DIE LINKE: Endlich die Enteignungsforderung?

Kommentar 30

Im Mietgliederbrief der Partei DIE LINKE von heute werden im Grunde alle aktuellen Themen behandelt; schlaglichtartig, wie es einem solchen kurzen Papier zukommt. Dass DIE LINKE sich jetzt als „Partei in Bewegung“ deklariert, ist ein wenig durchsichtig, weil wir wissen, woher es kommt, aber es gibt da etwas, das tatsächlich eine Bewegung signalisiert. 

Im September will DIE LINKE die Kampagne „Bezahlbare Miete statt fetter Rendite“ starten, mit einer Mietpreisdeckelung bei 8,50 Euro/m². Das kann sie aber nicht durchsetzen, wenn sie nicht auch über etwas nachdenkt, was ich jetzt zum ersten Mal in einem bundesweiten, an alle gerichteten Papier dieser Art lese. Nämlich, dass „spekulierende Wohnungsunternehmen enteignet werden sollen.“

Das ist der erste Schritt zu einer Forderung, mit der ich seit meinem Eintritt in die Partei zugange bin Aber so ganz richtig traut man sich noch nicht, die Wahrheit zu sagen: Dass das nämlich dann alle großen privaten Wohnungsunternehmen betrifft und sicher auch viele kleinere und Privatvermieter. Die spekulieren nämlich alle. Gut möglich, dass der Brief aber nur diejenigen gemeint hat, die z. B. nicht bauen, obwohl sie über Land verfügen, bei dem schon eine Baugenehmigung vorliegt oder ausgestellt werden könne, würde man sie denn beantragen. Aber das ist es nicht, was ich meine. Das ist viel zu wenig. Denn wie will man die 8,50 Euro durchsetzen, wenn die Neuvermietungen jetzt schon durchschnittlich mit 11 Euro pro m² bepreist sind?

Bei den größeren Unternehmen, dort wieder besonders bei denjenigen, die Aktiengesellschaften sind, muss man nämlich festhalten: Sie können gar nicht anders als sich maximal mieterfeindlich zu verhalten. Sie sind ihren Anteilseignern gegenüber verpflichtet, das an Rendite zu erwirtschaften, was der Markt hergibt und nicht weniger. Sie stehen untereinander in Konkurrenz und wir sehen auch in anderen Branchen, dass die Tendenz immer mehr zum kurzfristigen Denken geht – bei den Wohnungsunternehmen kommt aber hinzu, dass sie nicht entscheiden müssen, ob zu viel Dividende die langfristige Zukunft gefährdet, weil nicht mehr in neue Produkte investiert wird. Es gibt Wohnungsunternehmen, die erfinden auch vollmundig „innovative Wohnprodukte“, diese dienen aber z. B. in Form von Sanierungen nur einem Ziel – genau, die Rendite zu steigern. Innovatives Wohnungen, wie Baugenossenschaften es manchmal anstreben, indem sie nicht nur ökologischer, sondern auch sozialer projektieren als vom Baurecht mindestens gefordert, liegt absolut nicht im Interesse der Wohnungsriesen, denn jede Form von Gemeinsamkeit und Solidarität, die dadurch unter den Bewohnern eines Hauses oder einer Anlage geschaffen werden könnte, könnte ja dazu führen, dass es zu gemeinsamen Forderungen zulasten der Renditejäger kommt.

Kurzum: Was DIE LINKE hier schreibt, ist prinzipiell tatsächlich das, was einer meiner zentralen Forderungspunkte ist: Endlich die Wohnungsindustrie zu kippen. Aber ich hätte gerne eine Auslegung des Begriffes „Spekulation“, der sich auf alle Zwänge zur Renditemaximierung ausdehnen lässt.

Natürlich profitiert die Wohnungswirtschaft vor allem im Sinn von Veräußerungsgewinnen enorm von Politikgestaltungsfehlern. Weder wird der Run auf die Immobilien gestoppt, noch eine wirksame Mietpreisbremse installiert- aber es geht um die Daseinsvorsorge der Mehrheit und die gehört endlich in öffentliche Hand oder in genossenschaftliche Hände. Beide haben nur die Aufgabe, Kostendeckung zu erzielen und notwendige Rücklagen für die Substanzerhaltung und evtl. -verbesserung zu bilden.

