Im Banne des Unheimlichen (DE 1968) #Filmfest 152 #EdgarWallace

Filmfest 152 A „Special Edgar Wallace“ (28)

Aus dem Sarg dringt ein gar grauslich‘ Lachen, die Trauernden werden zu Erschauernden, die sich keine Illusionen machen 

2020-08-14 Filmfest ADie Handlung in einem Satz, ohne Auflösung: Die Trauerfeier für Sir Oliver, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, findet unter großer Anteilnahme treuer Gefährten und Wegbegleiter sowie seines Bruders Sir Cecil statt. Doch in der Kirche ertönt aus dem Sarg ein schauerliches Lachen und in der Folge sterben immer mehr Teilnehmer an der Trauerfeier durch ein nicht nachweisbares Gift, das durch eine in einen Ring integrierte Nadel ausgelöst wird. Inspektor Higgins und Sir Arthur von Scotland Yard ermitteln und eine hübsche Reporterin hat sich ebenfalls dem Serienmörder an die Fersen geheftet. Und wie hat uns der Film gefallen? Es steht in der -> Rezension.

Zur besonderen Gestaltung der Edgar Wallace-Rezensionen innerhalb der FilmAnthologie des Wahlberliners siehe die Kritik zu „Der Frosch mit der Maske“.

Produktionsnotizen

  • „Im Banne des Unheimlichen ist der 31. von 38 Nachkriegsfilmen über Stoffe des britischen Kriminalschriftstellers Edgar Wallace, die mit deutschen Schauspielern und deutschem Stab gefilmt wurden und mehrheitlich eine Produktion der dänischen bzw. dänisch-deutschen Rialto-Film von Preben Philipsen sind. „Im Banne des Unheimlichen“ ist der siebte Edgar Wallace-Film dieser Produktionsserie, über den wir für den Wahlberliner schreiben.
  • „Im Banne des Unheimlichen“ ist einer von vierzehn Filmen, die Alfred Vohrer als Regisseur zur Reihe beigesteuert hat. Seinen Arbeiten wird die Entstehung des speziellen Stils der deutschen Wallace-Filme von 1959 bis 1972 wesentlich zugeschrieben. Dieser Stil ist in „Im Banne des Unheimlichen wieder sehr präsent, der Film ist schnell und schnörkellos inszeniert und ordentlich effektvoll gemacht. Die Totenmaske des Rächers, der ein wenig ausschaut wie der Typ aus „V wie Vendetta“ diente in der Edgar Wallace-Parodie „Der Wixxer“ (Rezension beim Wahlberliner) als Vorlage für den dortigen Serienmörder.
  • Der Höhepunkt der Reihe war 1968 bereits überschritten und die Abkehr vom klassischen Schwarz-Weiß zu Farbfilm mag zwar für die Zeit logisch gewesen sein, aber er markiert auch das Ende des großen Erfolges. Seit „Der Hexer“ (2,6 Millionen Kinobesucher, Produktionsjahr 1964) hatte kein Edgar Wallace-Film mehr einen annähernd gleich großen Erfolg. „Im Banne des Unheimlichen“ war mit 1,8 Millionen Kinogängern geradezu ein spätes Highlight, denn die Filme 32 bis 38 hatten mit noch geringeren Besucherzahlen zu kämpfen. Fairerweise muss man sagen, dass das Fernsehen damals dem Kino sehr zusetzte und die Lust am Filme auf der großen Leinwand gucken stark rückläufig war. Trotzdem ist ein mit den Filmen selbst zusammenhängender Verschleiß nach so vielen Wallace-Filmen unübersehbar – mag er in der Qualität der Werke begründet sein oder darin, dass das Publikum der Gruselschocker einfach müde war. Den Rekord der gesamten Reihe hält „Das Gasthaus an der Themse“ aus dem Jahr 1962 mit 3,6 Millionen Kinokarten vor „Das Geheimnis der gelben Narzissen“ aus dem Vorjahr, der 3,5 Millionen Interessierte fand.
  • Der Film, frei nach dem gleichnamigen Roman (Originaltitel: The Hand of Power) von Edgar Wallace, wurde vom 29. Januar bis 13. März 1968 in West-Berlin und London unter der Regie von Alfred Vohrer Die Uraufführung des von Rialto Film produzierten Films fand am 26. April 1968 in Bremen (Ufa-Theater), Oberhausen (Europa Kino) und Saarbrücken (Passage Kino) statt.
  • Das Drehbuch stammt von Ladislas Fodor und Paul Hengge. Letzterer war ein renommierter Hörspielautor, während Fodor bereits Wallace-Erfahrung mit den weniger erfolgreichen CCC-Filmen gesammelt hatte (1) (2).
  • Während der Dreharbeiten trug der Film noch den Arbeitstitel „Der Unheimliche“.
  • Abermals diente die Berliner Pfaueninsel als Kulisse für einen Edgar-Wallace-Film. Die Innenaufnahmen fanden in den Ateliers der CCC-Film im Berliner Bezirk Spandau statt. Weitere Aufnahmen entstanden in London. Das 1967 bezogene und heute noch genutzte Gebäude des New Scotland Yard war erstmals in einem Film der Wallace-Reihe zu sehen.
  • Nach einer Gastrolle in „Der Bucklige von Soho“ (1966) gab Hubert von Meyerinck sein Debüt als Scotland-Yard-Chef Sir Arthur. Als dieser im Film von der Sekretärin Miss Finley (Ilse Pagé) versehentlich mit dem Namen seines Vorgängers Sir John angeredet wird, reagiert er wütend mit dem Hinweis, dass dieser sich in verdienter Pension befände. Tatsächlich war der damals 71-jährige Meyerinck vier Jahre älter als sein Vorgänger Siegfried Schürenberg, der 1971 noch einmal die Rolle des Sir John übernahm. In „Neues vom Hexer“ hatte er bereits eine kleinere Rolle als Richter inne.
  • Regisseur Alfred Vohrer synchronisierte die Stimme des „Unheimlichen“. Regieassistentin Eva Ebner ist in einer kleinen Rolle als Sekretärin zu sehen.
  • Der Filmsong „The Space of Today“ (Musik: Peter Thomas, Text: Lothar Meid) wird von Lill Lindfors gesungen. Im Duett mit Svante Thuresson hatte sie beim Eurovision Song Contest 1966 für Schweden mit dem Titel „Nygammal vals“ den zweiten Platz belegt.
  • Die ebenfalls aus Schweden stammende Hauptdarstellerin Siw Mattson wurde von Helga Trümper synchronisiert.
  • Der Film wurde von der FSK ohne Kürzungsauflagen ab 16 Jahren freigegeben. 1991 folgte die Freigabe ab 12 Jahren.

