Muss #Sachsen oder ganz #Deutschland auf die #Chemnitz-Couch? // #Sachsen #Chemnitz #Sachsenbashing #Maaz #Rubikon #Psychoanalyse #Psychotherapie #AfD #Nazis #Köthen

Analyse 15 / Teil 1 

Muss #Sachsen oder ganz #Deutschland auf die #Chemnitz-Couch? // #Sachsen #Chemnitz #Sachsenbashing #Maaz #Rubikon #Psychoanalyse #Psychotherapie #AfD #Nazis

Gestern war wieder Rubikon-Newsletter-Tag, Mit diesem noch recht jungen Magazin haben die linken Gegenmedien ein Schwergewicht dazubekommen, auf das ich frühzeitig aufmerksam wurde, weil ein Genosse aus meinem Bezirk der LINKEn, der Co-Leiter eines sehr interessanten Diskussionsformats ist, zu den Autoren zählt und in den Beirat eingetreten ist. Aber erst seit der „neue“ Wahlberliner online ist, machen wir eine gezielte Auswertung und stoßen immer wieder auf das, was Rubikon versprochen hat: Vielfalt und Streitbares, das demgemäß der Kontroverse zugänglich ist.

Natürlich findet auch Chemnitz seinen  Niederschlag in der dortigen Artikelvielfalt und das sogar in Form eines derzeit noch seltenen Video-Interviews – und in Spielfilmlänge. Der Beitrag heißt „Das falsche Leben“ (1) und startet so:

„Wenige Tage nach „den Ereignissen“ in Chemnitz trafen Florian Ernst Kirner und Jens Lehrich in Halle auf den renommierten Psychoanalytiker und Psychotherapeuten Hans-Joachim Maaz. Ein Gespräch über Wilhelm Reich, den Neoliberalismus, Ostdeutsche, Flüchtlinge, Aggression und Geduld.

Direkt nach der Wiedervereinigung war Hans-Joachim Maaz in den Medien ein gefragter Gast, um dem sehr irritierten Westpublikum sozusagen die Psyche der Ostdeutschen zu erklären.

Diese analytische Entwicklungshilfe scheint nur bedingt gefruchtet zu haben. Sieht man sich auch dieser Tage den Mediendiskurs über Sachsen im Speziellen und die Ostdeutschen im Allgemeinen an, erscheint der Ostdeutsche nach wie vor als unbekanntes, ziemlich fragwürdiges Wesen, dessen vermeintlich völlig irrationales Verhalten ganz unverständlich bleibt.

Dabei sind sich die allermeisten Menschen selbst weitgehend unbekannte Wesen. Die Projektionen auf die jeweils anderen ermöglichen vor allem, diese dramatische und tragische Tatsache immer wieder vor sich selbst zu verhüllen. Fallen diese Hüllen, kommen oftmals Schmerz und Angst zum Vorschein. Genau das soll durch immer neue Feindbildkonstruktionen verhindert werden.“

Wie wirkte denn der neue Ossi- oder Sachsen-Erklärungsversuch von Maaz auf den immer noch fassungslosen Wessi?

Allein diese Terminologie wieder zu verwenden, ist schon ein interessantes Zeichen, über das man lange diskutieren könnte. Ziemlich überrascht – und doch wieder nicht – haben mich die letzten ca. 15 Minuten des Interviews, in denen es um die Person von Maaz geht. Dass es diese Anfeindungen gegen ihn gibt, das finde ich nicht so außergewöhnlich, aber dass sie im Video angesprochen wurden – immerhin wäre das ja im medialen Dauerdröhnen nicht so aufgefallen, dass jemand, der das Interview anschaut, es unbedingt hätte wissen müssen.

Maaz ist in der Wikipedia gut dokumentiert, auch seine Haltung zu „Chemnitz“ ist bereits dort nachzulesen.

Sollen wir den AfD-Versteher-Vorwurf voranstellen?

Maaz ist vor allem ein Menschenversteher, würde ich sagen. Und in zweiter Linie ein Ostdeutschen-Versteher und als solcher authentisch, wie man heraushören kann. Die Art, wie wir den Beitrag jetzt von hinten aufbauen, halte ich selbst für nicht zweifelsfrei richtig, denn eigentlich ist das eine Konzession an diejenigen, die ständig moralischen Druck aufzubauen, ohne sich wirklich um Hintergründe zu kümmern.

