
Medienspiegel 189 / Serie und Dossier „Mieter, kämpft um diese Stadt!“
Die Berliner Zeitung hat einen neuen Ost-West-Gegensatz entdeckt: Im Osten steigen die Mieten viel schneller als im Westen.
Am 27.12. hat die Berliner Zeitung also behauptet, „Günstige Platte war gestern: Im Osten Berlins steigen die Mieten aktuell zum Teil viel stärker als im Westen der Stadt. Die alteingesessen Ecken wie Grunewald oder Zehlendorf sind nicht mehr ganz so angesagt.“
Stimmt das so?
Man merkt, dass die Berliner Zeitung aus dem Osten kommt. Selbstverständlich sind Grunewald & Co. nach wie vor beliebt, die Frage ist eher, ob sie je „angesagt“ waren. Das hippe Publikum einer jeden Generation hat dort nie gewohnt. Es war früher Kreuzberg und billig. Vor allem, als die Stadt noch eine Mauer mittendurch hatte. Nach Zehlendorf zog man damals schon eher, wenn man etabliert war oder lebte von Geburt an dort, wenn die Eltern etabliert waren. Das ist auch heute noch so, außerdem ist dort die Eigentumsquote innerhalb Berlins am höchsten.
Ich würde mir wünschen, in solchen Beiträgen würde erwähnt, dass es sich um die Neuvermietungspreise handelt, nicht um den gesamten Bestand an Mietverträgen, der ist im Westen immer noch höher angesiedelt. Im Osten kommt hinzu, dass viele Quartiere nun in der Nähe der Hotspots Mitte-Regierungsviertel liegen. Die City West ist vom dadurch verursachten Auftrieb nicht so stark betroffen. Die hohe Lebensqualität dort, die gewachsenen, überdurchschnittlich grünen und vielfältigen Kieze, sind aber nicht out. Viele davon sind aber „stabil“, das heißt, sie haben ein Publikum, das dort längerfristig verbleibt und eine niedrige Fluktuation dämpft den Preisauftrieb, wenn man den gesamten Markt dieser Kieze, inklusive Bestandsmieten, betrachtet.
Die Neuvermietungspreise betreffend, spiegelt sich das, was die Berliner Zeitung schreibt, auf der interaktiven Karte der Berliner Morgenpost. Auf ihr kann man nachschauen, was man sich mit seinem persönlichen Einkommen leisten kann. Die Bestandsmieten der BBU-Unternehmen, wenn auch für Ende 2017, sind hier ausgewiesen und dürften in 2018 um ca. 4 Prozent gestiegen sein. Wir sehen dort teilweise erstaunlich niedrige Mieten bei vermutlich sehr langfristigen Mietverhältnissen, die noch zu DM-Zeiten geschlossen wurden, wohingegen die Maximalwerte durch Neuverträge repräsentiert sein dürften.
Die Bestandsmieten bei den städtischen Wohnunsbaugesellschaften findet man hier (Bericht-KoopV2017.pdf auf Seite 12) und sieht, dass in etwa die Maßgabe eingehalten wurde, dass sie 2018 nicht um mehr als zwei Prozent steigen sollten und sie liegen berlinweit bei etwa 6 Euro/m². Interessanterweise liegen die Preise ziemlich genau auf dem gleichen Niveau wie bei privaten Vermietern und wir haben bereits in einem anderen Beitrag unserem Erstaunen darüber Audruck gegeben, dass auch einige städtische Gesellschaften bei den Neuvermietungen sehr kräftig zulangen, mit Preissteigerungen von bis zu 16 Prozent in 2017 gegenüber 2016.
Was man aber bei den Bestandsmieten allgemein sieht, wirkt gar nicht so erschreckend, das kommt auch daher, dass viele Mietverträge vor langer Zeit geschlossen wurden und bei weitem nicht alle Vermieter die Erhöhungsmöglichkeiten so ausreizen wie gewisse Wohnungskonzerne oder die Koppelung der Mieten an die Inflation vereinbart haben.
Ich halte es aber angesichts der Lage in Berlin nicht für eine gute Sache, Ost und West mal wieder als Gegensätze aufzustellen, wie es hier anklingt: Nach dem Motto, hier im Westen ist es komfortabel und ruhig („da tut sich nichts mehr“) und im eh immer schon gebeutelten Osten gehen die Mieten ab wie Schmidts Katze. Außerdem sind in Gegenden wie Marzahn-Hellersdorf, wo die meisten Platten stehen, die Neuvermietungspreise immer noch günstiger als in Zentrallagen.
Es ist ja gerade das Kennzeichen eines verstopften, komplett ausgereizten Marktes, dass in Lagen mit sehr niedrigem Wohnwert die Neuvermietungspreise nun fast genauso hoch sind wie in Topvierteln, unabhängig davon, ob diese einfachen oder guten Lagen im Osten oder im Westen zu finden ist und wie der Ausstattungsstandard der Wohnungen ist, der ja – weiteres Anzeichen eines Marktes im Ungleichgewicht – ebenfalls nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Das Problem für Suchende resultiert daraus, dass es fast nirgendwo in Citynähe noch etwas Günstiges gibt und jeder, der nicht unbedingt umziehen muss, in seiner Wohnung bleibt. Was allerdings auch den Vorteil hat, dass die Mieten, über den gesamten Wohnungsbestand hinweg, nicht noch schneller steigen.
Für 2019 wird übrigens ein weiterer Anstieg von 4 bis 5 Prozent bei den Neuvermietungen erwartet, dazu kommt in den nächsten Tagen ein gesonderter Beitrag.
TH
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