Gerade Genossenschaften finde ich sehr reizvoll, weil in ihnen eine sehr gute Mischung aus Eigenverantwortung und Gemeinsinn, aus schönerem Wohnen und einigermaßen effizientem Kostenmanagement erzielt werden kann.

Aber nach dieser Forderung, die speziell noch einmal für Leerstände aufgestellt wurde, gibt es kein Zurück: Das habe ich mir gemerkt, dass endlich an dieses heiße Eisen herangegangen wird und von hier aus muss weitergedacht werden. Wir wissen alle, dass DIE LINKE im Moment nicht in der Verlegenheit ist, beispielsweise solche Enteignungsideen gerichtsfest zu machen und sich anhören zu müssen, was das BVerfG dazu sagt, das ja auch immer deutlicher neoliberale Tendenzen in seiner Rechtsprechung zeigt. Aber gerade die heutige Richtergeneration, die viel weniger standfest ist als vorherige, könnte ja auch mit dem Druck von der Straße doch mal dazu gebracht werden, das Grundgesetz endlich enger auszulegen, was die Eigentumsrechte angeht und weiter, was die Sozialverpflichtung des Eigentums angeht.

Das ist leider alles weit in die Zukunft gedacht, denn wo sollen in Deutschland die Mehrheiten dafür herkommen – selbst dann, wenn DIE LINKE zu einer Bewegung anschwillt und ihr Wählerpotenzial verdoppelt. Das ginge ja vor allem zu Lasten der SPD und wieder wäre kein linkes Projekt möglich.

Bisher außerdem zu beklagen: Wo bleibt die schlaue Werbung, die sich aus dramatischer Zustandsbeschreibung, harter Benennung der Schuldigen – und dann aus der Darstellung einer solidarischen Zukunftsvision à la „Tomorrow“ zusammensetzt? Dabei kann man propagandistisch ruhig mal steil gehen, denn die Not wächst rapide und diese Themen müssen endlich die Debatte über die Geflüchteten als heißes Eisen ablösen. DIE LINKE muss diese Themen so besetzen, dass sie nicht den Rechten in die Hände fallen. Im Moment macht es nicht den Eindruck, als wenn die AfD das Potenzial nutzen wollte, das darin liegt, sich nationalsozialistisch aufzustellen, aber bevor sie das tut, muss sie gestellt werden – jeder muss wissen, dass mit der AfD eine Partei wählt, die sich um die Sozialbelange ihrer Wähler noch weniger schert als die GroKo-Parteien, denen sie so viele Stimmen wegnimmt.

Ich bin wirklich gespannt, wie die Kampagne der LINKEN für bezahlbares Wohnen aussehen wird, die im September starten soll. Bei der Kritik darf es keine Tabus geben: Es ist nun einmal so, dass die Niedrigzinspolitik der EZB, die wackelige EU-Länder stabilisieren soll und dabei alle möglichen Seiteneffekte entwickelt, auch zur Kaufpreissteigerung bei Immobilien in Deutschland massiv beiträgt. Deutschland braucht dringend höhere Zinsen, um andere Anlageklassen wieder attraktiver zu machen.

Denn ein Hinweis darf leider nicht fehlen: So fett sind die Renditen der Wohnungsunternehmen gar nicht. Die Kaufpreise steigen schneller als die Mieten. Und das muss ehrlich benannt werden, nicht zu Halbwahrheiten hin verkürzt, so dass es wirkt, als könnten die Linken mal wieder keine ökonomischen Zusammenhänge. Für diejenigen in der LINKEn, die z. B. unbedingt das Währungssystem so behalten wollen, wie es im Moment ist, gar nicht so einfach, die volle Wahrheit darzustellen. Es ist aber die einzige Möglichkeit, die sogenannten Mietrechtsexperten von der CDU wirklich zu konfrontieren, die den Menschen weismachen wollen, die Kaufpreisexplosion um mehr als 100 Prozent seit dem Beginn des Booms im Jahr 2010 sei durch zu aufwendiges Bauen und durch raffgierige Kommunen verursacht, die ein paar Prozent Grunderwerbsteuer haben wollen – von Investoren, die offenbar jeden Preis bezahlen können, und davon gibt es in Berlin einige mehr, als es geben dürfte.

Würde man den Immobiliensumpf tatsächlich trockenlegen, gäbe es auch mal einen Nebeneffekt – dieses Mal einen höchst wünschenswerten: Das Verwandeln von Schwarz- und Blutgeld in Betongold würde zum Erliegen kommen.

TH

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