Wir werden am Ende sowieso dabei herauskommen, dass es einen Bodensatz von Nazis gibt, die nicht zugänglich sind, wie es einen Bodensatz von Typen gibt, die ich nicht für links halte, nur weil sie von der Mainstream-Presse so bezeichnet werden und die genauso aggressiv sind. Die in weiten Teilen Berlins übrigens mehr Einfluss haben als die rechte Szene.

Theoretisch ist niemand ohne Hoffnung, aber Maaz spricht ja über Kapazitätsgrenzen und natürlich gibt es die Notwendigkeit, ein wenig Effizienz und Struktur in die persönliche politische Arbeit zu bringen: Also versucht man richtigerweise, Protestwähler der AfD anzusprechen und ihnen zuzuhören – aber gegen den Nazi geht man auf die Straße, weil jeder Mensch Rituale braucht und Selbstvergewisserung – nicht, weil es wirklich hilft, die Gesellschaft zu verbessern. Das kommt so nicht im Interview vor, aber dies ist ja, wenn man so will, eine Anaylse gleichmaßen der Anamnese, die Maaz mit seinen Intrviewpartnern erstellt wie der eingeflochtenen Interpretationen.

Zurück zu den Feindbildern.

Warum brauchen wir wieder mehr Feindbilder und was hat die schwindende Möglichkeit der Mehrheit, Defizite an innerer Demokratie mit einer Aufstiegs- und Konsumerzählung zu kompensieren, mit der Gefährdung der äußeren Demokratie zu tun? Das ist sozusagen der Überbau und der Einstieg ins Interview. Was dabei erst einmal nicht berücksichtigt scheint, ist, dass die Aggressionen der Mehrheit doch gar nicht von Abstiegsängsten geprägt sein sollten. Es sei denn, die Mehrheit hat wirklich Angst und merkt es selbst nicht. Jeder von uns hat Ängste, aber worauf die sich beziehen, das ist eben doch unterschiedlich – und auch, wie wir mit ihnen umgehen. Ob wir eine endlose Kulmination zulassen, beispielsweise. Man kann diese Frage gut anhand der Umfragen aufwerfen, die sich mit den wichtigen politischen Themen befassen. Was ist den Menschen wichtig? Da stehen gleich mehrere Gegenstände weiter oben als die Migrationspolitik. Aber welches Thema hat das größte Angstpotenzial und – welches glauben die Wähler_innen überhaupt noch beeinflussen zu können? Und wie steht es damit, dass bei den gegebenen Zahlen am Ende 500 Prozent oder mehr herausgekommen, weil man ja mehrere Themen nennen kann?

Zurück ins Gestern: Wo kommen die Sachsen mental her?

Anpassungszwang in der DDR gegen Selbstdarstellungszwang in der BRD – wie geht beides zulasten der Authentizität und baut innere Spannungen auf, die sich nach außen in Aggressione entlädt? Damit befasst sich Maaz. Diejenigen, die krank werden und sich therapieren lassen können, sind letztlich im Vorteil oder gesünder als diejenigen, die ihre inneren Abspaltungen sozial austragen – und in manchen Fällen zulasten anderer austragen können, möchte ich hinzufügen, auch, weil sie frühzeitig, etwa durch Geburt in eine reiche Familie hinein, dazu in die Lage versetzt wurden. Da steckt also nicht  die mit der Zeit erreichte soziale Stellung dahinter, auf die geht Maaz im Grunde gar nicht ein, sondern das, was einen Charakter formt. Und wenn ich lese, dass Spiegel-Multimillionen-Erbe Augstein mehr Immigration gegen weniger Sozialleistungen fordert, verstehe ich, was gemeint ist. Das sind tradierte Aggressionen gegen fast alle, die ich gut nachvollziehen kann, wenn ich mir vor Augen halte, wie mich jahrelanges SPIEGEL-Abo-Lesen selbst getriggert hat. Da muss man sehr stabil sein, um es nicht in den falschen Hals zu bekommen und trotzdem zugewandt anderen gegenüber zu bleiben. Und damit sind viele Linke meiner Generation ja aufgewachsen, als Verstärker dessen, was in der eigenen Familie schon an Ressentiments vorhanden war.

Linksaggressiv?

Die Nachfolgegeneration der 68er, also wir, sind sehr aggressiv, egal, wo wir politisch stehen. Maaz würde mir das sicher bestätigen und ich meine uns Westler. Manche transformieren das in Mega-Freundlichkeit fürs Ferne und Hass gegen das Nahe. Ein Feindbild muss ja durch ein entsprechend starkes, genauso unrealistisches Freundbild ergänzt werden.

Das sagt Maaz aber nicht.

