Briefing Gesellschaft, Frauen, Männer, Tradwife-Ideologie, Gleichheit, Unvereinbarkeit von Familie und Beruf,
Als wir Ende Oktober einen Artikel zum Phänomen der „Tradwifes“ veröffentlicht haben, waren wir in Deutschland damit ziemlich weit vorne, zumindest auf journalistischer Ebene. Jetzt kommen die Diskussionen größere Medien nach. Eine davon fanden wir sehr interessant und haben das Transkript von einer KI zusammenfassen lassen – mit der ausdrücklichen Aufforderung, eine ausgewogene Darstellung erstellen. Unsere eigene Meinung ist nämlich nicht ganz neutral in dieser Sache.
Einen Aspekt hatten wir zwar erwähnt, nämlich, dass die Tradwife-Bewegung in den USA, wo sie herstammt, religiös-rechts-fundamentalistisch konnotiert ist, aber nicht den Sprung gemacht, das auf migrantische Milieus in Deutschland zu übertragen, die ebenfalls überwiegend oder mehr als die den Autochthonen religiös-konservativ-patriarchalisch orientiert sind. Allerdings ist dies wiederum ein städtischer Vergleich (mit Berlin als Anschauungsgrundlage), auf dem Land sind auch ethnische Deutsche im Durchschnitt konservativer eingestellt.
Hier ist eine Zusammenfassung der konträren Positionen aus dem Streitgespräch des Tagesanbruchs (Episode 2397) über traditionelle, islamisch geprägte Rollenbilder und die Rolle feministischer Politik:
Das Streitgespräch im Tagesanbruch dreht sich um die Frage, wie mit traditionellen Rollenbildern umzugehen ist, speziell dort, wo sie in migrantisch-islamisch geprägten Milieus gelebt werden – und welche Rolle dabei politische Emanzipationsbewegungen wie die Grünen spielen sollten. Ausgangspunkt ist ein Internetphänomen (sogenannte „Tradwives“ – Frauen, die traditionelle Rollen bewusst leben und in sozialen Medien zeigen), gekoppelt mit einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung über traditionelle Rollenbilder unter jungen Frauen in Deutschland. (Tagesanbruch von t-online)
1. Grundsätzliches Verständnis der Debatte
Der Moderator eröffnet die Diskussion mit dem Hinweis auf die frühe Kontroverse: Uwe Vorkötter hatte geschrieben, dass grüne Politikerinnen patriarchale Muster in migrantischen Communities zu selten klar benennen, während Franziska Brandner (Bundesvorsitzende der Grünen) dies in einem Gastbeitrag bei t-online bestritten hat. (Tagesanbruch von t-online)
Damit stehen zwei zentrale Fragen zur Debatte:
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Wie problematisch sind traditionelle Rollenbilder in migrantisch geprägten Milieus?
-
Wie sollte eine emanzipatorische Politik darauf reagieren – durch klare öffentliche Kritik oder durch differenzierte Unterstützung vor Ort?
2. Position von Uwe Vorkötter
Vorkötter beginnt mit dem Hinweis auf das Trend- und Studienphänomen: Er hält das Tradwives-Narrativ nicht für harmlos, sondern als ein politisch relevantes Zeichen dafür, dass traditionelle Geschlechterrollen wieder verstärkt sichtbar werden und politisch aufgeladen sein könnten. (Tagesanbruch von t-online)
Kernpunkte seiner Argumentation:
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Kritik an mangelnder Debatte: Vorkötter wirft den Grünen vor, patriarchale Muster in migrantisch-islamischen Milieus nicht offensiv genug zu benennen. Er empfindet einen Widerspruch: In anderen Bereichen würden die Grünen sehr wohl klare Kritik an patriarchalen Strukturen üben, aber hier herrsche Schweigen. (Tagesanbruch von t-online)
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Religiöse Prägung als Erklärung: Er verweist darauf, dass in der Studie vor allem junge Frauen mit muslimischer Prägung traditionelle Rollen bevorzugen, nicht aber – so seine Interpretation – katholisch oder protestantisch sozialisierte Frauen. Damit möchte er einen Zusammenhang zwischen religiöser Sozialisation und patriarchalen Normen sichtbar machen. (Tagesanbruch von t-online)
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Forderung nach klarer Auseinandersetzung: Für ihn reicht es nicht, das Thema allein auf die individuelle Entscheidung der Frauen zu reduzieren. Vielmehr müsse die politische Linke hier offener und klarer patriarchale Muster innerhalb bestimmter kultureller Kreise ansprechen, statt aus Angst vor Vorwürfen wie „antimuslimisch“ zu schweigen. (Tagesanbruch von t-online)
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Politische Tradition der Linken: Vorkötter argumentiert, dass Emanzipationsbewegungen historisch patriarchale Strukturen öffentlich angegriffen hätten. Indem heutige linke Debatten etwaigen kulturellen Besonderheiten ausweichen, würden sie diesem historischen Anspruch nicht gerecht. (Tagesanbruch von t-online)
3. Position von Franziska Brandner
Brandner stellt dem ein grundsätzlich anderes, differenziertes Verständnis von Freiheit und feministischer Politik entgegen.
