Filmfest 90.1 A
Vorwort 2021
Die neue Version der Rezension zu „Quo vadis?“ beinhaltet einige Änderungen und Ergänzungen die wir hier festgehalten haben (1).
Vorwort 2020
Heute würden wir vermutlich die politische Seite des Films noch einmal anders in den Fokus nehmen, aber gerade, um die Originalversion dieser Kritik vorerst zu erhalten, zeigen wir sie auch genau so, wie sie im Mai 2011 erstmals publiziert wurde – inklusive der Aufteilung und Optik. Ergänzt habe wir lediglich Stab und Besetzung.
Quo vadis? (Originaltitel: Quo Vadis, deutsch Wohin gehst du?) ist ein Monumentalfilm von Mervyn LeRoy für die MGM aus dem Jahr 1951. Er basiert auf dem Roman Quo Vadis von Henryk Sienkiewicz, dessen Titelgebung wiederum die christliche Überlieferung von der Begegnung Christi und seinem Jünger Simon Petrus vor den Toren Roms (Quo vadis?) aufgreift. Die Uraufführung des Films fand am 8. November 1951 in den Vereinigten Staaten statt; die deutsche Erstaufführung erfolgte am 13. August 1954. Der Film erzählt die Geschichte des römischen Generals Marcus Vinicius, der aus dem Krieg nach Rom zurückkehrt und sich dort in die christliche Staatsgeisel Lygia verliebt. Dramatische Höhepunkte sind der Brand Roms und die Christenverfolgung durch Kaiser Nero. (2)
Handlung (1)
Im Jahr 64 nach Christus kehrt der römische Kommandant Marcus Vinicius mit seinen Truppen siegreich von Britannien nach Rom zurück. Vor den Toren der Stadt erreicht ihn der Befehl Kaiser Neros, sein Lager aufzuschlagen und zu warten. Marcus sieht das nicht ein, zumal seine Leute von den Strapazen erschöpft sind und nach Hause wollen.
Er fährt allein mit seinem Wagen zum Kaiser. Er trifft ihn in einer Runde, in der Nero gerade ein von ihm selbst verfasstes Lied zum Besten gibt und Petronius, den „arbiter elegantiae“, den Fachmann in Geschmacksfragen, um sein Urteil bittet. Vom Kaiser erfährt Marcus nun den Grund der Verzögerung: dem Volk sollen panem et circenses, Brot und Spiele, geboten werden – dazu wäre ein späterer Einmarsch der Truppen genau das Richtige.
Erst jetzt kann Petronius – er ist Marcus‘ Onkel – seinen Neffen richtig begrüßen und ihn zum Übernachten in das Haus des Generals Plautius schicken. Dort begegnet er der lygischen Geisel Lygia, die von Plautius und seiner Frau als Tochter erzogen wurde. Er verliebt sich in Lygia und versucht, sie von Nero als Anerkennung für seine Siege geschenkt zu bekommen.
Im Haus des Generals lernt er auch einen gewissen Paulus aus Tarsus kennen. Was Marcus noch nicht weiß, ist, dass Plautius, seine Familie und auch Lygia Anhänger der christlichen Religion sind. Lygia versucht herauszufinden, ob Marcus auch Christ ist. Sie zeichnet vor seinen Augen einen Fisch – das Erkennungszeichen der Christen – in den Sand, er reagiert aber nicht.
Marcus‘ Einzug mit seinen Legionen wird zu einem prachtvollen Ereignis. Beim anschließenden Festgelage sitzt Lygia neben ihm; der Kaiser hat sie ihm geschenkt. Poppaea, Neros Frau, sieht das nicht gerne, denn sie hat selber ein Auge auf den schmucken Kommandanten geworfen. Nach der Feier soll Lygia in das Haus des Petronius gebracht werden, kommt aber nie an. Ursus, ihr hünenhafter Beschützer, befreit sie und versteckt sie in der Gemeinde. Sie bleibt verschwunden.
Marcus sucht sie und erfährt von den geheimen Treffen der Christen in den Katakomben. Auch Lygia soll dort gesehen worden sein. Er schleicht sich hin und entdeckt sie unter den Anwesenden. Er will sie mit Gewalt mitnehmen, aber Ursus vereitelt es, schlägt ihn nieder und verletzt ihn. Einige Christen, darunter Lygia, pflegen ihn. Als er wieder zu sich kommt, gesteht ihm Lygia ihre Liebe. Marcus ist bereit, pro forma Lygias Glauben anzunehmen; dies lehnt Lygia jedoch entschieden ab, da er den christlichen Glauben noch nicht versteht und schon gar nicht danach lebt.