Ausführlichere Handlungsbeschreibung (mit Auflösung, Quelle (1))

Sir Oliver Ramsey kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Als er bei seiner Trauerfeier zu Grabe getragen wird, tönt ein lautes, unheimliches Lachen aus dem Sarg. Sir Cecil, der Bruder des Verstorbenen, glaubt nicht, dass sein Bruder wirklich tot ist. Als eines Abends der Familienanwalt Dr. Merryl mit einem giftigen Skorpionring ermordet wird, hält Sir Cecil seinen toten Bruder für den Mörder. Außerdem will er nachts vor dem Fenster ein Skelett gesehen haben. Als noch weitere mysteriöse Morde geschehen, die der Unbekannte mit einem vergifteten Ring verübt, machen Inspektor Higgins und die Journalistin Peggy Ward auf die Suche nach der „lachenden Leiche“ erstaunliche Entdeckungen im Privatleben des Verstorbenen.

Sir Cecil muss zusehen, wie die lachende Leiche die Nachtclubsängerin Sabrina ermordet. Peggy besorgt sich ein einzigartiges Buch über seltene Gifte und wird dann nur knapp von Inspektor Higgins gerettet. Sie sucht ihr gestohlenes Buch bei einem Professor Bound, der überraschenderweise eine Frau ist. Der Überbringer des Buches Bannister wird ebenfalls ermordet.

Higgins findet in Sabrinas Garderobe das Bild ihres Verlobten, eines Flugkapitäns, der zusammen mit Sir Oliver beim Flugzeugabsturz umkam. Sabrina war bis kurz davor Stewardess. Dann entdeckt er in Sabrinas Wohnung eine Schallplatte, auf der das furchtbare Lachen zu hören ist. Um die Beteiligten zu testen, spielt er unangekündigt die Platte während des Gottesdienstes, und der ohnehin verängstigte Sir Cecil erleidet einen Anfall und kommt in die Klinik von Dr. Brand.