Kernpunkte ihrer Argumentation:
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Fokus auf individuelle Freiheit: Brandner betont, es gehe um das Recht jeder einzelnen Frau, selbst über ihr Leben zu entscheiden – unabhängig davon, ob ihre Lebensweise als „traditionell“ gilt oder nicht. Sie lehnt es ab, traditionelle Rollen prinzipiell abzuwerten. (Tagesanbruch von t-online)
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Keine pauschale Stigmatisierung: Für Brandner ist es zentral, nicht ganze Gruppen oder Religionen pauschal abzuwerten, sondern patriarchale Muster überall dort anzugehen, wo sie individualisierte Freiheit einschränken. Sie sieht dies als übergreifendes Ziel, nicht als ausschließlich „westlich“ oder „modern“ definiertes Konzept. (Tagesanbruch von t-online)
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Differenzierung von Religion und Praxis: Sie weist darauf hin, dass es innerhalb des Islams – wie in allen Religionen – progressive wie konservative Strömungen gibt. Die Islamische Kultur oder Religion per se sei nicht das Problem, sondern patriarchale Strukturen überall, egal wo sie auftreten. (Tagesanbruch von t-online)
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Praktische politische Maßnahmen: Brandner unterstreicht die Bedeutung konkreter politischer Arbeit vor Ort – etwa Sprachkurse, Beratungsstellen, Bildungschancen – um Frauen wirkliche Optionen zu eröffnen. Öffentlichkeitswirksame Kritik allein reiche nicht aus, wenn strukturelle Barrieren bestehen. (Tagesanbruch von t-online)
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Gegen polarisierende Narrative: Sie warnt davor, die Debatte in polarisierende Kategorien wie „wir vs. die Anderen“ zu zwingen und verweist darauf, dass Unterstützungs- und Beratungsangebote in migrantischen Communities oft leise und wirkungsvoll arbeiten, aber politisch unterfinanziert seien. (Tagesanbruch von t-online)
4. Gemeinsame Schnittmengen und Differenzen
Trotz gegensätzlicher Töne gibt es Überlappungen in ihren Positionen, auf die beide im Verlauf des Gesprächs eingehen:
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Einig sind sie sich, dass patriarchale Strukturen existieren und dass Frauen in patriarchalen Kontexten eingeschränkte Wahlfreiheit erfahren können. (Tagesanbruch von t-online)
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Beide erkennen an, dass Freiheit und Selbstbestimmung zentral sind – lediglich die politische Konsequenz daraus ist umstritten. (Tagesanbruch von t-online)
Unterschiede im Fokus:
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Thema |
Vorkötter |
Brandner |
|---|---|---|
|
Ursache patriarchaler Muster |
stärker kulturell/religiös verankert |
überall möglich, nicht pauschal kulturell |
|
Politischer Umgang |
klare öffentliche Kritik |
differenzierte politische Maßnahmen |
|
Ziel |
Sichtbarmachung struktureller Probleme |
praktische Stärkung individueller Freiheit |
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Rolle der Grünen |
zu defensiv/zu leise |
zu differenziert/zu wenig zugespitzt |
5. Weiterer Verlauf der Debatte
Im späteren Verlauf des Transkripts vertiefen beide noch einige konkretere Aspekte:
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Vorkötter führt an, dass es nicht darum gehe, Frauen persönlich zu verurteilen, sondern um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die patriarchale Normen reproduzieren. (Tagesanbruch von t-online)
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Brandner weist darauf hin, dass viele Frauen gerade aus solchen patriarchalen Kontexten nach Deutschland kommen, weil sie Freiheit und Selbstbestimmung suchen; deshalb dürfe man nicht in stereotype Verallgemeinerungen verfallen, die diesen Frauen ihre Autonomie absprechen. (Tagesanbruch von t-online)
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Sie betont wiederholt, dass klare öffentliche Kritik ohne konkrete Unterstützung vor Ort nicht ausreicht, insbesondere wenn Beratungs- und Unterstützungsstrukturen aus Mittel- oder politischen Gründen reduziert werden. (Tagesanbruch von t-online)
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Vorkötter argumentiert, dass solche differenzierten Maßnahmen oft nicht ausreichen, um tief verwurzelte, normbasierte Rollenbilder zu transformieren, die in manchen Gemeinschaften weitergegeben werden. (Tagesanbruch von t-online)
6. Schlussbetrachtung der Diskussion
Am Ende des Gesprächs wird deutlich, dass sich zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze gegenüberstehen:
1. Der analytisch-kritische Ansatz (Vorkötter):
Patriarchale Strukturen müssen benannt und offen thematisiert werden, auch wenn das in kulturell sensiblen Kontexten kontrovers ist. Eine feministische Politik darf sich nicht hinter Differenzierung verstecken, sondern muss Klarheit und Kritik auch dort zeigen, wo sie schwieriger auszusprechen ist. (Tagesanbruch von t-online)
2. Der politische-praktische Ansatz (Brandner):
Feministische Politik sollte sich auf die konkreten Lebenssituationen von Frauen konzentrieren, sie stärken und ihnen mehr Handlungsspielraum eröffnen. Kritik allein reicht nicht, wenn nicht zugleich Strukturen verändert und Ressourcen bereitgestellt werden. (Tagesanbruch von t-online)
Beide Seiten betonen die Bedeutung von Freiheit, Gleichberechtigung und die Notwendigkeit, patriarchale Muster zu überwinden – doch sie unterscheiden sich stark darin, wie dies am wirksamsten geschehen kann: öffentliche Auseinandersetzung vs. praktische Unterstützung und Differenzierung. (Tagesanbruch von t-online)
Kommentar
„Um ehrlich zu sein. So als alter, weißer Mann musste ich beim Argument der Grünen-Vorsitzenden mehr als nur schmunzeln. Individualität wird immer dort in den Vordergrund gestellt, wo es um das Verschweigen von strukturellen Problemen geht – Gruppen werden dort gebasht, wo es gefahrlos möglich ist. Wie eben bei den alten weißen Männern.“ Zitat des Autors als Herausgeber des Wahlberliners.
Wir haben uns schon lange, bevor es den Begriff „Tradwifes“ gab, gewundert, wie die Grünen mit der offensichtlichen Rückwärtsrolle umgehen, die in der Gesellschaft durch die patriarchalischen, sehr konservativen Teile migrantischer Milieus stattfindet und sich in dieser Hinsicht auch gut mit AfD-Positionen vereinbaren lässt. Kein Feminismus, wohin man blickte. Keine starken Ansagen, die die Gesellschaft nach vorne bringen sollen, was die Grünen doch angeblich so gut können. Das Thema besetzen, den Diskurs mit extemer Meinungsstärke anführen, bis sich tatsächlich etwas im politischen und in der Folge im normativen Raum tut. Das hat bei manchen Anliegen geklappt, auch bei der formalen Gleichstellung von Frauen, natürlich auch bei der Entwicklung der Queers-Rechte.
