Schäuble, der Marxist, die Schwarze Null und warum die deutsche Wirtschaft etwas Besonderes ist (Teil 5) / #SchwarzeNull #WolfgangSchäuble #Austerität #Wirtschaftsgeschichte

Schäuble, der Marxist, die Schwarze Null und warum die deutsche Wirtschaft etwas Besonderes ist. Nachdenken über ein Interview von OXI mit Werner Abelshauser.

Analyse 6 / Teil 5

Wie verhält sich eine politische Haltung, die keinerlei Grenzen akzeptieren möchte, zur Wirtschaftsrealität? Das war die Schlussfrage des vierten Teils der Analyse vom 13.08.2018 und hier setzen wir mit dem fünften und letzten Teil an.

Ein solidarisches und sozial fortschrittliches System ist eine Gemeinschaftsanstrengung, die auf einem Konsens der weit überwiegenden Mehrheit beruht. Was wollen wir? Den Drogenhandel als Haupteinnahmequelle von besonders brutalen Verbrechern, das Gesetz der Straße, das Recht des Stärkeren? Oder vielleicht doch ein Land, das seine Infrastrukturen nutzt, bewahrt, schützt und allen, die schon lange hier leben und die neu hinzukommen anbietet und auf ehrliche Weise gut wirtschaftet und es Menschen erlaubt, in gegenseitiger Zuwanderung ihre unterschiedlichen Identitäten als bereichernd zu empfinden? Das mag provozierend klingen, ist aber eine Fragestellung, die auf der Hand liegt, wenn man in Berlin das Alltagsgeschehen beobachtet.

Die Wohnungspolitik stößt an ihre Grenzen, die Bildung an öffentlichen Schulen arbeitet längst im Überlastungsmodus und zeigt Anzeichen völliger Auflösung, zumindest in Großstädten und hier in sogenannten Brennpunktvierteln. Es ist offensichtlich, dass Teile der Infrastruktur schon mit dem bisherigen Zuzug überlastet sind. Ist es „utilitaristisch“, Menschen eine Chance auf echte Teilhabe an Kultur und Arbeitswelt geben zu wollen? Das wird nur gelingen, wenn sie besser als bisher gefördert und integriert werden und die Ressourcen in diesem Bereich sind und werden immer begrenzt sein. Natürlich kann ich jedwede Grenze auflösen und die unweigerliche Folge, den Kampf der Minderprivilegierten um die knappen Ressourcen, von einem ethischen Piedestal aus beobachten du den Kopf über diese moralisch zu verabscheuende Masse schütteln. Aber ist das gerecht? Und habe ich  nicht durch meine verantwortungslose Selbstbeweihräucherungspolitik genau das verursacht? Solidarisch in einer funktionierenden Gemeinschaft zu leben, das ist das beste Links, das es geben kann, gleich in welchem Land und auf welcher sozialen Ebene. Nur eine funktionierende Gemeischaft kann den bereits hier Lebenden und den Ankommenden ein echtes Angebot machen.

Dieses Angebot ist mit der Verheißung verbunden, es hier schaffen zu können und Teil davon zu sein und darin ist sogar ein Versprechen inkludiert: Niemand muss zurückbleiben und wird vergessen und sich im Elend selbst überlassen. Wer dieses Angebot nicht nutzen mag, der ist nicht in dieses Versprechen eingeschlossen, auch das ist nur logisch und gerecht. Es ist ja nicht schlimm, aber dann ist die Konsequenz eben, es irgendwo zu versuchen, wo dieses Versprechen nicht Teil der Identität einer friedlichen Gesellschaft ist. Und ja, natürlich gibt es eine Raison d’être für jede Gesellschaft, damit sie sich entwickeln und immer erneuern kann. Das ist mehr als ein Spiel mit Memes, mehr als ein PoC-tauglicher Sammelbegriff.

Viele von uns sind sehr tolerant, sind so erzogen worden, haben viele Freunde verschiedener Herkunft, arbeiten mit Menschen aus anderen Länder gut zusammen – doch bei vielen fängt dieses kostbare Gut der Toleranz an, Schaden zu nehmen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Substanz dieses im Ganzen doch schönen Landes immer stärker angegriffen wird aufgrund eines falschen Verständnisses von ebenjener Toleranz. Das Grundgesetz, das ja immer so gerne zitiert wird von jenen, die daraus Anything goes ableiten möchten,  hält uns nämlich nicht nur dazu an, die Menschenwürde zu wahren sondern es will ausdrücklich als wehrhafte Demokratie verstanden wissen, die in der Lage ist, sich selbst zu erhalten. Leider vergessen auch viele Juristen, auch auf der höchsten Ebene, das immer wieder gerne.