Bald darauf wird auch Dr. Brand vergiftet und Peggy während ihren Nachforschungen entführt. Inspektor Higgins entdeckt inzwischen, dass der Sarg Sir Olivers nicht mehr in der Familiengruft ist. Er will den Steinmetz Ramiro ausfragen, doch die Krankenschwester Adela, die mit Sir Oliver ein Verhältnis hatte, liefert Ramiro in die Klinik ein, wo er umkommt.

Im Bestattungsinstitut findet Higgins Peggy und den verschwundenen Sarg Sir Olivers. Higgins und Peggy stellen fest, dass das Skelett im Sarg nicht Sir Oliver sein kann, da es keine Anzeichen von Sir Olivers Hüftleiden hat.

Sir Cecil ist inzwischen aus dem Krankenhaus geflohen und wird bald darauf von dem Unheimlichen ermordet. Higgins kann ihn verfolgen. Die Fahrt endet in der Familiengruft. Dort kann Higgins den Unheimlichen überwältigen, unter dessen Maske sich der noch immer lebende Ramiro alias Sir Oliver verbirgt. Dieser war dem Flugzeugabsturz, den Sir Cecil mit einer Bombe herbeigeführt hatte, dank der damaligen Stewardess Sabrina entgangen und hatte sich an Cecil und seinen Helfern gerächt. Zuletzt kommt Sir Oliver um, und seine Komplizin Adela nimmt sich selbst das Leben. 

Rezension

In der Kritik zu „Neues vom Hexer“ schrieben wir, dass wir die Abwesenheit von Joachim Fuchsberger als Inspektor Higgins (der in diesem Film Flitterwochen machte) dem Film geholfen hat, britischer und cooler zu wirken. Nebst einem Inszenierungsstil, der offenbar auch Will Tremper zu verdanken ist, der aufgrund einer Erkrankung von Alfred Vohrer teilweise die Regie übernommen hatte (Will Tremper beim Wahlberliner: „Playgirl“ (1966) und „Die unendliche Nacht“ (1961)).

Dass wir „Im Banne des Unheimlichen“ ohne komplizierte Ausleiherei in die Rezensionsserie aufnehmen konnten, liegt aber gerade an Joachim Fuchsberg, nämlich an seinem kürzlichen Ableben (September 2014, nach den bisherigen Wallace-Rezensionen). Das bringt uns in einen gewissen Zwiespalt, denn wir schrieben, dass Fuchsberger eben sehr deutsch in seiner Art wirkt, was unter anderem eine Chiffre dafür sein sollte, dass er den Briten-Touch nicht hinbekommt, den ein in England spielender Film ruhig haben darf. In unserer kürzlich geschriebenen Kritik zu „Lange Beine, lange Finger“ waren wir der Ansicht, dass vor allem dann Probleme entstehen, wenn auch noch britischer Humor verlangt wird. Denn bei aller Beliebtheit, ein Humormensch war Fuchsberger nicht und da seine Schauspielkunst auf Typen beschräntk war, die nahe an seinem eigenen Charakter lagen, konnte man im dem Fall auch von einer Fehlbesetzung sprechen.

Nun ist 1968 aber Fuchsberger wieder zurück, zeitgemäß mit etwas längeren Haaren und mehr Koteletten, und spielt erneut den Inspektor Higgins. Von der Vorzimmerdame seines Vorgesetzten, der jetzt Sir Arthur heißt, wird er liebevoll „Higgi“ genannt. Eine direkte James Bond-Anspielung gibt es aber in diesem Wallace-Film nicht mehr, während „Der Hexer“, der nur zwei Jahre nach dem Start von 007 gedreht wurde, Bond bereits persiflierte. Das funktionierte auch mit Fuchsberger recht gut, aber nicht wegen ihm. Gleichzeitig wurde Sir John, den Siegried Schürenberg in „Neues vom Hexer“ wirklich wunderbar ausentwickelt zeigen durfte, durch Sir Arthur ersetzt, und den stellt Hubert von Meyerinck dar. So sehr wir Meyerinck schätzen, denn er hatte wirklich komödiantisches Talent,  kommt auch er als Preußen-Offizier bzw. als dessen Parodie besser zur Geltung, als wenn er einen hochgestellten Beamten von Scotland Yard spielt. Der Film bedient sich des Vergleiches mit Schürenberg sogar ironisch, indem Meyerinck immer genervt ist, wenn jemand absichtlich oder unabsichtlich seinen Vorgänger erwähnt. Bereits on Meyerincks charakteristische, schneidig-flach wirkende Stimme lässt ihn ganz aus dem Britenmuster fallen, hinzu kommen seine Optik und sein Auftritt, die nun einmal klassisch preußisch wirken wie bei kaum einem anderen Schauspieler (er wurde tatsächlich in Potsdam geboren).