Aber nicht bei Menschen, deren Wertvorstellungen vor allem eines sind: verfassungsfeindlich. Und da die Demokratie und die Verfassung, auf der sie beruht, der Anker unserer politischen Artikel ist, da wir an der Verwirklung der Demokratie und der Grundrechte alle politische Tätigkeit messen, teilen wir grundsätzlich die Kritik von Herrn Vorkötter – ob sie „echt“ ist oder um die Ecke eine Stigmatisierung beinhaltet, betrachten wir dabei nicht. Denn Frauen werden nach den Maßstäben des Grundgesetzes in vielen Milieus tendenziell stigmatisiert, darauf möchten wir vor allem hinweisen.
Uns ist im Grunde egal, ob das Rechte und Autochthone sind oder migrantisch geprägte Communities, ob fundamentalistische Christen oder sehr orthodoxe Juden: In den deutschen Städten gibt es vor allem in muslimisch geprägten migrantischen Milieus viele traditionelle Familien, in denen die Frauen eben keine echte Wahlfreiheit haben. Die Beispiele von Frauen, die ausbrechen wollten aus dem engen Korsett und dafür mit dem Leben bezahlt haben, sind bekannt. Auch Menschen, die sich mit dem Thema Femizid befassen, sollten das wissen. Im Prinzip ist es auch das Gleiche wie mit Statistiken: Wenn irgendwo Auffälligkeiten und Häufungen auftreten: Soll man sie benennen oder verschweigen? Bringt es etwas, sie zu benennen, aber keine Möglichkeit des Entgegenwirkens zu haben? Weil zu wenig Personal dafür da ist, die Mittel zu knapp sind? Was ja angesichts der aktuellen Politik ein immer größeres Thema wird. Einer Politik, der es gar nicht so unrecht ist, nach unserer Einschätzung, dass Ungleichheiten nicht nur im ökonomischen Bereich, sondern auch im Bereich der gleichen Rechte für alle wieder zunehmen und auf diese Weise die verfassungsmäßige Demokratie vom bereits erreichten Stand aus abgebaut wird.
Es ist selbstvrständlich die Aufgabe progressiver politischer Kräfte, die individuelle Hilfe für diskriminierte Menschen, in diesem Fall für unterdrückte Frauen, zu stärken. Aber der der blinde Fleck bei der Benennung struktureller Probleme ist offensichtlich.
In manchen Gemeinschaften ist die Verfassung des Landes überwiegend oder häufiger als in anderen nicht sehr tief in den Herzen der Menschen verankert, und es ist auch und gerade die Schuld der Grünen, dass das so ist, weil man Toleranz mit alles einfach laufen lassen, egal wie viele Menschen hier leben, die im Grunde außerhalb der verfassten Demokratie verortet sind, gleichgesetzt hat. Verfassungsfeindliche Meinungen sind eben nicht nur Meinungen, und wenn daraus Taten und Gesellschaftsstrukturen werden, dann geht das uns alle etwas an, weil sich das Land in die Richtung von Weltbildern verschiebt, die wir für überwunden hielten und die, wenn wir schon nicht für andere, sondern nur an uns selbst denken, dazu führen können, dass auch unsere Rechte eines Tages nicht mehr die sein werden, die wir kennen. Man darf nie vergessen, die Rechten, die solche Strömungen sehen, analysieren sie und machen sie sich zunutze. Gerade diejenigen, die immer so viel Wert auf Diskurshoheit legen, wie zum Beispiel die Grünen, geben hier weite Teile des gesellschaftlichen Diskurses den Rechten preis.
In diesem Kontext: Man kann nicht das Verbot der AfD fordern (wir wir es ebenfalls tun), aber sich so verhalten, als sei bloß hier und da ein individuelles Frauenrecht verletzt, wenn es um ethnische oder religiöse Gemeinschaften geht, die nach verfassungsfeindlichen Grundsätzen leben (was wir anders sehen). Damit spielt man allen Rechten in die Hände.
Das Argument, was jemand privat macht, ist seine Sache, ist das erste, das wohl jedem als Kontra einfällt. Es ist ja ein Ausdruck der individuellen Freiheit. Wir sagen: Wir hätten nicht so viele moderne und Schwächere schützende Regeln, wenn das in der FDGO als der alleinige Maßstab für das gelten würde, was unseren Alltag und unsere Rollenverhältnisse ausmacht.
Wo die Grenzen unserer Betrachtungsweise angesiedelt sind, ist auch klar: Wir können, wenn zum Beispiel muslimische Frauen sagen „ich will da so!“ nicht individuell darüber spekulieren, wie ihre Meinungsprägung verlaufen ist, wenn wir sie nicht persönlich sehr gut kennen. Wir kennen muslimische Frauen, die sehr überzeugt wirken von ihrer konservativen Lebensgestaltung, ohne dass wir genau analysieren könnten, ob dabei „echte Wahlfreiheit“ vorliegt. Das müssen wir akzeptieren – aber strukturell geht es darum, die politische Bildung mehr fördern, denn wenn Überzeugungen daraus resultieren, dass jemand nicht weiß, welche Möglichkeiten und Rechte er wirklich hat, ist nach unserer Ansicht keine freie Meinungsbildung zustande gekommen.
