Nur vier Tatortpremieren liegen zwischen dem letzten Münster-Krimi „Limbus“ und „Es lebe der König!“. Die Nr. 1143 wurde vom Publikum überwiegend gut aufgenommen (aktuell Rang 273 von 1161 in der Gesamtrangliste des Tatort-Fundus).
Sicher wurde die Premieren-Reihenfolge mittlerweile geändert, weil neue Tatorte durch Corona teilweise nicht planmäßig fertiggestellt werden konnten. Ich habe vor zwei Jahren einen Burgkrimi mit satirischem Unterton veröffentlicht, aber das war eine Kurzgeschichte und bot bei weitem nicht so viel Raum für alles, was Münster ausmacht, wie ein 90-Minuten-Tatort:
„Kommissar Thiel (Axel Prahl), neuerdings mit Bart, und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) toben sich in ihrem 38. Tatort-Einsatz „Es lebe der König!“ auf einer alten Ritterburg am Rande Münsters aus: Der senile Schlossherr ertrank im Burggraben – und zwar unter höchst verdächtigen Umständen.
Dass der mittelalterliche Schauplatz der Kriminalstory eine ideale Kulisse für bunten Unfug und wilde Sprücheklopferei zwischen den zwei kauzigen Ermittlern bietet, liegt auf der Hand. Inwiefern jedoch die Mitglieder der Familie, die auf der „Radtkeburg“ lebt, mehr über den Tod ihres Königs Manfred wissen, das bleibt zunächst ein undurchsichtiges Rätsel„, schreibt die Redaktion von Tatort Fans. Die Ernüchterung folgt auf dem Fuß: Ein Redaktionsmitglied vergibt einen von fünf Sternen, das andere zwei: Nur Gags, die dazu offenbar noch recht platt geraten sind, reichen selbst bei einem Münster-Tatort nicht aus, um eine unglaubwürdige und schlecht getaktete Handlung auszugleichen. Ich denke gerade an die Tiefphase der Münsteraner mit „Das Wunder von Wollbeck“ und einigen anderen Filmen drumherum, das ist jetzt ein paar Jahre her. Damals hatte ich vor allem den Eindruck, die Münster-Efinder Cantz & Hinter haben sich selbst langsam auserzählt, es war daher richtig von ihnen, andere Kreativkräfte mehr ranzulassen – aber sie haben das Drehbuch für „Es lebe der König!“ nicht verfasst. Bei einer so schlechten Stimmung bei den Tatort Fans („Jetzt gehe ich weinen“), ist es erforderlich, weitere Stimmen zu Wort kommen zu lassen.
„Die Kulisse, so eine richtige Ritterburg, ist natürlich toll, die Geschichte dafür ein bisschen sehr dünn, um nicht zu sagen, eher langweilig. Darüber täuschen auch nicht Boernes Tanzeinlage in Rüstung oder Aufnahmen von seltsamen Sexspielen in Vogelkostümen hinweg. Das wirkt auf mich eher wie eine Slapstickzwangsverordnung. Hallo, wir sind der Tatort aus Münster, wir müssen, komme was wolle, lustig sein.“ Das ist die Meinung von Brigitte Egelhaaf vom SWR3-Tatortcheck. Obwohl die Rezension sich recht negativ liest, hängen am Ende drei Elchgeweihe von fünf möglichen an der Wand. Wie das? Vermutlich, damit aufgebrachte Münster-Fans keine Morddrohungen absetzen, das käme schon deshalb nicht gut, weil sich hier im Team eines ARD-Senders über das Produkt eines anderen geäußert wird. Die Menschen sind ja alle noch empfindlicher geworden, in den letzten Monaten. Vielleicht ist es auch ganz anders und mindestens ein Solidaritäts-Elch ist dabei: Nur Mut, beim nächsten Mal wird alles (wieder) besser!
„Wir wollen Blut sehen!“, titelt Christian Buß im Spiegel, das scheint wohl das Motto eines Films mit „Gewaltexzessen“ zu sein, der aber ansonsten zu bieder sei. „Religion, Wahn, Exzess – da wäre mehr gegangen. Und wenn es nur ein wenig Splatter-Slapstick im »Kokosnuss«-Stil gewesen wäre“, meint Buss. „Die Ritter der Kokosnuss“ ist nicht exakt mein Lieblingsfilm von den Monty Pythons, aber die Monty Pythons und die Münsteraner sind eben doch zwei verschiedene Kategorien und hätten man den Stil der englischen Komikertruppe nachgeahmt, hätte das fatale Folgen in ohnehin aufgeheizten Milieus haben können. Wir leben nun einmal in einer Zeit, in der fortwährende Gewalt in der Tat wenig mehr auslöst als billige Witze. Jedenfalls kommt der Spiegel-Kritiker nur bei 4/10 h heraus, nachdem er zuletzt einige vergleichsweise hohe Wertungen vergeben hatte.
