von „politischem“ Ermessen. Wie kann die Einstufung durch das BfV dieses Ermessen rechtlich beeinflussen?

Die Einstufung durch das BfV löst keinen Automatismus aus; es handelt sich um eine neue Einschätzung auf der Grundlage eines gesetzlichen Auftrags, die eine entsprechende Realanalyse voraussetzt. In der Bewertung entscheidet das BfV dann über das Ausmaß an Verfassungsfeindlichkeit und das damit verbundene Gefahrenpotential für den freiheitlichen Verfassungsstaat, das die Einstufung rechtfertigen kann. All das ändert nichts daran, dass die möglichen Antragsteller im Parteiverbotsverfahren (also Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat) auf dieser Grundlage eine eigene Entscheidung treffen können, bei der neben einer Analyse des tatsächlichen Materials und der rechtlichen Bewertung auch politische Fragen einfließen können. Allerdings dürfte, wenn man das Konzept einer wehrhaften Demokratie ernst nehmen möchte, mit zunehmender Verdichtung des Charakters als verfassungsfeindliche Organisation der eigene Entscheidungsspielraum abnehmen und eher von einer Pflicht zur Antragstellung auszugehen sein, die zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besteht. Diese Pflicht ist allerdings nicht prozessual durchsetzbar, sondern eher einer Frage politischer Verantwortlichkeit. Dessen ungeachtet muss sich aber das Bundesverfassungsgericht, das hier auch Tatsacheninstanz ist, ein eigenes Bild davon machen, ob die Verbotscvoraussetzungen vorliegen und damit die hohen Hürden auch erfüllt sind.

  1. Das Grundgesetz ermöglicht auch den Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung. Dafür gelten nach Art. 21 Abs. 3 GGähnliche Anforderungen wie für das Verbot selbst. Aber wie steht es um die Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung? Wie kann sich die Einstufung darauf auswirken und welche Rolle spielt dabei das Gleichbehandlungsgebot?

Zunächst ist festzuhalten, dass – anders als dies im politischen Raum bisweilen verbreitet wird – der Ausschluss von der staatlichen Finanzierung weitgehend identische Voraussetzungen wie ein Parteiverbotsverfahren hat; nur hinsichtlich der Notwendigkeit eines aggressiv kämpferischen Verhaltens ist das Parteiverbot noch strenger. Insoweit dürfte der Verweis auf den Entzug finanzieller Mittel anstelle eines Parteiverbots – bei aller Sympathie für den Entzug staatlicher Mittel für Verfassungsfeinde – an den klaren normativen Vorgaben des Grundgesetzes vorbeigehen.

Die Frage der Stiftungsfinanzierung ist insoweit eine andere, als die Stiftungsfinanzierung ein positives Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung materiell voraussetzt. Dies entspricht insoweit der beamtenrechtlichen Treuepflicht oder den Anforderungen an das Gemeinnützigkeitsrecht. Hier zeigt der demokratische Verfassungsstaat, dass er im Bereich der wichtigen und notwendigen Arbeit politischer Stiftungen mehr verlangt als eine bloße Indifferenz gegenüber dem Staat: Er will ein aktives Eintreten als Loyalitätsbekundung und darf dies auch fordern, weil für politische Stiftungen das Parteienprivileg des Grundgesetzes gerade nicht gilt. Politische Stiftungen sind zwar parteinah, aber keine Partei; die Schutzwirkungen des Grundgesetzes für Parteien greifen also nicht. Ein Gleichheitsverstoß ist nicht ersichtlich, wenn Behörden zu der Einschätzung gelangen, die der AfD nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung erfülle diese Voraussetzungen nicht, weil beispielsweise die sie prägende politische Grundströmung ihrerseits verfassungsfeindlich geprägt ist.