Damit ist auch die Britishness, die wir in „Neues vom Hexer“ konstatiert hatten, wieder weitgehend verschwunden. Da hilft es nicht viel, dass es einige Aufnahmen gibt, die wirklich in London gedreht wurden. Kurz darauf sieht man dann zu viele Autos mit Linkslenkung, sogar der im Film verwendete Rolls Royce Phantom von Sir Cecil, vermutlich Artur Brauners Privatfahrzeug, hat das Steuer auf der falschen Seite. Bei einigen Fahrzeugen stimmt es aber auch mit der Rechtslenkung, was besonders verwirrend – oder schlampig oder dem Budgetlimit geschuldet – rüberkommt.

Die Rolle, die in „Neues vom Hexer“ der Privatermittler Wesby innehatte, übernimmt in „Im Banne des Unheimlichen“ eine Frau, die Journalistin Peggy Ward. Was für Inspektor Higgins den Vorteil hat, dass er sie vor dem Unheimlichen retten und per Mundbeatmung wieder ins Licht holen darf. Seine Verlobte, die er in „Der Hexer“ gefunden hatte, ist offenbar über Bord gegangen. Das allerdings kann man höchstens dem Drehbuch ankreiden. Es ist aber üblich, dass Ermittler sozusagen immer wieder von vorne anfangen, denn daraus beziehen die Filme ein weiteres Spannungs- und Identifikationsmoment (sehr gut anhand der Tatort-Reihe zu beschreiben, die wir für den Wahlberliner als „TatortAnthologie“ bearbeiten).

Der Polizeiapparat hat dieses Mal alles in der Hand, der jungen weiblichen Spürnase zum Trotz. Sir John ist sogar häufig mit vor Ort, was für einen Kriminalrat, auf dessen Stufe er in etwa stehen müsste, ungewöhnlich ist. Higgins wird sehr in den Mittelpunkt gestellt, aber gerade dadurch fällt auf, dass er dem Mörder ganz schön lange hinterherlaufen muss, bis dieser endlich zu fassen ist. Schwamm drüber, sonst gäb’s ja keine rasante Handlung, die 90 Minuten ohne Zaudern durchhält. Auch die bei Wallace immer krude Logik ist im Film nicht zerschnitten, wie der Rächer sich verhält, ist meistens plausibel, unter der Prämisse, dass es solche Rächerfiguren überhaupt gibt. Dass er allerdings ein Buch über ein bestimmtes Gift klauen will, das Peggy gerade der Stadtbibliothek entliehen hat, wirkt unter der Maßgabe kurios, dass er ja zuvor schon Menschen mit diesem nicht nachweisbaren Gift umgebracht hat, wozu braucht er dann noch das Buch zum Gift? Um Peggy zu bedrängen, damit sie von Higgi gerettet werden kann. So einfach ist das manchmal, weshalb wir davon ausgehen, dass hier einige Abweichungen zur Buchvorlage zu finden sind. Vermutlich gibt es dort gemäß den Usancen von 1927, als „The Hand of Power“ entstand, keine derart aktive Rolle spielt wie „Peggy Ward“.

Verschwunden sind viele beliebte Stars der Serie. Es gibt keine der Ufa-Damen mehr zu bewundern, die in den Wallace-Filmen der ersten Jahre Altersrollen gespielt haben (Brigitte Horney, Lil Dagover, Elisabeth Flickenschildt, Marianne Hoppe), es gibt auch keinen Eddi Arent oder Klaus Kinski, die den frühen Wallaces so viel Flair verliehen haben. Dieser Mangel macht sich durchaus bemerkbar, zumal Wolfgang Kieling (Sir Cecil) oder Siegfried Rauch (Dr. Brand) damals noch keinen Klassiker waren, deren Auftritt allein für Spannung gesorgt und die Wallace-Marke hätten schillern lassen können. Die Decke an erstklassigem Personal ist insgesamt dünner als bei den Highlights der Reihe.