Ohne Tittelbach-TV gehen wir nicht nach Hause. „Der 38. „Tatort“ aus Münster hat eine doppelte Bürde zu tragen. Zum einen ist „Es lebe der König!“ (WDR / Filmpool fiction) unter Corona-Drehbedingungen entstanden, zum anderen wird der Film von Buket Alakus nach dem Drehbuch von Benjamin Hessler nur fünf Wochen nach dem außergewöhnlichen „Limbus“ gesendet. (…) Die verbalen Neckereien mögen die Fans erfreuen, bleiben aber eher harmlos und im Typenkorsett von Thiel, Boerne & Co gefangen. Die stringentere zweite Filmhälfte, in der auch das telegene Burg-Ambiente besser genutzt wird, entschädigt für das langatmige Hin und Her zuvor.“ So Rainer Tittelbach persönlich. Auch er findet das Setting toll, dafür komme der Film aber sehr langsam in Gang. Tittelbach-TV wäre aber nicht sein Selbst, wenn nicht noch etwas Positives gefunden würde: In der zweiten Hälfte werde es besser, mit dem Film. 3,5/6 sind dennoch eine ungewöhnlich niedrige Wertung, für dieses Online-Magazin.
Der fünfte Kritiker-Platz in unserer Vorschau ist ein „freier Radikaler“, seit „Filmstarts“ keine radikal kritischen Rezensionen mehr (vorab) veröffentlicht. Wir haben uns beim RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland) umgesehen: „Gemütvoll war der „Tatort“ aus Münster immer, doch spannend ist die neue Folge „Es lebe der König!“ (13. Dezember) nicht. Daran können auch eine Leiche im Burggraben und eine junge Witwe nichts ändern. Immerhin: Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) haben viel Zeit für ihre Max-und-Moritz-Sketche.“
Der Tenor ist also recht einheitlich – und vor allem deshalb nicht noch negativer, kann man sich denken, denn das Wort „Fan“ kommt von „Fanatismus“ und dieser ist bei Münster-Anhängern viel ausgeprägter als bei irgendeinem anderen Team. Wir werden morgen Abend brav aufzeichnen und – erst einmal „Limbus“ schauen. Dafür war nämlich bisher keine Zeit. Dafür hatte Kommissar Thiel Zeit, sich einen Bart wachsen zu lassen und seinen Bruder im Geiste nun überholt. Vorteil: Ich entdecke jetzt viel mehr Ähnliches zwischen Thiel und mir. Und wegen eines einzigen Toten die Mittelalterspiele abblasen? Quatsch. Wir blasen bei 600 Corona-Toten täglich ganz andere Dinge nicht ab.
TH
Handlung
Das „Haus Lüdecke“ hat eine lange Geschichte und ist über Münsters Grenzen hinaus bekannt. Im Burggraben des alten Wasserschlosses wird eine Leiche gefunden – in Ritterrüstung.
Bei dem Toten handelt es sich um den frischgebackenen Burgherrn Manfred Radtke. War es ein Unfall oder steckt mehr dahinter – wie Kommissar Thiel vermutet?
Erst vor wenigen Monaten hatte der ehemalige Kirmeskönig Radtke die altehrwürdige Burg erstanden und wollte hier mit seiner Familie künftig Mittelalterspiele veranstalten. Zentrales Thema: die blutrünstige Geschichte der Wiedertäufer zu Münster. Darüber ist Boerne entsetzt; mit Münsters schwärzestem Kapitel treibt man keine Späße! Aber die Vorbereitungen laufen schon. Muss das ganze Vorhaben angesichts des Toten nun abgeblasen werden?
Rolle | Darsteller |
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Frank Thiel | Axel Prahl |
Karl-Friedrich Boerne | Jan Josef Liefers |
Silke Haller „Alberich“ | ChrisTine Urspruch |
Mirko Schrader | Björn Meyer |
Wilhelmine Klemm | Mechthild Großmann |
Herbert Thiel | Claus D. Clausnitzer |
Claudia Radtke | Sandra Borgmann |
Tobias Radtke | Marek Harloff |
Farnaz Radkte | Violetta Schurawlow |
Rosemarie Sieber | Mai Duong Kieu |
Clarissa von Lüdecke | Justine Hauer |
Hugo Draak | Paul Faßnacht |
Lutz Söltenfuss | Christian Hockenbrink |
Manfred Radtke | Anthony Arndt |
Dirk Marek | Christian Raffael Dücker |
Funktionsbereich | Name des Stabmitglieds |
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Musik: | Christoph Blaser |
Kamera: | Andreas Höfer |
Buch: | Benjamin Hessler |
Regie: | Buket Alakus |