  1. Als Beamt*innen sind AfD-Mitglieder der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur Treue verpflichtet – einer Ordnung, die mit dem in ihrer Partei „vorherrschende[n] ethnisch-abstammungsmäßige[n] Volksverständnis“ laut BfV nicht vereinbar ist. Was wird nun aus all jenen AfD-Mitgliedern, die besondere staatliche Verantwortung tragen – etwa an Gerichten, bei der Polizei oder in der Schule?

Auch hier gilt, dass das Gutachten des BfV selbst zunächst keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfaltet. Es bedarf auch weiterhin in jedem Fall einer Einzelfallprüfung, ob bei einem Amtsträger die Voraussetzungen für disziplinarische Maßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem öffentlichen Dienst vorliegen. An die bloße Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei anzuknüpfen, wäre eine Verletzung des Parteienprivilegs, solange und soweit die Partei noch nicht verboten ist. Das hindert aber nicht, Führungsmitglieder der Partei, die sich nicht von entsprechenden Aussagen hinreichend distanzieren, oder auch andere Parteimitglieder, die in sozialen Netzwerken entsprechend extremistische Inhalte teilen und weiterverbreiten, wegen dieses Verhaltens im Einzelfall juristisch zu belangen. Hier zeigt sich im Übrigen, dass das Verwaltungsrecht – jenseits des zweischneidigen Schwerts des Parteiverbots – auch hinreichende Reaktionsmöglichkeiten vorhält, mit Extremisten im öffentlichen Dienst umgehen zu können.

  1. Inzwischen geht die AfD gegen ihre Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ gerichtlich vor. Wovon hängen die Erfolgsaussichten ab und was könnte das Verfahren bedeuten?

Es steht der AfD – wie jedem anderen Betroffenen – frei, sich gegen aus ihrer Sicht rechtswidrige hoheitliche Maßnahmen gerichtlich zur Wehr zu setzen; ob ihre Einschätzungen zutreffend sind, entscheiden in einem gewaltenteilenden Verfassungsstaat die dafür zuständigen Gerichte nach Maßgabe des geltenden Rechts. Zu den Erfolgsaussichten möchte ich mich in Ansehung des bisher nicht vollständig bekannten Inhalts des Gutachtens des BfV nicht äußern – das wäre bloße Spekulation.

Umgekehrt ist aber auch die jetzt vorliegende Stillhaltezusage des BfV – also die Selbstverpflichtung, die AfD bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nicht weiter als gesichert rechtsextrem zu bezeichnen und auch den entsprechenden Hinweis von der Homepage zu entfernen – eine verwaltungsprozessual anerkannte Vorgehensweise, die der Entlastung der Gerichte dient und nichts über die Erfolgsaussichten sagt. Schon als es um die Einstufung als Verdachtsfall ging, ist das BfV – auch aus Respekt gegenüber der Justiz – so vorgegangen und hat damals dennoch sowohl vor dem VG Köln als auch vor dem OVG Münster in der Hauptsache einen Erfolg erzielt. Insoweit erleben wir gerade die rechtsstaatliche Normalität, dass hoheitliches Handeln einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt – das ist die alltägliche Bewährung des Rechtsstaates und keine Besonderheit.

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Das Editorial ist dieses Mal vergleichsweise kurz und auf den ersten Blick enthält es keine ausdrückliche Empfehlung dazu, ob man nun endlich ein Verbotsverfahren gegen die AfD angehen sollte. Jedoch:

„Allerdings dürfte, wenn man das Konzept einer wehrhaften Demokratie ernst nehmen möchte, mit zunehmender Verdichtung des Charakters als verfassungsfeindliche Organisation der eigene Entscheidungsspielraum abnehmen und eher von einer Pflicht zur Antragstellung auszugehen sein, die zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besteht.“

Verfassungsrechtler sind keine Petitions-Aktivisten und führen eine vorsichtigere Sprache, aber in dem kursiven Absatz steht mit anderen Worten: Wer trotz der Einstufung der AfD durch das BfV als gesichert rechtsextrem nicht prüfen lässt, ob die Partei verboten werden muss, der nimmt die Verpflichtung der Verfassung, die Demokratie als wehrhaft anzusehen und selbst als Verantwortlicher in der Politik, der auf dem Boden der Verfassung steht, ihre Wehrhaftigkeit aktiv zu unterstützen, nicht ernst.

