Wir müssen es langsam wieder angehen, mit der inhaltlichen Auseinandersetzung. Eigentlich sind wir damit durch, was soll noch viel Neues kommen, aus der Investorenecke?
Doch, es kommt zu Varianten und die Gelegenheit bestünde, immer weiter an Argumenten zu feilen, so, wie wir von der Mieter*innenseite das auch tun.
Dass wir von netten Kontakten immer wieder in den sozialen Netzwerken mit dem „@“ angezielt werden, verstehen wir nun auch als als Aufforderung, uns wieder mehr an der Diskussion zu beteiligen – und wollen es unsererseits als kleines Dankeschön fürs Lesen und Weiterleiten unserer Beiträge verstanden wissen.
Wir freuen uns aber zunächst: Es gibt es immer wieder positive Neuigkeiten, neue Genossenschaftsmodelle, Vernetzungsmodule für bereits aufgeteilte Häuser, Mietendeckel, Enteignungsvolksbegehren und Kommunalisierungen einzelner Häuser oder auch mal von Häuserzeilen.
Aber es kommt auch immer wieder zu neuen Verdrängungsfällen und solange das so ist, müssen wir weitermachen mit dem Thema. Und einen Zahn zulegen, nachdem Sommer-Schlendergang im Juli.*
Heute kam es zu einem Tweet von BGemeinwohl, den wir als Grundlage nehmen. Die benannte Quelle haben wir uns angeschaut.
Der Name der Publikation, „Cash.Online“ besagt, woher der Wind weht. Es geht ums Geld machen, wobei Cash ja hoffentlich nicht der Haupt-Zahlungsweg beim Investieren in Betongold ist. Wäre das so, würde es auf illegale Geschäfte hindeuten, und sowas gibt es in der honorigen Baubranche nicht.
Was ist denn zum Beispiel der Unterschied zwischen Mietenstopp und Mietendeckel? Es gibt keinen totalen Mietenstopp. Nirgends.
Wir könnten es uns jetzt einfach machen und fragen: Wenn die Weltzentrale des Kapitalismus, New York, einen Mietendeckel einführt, was wird dadurch wohl ausgesagt?
Dass die Menschen dort mit den hohen Mieten nicht mehr klarkommen, vermutlich. Die Stadt braucht diese Menschen aber, die in ihr arbeiten und den Kapitalisten die Schuhe putzen und anderweitig zu Diensten sind. Die kann man nicht abends und morgens vor und nach ihren anstrengenden Jobs noch stundenlang ins Hinterland und zurück fahren lassen. Die Ausbeutung mit riesigen Gehaltsgefällen ist schon Grund zur Beanstandung genug.
Nun verdienen die Menschen in New York trotzdem mehr als in Berlin, das ist unstrittig, doch offensichtlich benötigen sie jetzt einen wirksamen Schutz gegen weitere Preistreiberei. Woher diese Preistreiberei kommt? Nicht daher, dass die kapitalistische Welt so irrsinnig zu Nutzen der Mehrheit prosperiert. Den Hauptgrund für den Preisauftrieb haben wir hier vielfach benannt und weiter unten stehen wieder ein paar Sätze dazu.
Aber wir gehen weiter. Wir lesen, energetische Sanierungen seien auch schuld daran, dass das mit dem Investieren in Deutschland so schwierig ist. Da hätten wir eine prima Idee: Wir canceln die Möglichkeit, mit energetischen Sanierungen die Mieter*innen zu belasten und schon wird das Hochsanieren sich in Grenzen haltenn. Diejenigen, die nicht mehr durch Herausmodernisierung verdrängt werden, werden es danken. Nun müssen wir zitieren, da hilft nichts:
Die Mieten sind zwar durch Mietpreisbremse und Co. beschränkt, sind in den letzten Jahren aber dennoch überdurchschnittlich gestiegen. Die Kaufpreise hingegen sind unreguliert und aufgrund des Mangels an Angeboten und der niedrigen Zinsen für Anlagealternativen akzeptieren Investoren und Selbstnutzer immer höhere Preise.