Dafür gibt es wieder ein Schloss mit allerlei Winkeln als Setting, besonders aber mit einer Gruft, in der die Lords des Geschlechts derer von Ramsey begraben sind. Dort fertigt Steinmetz Ramiro, auf den wir gleich zu sprechen kommen, schon mal eine Grabinschrift für Sir Cecil an, der noch gar nicht tot ist. Da alles in Farbe gedreht ist, kommt das Düstere und Expressionistische, das manche Schlossszenen früherer Wallace-Filme haben, nicht ganz zum Tragen.

Dieser Ramiro, der sich am Ende als der nicht tote Sir Oliver herausstellt, ist ein echter Sonderfall, sogar innerhalb der an speziellen Charakteren reichen Edgar Wallace-Reihe. Ein ganz und gar grüngesichtiger Mensch, der einen französischen Akzent hat und am Schluss ziemlich schnodderig als Kreolen-Imitant ausgegeben wird. Das heißt, er müsst eein Nachfahre französischer Einwanderer in den Südstaaten der USA sein. Dann hätte er aber keinen französischen Akzent, sondern einen amerikanischen, und dass die Leute alle grün im Gesicht sind, war uns nicht bekannt. Der Witz ist, es gibt einen Hint auf ihn als Täter: Nicht von Beginn an, sondern im Lauf der Zeit deutlicher wird der Typ, der sich mit einer Skelett-Verkleidung auf Rache-Tour macht, in grünlicher Farbe gezeigt. Seine Ummantelung und der „spanische Hut“ bleiben schwarz, aber das anfangs leuchtend weiße Skelett färbt sich mehr und mehr grün.

Da steckt schon viel Selbstironie und Parodie drin, sodass es gar nicht einfach ist, darauf noch einmal eine Parodie zu setzen, wie es 2004 in „Der Wixxer“ geschah, der sich inhaltlich an mehrere Wallace-Filme anlehnt und sich als Mörderfigur diesen Skelettmann ausleiht.

Die Auflösung hat dadurch aber trotzdem etwas Unbefriedigendes, weil sie mehr hingeschmissen als liebevoll inszeniert wirkt. Auch eine Parodie muss gewisse Grundlagen haben, und die findet man in diesem Film nur in Ansätzen. Allerdings kommt es bei Wallace-Filmen nicht selten vor, dass die vorgehende Inszenierung mehr Witz bei der Enttarnung des Verbrechers erwarten lässt, als wir dann sehen dürfen. Da gibt es auch einen Unterschied zu den Top-Autoren und –autorinnen der englischen Schule, die es meisterhaft verstanden haben, einen der Verdächtigen am Ende als Mörder zu präsentieren: So, dass es überraschend wirkt, aber nicht an den Haaren herbeigezogen.

Fraglos ist „Im Banne des Unheimlichen“ moderner als die früheren Filme der Reihe, nicht nur wegen seiner Eigenschaft als Farbfilm, aber es gibt gerade in dem Bereich Schnitzer, die schon recht derb sind. Zum Beispiel wird von außen das damals ganz neue Gebäude von „New Scotland Yard“ gezeigt, aber das Interieur wirkt noch ebenso traditionell wie in den vorherigen Filmen. Auch wenn jedem halbwegs filmversierten Menschen klar ist, dass man nicht wirklich das Innenleben des Scotland Yard ablichten konnte und Außen- und Innenkulissen oft nicht identisch sind, hätte man auch in Berlin Büros nehmen können, die zumindest als das Innere dieses Gebäudes denkbar sind.

Die Handlung folgt zwar üblichen Mustern, aber spannend war für uns auch, dem Gefühl nachzuspüren, wieviel vom Nostalgie-Gruselfaktor der frühen Wallaces trotz der Modernisierung in diesem Film erhalten bleibt, den wir jetzt zum ersten Mal gesehen haben. Doch, da ist noch etwas, weil uns die wie immer effektvolle Regie von Alfred Vohrer und die Musik des kongenialen Peter Thomas erhalten geblieben sind. Diese wirkt mit gesungenem Titel auf Englisch durchaus wieder an Bond angepasst, zeigt aber keinen animierten Vorspann sondern es spricht Edgar Wallace und dann fallen die Schüsse, die auf dem Bildschirm Blutflecke verursachen und in welche die Lettern „Edgar Wallace“ sozusagen hineingeschossen oder –gestanzt werden.  Die Musik wirkt für 1968 wirkt für sich genommen immer noch exorbitant, war aber nicht mehr der Zeit voraus,  zumal man damals mehr in Richtung Pop als Filmmusik tendierte. Von heute betrachtet, war das ein Zwischenstadium. Wir finden es aber gut, dass es einige Faktoren gibt, die auch diesem späten Wallace geblieben sind. So viel hat man gar nicht falsch gemacht, Vohrer hat sich, im Gegenteil, sogar perfektioniert, Schnitt und Szenengestaltung sind beinahe tadellos – aber es gibt Abstriche, und die liegen für uns weniger in der Farbe oder dem doch mittlerweile sehr bekannten Handlungsmuster als in der Besetzung. 