In unseren Worten: Politiker, die trotzdem alle möglichen Gründe anführen, warum man das Verbot der AfD nicht prüfen lassen sollte, sind keine guten Demokraten im Sinne des Grundgesetzes. Wir betonen ausdrücklich, dass wir mit der Formulierung einen Schritt vornehmen, der, wenn überhaupt, nur knapp durch die Übersetzung des Textes in Alltagssprache gedeckt ist, aber im politischen Raum ist die Sprache wiederum eine andere, und wir müssen Politiker deutlich kritisieren dürfen, die sich aus plumpen taktischen Erwägungen heraus gegen ein AfD-Verbotsverfahren aussprechen. Ganz abgesehen von jenen, die der AfD inhaltlich sogar nahestehen, obwohl sie nicht in der AfD, sondern in der Union, der FDP, sogar in der SPD verortet sind. Einzigedie Grünen und die Linke verhalten sich überwiegend so, wie man es in einer wehrhaften Demokratie erwarten darf, indem ihre Politiker mehrheitlich der Ansicht sind, ein AfD-Verbot muss geprüft werden.

Wie aber, wenn die Einschätzung des BfV vor Gericht nicht standhält? Auch wir haben die Stillhaltevereinbarung so eingeschätzt, wie sie oben beschrieben wird: Sie soll die Unabhängigkeit der Justiz herausstellen und ist keine Aussage darüber, ob das BfV sich seiner Einschätzung vielleicht nicht ganz sicher ist. Das dürfte es sehr wohl sein, und falls ein Verwaltungsgericht, das bei weitem nicht die Sachkenntnis des BfV haben dürfte, es anders sieht, sehen wir wiederum den nächsten Rechtszug voraus. Sollte das Gutachten aber nicht standhalten, wäre das auf jeden Fall ein Rückschlag für die Demokratie. Es ist nicht so schwer, verfassungsfeindliche Äußerungen der AfD-Politiker:innen zu sammeln und relevant sind sie auch, weil die Partei nun einmal so viele Wählende auf sich vereint. 

Eine ganz schlechte Verfahrensweise ist es hingegen, das Gutachten des BfV nicht zu veröffentlichen. Ob man damit verhindern will, dass die AfD Mittel an die Hand bekommt, es anzugreifen, sich für ein Verbotsverfahren in aller Ruhe zu wappnen, können wir nicht beurteilen, würden diese Idee aber auch absurd finden. Die Bevölkerung muss wissen dürfen, was in einem solchermaßen für die Demokratie essenziellen Gutachten steht. Es ist vielleicht das wichtigste Gutachten, das je vom BfV verfasst wurde. Bekanntgewordene Auszüge lassen auch vermuten, dass die Einschätzung des BfV einer öffentlichen Diskussion standhalten würde. Dass Rechte es anders sehen, ist sowieso klar, es gibt derzeit keine Bevölkerungsmehrheit für ein Verbot der AfD.

Zeit, wieder einmal darauf hinzuweisen, dass die Demokratie kein Selbstbedienungsladen für eine verfassungsfeindliche Mehrheit ist, sondern insbesondere wegen ihres Charakters als Schutzinstrument für Minderheiten auch gegen eine solche Mehrheit verteidigt werden muss. 1933 wäre ein NSDAP-Verbot in der Bevölkerung sicher nicht mehrheitsfähig gewesen, aber was geschehen konnte ist, weil die Weimarer Verfassung eben nicht genug verteidigt wurde, ist bekannt.

Gestern ist eine der letzten großen Zeitzeuginnen der NS-Verbrechen, Margot Friedländer, verstorben.