Das ist eine krasse Verkehrung von Ursache und Wirkung, die außerdem noch enttarnt, dass der Preisauftrieb rational, also mit angemessenen Renditeerwartungen, nicht mehr begründbar ist.
Weil die Mieten gedeckelt sind? Ganz sicher nicht. Der Mietendeckel ist noch gar nicht eingeführt. In Berlin sind die Mieten seit der Finanzkrise von 2008, die der wirkliche Auslöser dafür ist, dass alles Kapital in die Immobilien strömt, um 100 Prozent gestiegen. Nur kann jeder noch so große Mietauftrieb nicht mehr mit dem Anstieg der Kaufpreise mithalten. Man muss gar nicht so viel recherchieren, um diese Tatsache mit Fakten erhärten zu können. Aber bitte, hier. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/535119/umfrage/mietpreise-auf-dem-wohnungsmarkt-in-berlin/
Erstmals sinken die Angebotsmieten im laufenden Jahr offensichtlich Langem wieder und das ist ein großartiger Erfolg für alle, die in dieser Stadt leben und die es satt haben, nur als renditebringende Melkkühe angesehen zu werden. Es hat natürlich auch damit zu tun, dass 2018 die Relation zwischen Zuzügen und Neubau schon sehr günstig war, aber auch mit Verbesserungen des Mieterschutzes im Kleinen, durch Kooperationsvereinbarungen, durch Rekommunalisierungen, durch Verschärfungen z. B. der Mietpreisbremse sozusagen dem hoffentlich kommenden Mietendeckel vorgelagert.
Mieten in Berlin (KS) im zweiten Quartal in Folge rückläufig – im 1. Quartal des Jahres 2019 lagen die Angebotsmieten für Wohnungen* in der Bundeshauptstadt bei durchschnittlich etwa 9,57 Euro pro Quadratmeter und Monat. Sechs Monate zuvor mussten noch 9,91 Euro für den Quadratmeter gezahlt werden. Im Vergleich zum 1. Quartal des Vorjahres nahmen die Mieten allerdings um rund 1,5 Prozent zu.
Jetzt geht es um die Prämisse des Beitrags in „Cash.Online“. Es stimmt offensichtlich gar nicht, dass Investoren Berlin meiden. Sonst würden doch nicht die Kaufpreise weiterhin steigen. Renditen stagnieren oder sinken sogar leicht. Kaufpreise steigen weiter. Bauwirtschaft baut, so viel sie kann. Wohnungsbestand steigt. Nachfrage und Angebot sind 2018 ausgeglichen worden. Überhang besteht zwar aus den Vorjahren, aber Entspannung ist in Sicht. Zuzug nimmt konjunkturbedingt ab.
Kaufpreise steigen aber trotzdem. Oftmals um mehrere Prozent. Nicht pro Jahr, sondern pro Quartal.
Zwischenergebnis: Irgendetwas stimmt nicht, an der Argumentationslinie dieses Beitrags. Nicht nach den Maßstäben eines Marktes jedenfalls, der tatsächlich nur aus Angebot und Nachfrage besteht und keine externen preisbestimmenden Faktoren kennt.
Es wird sich im Folgenden darüber beklagt, dass die Mieten von 2016 auf 2017 nur um 5,4 Prozent (und nicht „allein“, was ja „viel“ suggeriert – bitte immer die eigene Sichtweise bei der Wortwahl nicht vergessen) gestiegen sind, die Kaufpreise aber um das Doppelte. Seit 2010 steigen die Mieten wiederum viel stärker als die Einkommen der Stadtbewohner*innen. Setzen wir mal die Kaufpreissteigerungen in Relation zu den Einkommenssteigerungen, sehen wir erst Recht, warum Berlin Mieterstadt bleiben muss: Wer soll denn als Normalverdiener*in zu aktuellen Preisen noch eine Wohnung kaufen?
Ob sich jemand die Mieten noch leisten kann, ist ebenso wurscht, Hauptsache, sie folgen den davonschießenden und durch eine ultralockere Währungsolitik angetriebenen Kaufpreisen so gut wie möglich.