Man kommt ja am Ende auch dabei heraus, dass man das Ganze weiter vertiefen müsste. Nein, sagt er nicht, aber nur Feindbilder wirken einfach zu unethisch, und da man ja glaubt, ethisch zu sein, erstellt man ein passendes Gegen-Freundbild. Und zwar genau in der Reihenfolge, meistens jedenfalls. Erst ist das Feindbild da, dann ergibt sich durch politische Ereignisse glücklicherweise ein Freundbild: Geflüchtete.

Wie wurde denn das Interview geführt?

Wirkte ein bisschen abgekartet, aber ich finde das nicht so dramatisch, Maaz ist auf derselben Seite wie die Interviewpersonen, es war also ein Gespräch unter einander nicht feindlich gesonnenen Menschen – mit ein paar kleinen Kritikpunkten natürlich, wie sie auch unter Freunden üblich sind. Florian Ernst Kirner ist ja auch eine interessante künstlerisch-politische Person, hier zu seiner Wiki-Seite. Er hat mit Maaz recht interessant interagiert und ein paar eigene Erlebnisse beigesteuert.

Zurück zum sozialen Druck – Konformitätszwänge sind doch nicht neu und können allein nicht diesen Auftrieb wie in Chemnitz und anderswo auslösen?

Die angesprochene Belastung durch politische Konformitätszwänge ist nicht neu – aber sie geht natürlich einher mit immer höheren persönlichen Anforderungen im Alltag und auch die moralischen Schrauben werden immer mehr angezogen, indem tatsächlich immer weitere Bereiche der Kritik nicht mehr zulässig sind.  Nur ein paar Beispiele: Israelische Besatzungspolitik kritisieren = Antisemitismus. Das ist vor allem für ernsthafte Pazifisten ein riesiger Druck, der da aufgebaut wird, weil das Ausnehmen bestimmter Menschenrechtsverletzungen aus dem „Kanon“ die ganze Grundhaltung unglaubwürdig wirken lässt.

Wer Fehler in der Konstruktion des Euro erkennt und sie mit anderen ernsthaft diskutieren möchte, kann das sowieso nur in abgeschlossenen Fachzirkeln tun, denn überall draußen derlei zu erwähnen = Antieuropäer = Nazi, schlimmstenfalls. Vielleicht ist aber genau das Gegenteil der Fall? Aber differenzierte Argumente überhaupt noch Gehör finden?

Probleme der Immigration, die sich ganz leicht aus jedem Bildungsmonitoring herauslesen lassen ansprechen = Rassismus = Nazi. Unabhängig davon, wie präzise und nachvollziehbar die Kritik ist und wo sie die Ursachen gesehen werden. In Wirklichkeit also: Diskreditierung ernsthafter Sozialarbeit und Politik vor Ort, die Probleme benennen muss, um sie lösen zu können.

Und natürlich die Kollektivschuldkeule = Ganze Landstriche werden für das Verhalten einer Minderheit verantwortlich gemacht und die Loyalität der Mehrheit zum Ganzen wird damit ebenfalls einem großen Druck ausgesetzt.

Die Mehrheit behauptet genau das Gegenteil – dass die Minderheiten immer lautstärker werden.

Die eigene Perspektive ist immer wichtig. Aber ich glaube, da schaukelt sich gegenseitig etwas auf, gerade weil man lieber seiner eigenen Erzählung bedingungslos folgt, anstatt sich über diese mal Gedanken zu machen. Seit die ökonomischen Grenzen immer mehr sichtbar werden, tritt ein weiterer Faktor hinzu:

Der Spannungsdruck im persönlichen und beruflichen Bereich stellt eine zweite Komponente, einen sekundären Spannungsdruck her, weil man seine Meinung nicht mehr frei sagen darf. Auch aus der Furcht heraus, berufliche Nachteile zu erleiden, wo doch sowieso die Monetarisierung der eigenen Fähigkeiten immer schwieriger wird.

Bei den Ostlern kommt noch hinzu, dass sie komplett umgepolt werden sollten, vom DDR-Anpassungssystem ins BRD-Selbstdarstellungssystem. Kein Wunder, dass Ossis und Wessis einander immer noch fremd sind, mit ihren unterschiedlichen Sozialisierungen, die bis zu einem gewissen Grad tradiert werden. Wir im Westen wissen nicht, wie es ist, wenn man sich plötzlich diametral anders verhalten soll, um erfolgreich zu sein als bisher. Unser letzter Systemwechsel war 1945 und was da noch alles an Traumata übrig ist, das zu beschreiben ist hier nicht möglich – wenn man es einigermaßen seriös tun will. Aber es wirkt natürlich immer noch in die Art und Weise hinein, wie wir mit Andersdenkenden umgehen.