Wenn eine solche vorliegt, ist es eben, wie wir es uns selbst zurechnen: Wir haben Prägungen, die unsere Meinung beeinflussen, und eine unserer zentralen Prägungen waren die Diskussionen mit einem progressiv orientierten Familienmitglied, die wir von Jugend an geführt haben. Daraus haben wir aber durch politische Bildung viele Ansichten entwickelt, die über die damaligen Diskussionen hinausgingen, in denen noch nicht so sehr mit dem Grundgesetz argumentiert wurde, sondern mehr mit Prinzipien, die nicht normativ unterlegt wurden. Die Ergebnisse aus diesen Diskussionen lassen sich aber gut in eine an der FDGO orientierten Haltung integrieren, es gibt, bis auf ein paar Überbleibsel aus alten Zeiten, die wir hinter uns gelassen haben, keine großen Differenzen / Diskrepanzen.
Die Grünen sind hingegen oft recht geschmäcklerisch. Ihre Ideologie wirkt manchmal, als sei sie eher zufällig verfassungsorientiert ist, aber nicht bewusst am GG ausgerichtet, es kann also auch mal anders sein. Was dazu führen kann, dass man sich im Fall der Lebenswelten in Gemeinschaften, die nicht sehr am Grundgesetz ausgerichtet sind, auffällig bedeckt hält. Schon lange, wie oben erwähnt. Auch, bevor wir mit den alten weißen Männern selbst einen Trigger gesetzt bekamen, denn auch diesen Begriff gibt es ja erst seit etwa zehn Jahren. Wir haben früher selbst die Grünen gewählt, wir kennen viele Grünwählende, wir sind also dem Gepräge der Politik und der Milieus nicht ganz fern. Aber irgendwann wurde uns deren Ideologie zu selektiv und zu wenig progressiv in ökonomischer Hinsicht. Wir geben aber gerne zu, dass unsere Abkehr vor allem sozialpolitische Gründe hatte, keine gesellschaftspolitischen. Da wurde das Gap aufgrund unserer Berliner Erfahrungen mit ziemlich hoher Geschwindigkeit größer, das war vor etwa zehn Jahren. Eine Koinzidenz, der „alte weiße Mann“ war nicht der Auslöser unseres neu Nachdenkens über die für uns richtige Parteipräferenz. Eher, dass wir uns generell wiede rmehr mit Politik befasst haben und 2011 den ersten Wahlberliner starteten (der nicht so stark politisch akzentuiert war wie die aktuelle, zweite Ausgabe).
Wir sind grundsätzlich nicht dafür, Probleme zuzukleistern, nur, um niemandem auf die Füße zu treten. Wie stellen sich denn die Grünen in Sachen ultrakonservative, klar verfassungsfeindliche Grundsätze und Weltbilder predigende muslimische Religionslehrer? Es gibt ein paar Ansätze, hier genauer hinzuschauen, die kommen aber nicht in erster Linie von feministischen Grünen. Das ist kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles. Es wird dann zu einem individuellen Problem, wenn Menschen dadurch in ihrer Lebensführung extrem eingeschränkt werden. Dann ist die religiöse Indoktrinierung, die dazu führt, aber schon abgeschlossen.
Unter dem Dach des Grundgesetzes ist vieles möglich, aber eine wehrhafte Demokratie, und das ist unser Zentralthema, braucht demokratisch gebildete Menschen, und wir können es uns nicht leisten, immer größere Teile der Gesellschaft in dieser Hinsicht zu verlieren, weil Probleme nicht in struktureller Hinsicht betrachtet und mit strukturell wirksamen Gegenmaßnahmen angegangen werden dürfen, weil die Grünen gleich alles als rassistisch markieren, was auf solche struktruellen Probleme hinweist.
Dieses Kleinreden auf die Ebene der Einzelperson nichts mit Antirassismus zu tun, sondern signalisiert im Grunde, dass jeder für sich allein und ohne Schutz steht, wenn das Netz für individuellen Schutz nicht hinreichend dicht gespannt werden kann. Und das kann nach unserer Ansicht gar nicht der Fall sein, weil festgefahrene – sic! – Strukturen sich nicht so kleinteilig verändern lassen. Der individuelle Schutz ist ein Not-Reparaturbetrieb für bereits begangene Fehler bei der Beobachtung und Bewältigung struktureller Probleme in der Gesellschaft. Noch einmal betont: struktureller Probleme, die zu demokratiefernen Weltbildern führen.
Unterhalb dieser Schwelle und natürlich jenseits gesetzwidriger Verhaltensweisen ist das Leben des Einzelnen seine Privatsache. Aber Politik in einer Demokratie ist auch Gestaltungspolitik nicht nur auf normativer Ebene, sondern auch bei der täglichen Einübung dieser Normen, und zwar als permanenter Prozess und als Arbeit an Verständnis und Akzeptanz der Demokratie. Weil eben nicht, wie in einer Diktatur, ruckartig von oben in die Gesellschaft so hart und schnell eingegriffen werden, dass drakonische Strafen bei kleinsten Abweichungen drohen. Gerade das wollen wir ja nicht. Also müssen wir uns die Mühe machen, uns auseinanderzusetzen. Vor allem mit Menschen, die alle möglichen Rechtsnormen verinnerlicht haben, aber nicht das oberste Recht, nach dem dieses Land funktionieren soll.
Wir schreiben relativ selten zu gerade diesem Aspekt, weil auch wir nicht in den Verdacht kommen wollen, ein Steckenpferd aus einem Thema zu machen, mit dem man markiert werden kann – uns reicht es, wenn unsere linke öko- und sozialpolitische Haltung über den Mainstream hinausgeht. Damit befasst sich der Großteil unserer politisch-wirtschaftlichen Beiträge. Doch letztlich gehört das alles zusammen. Denn nicht nur das Grundgesetz, sondern auch eine über Ethnien und religiöse Verortungen und damit verbundene Abgrenzungen hinausgehende Solidarität ist nur möglich, wenn über diese Abgrenzungen hinaus gedacht, vor allem aber aktiv an einer modernen, solidarischen Gesellschaft mitgewirkt werden kann. Natürlich ist es uns aus diesem Grund wichtig, dass nicht in patriarchalischen, oft religiös geprägten Gemeinschaften eine dergestaltePartizipation unterdrückt oder durch mangelnde Bildungsmöglichkeiten außerhalb der Reichweite von Frauen gesetzt wird – gerade die Mitwirkung von Frauen, insbesondere von jungen Frauen ist wichtig, die in dieser Hinsicht viele tatsächlich bessere Fähigkeiten und mehr Power haben – zum Beispiel gegenüber alten weißen Männern, die es mittlerweile im Wesentlichen beim Schreiben über bewenden lassen.