Folgt aus dem, was Adelshauser sagt, auch die Renationalisierung, sozusagen als Co-Element der Reindustrialisierung?

Wie Adelshauser dargelegt hat, war Deutschland immer schon Exportland. Das hat nichts mit der heutigen Austerität zu tun oder zumindest wenig. Eher umgekehrt, denn das zu niedrige Zinsniveau fördert ja die Exporte, weil der Euro dadurch nicht in Gefahr ist, ständig aufgewertet zu werden. Und niedrige Zinsen werden eingerichtet, um Kredite und Geldmenge möglichst expandieren zu können. Aber wir sind hier auf einen einigermaßen freien Warenaustausch angewiesen, das war immer so.   Deutschland hat sich nie weltweit die Rohstoffe gesichert, wie andere Länder das tun und dafür Regime Changes und andere unanständige Dinge betrieben. Wenn dem so ist und die Menschen in diesem Land ebenso einen Anspruch auf Wohlstand haben wie diejenigen in klassischen Kolonialstaaten, darf es dann nicht Teil des weltweiten wirtschaftlichen Deals sein, dass Deutschland jenen, die das getan und dadurch eine andere Agenda zum Ausdruck gebracht haben, friedliche (ich betone: friedliche!) Produkte liefern zu können?

Diese Mentalität ist nicht kolonialistisch, sondern dienstleistungsorientiert im besten Sinn des Wortes, sie ist zuvorkommend, sich selbst auf der Basis guter Arbeit, aber auch die Kunden in aller Welt sehr wertschätzend und damit sehr liebenswert – und ein wenig handelstüchtig natürlich auch, das lernt man ja beim Produktverkauf. Es ist eine sehr respektvolle, zukunftsorientierte Mentalität in einer Zeit, in der es immer brutaler zugeht auf der Welt, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. In einer Zeit, in der Imperialisten, die gegenüber seiner solchen aus sich selbst heraus stabilen und gut organisierten Welt, sagen wir es ruhig, Neidgefühle hegen, zum Angriff blasen auf alle, die in jener Welt leben, ohne territoriale und wirtschaftsimperialistische Gelüste zu hegen.

Die Gestaltung einer solchen Welt mit Teilhabe für alle, die darin leben, schafft hohe politische Glaubwürdigkeit und moralische Autorität und deshalb muss dieses System geschützt werden gegen Angriffe von rechts und auch von einigen linken Ideologen, bei denen man den Eindruck gewinnen  muss, sie hassen dieses Land. Wer hat dabei ein gutes Gefühl? Wer würde sich gerne von Menschen regieren lassen, die den Ast absägen möchten, auf dem wir alle gemeinsam sitzen?

Dass diese feine und in vielen Dingen hoch entwickelte Welt mit durchsichtigen Rochaden und die gute Arbeit von Millionen missachtenden Narrativen angegriffen wird, ist ein wichtiger Grund, warum „links“ nicht vorankommt. Die Menschen spüren, da sind Kräfte am Werk, die keine Ahnung von der Genese dieser Welt und der Wirtschaftsverfassung haben, auf der sie basiert und welche immensen Anstrengungen erforderlich waren, damit sie Wirklichkeit werden konnte. Das ist nicht etwa rassistisch oder nationalistisch, das ist ein Bekenntnis zum schwierigen und aufopferungsvollen Weg, den wir auch als Antikapitalisten gehen müssen, wenn wir Oben und Unten so gestalten wollen, dass gegenseitiges Verständnis und gegenseitige Solidarität herrschen.

Deutschland hat sich aufgrund der Tatsache, dass es sich lange nicht auf nationaler Ebene zusammenschließen und imperialistisch werden konnte, eine Nische gesucht, in der es erfolgreich war und immer noch ist. Kulturell, wissenschaftlich, wirtschaftlich, sozial. Aus der Not der Kleinheit haben die Menschen hier eine Tugend gemacht. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, ob das nicht vorbildlich und zukunftsweisend ist, müsste ich lügen, wenn ich sage würde, nein. Natürlich sind wir heute ein Teil des kapitalistischen Ausbeutungssystems, aber kaum ein anderes Land könnte daran so leicht und ohne wesentliche Wohlstandsverluste Korrekturen vornehmen, wenn die Bürger und die Politik es sich zutrauen würden.