Nero hat inzwischen die fixe Idee, das alte Rom um der Kunst willen zu verbrennen und an seine Stelle eine neue Stadt mit Namen Neropolis aufbauen zu lassen. So geschieht es denn auch, Rom steht in Flammen und der geistesgestörte Kaiser singt dazu: „Flammen, verzehrt es, wie im Feuerofen!“ Die Bevölkerung hat kein Verständnis für die wahnwitzigen Vorstellungen ihres Herrschers und bestürmt protestierend den Palast. Nero wiederum, feige und voller Angst um sein Leben, braucht jetzt unbedingt einen, dem er die Schuld an der Brandkatastrophe zuschieben kann.
Poppaea schlägt die Christen als Schuldige vor. So wäre sie ihre Rivalin bei Marcus los und Nero gerettet. Der greift gern nach dem rettenden Strohhalm, und alsbald sind die Gefängnisse voll von Christen. Lygia ist unter ihnen und auch Marcus, der inzwischen zum neuen Glauben übergetreten ist.
Der Apostel Petrus hatte Rom vorher verlassen. Unterwegs jedoch erscheint ihm Jesus und spricht zu ihm. „Quo vadis?“ – „Wo gehst Du hin?“ Als Jesus ihm sagt, er müsse sich wohl ein zweites Mal kreuzigen lassen, erkennt Petrus, dass er eigentlich bei seiner Gemeinde in Rom sein sollte, und kehrt um.
Petronius hat inzwischen beschlossen, sich selbst umzubringen, um Nero zuvorzukommen. Er lädt seine besten Freunde ein und weiht sie ein. Vor ihren Augen schluckt er Gift. Seine geliebte Sklavin Eunice nimmt das Messer und begeht aus Liebe zu ihm ebenfalls Selbstmord. Sterbend diktiert Petronius einen letzten Brief an Nero, in dem er mit dem Kaiser abrechnet. Zuvor hat er dem römischen General Galbaeine Botschaft geschickt mit der Bitte, Rom vom Tyrannen zu befreien.
Im Amphitheater werden die Christen wilden Löwen vorgeworfen, gekreuzigt oder verbrannt. Auch der zurückgekehrte Petrus wird festgenommen. Für Lygia hat sich Poppaea etwas Besonderes ausgedacht: Sie wird an einem Pfahl festgebunden und ein wilder Stier wird auf sie losgelassen. Ursus soll sehen, ob und wie er das verhindern kann. Marcus muss, mit Ketten an eine Säule neben Poppaea gefesselt, das grausige Schauspiel von der Kaiserloge aus verfolgen. Und wieder ist Ursus der Retter: er bezwingt den Bullen mit bloßen Händen und bricht ihm das Genick.
Das Publikum tobt, es ist begeistert und fordert mit dem Ruf „Daumen hoch!“ Gnade für die drei, auch zahlreiche Berater Neros. Doch dieser senkt den Daumen, obwohl er vorher noch gesagt hatte, dass er sie freiließe, würden sie den Bullen überleben. Doch bevor seine Soldaten Lygia und Ursus töten können, tauchen plötzlich Marcus‘ Soldaten auf und verhindern Schlimmeres. Marcus kann sich befreien und verkündet dem Volk, dass Nero der wahre Schuldige an dem Brand Roms ist. Nero und Poppaea flüchten in den Palast, die Heere des designierten Nachfolgers Neros Galba sind bereits auf dem Weg nach Rom. Während die Soldaten in Rom einmarschieren, begeht Nero mit Hilfe seiner ehemaligen Geliebten Acte Selbstmord.
Marcus und Lygia aber sind frei.
Kritik aus „Das internationale Filmverzeichnis Nr. 8“, 1989
Kurzkritik 2011
Der Film ist nach dem populären Historienroman von Robert Sienkiewicz entstanden und war zu Beginn der 1950er Jahre der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Monumentalfilmen.
In Ausstattung und Technik setzte der Film damals Maßstäbe, auch wenn er noch nicht das erst zwei Jahre später eingeführte Breitwand-Format bieten konnte.
Spektakuläre Massenszenen wechseln mit schauspieldominierten Passagen. Die Leistung des jungen Peter Ustinov als Kaiser Nero ist legendär und hat das Bild, das wir heute von diesem Wahnsinnigen im Caesarenkostüm haben, nachhaltig geprägt.
Wer sich für Filmhistorik interessiert, muss „Quo vadis?“ gesehen haben, weil er ein Prototyp und vielleicht auch schon der Höhepunkt der so genannten „Sandalenfilme“ ist, aber auch, wer sich einfach, besonders natürlich an Ostern, von einem Historienspektaktel unterhalten lassen mag, kommt hier auf seine Kosten.