TH
30.10.2025
In den nächsten Tagen möchten wir mit Ihnen ein wenig Gesellschaftskunde betreiben und fangen sozusagen von hinten an, bei der Ideologie. Wissen Sie, was eine „Tradwife“ ist? Natürlich kommt er wieder einmal aus den USA und natürlich dürfte er etwas mit der MAGA-Bewegung zu tun haben. Zunächst aber hat Statistik eine Befragung daraus gemacht, die sich auf Deutschland bezieht, wobei wir nicht wissen, ob der Begriff „Tradwife“ auch exakt die ideologische Position umfasst, die in den USA dahintersteht, oder ob es einfach nur um etwas geht, was wir – wie immer informativ erweiternd – im Anschluss beschreiben werden.
Infografik: Wie verbreitet sind Tradwife-Überzeugungen bei Frauen in Deutschland? | Statista
Begleittext von Statista
In sozialen Netzwerken zeigen sogenannte „Tradwives“ (=traditional wives) ihren Alltag. Der Begriff bezeichnet Frauen, die traditionelle Geschlechterrollen bewusst annehmen und als Ideal darstellen. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat untersucht, wie verbreitet dieses Rollenbild bei Frauen in Deutschland ist. Von den untersuchten 20- bis 30-jährigen Frauen vertreten rund 19 Prozent Einstellungen, die jenen der „Tradwives“ ähneln, da sie unter anderem die Mutterschaft als zentrale Lebensaufgabe einer Frau ansehen und eine traditionelle Arbeitsteilung in der Partnerschaft unterstützen.
In etwa gleich verbreitet ist das vereinbarkeitsorientierte Rollenbild, wie die Statista-Infografik weiter zeigt. Hier sehen Frauen ein Vereinbarkeitsproblem zwischen der Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern beziehungsweise Eltern insgesamt und den Bedürfnissen ihrer Kinder. Am weitesten verbreitet ist mit rund 61 Prozent dagegen das egalitäre Rollenbild. Sie stehen für eine partnerschaftliche Arbeitsteilung bei Familie und Beruf und befürworten gleichstellungsbezogene Grundsätze.
Die Erwerbstätigenquote in Deutschland zeigt, dass Männer mit einer Erwerbstätigenquote von 84,9 Prozent häufiger berufstätig sind als Frauen mit einer Quote von 77,6 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der Frauen, welche in Teilzeit arbeiten, deutlich höher als bei Männern: Rund die Hälfte aller Frauen geht einer Teilzeitbeschäftigung nach, bei den Männern sind es nur knapp zwölf Prozent. In rund ein Drittel aller Familien in Deutschland ist der Mann allein verdienend und für die Versorgung der Familie verantwortlich.
Kurzer Einleitungskommentar
Natürlich, man muss allem einen Spin geben, auch Statista erliegt hin und wieder solchen Anwandlungen, aber wir werden im Nachfolgenden klarstellen, dass „Tradwife“ nach amerikanischem Muster und das, was in Deutschland gemäß obenstehender Grafik einer Tradwife-Einstellung entsprechen soll, bei Weitem nicht das Gleiche sind. „Tradwife“ ist eine rechte ideologische Bewegung, die wiederum stark in der MAGA-Bewegung verwurzelt sein dürfte. Nicht einmal AfD-Anhänger:innen sind in der Hinsicht so ideologisch aufgeladen. Der Grund dürfte vor allem sein, a.) dass deren Sozialprofil nicht passt und b.) dass es in Deutschland keinen weitverbreiteten religiösen Fundamentalismus gibt, der mit der Tradwife-Bewegung in den USA eng verbunden ist. Auch bei uns gibt es zunehmend „chirstliche“ Radikale, aber eine Breitenströmung ist das aufgrund der hohen Anzahl von Menschen, die gar nicht religiös sind, noch nicht. Wir würden es auch für fatal halten, wenn eine Re-Christianisierung ausgerechnet auf diesem Weg stattfinden würde, weil wir die Einstellungen, die dahinterstehen, für mit vielen christlichen Prinzipien nicht vereinbar halten. Uns recht es schon, dass die aktuelle führende Regierungspartei immer noch das „C“ im Namen hat und damit Etikettenschwindel betreibt, und auch die „Tradwife“-Bewegung hat etwas Heucherlisches, weil sie auf ökonomischen Voraussetzungen fußt, die in den meisten Familien und Partnerschaften nicht existieren. Und damit zur Analyse.
Zusatzinformationen und Analyse
Die Statista-Grafik nennt folgenden Befund:
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18,5 % der befragten Frauen sind formal „tradwife-orientiert“.
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19,3 % sagen, sie seien nicht egalitär eingestellt, weil sie Probleme bei der Vereinbarkeit von Mutterschaft, Haushalt und Beruf sehen — also eher eine pragmatische/strukturelle Begründung, nicht die Inszenierung eines Tradwife-Lifestyles.
Diese beiden Zahlen nehmen wir als als Ausgangspunkt für den Vergleich mit den USA.