Typische Merkmale von Edgar Wallace-Filmen gemäß Wikipedia (kursiv) und unsere Anmerkungen zum jeweiligen Film:

  • Regie: Kein Regisseur hat den Stil der Edgar-Wallace-Filme mehr beeinflusst als Alfred Vohrer. Der erfahrene Synchronregisseur inszenierte 14 Filme der Serie, darunter Klassiker wie Die toten Augen von London, Das Gasthaus an der Themse und Der Hexer. Die leicht übertriebene Schauspielführung und die pointierte Schnitt- und Zoomtechnik sind für praktisch alle Film- und Fernseharbeiten Vohrers typisch.
    • Der Stil von Vohrer ist etwas weicher und flüssiger geworden, aber da ist noch genug Wallace-Feeling drin, um zu erkennen, in welch langer Reihe erfolgreicher Filme „Im Banne des Unbekannten“ steht. Die totale Ironisierung von „Der Hexer“ hat man aber herausgenommen, ebenso wie die Sachlichkeit, die in „Neues vom Hexer“ zu bemerken ist. In gewisser Weise ist der Stil von „Im Banne des Unheimlichen retrospektiv, Farbe hin oder her.
    • Die Stilisierung der Täterfiguren hat mit dem Skelett mit dem Umhang aber eine neue Dimension erreicht. Wenn man bedenkt, wie simpel der Frosch und Konsorten maskiert waren, ist das hier richtig Highbrow – und wirkt dennoch nicht besser. Schwer zu sagen, woran es liegt – vielleicht, weil ein Skelett zu plain ist, zu offensichtlich, zu wenig originell. Ein Zombie als Mörder, das ist ja klar, aber ein Frosch als Anführer einer Diebesbande, das hat per se Unterhaltungswert.
    • Spannend ist der Film, da gibt es nichts zu meckern. Wir müssen allerdings immer im Blick behalten, dass wir ebenso, wie wir Bücher anders lesen, auch Filme anders sehen als viele Zuschauer: Wir fahnden nach Gemeinsamkeiten mit anderen Werken der Reihe, nach Unterschieden, nach Entwicklungslinien, nach Neuem und Bewährtem und das gewährt eine gewisse positiv unterlegte Aufmerksamkeit und auch eine gewisse Erfüllung selbst dann, wenn die Handlung nicht der Brüller ist. Sie ist aber, bis auf ihre Macken, okay.
  • Darsteller: Die Besetzung mit bewährten Schauspielern in ähnlichen Rollen war typisch für die Edgar-Wallace-Verfilmungen. Zu den meist reifen und besonnenen Ermittlern zählten Joachim Fuchsberger (13 Filme), Heinz Drache (acht Filme), Siegfried Lowitz (vier Filme), Harald Leipnitz (drei Filme) oder Klausjürgen Wussow (zwei Filme). In den weiblichen Hauptrollen waren meist attraktive, junge Schauspielerinnen wie Karin Dor (fünf Filme) (…) zu sehen. (…) Komische Rollen übernahmen Eddi Arent (23 Filme), Siegfried Schürenberg (16 Filme) und Hubert von Meyerinck (vier Filme) (…).
    • Außer Joachim Fuchsberger und Hubert von Meyerinck spielen hier keine Darsteller mit, die mehrfach in der Reihe zum Einsatz kamen oder gar als typische Wallace-Schauspieler gelten. Das trägt natürlich dazu bei, dass man den Film als nicht mehr ganz so typisch empfindet.
  • Titel: Die Filmtitel, die meist den Romantiteln entsprachen, sollten beim Publikum eindeutige Assoziationen mit dem Genre des Edgar-Wallace-Films hervorrufen. So verbarg sich hinter vielen Titeln ein eindeutiger Hinweis auf den Hauptverbrecher des Films (Der grüne Bogenschütze, Der Zinker, Der Mönch mit der Peitschea.).
    • In dieser Tradition steht „Im Banne des Unheimlichen“ nur bedingt. Denn so exorbitant spezifisch wie ein Mönch mit Peitsche ist das oder der Unheimliche sicher nicht. Viele Filme könnten so heißen, selbst außerhalb des Genres und ganz sicher außerhalb der Wallace-Reihe.