Das tun sie aber nicht.

Weil jene industriefernen Berufspolitiker es nicht erfassen können, wieviel Power in dieser Wirtschafsgeschichte steckt, wie unendlich viel man daraus lernen und für die Zukunft an Ideen mitnehmen kann. Es ist alles da, es muss nur immer wieder neu justiert werden, hin zu mehr Ökologie und Nachhaltigkeit, beispielsweise. Aber wenn es ein Land gibt, in dem immer galt, dass   Qualität wichtiger ist als Quantität, Langlebigkeit, Effizienz vor Masse, dann war es Deutschland. Dass es Spaß macht, Dinge zu entwickeln, die weltweit gut ankommen, die brauchbar und gut verarbeitet sind, dass die Freude der Abnehmer daran als nicht imperialistische Handlung weitaus befriedigender ist als das barbarische Erobern fremder Territorien. Dass sozialer Konsens das Leben schön macht. Dass aber auch Sicherheit wichtig ist, damit dieser Konsens nicht von zu vielen unterlaufen und ausgehöhlt werden kann.  Dass es wundervoll sein kann, jeden Tag durch die Hallen eines großen, hochorganisierten Produktionsbetriebes zu gehen, in dem alle gemeinsam an etwas arbeiten, von mir aus auch die Roboter, anstatt dass für sich allein plattform-ökonomiemäßig vor sich hin murkst und von einer prekären Arbeitslage in die nächste stolpert. Dass in Generationen, nicht in Quartalen gedacht wird. Dass alle davon etwas haben und nicht nur ein paar Ausbeuter, die sich ein Heer von Niedrigqualifikations- und Niedriglohn-Halbsklaven halten und dabei aus einem immer weiter anschwellenden Reservoir schöpfen können. Wer in diesem System zerstört wird, kann aussortiert und der Mindestfürsorge des Staates überlassen werden, denn der nächste Billiglöhner steht schon vor der Tür und begehrt Einlass und sein Stückchen vom dann nicht mehr so großen Kuchen.

Nicht nur die Großindustrie zählt!

Das nur ein Beispiel, eines, das mir allerdings vertraut ist. Ein Planungsbüro, eine Agentur, ein kleines Forschungsteam, ein Serviceunternehmen, das nicht immer mieser wird, wie viele in Deutschland, besonders seit den Privatisierungswellen der letzten Jahrzehnte, sondern das stark ist, weil es stark motivierte anstatt lustlose und außerdem zu wenige Mitarbeiter hat – ich bin gerade wieder davon betroffen und finde es, ja, undeutsch, gruselig, minderwertig, wie hier einige Branchen runtergeritten wurden und immer noch werden. Das müsste alles nicht sein, wenn man endlich wieder wirtschaftsethisch denken und guten Arbeit als etwas Erstrebenswertes ansehen würde, von dem alle etwas haben.

Wer soll das denn tun?

Das ist die vielleicht beste Frage bisher. Die zieht ganz schön runter. In den letzten Jahrzehnten wurde so vieles falsch gemacht, dass die meisten keine Ahnung mehr von all dem haben. Keinen Zugang zu Exzellenz und Qualität und leider lernen es auch Neuankömmlinge dadurch nicht mehr. Wo alles herkommt, wofür es steht, das ist so sehr auf dem Rückzug, dass wir schwierigen Zeiten entgegen gehen. Natürlich ist das auch eine typische Berliner Sicht, weil sich hier die Probleme verdichten und man das Positive weniger sieht als dort, wo die Industriekultur durchaus das Bild noch mitprägt. Wir haben das während der Arbeit an dieser Analyse für den industriellen Mittelstand in einer südwestdeutschen Region betrachtet. Was wir tatsächlich brauchen, ist eine wirtschaftliche Re-Alphabetisierung. Deutsch lernen, Rechtsstaat lernen, alles okay. Aber Wirtschaft lernen, auch deren geschichtliche Grundlagen, ist mindestens genauso wichtig. Und das ist die Integrationsarbeit, die ich fordere: Dass Menschen bereit sind, den Ankommenden dies alles zu zeigen, sie dafür zu begeistern und dass jene bereit sind, sich den damit verbundenen Anforderungen zu stellen und dass alle verstehen, was es ist, das hier alles am Laufen hält, es zu akzeptieren und daran mitzuwirken. Das gilt auch für viele Alteingesessene, die auch mittlerweile eine ganz desaströse Einstellung zu dem erwähnten Ast haben, auf dem wir alle sitzen.  Also, stellen wir uns nicht abseits, sondern treten wir vor eine Klasse von Geflüchteten, um sie über dies alles unterrichten. Das könnte, medial sinnvoll aufbereitet, viel lebendiger sein als das Pauken von Vokabeln, eine sinnvolle Abwechslung dazu und gleichzeitig die Begründung – wir müssen ja auch das Warum für diese Anstrengung liefern. Es könnte die Fantasie wecken und Dinge zeigen, die diese Menschen zuvor nie kannten. Ein positives Bild neben die vorhandenen Traumata zu stellen und es mit der Zeit mehr in den Vordergrund rücken, Mut machen für dieses Integrationsabenteuer und Lust darauf. By the Way: Gehen eigentlich die Vertreter von Unternehmen, die unbedingt Fachkräfte haben wollen, auch in die Klassen und haben sie den Mut und die Ausdauer, Menschen zu signalisieren, dass sie ganz neu mit ihnen anfangen möchten?