Vergleichbare amerikanische Zahlen (quellenbasiert, unabhängig von ideologischer Aufladung)
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Anteil, der eine Rückkehr zu klassischen Rollen befürwortet / traditionelle Präferenzen
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Eine frühere Pew-Erhebung (oft zitiert) zeigte, dass eine Mehrheit der US-Öffentlichkeit nicht will, dass Frauen „zu traditionellen Rollen zurückkehren“ — in den Unterteilungen verbleibt aber immer eine nicht-geringe Minderheit, die das befürwortet (bei manchen Messungen ~20 %-Bereich). (Pew Research Center)
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Gallup (2019) fragte direkt: „Wenn Sie frei wählen könnten — würden Sie lieber arbeiten oder Hausfrau/Hausmann sein?“ Ergebnis: 56 % der Frauen bevorzugen zu arbeiten, 39 % bevorzugen die Rolle als Homemaker (bei Müttern mit kleinen Kindern liegen Präferenzen anders: dort ist die Präferenz zum zu Hause bleiben deutlich höher). Das heißt: eine merkliche Minderheit von Frauen zieht die häusliche Rolle vor — Zahlen in der ~30–50 %-Spanne, je nach Subgruppe. (Gallup.com)
Wie das zu den 18,5 % passt: Je nachdem, wie „tradwife-orientiert“ gemessen wird (stilisiert-ideologisch vs. Präferenz für häusliche Rolle), liegen US-Messungen bei konkreten Fragen über die Präferenz für Homemaker-Rollen oft im ähnlichen Bereich oder darüber — aber das hängt stark von Fragestellung und Untergruppe (Elternstatus, Bildung, Parteizugehörigkeit) ab. (Gallup.com)
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Probleme bei Vereinbarkeit / Work-Family-Konflikt
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US-Studien und Umfragen zeigen beständig, dass Frauen häufiger von Work-Family-Konflikten berichten und mehr Haushalts-/Pflegearbeit übernehmen als Männer; z. B. zeigt Gallup, dass Frauen deutlich häufiger die Hauptverantwortung für Wäsche, Putzen und Kochen tragen. Das bedeutet: viele Frauen nennen praktische Vereinbarkeitsprobleme als Grund, warum Gleichverteilung nicht klappt. (Gallup.com)
Wie das zu den 19,3 % passt: In den USA gibt es eine breite Basis von Frauen, die nicht aus ideologischer Überzeugung traditionelle Aufgaben bevorzugen, sondern weil strukturelle Bedingungen (Arbeitszeit, Kinderbetreuung, Lohnunterschiede) die egalitäre Verteilung erschweren — das ist direkt vergleichbar mit der beschriebenen deutschen Situation. (Gallup.com)
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Parteipolitische / demographische Differenzierung
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Neuere Erhebungen und Analysen zeigen klare Parteigrenzen: konservative / republikanische Wählerinnen und -wähler sind deutlich öfter für stärker traditionelle Geschlechterrollen als liberale/Demokrat*innen; Studien berichten von Zunahmen konservativer Präferenzen in bestimmten Teilgruppen in den letzten Jahren. Diese Polarisierung verstärkt, dass Zustimmung zu traditionellen Rollen in den USA stärker mit politischer Identität verknüpft ist als in vielen europäischen Kontexten. (Institute for Family Studies)
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Das „Tradwife“-Phänomen in den USA (Medien / Social Media / Ideologie)
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Der Begriff „Tradwife“ taucht in US-Medienberichten und Untersuchungen als sozial-medialer Trend auf — eine ästhetisierte, oft politisch konservativ geprägte Bewegung auf Instagram/YouTube, die traditionelle Geschlechterrollen romantisiert. Journalistische Artikel heben hervor, dass viele sichtbare „Tradwife“-Profile mit relativer ökonomischer Sicherheit (Partner, der genug verdient) verbunden sind — also eine klassistische Komponente. (ABC News)
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Kurze Bewertung / Schlussfolgerung (integriert in den von dir gewünschten Ton)
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Zahlenvergleich (rein quantitativ): Die 18,5 % (Deutschland: „tradwife-orientiert“) liegen im gleichen Größenordnungsbereich wie die Anteile in US-Umfragen, die zugunsten traditioneller Rollenvorstellungen bzw. eines bevorzugten Heim-/Familienlebens ausfallen — je nach Frageformulierung und Subgruppe. Konkrete US-Messungen (z. B. Gallup-Präferenzfrage) zeigen, dass eine nicht unerhebliche Minderheit von Frauen (je nach Gruppe 30–50 % bei Müttern, ~39 % insgesamt in einer Messung) häusliche Rollen bevorzugt; andere Umfragen (Pew) zeigen etwa ~20 %-Bereiche für Zustimmung zu expliziten „Rollen-Retrospekten“. (Gallup.com)
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Kontext & Interpretation: Trotzdem dürfen wir die Zahlen nicht einfach 1:1 gleichsetzen.
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In Deutschland sind viele Frauen, die traditionelle Rollenverteilungen befürchten oder leben, oft von strukturellen Hindernissen bzw. ökonomischen Rahmenbedingungen betroffen (Teilzeit, mangelnde Betreuungsinfrastruktur, Lohnungleichheit). Das ist pragmatisch-strukturell.
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In den USA existiert zusätzlich die gut sichtbare Tradwife-Ästhetik/Ideologie: eine Social-Media- und Politik-nah verankerte Inszenierung eines Lebensstils, die häufig mit konservativer Politik (MAGA/Republican-Spektrum) und mit wirtschaftlichem Privileg verbunden ist. Deshalb hat der Begriff dort oft eine stärkere ideologische Aufladung — er steht nicht nur für persönliche Präferenz, sondern für eine kulturelle Bewegung und politisches Statement. (ABC News)
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Kurz gesagt: Quantitativ sind die deutschen Zahlen (18,5 % / 19,3 %) nicht überraschend klein im Vergleich zu US-Befunden — aber die Bedeutung der gleichen Zahlen unterscheidet sich: in Deutschland häufiger Ausdruck struktureller Realitäten; in den USA häufiger auch Ausdruck einer inszenierten, ideologisch gefärbten Bewegung (bei der sichtbare „Tradwives“ oft privilegiert sind).