Aber muss man unbedingt in einem solchen Interview bewerten, ob es richtig ist, dass jemandem wegen AfD-Sympathie ein Geschäftsraum gekündigt wird? Diese Frage soll stellvertretend für einige solcher Wischer gelten.

Ich kann diesen Einzelfall nicht beurteilen, aber das ist es natürlich auch – ich kann es nicht, sondern eben nur für Einzelfallbetrachtung plädieren. Ein Justizsystem ohne Einzelfallbetrachtung ist totalitär, ist Willkür das habe ich auf der Uni gelernt und daran glaube ich.

Vor allem muss man die Darstellungen in den Medien, auf die wir uns verlassen, bis zu einem gewissen Grad letztlich ja doch, nach den Spezifika eines Ereignisses durchsuchen. Wie die Medien, aber auch Behörde nund Politiker bezüglich „Chemnitz“  gewaltigen Mist gebaut haben, ist längst offensichtlich. Ich meine dabei nicht einmal die Fakten, mit denen seit ein paar Tagen jongliert wird, wodurch alles eine dem Anlass unwürdige Zirkusatmoshäre bekommt – aber die Horrorszenarien, die aufgebaut wurden, als wären wir mitten im Bürgerkrieg. Journalisten haben eben auch ihr inneres Elend.

2018-09-27 Sachsenbashing 002 SPIEGELIst das Aufstellen von Feindbildern, wie es Kirner anhand des SPIEGEL-Covers über Sachsen beschreibt, wirklich so neu?   

Nein. Wir Wessis kennen die knackigen Provokationen des SPIEGEL per Cover seit Jahrzehnten.  Ich erinnere mich an eines aus den 1970ern, auf dem ein Teller mit Spaghetti und einem Revolver abgebildet war, der Kern des Heftes war, wie die süditalienische Mafia mit den „Gastarbeitern“ nach Deutschland eingewandert ist, die Botschaft war aber: Pasta und blaue Bohnen, das ist Italien.

Dort war man demgemäß richtig sauer und hat als Antwort eine Portion Sauerkraut mit einer Handgranate drin als Symbol für den RAF-Terror in Deutschland gebracht. Man mag das für einen witzigen Schlagabtausch halten, aber diejenigen, die alles so witzig finden, was auf Kosten anderer geht, die dürfen sich auch mal Fragen an sich selbst stellen, finde ich. Einige  Jahre später haben sich die Holländer ziemlich über einen Titel mit lauter bekifften Meisjes als Coverbild aufgeregt. Der SPIEGEL ist natürlich nicht die einzige Publikation, die mit Klischees spielt.

Einen Unterschied gibt es allerdings: So dumm können SPIEGEL-Macher nicht sein, dass sie nicht wissen, wie sie derzeit mit solchen Dingen wie dem Sachsen-Titel die Situation anheizen. Und natürlich provozieren Magazine nicht aus ethischen Gründen, sondern um der Auflage willen. Besonders der Kioskverkauf hängt stark von der Wirksamkeit der Cover ab und auch deshalb werden immer wieder andere Feindbilder-Säue durchs mediale Dorf getrieben. Es ist ja auch psychologisch interessant, dass dies so einfach ist. Aber: Journalistisch unsauber und nur dem Konkurrenzdruck geschuldet, wie beim Online-Medium die Clickbait-Nachricht.

Maaz leitet aber die Gefühle der Ostdeutschen doch sehr gut her. Und er hat ja früher schon im Cluster „Stasi-Opfer“ und „Stasi-IM“ gearbeitet.

Damit ist er bekannt geworden. Die Ähnlichkeit der Motive der verschiedenen Seiten, die sehe ich auch. Im Gegensatz zu Heiko Maas finde ich nicht, dass es hierzulande nicht laut genug zugeht und Radikalität, wie gewisse Staatssekretärinnen in Berlin sie fordern, also offenbar richtig nette Straßenschlachten, die dann wirklich Weimar ein Stück näher rücken lassen – ja, das alles ist Teil des Problems, nicht der Lösung und lässt auf in der Regel biografisch bedingte psychische Probleme bei Menschen schließen, die sich so äußern.