Woher nimmt der Autor des Artikels aber die Sicherheit, dass Berlin mehr Kapital, sprich, privates Kapital für den Wohnungsbau bräuchte – und wenn es noch mehr gäbe, was käme dabei heraus?
Wir haben uns kürzlich in Mitte die gerade entstehenden neuerlichen Bausünden angeschaut – auf einem ehemaligen Eisenbahngelände. Es ist unfassbar, zu welchen Preisen dort die Hütten erstellt werden, die in der Zukunft vor allem den Berufsstand der Psychotherapeuten fördern werden. Wer in diesen Hasenkästen mit Dichtestbebauung leben muss und auch noch Unsummen dafür bezahlt hat, wer irgendwann merken wird, dass er irgendwie gleichzeitig abgezockt und um seine Lebensqualität gebracht wurde, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit depressiv werden. Aus dem Job aussteigen kann er ja auch nicht für eine Zeit – die Ratenzahlungen! So baut das private Kapital in Berlin dort, wo noch ganze Areale zu erschließen sind und der Regierende macht den Grundsteinlegungsspatenstich und ist heilfroh, dass er selbst so nicht wohnen muss.
Wenn es nach uns ginge, würde nur noch für die Mehrheit bezahlbarer Wohnraum durch die öffentliche Hand und durch selbstverwaltete Hausmodelle verschiedener Art erstellt werden. Denn der soziale Wohnungsbau der 1920er, den es ja schon lange nicht mehr gibt, galt als vorbildlich und die Gebäude sind heute denkmalgeschützt, teilweise Weltkulturerbe und äußerst begehrt – unter anderem bei privaten Investoren wie der Deutsche Wohnen SE, die wiederum die Mietenden häufig mit ihrer mangelhaften, kaputtsparenden Art der Verwaltung gegen sich aufbringt.
Noch mehr private Investitionen in Berlin wären angesichts dessen, was hier schon durch neoliberale Politik alles falsch gemacht wurde, unverantwortlich.
Aber keine Angst, Hilfe ist in Sicht: Die USA boomen! Dort wurde immer schon viel in Immobilien investiert.
Die Immobilienkrise in den USA hat zwar die Finanzkrise 2008 mit ausgelöst, neben dem und auch im Zusammenhang mit dem „Subprime-Sektor“. Aber was schert uns der Fail von gestern, machen wir das gleiche Spiel noch einmal, die Steuerzahler*innen werden die Banken und Investoren, die sich dabei verzocken, auch beim nächsten Mal wieder retten. Denn diejenigen, die sich vor den meisten Menschen durch ihre größere Hybris auszeichnen, werden wieder „Systemrelevanz!“ kreischen. Aber vielleicht kommen irgendwann auch mehr Menschen auf den Trichter, dass an einem System etwas nicht stimmt, das solche Charaktere privilegiert und Gewinne privatisiert und Verlust sozialisiert.
„Investieren“ = Spekulieren einer kleinen Minderheit auf Kosten der Mehrheit. Aber der Kreis zur Mietpreistreiberei schließt sich. Alles eine Frage der Mentalität.
Auch schwierig: Die Büromieten mit den Wohnungsmieten zu vergleichen, wie es in diesem Artikel gemacht wird, zudem unterschiedliche Zeiträume zu betrachten. Und gegenüber welchem Zeitraum sind die Büromieten in den USA jetzt um 4,4 Prozent gestiegen? Q4 2018 oder Q1 2018? Dann wäre es weniger, als die Wohnungsmieten in Berlin im fragwürdigen Vergleichsszeitraum 2017 zu 2016 gestiegen sind. Manchmal stellt man sich, wenn man unsauber argumentiert, die Fallen selbst.
