„Bericht über die DIESEeG aus Sicht der Mieter*innen! Wenn der Markt und städtische Wohnungsbaugesellschaften versagen müssen sich die Bewohner*innen selber helfen!„, so steffen Doebert im Begleittext zum Abendschau-Ausschnitt (hier als Tweet).
Auf dem Hoffest der Gleditschstraße 39-43, die im Beitrag erwähnt wird, waren wir selbst und konnten uns einen Eindruck verschaffen. Wer immer dieses Ensemble erwirbt, wird seine Freude daran haben – am besten natürlich die Mieter*innen selbst. Dort haben wir auch Vertreter*innen von DIESEeG kennengelernt. Dass wir uns derzeit medial für DIESEeG einsetzen, ergibt sich jedoch aus einer Kausalkette, die vom Spekulationskapital selbst in Gang gesetzt wurde und unserer von Beginn an vertretenen Ansicht, dass alles getan werden muss, um Mieter*innen gegen diese Unwägbarkeiten und dieses Verhalten des Immobilienkapitals zu schützen. Wir sind der Meinung, man kann diese Kausalkette gar nicht klar genug in den Mittelpunkt der Überlegungen rücken, um darzustellen, warum es DIESEeG gibt.
Wir hören auch im RBB-Beitrag den Ablauf heraus, den wir mittlerweile gut kennen:
- „Investoren“ kaufen sich in voller Kenntnis der Umstände zu horrenden Preisen in Milieuschutzgebiete ein.
- Dennoch sind jene Investoren nicht bereit, sich dem Milieuschutz und damit in irgendeiner Form politischen Vorgaben und den Wünschen der ansässigen Bevölkerung kooperativ gegenüber zu zeigen und verweigern die Unterzeichnung von Abwendungserklärungen – in der Hoffnung, dass die Bezirke keine Möglichkeiten haben, dem etwas entgegenzusetzen.
- Organisieren die Bezirke diese Möglichkeit doch, indem sie die Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts in Aussicht stellen können, weil eine städtische Gesellschaft bereit ist, ein Gebäude zu übernehmen, unterzeichnen die Investoren die Abwendungsvereinbarungen, die an den sozialen Erhaltungssatzungen orientiert sind (Milieuschutz) meist doch. Also nur auf massiven Gegendruck, um es kurz zu fassen.
- Manchmal aber auch nicht. Dann kommt die städtische Gesellschaft zum Zug, die ihre Bereitschaft zur Übernahme erklärt hat.
- Aufgrund des anhaltenden, jede kaufmännische Logik sprengenden Preisauftriebs können aber „Städtische“ (bzw. in Berlin landeseigene Wohnungsgesellschaften) immer häufiger nicht mehr mithalten. Sie brauchen Senatszuschüsse, die sie nicht zurückzahlen müssen, um die Wirtschaftlichkeit darzustellen. Private haben es leichter, weil sie mit Mietpreisfantasie und Wertsteigerungsfantasie operieren können, wenn sie finanzieren.
- Die Senatszuschüsse sind der einzige Finanzierungsanteil „aus Steuergeldern“, der auch für DIESEeG in Rede steht. Daher ist die Anmoderation insofern problematisch: Die Häuser werden nicht, wie dort suggeriert wird, vollständig oder überwiegend aus Steuergeldern finanziert.
- Klappt es nun aber mit den Zuschüssen und dem, was die Städtischen selbst finanzieren können, nicht, was dann? Einfach die Investoren gewinnen lassen, weil sie in der Niedrigzinsphase mit billigem Bau- und Kaufgeld nur so zugeschüttet werden? Sie treiben ein zunehmend riskantes Spiel, das kann sich jeder denken, der wenigstens bis zu einer möglichen Marktkorrektur blickt.
- Sollen die am Mieterschutz orientierten Gegenspieler also dafür büßen, dass Städtische engere Finanzierungsvorgaben haben als Private? Wir meinen, das ist nicht der Fall.
- Keine Frage, dass das Modell DIESEeG nicht risikofrei ist, aber im Wesentlichen wird das Risiko von den Beteiligten getragen – den Finanzierungspartnern und den Mieter*innen selbst. Es ist deren Entscheidung, wie sie sich verhalten. Aktien haben in dieser Sache die Steuerzahler über die eben erwähnten Zuschüsse hinaus nur insofern, als sie am Ende durch ein Fallieren der Genossenschaft und die Unmöglichkeit einer adäquaten Verwertung der Häuser durch die finanzierenden Banken betroffen sein könnten – bisher zeichnet sich ein solcher Fall nicht ab, im Gegensatz zu dem, was Steuerzahler schon aufbringen mussten, um private Fails wie die Wirtschaftskrise 2008 auszubügeln.