Die Erklärungen von Maaz, warum Menschen in irgendeine Richtung fanatisch und parallelgesellschaftig werden, sind zwar etwas versimplifiziert und mir bekannt, aber trotzdem gut ausgedrückt. Ich habe ähnliche Beobachtungen, wie er sie bezüglich der Radikalisierung oder Protesthaltung von Bevölkerungsgruppen im Osten ausdrückt, bezogen allerdings auf bestimmte Migrantengruppen –  dabei geht es nicht um Diskriminierung, ich verstehe die biografischen Konditionen, die dahinter stehen.

Aber bedeutet, alles verstehen auch, alles so weiterlaufen lassen können? Das glaube ich nicht. Viele glauben das nicht. Deswegen bemühen sich meine Parteifreunde mit viel Engagement um Integration – und um die Reintegration von Protestwählern gleichermaßen. Das ist schwierige, wirklich humanistische Arbeit. Ich habe letzte Woche mit einer Psychotherapeutin gesprochen, die mit jugendlichen Geflüchteten arbeitet und die Verhältnisse an den Berliner Innenstadtschulen kennt. Das Problembewusstsein ist bei Menschen, die professionell an der Behebung von Mängeln der Gesellschaft wirken, sehr stark ausgeprägt, aber davor warnen, dass wir uns hier massiv übernehmen – das tun sie nur noch im Zweiergespräch, weil: Sofort die rechte Ecke, wenn man das nach außen trägt. Wie ungerecht diese Zuordnung denen gegenüber ist, die tatsächlich die Arbeit für die anderen machen, die sich irgendwo abseits auf scheinmoralische Positionen stellen und die, um Tag für Tag diese Arbeit leisten zu können, ein genuin offenes, optimistiches, tolerantes Wesen mitbringe müssen, das halte man sich an dieser Stelle vor Augen.

Wenn aber ein persönlich unbeleckter Mainstream glaubt, das alles wegwischen zu können, befördert er damit massiv die Spaltung des Landes und treibt auch die Basisarbeiter_innen vor Ort in die Defensive. Und zumindest alle, die ihre persönliche Geschichte nicht durch Kinderlosigkeit ohnehin abgeschlossen haben und demgemäß keine Verantwortung mehr für die nächste und übernächste Generation wahrnehmen müssen, sollten sich überlegen, ob sie es nicht doch mit einer etwas elaborierteren und damit tatsächlich ethisch wertvollen Sichtweise versuchen könnten.

Das ist jetzt aber auch moralischen Druck aufgebaut und unfaire Diskriminierung.

Ich bin bewusst dorthin gesteuert. Und die Eigenschaft, die ich eben erwähnt habe, trifft auch mich ebenfalls zu. Und ich glaube nicht, dass es sich noch ändern wird. Aber ich durchschaue die damit verknüpften Defizite und reihe mich nicht ein in die Phalanx der Problemverweigerer, die anderen auch noch ihre Sichtweise aufzwingen wollen.

Das reicht nun nicht. Gehen wir wirklich mal ins Psychologische. Welche Kränkung veranlasst zu solchen Aussagen und einer solchen Haltung?

Natürlich ist es ein Unterschied, ob man etwas bei sich selbst als biografischen Mangel ansieht oder glaubt, es sei normal und auf Verdrängungskurs geht. Das eine ist problematisch, weil es unerfüllte Wünsche durchaus zu politischen Ansichten gerinnen lassen kann, ganz nach dem Muster, wie Maaz es erklärt hat – das andere leider auch, weil es schlicht nicht ganz natürlich ist und zudem offenbar unreflektiert. Wäre es natürlich, wäre die Menschheit längst ausgestorben. Und wer jetzt denkt, ja, besser wär’s eigentlich – der muss jetzt nur noch einen kleinen Schritt gehen: Warum denke ich so und was sagt das über mich aus? Das Spielen auf Crash oder Selbstauflösung ist nach meiner Ansicht ein Teil unserer nicht verarbeiteten Vergangenheitstraumen.  Dass Deutschland ein ernsthaftes Reproduktionsproblem hat, liegt gewiss nicht an einer finanziell unterausgestatteten Familienpolitik oder mehr am Abgleich Job-Privatleben als in anderen Ländern mit ähnlichem Arbeitswelt-Setting. Und in Deutschland wird ziemlich viel Geld in die Familienförderung gesteckt.

Aber die Rechten müssten ja dann anders herum tendieren?

Die Antwort darauf, warum Rechte in dieselbe Falle gehen und womit Maaz den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft vergleicht, darüber gibt morgen der zweite Teil des Beitrags Auskunft. Hier aber noch das Video zum Beitrag (1):

 

© 2018 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

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