  • Handlung: Die Handlungselemente der Edgar-Wallace-Filme waren ähnlich angelegt. So drehte sich das Geschehen vordergründig um einen meist fantasievoll maskierten Hauptverbrecher. Im Gegensatz zum Psychothriller war hierbei das Entlarven des bis zum Finale unbekannten Verbrechers entscheidend (Whodunit). Die Motive der Verbrecherfiguren waren meist Habgier, Rache, Erbschleicherei sowie Mädchen- und Drogenhandel.
    • In diesem Fall ist das Rachemotiv gegeben, die fantasievolle Maskierung haben wir bereits erwähnt. Ein wenig spielt noch Geld eine Rolle, außerdem war der Hinweis auf den Täter etwas deutlicher als in einigen anderen Filmen der Reihe.
  • Handlungsorte: Der (hauptsächliche, A. d. Verf.) Handlungsort war, wie in den Romanvorlagen, fast immer London und Umgebung, wobei sich die Akteure vorwiegend in alten Schlössern, Herrenhäusern oder Villen bewegten. Auch verruchte Nachtlokale, düstere Blindenheime, Irrenanstalten und finstere Kellergewölbe waren beliebte Haupt- und Nebenschauplätze der Handlung. In späteren Filmen kamen Mädchenheime und -pensionate hinzu. Die tatsächlichen Drehorte befanden sich aufgrund geringerer Produktionskosten jedoch selten in Großbritannien sondern in Deutschland. So dienten vor allem Straßen in Berlin und Hamburg. (…) Als Kulisse für London-Szenen. Für die nötige Authentizität in den Filmen sorgten oft allein Archivaufnahmen Londons, die man in die Filme einfügte.
    • Es gibt dieses Mal Londoner Original-Szenen, in denen auch wirklich Figuren des Films zu sehen sind (Higgins und Peggy Ward), und die wird man nicht von einem anderen Film übernommen haben. Wir haben genau hingeschaut und denken, sie sind wirklich on Location gedreht. Zu den übrigen Drehorten siehe bei den Fakten.
  • Vorspann: Die meisten Edgar-Wallace-Filme begannen mit einem spektakulär in Szene gesetzten Mord. Dann folgte der Vorspann des Films, der ab 1961 (bis auf zwei Ausnahmen) farbig gestaltet war (der Rest des Films war Schwarzweiß). Schon die Gestaltung der Namensnennung mit blutroten oder giftgrünen Buchstaben sollte einen spannenden Film ankündigen. Um der Serie einen noch höheren Wiedererkennungswert zu verleihen, wurde der Vorspann der Wallace-Filme ab 1962 mit aus dem Off erklingenden Schüssen und dem Satz „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“ eröffnet. Dieser Satz wurde in einigen Fällen von Regisseur Alfred Vohrer
    • Alles dies erfüllt „Im Banne des Unheimlichen“, hinzu treten die Schüsse, die das Auftauchen jedes Buchstabens von „Edgar Wallace“ untermalen. Hinzu tritt das in Englisch gesungene Titellied, das in einem Film wie diesem, obwohl er ja in England spielt, eigenwillig erscheint.
  • Musik: Besonders prägnant gerieten auch die Soundtracks der Filme, vor allem die oft reißerische und eingängige Titelmusik. Die Musik von insgesamt 18 Filmen der Serie stammt von Peter Thomas, der mit seinen phantasiereichen Arrangements und modernen Aufnahmetechniken der markanteste und dominanteste Komponist der Serie war. Während die Soundtracks von Martin Böttcher (fünf Filme), Willy Mattes (zwei Filme) oder Peter Sandloff (ein Film) eher aus zeitlosem Orchestersound mit Easy-Listening-Charakter bestanden, griffen Heinz Funk (drei Filme) und Oskar Sala (ein Film) auch auf neue Techniken der elektronischen Musik und experimentelle Kompositionen zurück.
    • Hier passen Inszenierung uns sehr stark untermalende, variantenreiche Musik wieder gut zusammen, wenn auch die Ironisierung nicht zu überhören ist und sich in einer gewissen Überbetonung äußert, die nicht dem Zeitstil der späten 1960er, wohl aber der Inszenierung entspricht. Man kann hier wieder sagen, Vohrer und Thomas sind ein kongeniales Team.