Und last, but  not least – die Schwarze Null?

Deutschland hätte, wenn es sein Potenzial mehr nutzen würde, eine solche Diskussion gar nicht. Dann wäre nämlich die Schwarze Null auch möglich, ohne dass die Schulen verfallen, ohne dass der Staat sein Tafelsilber verhökert und dergleichen Alles Ausdruck einer mangelhaften Einstellung zur Zukunft, dass das so läuft. Ein Menetekel und das Ende der Hoffnungen, die ich im vorherigen Absatz kurz angerissen habe, bevor sie zu Taten werden konnten, wenn wir nicht verdammt endlich schleunigst umsteuern. Noch während der Arbeit an diesem Text kommen wieder neue Alarmmeldungen rein: An Berliner Grundschulen müssen nun überwiegend unqualifizierte Hilfslehrkräfte eingestellt werden, weil man bei der Ausbildung geschlafen hat und auf den hohen Zuzug in die Stadt nicht eingestellt war. Was soll man dazu sagen? Wie soll man es schaffen, nicht in Verzweiflung zu verfallen? Indem man die Wut, die sich dadurch aufbaut, in politischen Vortrieb umsetzt. Das könnte eine Möglichkeit sein, um nicht dauerdepressiv zu werden.

Und was wird aus dem Großkapital, das die vielen anderen so niederdrückt?

Das Großkapital besteht in Wirklichkeit auch nur aus Menschen. Und die werden ein Land, das weiß, wo es hinwill, nicht daran hindern, diesen Weg zu gehen. Das haben sie bisher nicht getan, das werden sie künftig nicht. Das ist eine dumme Entschuldigung unfähiger Politiker_innen („Die Sachzwänge, die Sachzwänge! Die EU! Die USA! Die NATO! „Das supranationale Recht!“, das wir ja mitgestaltet haben). Die allermeisten Menschen auf der ganzen Welt sind Abnehmer und Freunde und Liebhaber guter Produkte und nicht in erster Linie auf Vernichtung ausgerichtete Kapitalisten, die ja außerdem offenbar verrückt sind, weil sie sich selbst den Boden für ihr Business entziehen, indem sie 90 Prozent der Menschheit vernichten wollen (so in etwa die Maximalversion derzeit umlaufender linker V-Theorien). Für diese Geschäfte werden aber auch die Kapitalisten immer auf die Leistungen und die Abnehmerpositionen Dritter angewiesen sein. Und wenn diese Dritten um den Wert ihrer Leistung wissen und Dinge tun, die man nicht einfach so austauschen und mechanisieren und digitalisieren kann, dann werden auch die Machtverhältnisse ausgeglichener sein.

Ist das schon wieder eins weiter, Deutschland 5.0?

Europa 5.0, mindestens, denn wir haben ja gelernt, dass alle etwas haben, das sie einbringen können. Jedes Land in Europa muss bloß lernen, die Schätze seiner eigenen Kultur zu heben und nicht sein zu wollen wie jedes andere, nur weil dort das BIP pro Kopf aus verschiedenen Gründen vielleicht etwas höher ist.