- Kein einziges der beschriebenen Häuser sollte an einen dieser angeblich so zahlreichen netten kleinen Privatvermieter verkauft werden – alle gehen an Investoren, die sich hier teilweise nur in Form von Briefkastenfirmenzeigen. Diese sind an der ausgewogenen Entwicklung von Berlin und an den Menschen, deren Existenz durch den Verkauf der Häuser, in denen sie wohnen, massiv tangiert wird, nicht, wohl aber an maximal herauspressbarer Rendite und Spekulation interessiert. Nur einer von all diesen Investoren hat wenigstens seinen Sitz in Deutschland – und dieser ist laut RBB besonders bekannt für sein mieter*innenfeindliches Vorgehen.
Während der Abfassung dieses Beitrags hat sich Florian Schmidt, der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, im Wege einer Twitter-Unterhaltung selbst gemeldet und auf die aktuell heißlaufende Finanzierungsdiskussion reagiert, hier seine Anmerkungen dazu:

Dieser Tweet war eine Antwort auf den folgenden:

Weiterhin kam es zu einer davon getrennte Diskussion darüber, ob bei DIESEeG angenommen werden kann, dass sie dem Zweck der Vergesellschaftung dient, dazu diese Einlassung von Florian Schmidt:

Wir wären auch dafür und wir meinen auch, das könnte die Finanzierung wesentlich einfacher gestalten. Wenn hingegen von enormen Risiken geschrieben wird, wird völlig der Maßstab verkannt, in dem sie sieben oder acht Häuser im Vergleich zu dem befinden, was die Privatwirtschaft in dieser überhitzten Marktphase an Risiken aufbaut. Oder auch: Wir sehen in unserem Bezirk ständig neue Baugerüste, die garantiert nicht auf Vorkäufen beruhen, denn die wenigen Vorkaufsfall-Adressen sind bekannt. Außerdem sind die Wohnungen hinter den Baugerüsten oft leer.
Dass sich die Privatwirtschaft angesichts des geringen Kommunalisierungsumfangs überhaupt aufregt, ist ideologisch, nicht sachlich bedingt. Selbst in Kreuzberg wurden bisher laut Aussage von Baustadtrat Florian Schmidt nur 1,2 Prozent des gesamten Bestandes „rekommunalisiert“), inklusive dem umfangreichen Fall „Karl-Marx-Allee, Blöcke C, D“.
Dem bisher überschaubaren Einsatz von Steuergeldern für (Re-) Kommunalisierungszwecke stehen angesichts der heutigen Ungleichheit in Deutschland, die sogar vom IWF gerügt wird, absurde Steuerprivilegien für Großverdiener und -Vermögende gegenüber, insbesondere für die Immobilienwirtschaft. Die steuerliche Seite, nämlich, dass man fast alles steuerlich absetzen kann, was zur üblichen Bewirtschaftung eines Hauses gehört, wird freilich von den Privaten in der Diskussion gerne verschwiegen. Es war eine politische Entscheidung, es privaten Investoren so leicht wie möglich zu machen.
Weiterhin: Auch Private setzen oft, in Maßen anders als beim Eigenheimkauf (EK-Anteil von 10 bis 15 Prozent wird in der Regel akzeptiert, wir kennen Fälle, in denen nicht einmal dieser erbracht werden musste, trotz nicht sehr privilegierter und nicht sehr sicherer Jobs der Bauherren), sehr wenige oder gar keine Eigenmittel ein, um Anlageimmobilien zu erwerben. Die persönliche Bonität spielt dabei eine untergeordnete Rolle, denn diese Anlageimmobilien werden nicht mit dem Privatvermögen der Investoren besichert, die Sicherheit stellt vielmehr die Immobilie selbst dar, und sind meist in eigenständigen rechtlichen Einheiten untergebracht – auch, um das Haftungsrisiko für die Personen zu vermindern, die hinter dem Anleger, Bauträger oder Sanierer stehen.
Dies zur Solidität, die von einigen Verfechtern des privaten Mietenwahnsinns so stark hervorgehoben wird. Das Objekt zählt und ob es die Kosten für die Finanzierung erwirtschaften kann. Dabei gehen die Banken im Moment sehr weit, wie die ungesunden Relationen zwischen Kaufpreis und JKNM belegen. Man schreibt schlicht die derzeitige Situation in die fernere Zukunft fort und falls alles anders kommt, werden die Banken wieder einmal von den – sic! – Steuerzahler*innen gerettet werden müssen. Wer das für seriös hält, hat das typische neoliberale Verständnis vom Wirtschaften insgesamt. Gewinne werden privatisiert, Folgekosten von Fails des Gierkapitalismus sozialisiert. Gerade für Letzteres gibt es unzählige Beispiel, die nicht einmal an ein die Folgen einer Wirtschaftskrise gekoppelt sind.