Wir haben im Folgenden versucht, eine übersichtliche Form für die obigen Beschreibungen und Werte zu finden
Hier ist eine tabellarische Übersicht mit vergleichbaren Daten für die USA (so weit verfügbar) gegenüber den von Dir genannten deutschen Zahlen – mit Hinweis auf Fragestellungen und Quellen.
Hinweis: Die deutsche Seite („18,5 %“ und „19,3 %“) stammt aus Deiner Angabe; für die USA lassen sich keine exakt identischen Fragen mit denselben Formulierungen finden, daher sind die Vergleiche nur annähernd.
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Land |
Frage / Thema |
Prozentzahl |
Quelle & Anmerkung |
|---|---|---|---|
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Deutschland |
Anteil Frauen, die formal „tradwife-orientiert“ sind |
18,5 % |
Statista-Grafik |
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Deutschland |
Anteil Frauen, die nicht egalitär eingestellt sind wegen Vereinbarkeit Haushalt/Beruf |
19,3 % |
Statista-Grafik |
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USA |
Anteil Frauen, die lieber arbeiten außerhalb des Hauses als Hausfrau sein würden |
56 % (Frauen insgesamt) / 39 % (Frauen, die lieber Hausfrau wären) |
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USA |
Anteil verheirateter/lebender Paare, in denen Frauen primär Haushalts-/Sorgearbeit übernehmen |
z. B. 58 % Wäsche, 51 % Putzen / Kochen |
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USA |
Anteil der Erwachsenen, die sagen: steigende Erwerbstätigkeit von Frauen hat es Familien leichter gemacht, genug zu verdienen |
~67 % |
Einige Erläuterungen
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Die 56 % und 39 % aus der USA-Umfrage (Gallup, 2019) zeigen, dass Mehrheit der Frauen lieber arbeiten will, aber 39 % würden lieber die Hausfraurolle übernehmen, wenn die Wahl frei wäre. (Gallup.com)
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Der Anteil von ca. 58 % bzw. 51 % bei bestimmten Haushaltstätigkeiten zeigt die Realität der Aufgabenteilung in US-Haushalten. (Gallup.com)
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Die US-Zahl (~67 %) zeigt eine positive Bewertung der erhöhten Frauenerwerbstätigkeit hinsichtlich Familienfinanzen. (pewresearch.org)
Bewertung im Hinblick auf die deutschen Zahlen
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Deine deutschen Zahlen (18,5 % / 19,3 %) liegen unter derjenigen Gruppe in den USA, die klar angeben, lieber Hausfrau sein zu wollen (~39 %) oder deren Haushaltsteilung sehr traditionell ist.
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Gleichzeitig zeigen die USA-Daten aber auch: Viele Frauen bevorzugen nicht ausschließlich die Haushaltsrolle – die Mehrheit will arbeiten (56 %).
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Das heißt: Die deutschen Zahlen deuten darauf hin, dass ungefähr eine von fünf Frauen sich formal/traditionell orientiert bzw. durch Vereinbarkeitsprobleme nicht egalitär eingestellt ist – in den USA ist der Anteil derjenigen, die wirklich aktiv Hausfrau werden wollen oder stark traditionalistisch eingestellt sind, zumindest bei bestimmten Befragungen größer.
Ob die traditionellen Einstellungen von Frauen bezüglich ihres Rollenbildes tatsächlich fundiert sind und sich in Erwerbsstatistiken spiegeln, war eine weitere Fragestellung, an der wir nicht vorbeigehen konnten, hier das Ergebnis:
Gerne — hier sind aktuelle Erwerbs- bzw. Arbeitsmarktteilnahmequoten für Männer und Frauen in Deutschland und den USA (so verfügbar), plus eine kurze Bewertung.
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Land |
Geschlecht |
Erwerbs- bzw. Arbeitsmarkt-teilnahme-quote* |
Quelle |
|---|---|---|---|
|
Deutschland |
Männer |
ca. 80,8 % (Alter 15-64) (Angaben aus dem Statista-Begleittext zur Grafik: 84 %) |
Daten-Mikrozensusergebnis: 15-64 Jahre: Männer 80,8 % in Erwerbstätigkeit. (Destatis) |
|
Deutschland |
Frauen |
ca. 74,1 % (Alter 15-64) (Angaben aus dem Statista-Begleittext: 77 %) |
Mikrozensusergebnis: 15-64 Jahre: Frauen 74,1 %. (Destatis) |
|
USA |
Männer |
ca. 89,1 % („prime-aged“ 25-54 Jahre) Erwerbspersonenanteil |
US Kongressbericht: Männer 25-54 Jahre 89,1 %. (Congress.gov) |
|
USA |
Frauen |
ca. 77,4 % („prime-aged“ 25-54 Jahre) Erwerbspersonenanteil |
Gleiche Quelle: Frauen 25-54 Jahre 77,4 %. (Congress.gov) |
|
International (G7, ILO-Modell) |
Männer |
ca. 66,3 % gesamt Erwerbsquote (2024) Deutschland Männer – im Vergleich USA etwa 67,4 %. (TheGlobalEconomy.com) |
|
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International (G7, ILO-Modell) |
Frauen |
Deutschland ca. 55,6 %, USA ca. 56,5 % (2024) |
Daten: Frauen Teilhabequote. (TheGlobalEconomy.com) |
* Hinweis: „Erwerbs- bzw. Arbeitsmarkt-teilnahmequote“ bzw. Erwerbstätigenanteil variieren je nach Altersgruppe, Definition (Erwerbstätigkeit vs. Erwerbstätigen+Arbeitslose) und Datenquelle.