Ganz sicher muss Schule und Studieren neu gedacht werden, mehr auf Kreativität, auf Forschen, auf individuelle Talentförderung abgestellt werden – doch Wissensvermittlung hat viele Gesichter und bei der Wiedereinführung guter Module zum Erlernen von Grundfertigkeiten dürfen wir nicht kleckern, sondern müssen klotzen und viel Geld und Engagement da reinstecken. Ich nehme leider Menschen, die keine Minimalrechtschreibungskenntnisse aufweisen, sich jedoch Akademiker nennen, nicht ganz ernst, ich kann’s nicht ändern (bitte meine Tippfehler zu entschuldigen, hier gibt es keine Redaktion). Noch während der Arbeit an diesem Text habe ich eine Petition unterschrieben, in der es darum geht, endlich die Lesefähigkeit von Kindern wiederherzustellen, denn jedes fünfte Kind im Alter von zehn Jahren weist auf diesem Gebiet bereits gravierende Mängel auf.

Und wir müssen Wirtschaftsgeschichte verstehen. Ohne dass man die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft nicht gestaltet werden. Das gilt für die schwierige politische Geschichte des 20. Jahrhunderts, aber auch für die überwiegend erfreuliche wirtschaftliche Geschichte dieses Landes. Ich rufe auch ausdrücklich die Menschen mit „Ostbiografie“ auf, dabei auch ihre besonderen Erfahrungen einzubringen. Deutschland kann unter allen größeren, hochentwickelten Ländern das am wenigsten imperialistischste sein, weil seine Basis Wissen und Können ist und immer schon war – und dass es die Entgleisungen des vorhergehenden Jahrhunderts geschehen konnten, das liegt ja eben daran, dass es diesen guten Weg verlassen hatte. Der Vierklang aus Hochkultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Sozialstaat wurde 1914 und wieder ab 1933 nicht mehr hoch genug geschätzt und durch Größenwahn ersetzt. Daraus müssen wir lernen, gerade angesichts der heutigen Rechtstendenzen. Wer sich positiven Zielen verschreibt, einen Job hat, mit dem er zufrieden ist und sich als Teil von etwas Richtigem fühlt, wird schnell merken, was für einen lächerlichen und  destruktiven Haufen die Rechten darstellen. Er wird aber auch wachsam sein gegenüber Fehlnarrativen, die angeblich links sind, in Wirklichkeit aber nur ideologische Kampfmittel sind, gerichtet gegen die Einheit der Werktätigen, gegen Fairness, Friedfertigkeit, Fortschritt und Brüderlichkeit (und Schwesterlichkeit natürlich), dienlich den linksliberal auftretenden Kapitalisten und „Reformern“.

Break! Es ist da!

Mein deutsches Industrieprodukt ist gerade geliefert worden (eigentlich schon ein paar Absätze zuvor). So schnell, das hätte ich von DHL nicht erwartet. Aber vielleicht liefern sie diese  guten Sachen lieber und schneller aus als das übliche minderwertige Gerümpel. Das ist es also. Leise. Hübsch. Auf den ersten Blick hochwertig gearbeitet, anders als das Vorgängermodell, das zwar ein deutsches Label hatte, aber nicht hier gefertigt wurde. Nur 550 Watt und ich musste beim Test auf Teppich auf niedrigste Stufe stellen, sonst hätte es den Teppich unter meinem Schreibtischstuhl hervorgezogen und weggesaugt. Und diese erhabene Namensprägung auf dem Deckel, unter dem verschiedene Bürsten verborgen sind. Dieses Gefach hatte der Vorgänger auch nicht, der war eben ein Normalkonsumprodukt. Was ich sehe, ist nicht so viel mehr an technischem Aufwand, aber die Liebe zum Detail, die ich so mag, die steckt da drin. In der Bedienungsanleitung steht es. Ganz bescheiden unter den Ländervertretungen. Hergestellt in Gütersloh, Westfalen. Und es ist eine KG, keine böse AG, die von Hedgefonds gekapert werden kann, die Geräte wie dieses fertigt. Vielleicht hat das Unternehmen deshalb als einer der ganz wenigen Hersteller von Haushaltsgeräten überlebt, die wirklich noch in Deutschland produzieren. Und: So teuer war es nun auch nicht, zumal ich eine Aktion ausgenutzt habe. Das ist mein erstes echtes linkes Gebrauchsprodukt, seit ich in der LINKEn bin. Herzlichen Glückwunsch!

Wie sagte schon der Rasenmäher-Verkäufer in „On the Beach?“ „Nice little mower, will last you a lifetime“. Alle blickten zum Horizont und warteten auf den Fallout. Darum ist ja auch die Friedenspolitik so wichtig, neben den regional hergestellten Staubsaugern.

Ende

© 2018 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

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