Die Einwände, die im Bericht des RBB bezüglich einer plötzlichen Sanierung zu hören sind, halten wir für eher hypothetisch. So sind zum Beispiel die Häuser in der Gleditschstraße kürzlich saniert worden. Sicher wird bei einigen der Gebäude ein höherer Instandhaltungsbedarf als dort einzukalkulieren sein, aber dass plötzlich so große Schäden auftreten, dass die Häuser wegen Zahlungsunfähigkeit von DIESEeG verkauft werden müssen, weil die Genoss*innen die Reparaturen nicht zahlen können, halten wir eher für unwahrscheinlich. Wir glauben auch nicht, dass die Genoss*innen ihre Bleibe so vergammeln lassen, wie einige Privatvermieter das tun – wodurch das große „Aufwertungspotenzial“ bei Verkauf erst entsteht. Ob sich in 30 Jahren alles so entwickelt, wie es der Finanzierungsplan offenbar vorsieht, hängt von Umständen ab, denen sich auch die private Bauwirtschaft nicht entziehen kann, siehe oben: Sollte es zu Problemen durch externe Faktoren kommen, werden alle Marktteilnehmer betroffen sein.
Wenn wir die Zeichen in den sozialen Medien richtig deuten, werden wir in den nächsten Tagen noch mehr über DIESEeG schreiben. Unser Gesamteindruck ist, dass einige sehr idologisch orientierte Private DIESEeG einfach nicht als Teilnehmer am Markt akzeptieren wollen und dieser oder jener zusätzlich glaubt, er habe ein Hühnchen mit Florian Schmidt zu rupfen, weil dieser dazu beiträgt, dass Modelle wie DIESEeG umgesetzt werden können, um Mieter*innen zu helfen.
Bei manchen geht diese Ideologie noch weiter: Mieter*innen haben in dieser Stadt nichts zu melden. Dies, obwohl sie durch ihre Mieten erst dafür sorgen, dass die Vermieter sich überhaupt zu irgendetwas äußern können, sprich, dass es sie gibt. Dass sie so viel Einfluss auf die Politik haben, hat die Politik so eingerichtet.
Unsere neoliberale Ordnung hat aber die Relationen vollkommen verwischt: In Wien funktioniert ein wesentlich mehr am Gemeinwohl orientierter Wohnungsmarkt schon seit Langem wesentlich besser als in Ausverkauf-Berlin. In Schweden haben Mietervereine die Stellung von Gewerkschaften, die Mieten wie Tarifverträge aushandeln. Dadurch entsteht etwas wie eine ausgewogene Machtstellung. Ein Mieterstreikrecht wünschen wir uns für Berlin angesichts überzogener Mietforderungen auch manchmal. Die erwähnten Beispiele stammen nicht aus Planwirtschaften und fallen dadurch auf, dass die betreffenden Länder mehr prosperieren und – in Maßen – die Politik soziale Aspekte mehr berücksichtigt als in Deutschland.
Selbst in den erzkapitalistischen USA müssen Städte oder Regionen mittlerweile per Mietendeckel eingreifen, um die Gentrifizierung und Hypergentrifizierung zu bremsen. Bei uns so? Hier wird die massiv die Vermieter privilegierende derzeitige Ordnung von ebenjenen als gottgegebenes Recht angesehen.
Wir verstehen, dass gegen von dieser Seite gegen jede Veränderung zugunsten der Mieter*innen lobbyiert wird, welcher Renditejäger gibt schon gerne etwas ab?
Aber wir haben als Mieter*innen das Recht, diese Mietentreiberei a.) nicht gut zu finden und b.) Mieterschutzmaßnahmen zu begrüßen und uns für sie einzusetzen. Zu den Mieterschutzmaßnahmen zählen wir, Stand heute, auch DIESEeG.
Grundsätzlicher: Wir haben das Recht, Menschengemachtes als von Menschen veränderbar anzusehen, wenn die Situation es erfordert. Wer der Ansicht ist, die Situation erfordert nach zehn Jahren Mietenwahnsinn keine Eingriffe in den Markt, mit dem wollen und werden wir nicht übereinstimmen.
Nun noch eine Nachricht von diesem Wochenende, die dazu passt – es kommt offenbar ein achtes Haus hinzu, das in DIESEeG eintreten wird – mit der passenden Hausnummer 8 am Heckmannufer. Über diesen Vorgang haben wir hier bereits berichtet. Überrascht hat uns diese Nachricht nicht direkt, es ging lediglich darum, ob der ursprüngliche Käufer die Widerspruchsfrist nutzt oder nicht. Das war offensichtlich nicht der Fall und wir beglückwünschen alle Mieter*innen des Hauses und wünschen ihnen viel Erfolg mit DIESEeG.

TH
Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