Bewertung & Erkenntnisse
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In Deutschland ist der Anteil arbeitender bzw. erwerbstätiger Frauen im Alter 15-64 mit ~74 % vergleichsweise hoch, aber noch unter dem der Männer (~80,8 %).
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In den USA liegt für die zentrale Altersgruppe 25-54 bei Männern etwa 89,1 % und bei Frauen 77,4 %, was zeigt, dass auch dort ein Geschlechterunterschied besteht.
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Nach einer internationalen Modellrechnung (ILO-Modell für G7) liegt die Frauen-Teilnahmequote in Deutschland (~55,6 %) und in den USA (~56,5 %) ziemlich nahe beieinander — allerdings handelt es sich hier um andere Definitionen und Bevölkerungsgruppen.
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Wichtig: In Deutschland ist ein hoher Anteil von Frauen Teilzeit beschäftigt („nicht nur ob“, sondern wie viel) — das heißt, die Quantität der Erwerbstätigkeit ist stärker als die Qualität (Vollzeit vs. Teilzeit) relevant.
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In den USA erscheint die Erwerbsbeteiligung von Frauen zwar leichter geringer als bei Männern, aber der Abstand ist nicht immens größer als in Deutschland — was zeigt, dass beide Länder ähnliche strukturelle Herausforderungen haben (z. B. Balance Familie/Beruf, Teilzeit, Arbeitszeiten).
Weiterer Kommentar
Es gibt unterschiedliche Daten zwischen Statista und der Recherche nach Mikrozenus, aber sie liegen nur etwa jeweils drei Prozent auseinander, bei beiden Geschlechtern. Die ILO hingegen tendiert dazu, Unterschiede zwischen den Ländern mehr oder weniger zu planieren, wie die viel zu geringe Erwerbslosigkeitsquote beweist, welche von der ILO für Deutschland angenommen wird und die noch weit unterhalb der ebenfalls beschönigenden Zahlen der Bundesagentur für Arbeit liegen (Arbeitslosenquote nach ILO in Deutschland immer noch unter bzw. um 4 Prozent (!)).
Aber wir wollen hier keine Statistik-Kritik in den Vordergrund stellen, denn eines zeigt sich doch recht deutlich. Sowohl Deutschland als auch die USA haben ähnliche Zahlen vorzuweisen, die Erwerbsquoten von Männern und Frauen betreffend, inklusive der höheren Quoten bei den Männern und vermutlich ex Ausweisung von Teilzeitjobs, deren geringere Abeitsstundenzahl bei Frauen stärker in Abzug gebracht werden müsste als bei Männern (was zumindest die ILO aber nicht tut).
Trotzdem müssen wir betonen, dass es in Deutschland noch keine nennenswerte medial inszenierte Tradwife-Bewegung gibt, deshalb finden wir „Tradwife-Einstellungen“ für die Bevorzugung eines traditionellen Rollenbildes eine schwierige Zuschreibung. Der Begriff ist nun einmal derzeit noch von einem US-Gebrauch geprägt, und dort geht er weiter über ein traditionelles Rollensverständnis hinaus – und wird zu Recht dafür kritisiert, dass Frauen gut Propaganda in den sozialen Medien machen können, deren Männer so gut verdienen, dass die Frauen nicht nur zu Hause bleiben können, sondern vermutlich auch noch Personal haben, das ihnen die anstrengenderen Arbeiten abnimmt, sodass sie sich ganz ebenjener Propaganda widmen können.
Ideologien aus den USA sind prinzipiell nicht auf Gerechtigkeit und Gleichheit ausgerichtet, das muss man verstehen, wenn man auch diese neue Ausprägung der MAGA-Bewegung wieder richtig einordnen will. Dass dies mit religiösem Fundamentalismus verknüpft wird, ist keinesfalls überraschend, denn dieser Fundamentalismus ist wiederum eng mit White Supremacy verknüpft, was darauf hinauslaufen dürfte, dass die Tradwife-Bewegung vor allem von weißen Frauen aus dem Mittelstand / dem gehobenen Mittelstand getragen wird. Zumindest inszenieren sie sich so, als ob sie dieser Schicht angehören würden. Auch hier darf man, wie bei allem, was in den sozialen Medien verbreitet wird, nicht alles glauben, was gezeigt wird, aber mit ziemlicher Sicherheit steckt eine Basis in dieser Bewegung, die sich auch anhand sozioökonomischer Fakten überprüfen lässt.
Nachahmerinnen wird es auch schon geben, weil alles, was aus den USA kommt, zumindest versuchsweise imitiert wird. Vielleicht nimmt es mangels religiöser Fundierung eine andere Ausprägung an, vielleicht passt es einfach nicht zu Deutschland, was uns, offen geschrieben, am liebsten wäre. Es gibt genug gesellschaftliche Spaltung, da muss man nicht noch die Tatsache, dass man heute noch einen Mann erwischt hat, der so viel verdient, dass man zu Hause bleiben und Social-Media-Influencertum betreiben kann, zu einem Hype entwickelt werden. Social-Media-Influencertum gibt es bei uns aber auch, und immer wieder Menschen, denen es nicht reicht, ihr Ding zu machen, sondern die es naiven Zeitgenoss:innen unbedingt auch noch aufs Auge drücken müssen. Auch hierzulande mit Erfolg, und das ist auch wieder eine Botschaft in der Botschaft. Diejenigen, die sich sich an so etwas orientieren, gibt es, das hat sich im Bereich des Konsumismus ja schon erwiesen, und auch der lässt sich wieder gut mit solchen Ideologien verbinden. Der Weg von der ideologischen Propaganda bis zum passenden Produkt für die gute Tradwife ist nicht weit, und damit sind wir bei der Banalität angelangt, die vieles, was so weltanschaulich wirkt, bei näherem Hinsehen einmal mehr hat, und auch am Ende des Beitrags.
Kommentar: TH / Podcast-Zusammenfassung durch KI
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