Auch ihr widmen wir diese Republikation und diesen Kommentar und erinnern uns daran, dass wir 2024 ihre von ihr persönlich mit einem Grußwort versehene Autobiografie „Versuche, dein Leben zu machen“ gelesen haben (als Leihgabe seitens einer befreundeten Person, die sich das Buch im Rahmen einer Lesung hat signieren lassen).

Wer solche Dokumente kennt, kann als Demokrat unmöglich der Ansicht sein, dass ein Verbotsverfahren gegen die AfD nicht das Gebot der Stunde ist. Alle, die das anders sehen, haben verschiedene, mindestens im Sinne des Schutzes der FDGO irrelevante, nicht selten sogar dunkle Gründe dafür, die AfD unbedingt am Leben halten zu wollen. Eine Frage haben wir in eine Recherche gefasst:

Hart Margot Friedländer sich zur AfD und zu einem möglichen AfD-Verbotsverfahren geäußert?

Margot Friedländer, die bekannte Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin, hat sich mehrfach kritisch zum Erfolg der AfD und zum gesellschaftlichen Rechtsruck in Deutschland geäußert. Im März 2024 sagte sie im SPIEGEL-Talk, sie sehe Parallelen zwischen der aktuellen gesellschaftlichen Stimmung und der Zeit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten: „So hat es damals auch angefangen.“ Der Hass sei wieder laut geworden, und sie betonte, dass die Richtung, die rechte Parteien wie die AfD einschlagen, „nicht menschlich“ sei. Auf die Frage, ob ihr der Erfolg der AfD Sorge bereite, antwortete sie: „Selbstverständlich.“ Sie würde die Partei „auf keinen Fall“ wählen4.

Auch im Kontext der aktuellen Diskussionen um ein mögliches AfD-Verbotsverfahren äußerte Friedländer ihre große Besorgnis über den wachsenden Antisemitismus und Rechtsextremismus in Deutschland. Ende 2023 sagte sie: „Es ist immer sehr leicht, nach rechts zu gehen. […] Es ist ein Skandal, dass da wieder so eine Partei aufgeblüht ist.“ Sie warnte eindringlich davor, dass sich Geschichte wiederholen könnte, und appellierte an die Gesellschaft, wachsam zu bleiben: „Es darf nur nie wieder geschehen. Es ist in eurer Hand, dass ihr vorsichtig seid.“6

Zu einem konkreten AfD-Verbotsverfahren hat sich Margot Friedländer nach den verfügbaren Quellen nicht explizit im Detail geäußert. Ihre Aussagen machen jedoch deutlich, dass sie die Entwicklung der AfD und rechtsextremer Tendenzen mit großer Sorge betrachtet und entschieden vor einem Wiedererstarken solcher Ideologien warnt46.

Eine weitere Recherche haben wir in dieser Form durchgeführt: Gibt es etwas wie eine informelle oder gar formelle Gruppe von Jüd:innen in der AfD?

Es gibt tatsächlich eine formelle Gruppe von Jüd:innen in der AfD: Die Vereinigung „Juden in der AfD“ (JAfD) wurde am 7. Oktober 2018 von jüdischen Mitgliedern der Partei gegründet. Sie versteht sich als parteinahe politische Vereinigung, ist aber offiziell kein Teil der AfD-Struktur152. Die Mitgliederzahl dieser Gruppe ist sehr gering: Laut aktuellen Angaben des Vorsitzenden Artur Abramovych hat die JAfD derzeit 22 Vollmitglieder, und insgesamt gibt es nach seinen Schätzungen maximal 40 bis 44 jüdische Mitglieder in der AfD, also deutlich weniger als von AfD-Vertretern gelegentlich behauptet67.

Die Gründung der JAfD wurde von nahezu allen jüdischen Organisationen in Deutschland scharf kritisiert, darunter der Zentralrat der Juden, der die AfD als rassistisch und antisemitisch einstuft und ausdrücklich vor einer Wahl dieser Partei warnt51011. Die JAfD wird von vielen Beobachtern als sehr kleine und gesellschaftlich isolierte Gruppe innerhalb der jüdischen Community gesehen76.