Finale

Langsam, aber stetig entfernt sich die Reihe von ihren Anfängen, vor allem müssen wir Abschied von vielen beliebten Gesichtern nehmen (was nicht heißen soll, dass einige von ihnen in späteren Filmen der Reihe nicht wieder auftreten).

Die Modernisierung ist ebenso unverkennbar wie das Bemühen, eine gute Balance zwischen ebendieser und den klassischen Schauwerten der Wallace-Reihe zu finden. Man merkt doch, dass das inspirierteste aller Wallace-Teams diesen Film gemacht hat, wenngleich er innerhalb von dessen Werk keinen Höhepunkt darstellt. 

Wieder einmal kommt ein Tonbandgerät zum Einsatz, dieses Mal schon als halbe Miniversion, wieder wird viel Effekt mit Sound und Nebel erzeugt und man wird vom Verlauf des Films nicht enttäuscht, wenn man Wallace erwartet, denn da ist wirklich Wallace drin. Leider ist das Ende etwas gehudelt. Anstatt, dass man den Täter so grünlich gemacht hat, hätte man ihn unauffälliger gestalten, dafür aber mit mehr Spielzeit versehen können. 

Zu den wichtigen Werken innerhalb der Reihe zählt der Film dann, wenn man sich anschauen möchte, wie es nach der „klassischen“ Schwarz-Weiß-Phase weiterging und sich dabei einen Film herauspicken will, der noch einiges aus dieser glorreichen Ära recht geschickt in die späten 1960er rettet. Dass dem Stil mittlerweile der Novitätswert fehlt, dafür kann der Film nichts, aber wenn man sich nur Topfilme der Reihe ansehen möchte, dann raten wir eher zu „Der Hexer“, wenn’s humorvoll sein soll, oder zu den ganz frühen Werken, die sich selbst noch ziemlich ernst nehmen.

Anmerkung 2020 anlässlich der Veröffentlichung der Rezension auf dem Filmfest

Bei dieser Rezension haben wir das besondere Wallace-Schema eingehalten, obwohl der Film nach der „klassischen Phase“ entstanden ist, deren Ende wir mit 1965 festgelegt haben. Der Grund ist, sie entstand bereits 2014 im Zusammenhang mit den Besprechungen vieler älterer Filme der Reihe. Inhaltlich lässt sich sagen: Die Suche nach dem Britischen in den deutschen Wallace-Filmen relativiert sich noch einmal, wenn man die echten britischen Filme im deutschen Verleih der Constantin gesehen hat, die es ebenfalls gibt bzw. die der Reihe zugerechnet werden und die vor allem in den Jahren 1963 bis 1966 entstanden sind. Sie haben einen deutlich anderen Ton – was die gesamte Reihe jedenfalls abwechslungsreicher macht, wenn auch nicht unbedingt besser, denn das Kultige ist ja das Schräge und Übersteigerte gerade bei Vohrers Werken.

64/100 

© 2020 (Entwurf 2014) Der Wahlberliner, Thomas Hocke

  1. Fodor war auch Drehbuchautor einiger Mabuse-Filme, die nicht mehr von Fritz Lang inszeniert wurden, kannte sich also im Milieu der Sonderverbrecher schon gut aus, als er 1968 für „Im Banne des Unheimlichen“ schrieb.    
  2. Die CCC des berühmten Produzenten Artur Brauner hatte das Pech, weder an den Wallace-Filmen noch an der Karl May-Serie beteiligt und Rechte-Inhaber zu sein. Brauner entschloss sich, in das erfolgreiche Business mit der Verfilmung von Romanen von Bryan Edgar Wallace, dem Sohn von Edgar Wallace. Diese Filme sind eindeutig nachrangig gegenüber den „echten“ Wallaces und zogen weit weniger Zuschauer in ihren Bann. Allerdings ist Brauners CCC dann doch an vielen der „richtigen“ Wallaces beteiligt gewesen – produktionsseitig. So auch an „Im Banne des Unheimlichen“, für den sie ihre Studios in Berlin zur Verfügung gestellt hat.  
Regie Alfred Vohrer
Drehbuch Ladislas Fodor,
bearbeitet von Paul Hengge
Produktion Rialto Film
(Horst Wendlandt,
Preben Philipsen)
Musik Peter Thomas
Kamera Karl Löb
Schnitt Jutta Hering
Besetzung

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