Aber sogar in diesem Artikel wird zugegeben, dass es in New York möglicherweise nicht mehr weitergeht; die dortige Administration sieht offenbar Handlungsbedarf. Sie will die armen Investoren jetzt auch mit Mietendeckeleien strangulieren. Das wird übel, wenn am Central Park ein Haus entmietet wird, um als siebenstöckiger Palazzo für drei Superreiche hergerichtet zu werden und der Spekulationsgewinn dabei nicht mehr 100, sondern nur noch 80 Prozent beträgt, man also vielleicht nur noch 45 statt 50 Millionen dafür verlangen kann. Das war jetzt ausnahmsweise ein fiktives Beispiel. Das reale Haus, das wir im Kopf haben, steht nicht am Central Park. Außerdem sind auch in New York Kauf- und Mietpreise längst voneinander entkoppelt, ohne dass Mieten deshalb bezahlbar wäre.
Dass die amerikanische Notenbank die Zinsen schon wieder senken will, nachdem sie sich wenigstens wieder ein bisschen Luft verschafft hat, um auf Krisen reagieren zu können – anders als die EZB – klingt eher beunruhigend. Es würde das Schulden machen allerdings erleichtern und darin sind die USA kaum zu schlagen. Dies ist auch der Hauptgrund für das gegenüber Europa stärkere Wirtschaftswachstum: Finanzierung auf Pump. Wirklich Wertschöpfendes wird auch dort nicht mehr so häufig vom Stapel gelassen.
Das sieht man an den Branchen, die in Las Vegas, der heutigen Empfehlung für einen Sonderboom sorgen. Die Stadt mitten in der Wüste, die durch die massive Grundwasserentnahme aus den umgebenden Gebirgszügen die Verwüstung auch massiv fördert – aber was sind im Immobilienbusiness schon ökologische Gesichtspunkte – zieht solche grundnachhaltigen Branchen wie Spieleentwicklung und Co-Working-Spaces-Anbieter und Vertriebs-Callcenter an. Darauf kann man einen dauerhaften Immobilienboom aufbauen, keine Frage. Und was die Versicherungsbranche ausgerechnet in der Wüste will? Vielleicht sind auch Bausparkassen wie Wüstenrot dabei.
Die Karawane ist offenbar von irgendwoher, wo es noch teurer war, in Richtung knapp 21 Euro/m² weitergezogen. Der nachfolgende Absatz mit den Arbeitgebern lässt den Rückschluss zu, dass es um Büromieten geht. Nicht um Ladenmieten übrigens.
Viele Unternehmen in Berlin und natürlich die meisten Menschen können sich bei weitem keine Mieten von 21 Euro/m² leisten und auch für Startups sind die hohen Mieten mittlerweile ein Problem, weshalb sie mehr von ihnen in die Randviertel ziehen, weg aus dem hippen Bezirk Mitte.
In die genannten Mieten von Las Vegas ist, das lernen wir nebenbei, ein wesentlich höherer Leerstand eingepreist, als er in Deutschland üblich ist – fast 15 Prozent. Der Kampf gegen Ressourcenverschwendung ist in den USA nicht der ganz heiße Scheiß und schon gar nicht bei Investoren.
Und Berlin so?
Hier liegt der Büroflächenleerstand derzeit bei nur 1,3 Prozent. Die Spitzenmieten betragen 35 Euro/m². Und die gewichtete Angebots-Durchschnittsmiete für Büroflächen lag in den letzten 12 Monaten bei 22,30 Euro/m². Und das quasi Leerstands- und damit risikofrei.
Wo ist nun also das Paradies für investierende, spekulierende Paradiesvögel, die auf paradiesischen Inseln sitzen und von dort aus die Mieter*innen bestmöglich ausquetschen?
Bloß nicht verrückt machen lassen. Die Investoren-Spekulanten drohen seit Jahren damit, Berlin zu verlassen. Jedes Mal, wenn die Mieter mal ein bisschen mehr geschützt werden sollen, beispielsweise. Oder generell, wenn ihnen was nicht in den neoliberalen Kram passt. Aber sie hängen wie Kletten an dieser Stadt. Wir werden sie noch ein bisschen ertragen müssen.
TH
*Dieses Thema betreffend, nicht die Zahl der WB-Publikationen insgesamt.
Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