Selbstverständlich gibt es auch Jüd:innen mit rechtsextremen Einstellungen, in Israel fällt dies lediglich mehr ins Auge als in Deutschland, weil es sich dort leider in konkreter Politik ausdrückt.

Die Wahrheit über die AfD hingegen dürfte sein, dass im Moment deren fundamentaler Anti-Islamismus im Vordergrund steht. Es ist zwar auf den ersten Blick verführerisch für jüdische Menschen, zu sagen, damit können wir besser umgehen, aber aus der Geschichte zu lernen, heißt, sich für die Universalität der Menschenrechte einzusetzen. So, wie Margot Friedländer es getan hat, integriert in ihren wichtigen Kampf gegen den Antisemitismus. Es wäre  zu einfach gewesen, wenn wir uns direkt auf sie hätten berufen können, ein AfD-Verbotsverfahren betreffend. Wir, die Nachgeborenen, müssen unsere  Demokratie-Hausaufgaben selbst machen, ohne dass man uns bis ins Detail vorgibt, wie wir sie machen sollen. Der Leitfaden dafür ergibt sich jedoch aus der Geschichte, die Margot Friedländer mit großer Eindringlichkeit und Kraft für uns lebendig gehalten hat. Mit ihrem Appell an die Wachsamkeit von uns allen jedoch schließt sich der Kreis zum Titel des aktuellen Verfassungsblog-Editorials.

TH

Quellen zu „Jüd:innen in der AfD“

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Juden_in_der_AfD
  2. https://www.faz.net/aktuell/politik/thema/juden-in-der-afd
  3. https://www.mmz-potsdam.de/forschung/emil-julius-gumbel-forschungsstelle/mitteilungen/die-juden-in-der-afd-und-der-antisemitismus
  4. https://www.br.de/nachrichten/bayern/juden-in-der-afd-provokation-als-politisches-kalkuel,Tb2ZVPO
  5. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-10/juden-afd-jafd-vera-kosova
  6. https://www.juedische-allgemeine.de/politik/weidel-patzer-sind-wirklich-fast-1000-juden-teil-der-afd/
  7. https://www.cicero.de/innenpolitik/afd-juden-antisemitismus-zentralrat-abramovych-jafd
  8. https://www.dw.com/de/j%C3%BCdische-organisationen-warnen-vor-wahl-der-afd/a-59136687
  9. https://www.dw.com/de/viel-wirbel-um-die-juden-in-der-afd/a-45630563
  10. https://www.zentralratderjuden.de/wp-content/uploads/2025/03/Gemeinsame_Erklaerung_gegen_die_AfD.pdf
  11. https://www.zentralratderjuden.de/presse/juden-gegen-die-afd/ 

 Quellen zu Margot Friedländer und die AfD

  1. https://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2025/pm-250509-margot-friedlaender-1065050
  2. https://www.instagram.com/zdfheute/reel/DJcPa_PINzZ/
  3. https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/05/analyse-afd-brandenburg-verfassungsschutz-einstufung-streit.html
  4. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/margot-friedlaender-holocaust-ueberlebende-besorgt-ueber-erfolg-der-afd-a-05037997-4a3e-4dce-b628-e76234baa6c1
  5. https://muenstertube.wordpress.com/2025/02/09/munsteraner-erklarung-gegen-rechtsextremismus-zum-wahljahr-2025/
  6. https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/NS-Zeitzeugen-mahnen-Es-ist-immer-leicht-nach-rechts-zu-gehen,gegenrechtsextremismus100.html
  7. https://www.youtube.com/watch?v=jHpbg_Imy0U
  8. https://www.focus.de/politik/politik-experte-kritisiert-esken-und-merz-staatsversagen-bei-solingen-tat-koennte-afd-in-glaubwuerdigere-position-bringen_id_260256998.html
  9. https://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/2025/05/09 


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