Rezension 2011 / 2020 / 2021
Die Hauptfiguren (Nero / Peter Ustinov; Petronius / Leo Genn; Marcus Vinicius / Robert Taylor; Lygia / Deborah Kerr) und die übrigen Charaktere
Zunächst muss man es bewundern, wie Regisseur Mervyn LeRoy die unglaublich vielen Rollen und Figuren in diesem Massenspektakel mit 150.000 Statisten und für damalige Verhältnisse überragend vielen Actionszenen noch sichtbar machen konnte.
Aber das hat er geschafft, die Massenszenen dominieren nach unserer Ansicht keineswegs über die Charaktere. Dass wir heute noch Peter Ustinovs Leistung als herausragend bewerten, mag auch daran liegen, dass sie eine der vielen Neuigkeiten dieser Mutter aller Sandalenfilme war.
Der weichgesichtige Bösling und Wahnsinnige war eine Synthese, die man am ehesten mit dem Mörder in „M“ vergleichen kann, der töten musste, weil es ihn dazu trieb. Nero wirkt zwar aufgrund seiner Machtfülle pompös, ist aber auch nur ein armer Mensch, der nicht nur wahnsinnig ist, aber nicht mit normalen Maßstäben zu messen ist. Andererseits ist er auch durchtrieben, hat lange Zeit genug Realitätssinn, um nicht zu weit zu gehen und kann andere gut gegeneinander ausspielen, um seine Macht zu sichern. Einige besonders schaurige Details, z. B., dass er das brennende Rom besang, sind wohl nicht historisch, aber die Szene, die jenen Vorgang zeigt, ist die vielleicht einprägsamste des ganzen Films.
Eine sehr schöne Rolle wurde für Leo Genn als Berater Kaiser Neros geschrieben, der diesen unfreiwillig auch noch antreibt, Rom anzünden zu lassen, obwohl er immer wieder versucht, ihn zu bremsen und seinen Wahnsinn in erträgliche Bahnen zu lenken. Sein Tod, zusammen mit einer freigelassenen Sklavin, die ihn liebt, ist die klassische Tragödie in einem Film, der ansonsten ein Happy End für die positiven Hauptfiguren und für das Christentum bereit hält.
Die Darstellung von Robert Taylor als Marcus Vinicius wurde aus ideologischen Gründen oft unterbewertet. Natürlich war er vor allem schön und schauspielerisch nicht der beste aller gewesenen und heutigen Hollywoodstars und von seinen Möglichkeiten nicht zu vergleichen mit den aufkommenden Größen der 50er Jahre wie Marlon Brando, der 1951 in „A Streetcar Namend Desire“ eine sensationelle Darstellung bot. Aber diesem hätte man wohl erst einige Jahre später eine solche Rolle anvertraut – und es kam etwas anderes hinzu, was die Kritik bis heute beeinflusst. Robert Taylors denunzierende Aussagen vor dem „Ausschuss für antiamerikanische Umtriebe“, der die politische Haltung der Filmschaffenden auf kommunistische Tendenzen untersuchte (Stichwort: McCarthyismus).
Gary Cooper hat man eine ähnliche Haltung eher verziehen. 60 Jahre später darf man schauspielerische Leistungen erst einmal für sich stehen lassen und die glaubwürdige Wandlung des arroganten römischen Offiziers während der 177 Minuten des Films halten wir für gelungen und seine Darbietung für hinreichend differenziert. „Quo vadis?“ ist ein Monumentalfilm mit unendlich vielen Elementen, nicht in erster Linie Studie eines einzelnen Charakters (dass Peter Ustinov dem Ganzen trotzdem seinen Stempel aufdrücken konnte, ist eine Ausnahme und relativiert die übrigen Schauspieler-Leistungen in unserer Wahrnehmung zusätzlich).
Eine wundervoll sanfte und engelhafte Frühchristin gibt Deborah Kerr, die sich mit „Quo vadis“ einen Platz unter den weiblichen Hollywood-Topstars eroberte und ihn bis zum Ende der 50er Jahre halten konnte. Ihr vielfältiges schauspielerisches Talent kam hier noch nicht zur vollen Entfaltung, dies geschah erst zwei Jahre später in „From Here to Eternity“ an der Seite von Burt Lancaster.
Biblische Figuren wie Paulus und Petrus werden ein wenig stereotyp gezeigt, aber das ist wohl gar nicht anders möglich, denn sie sind vor allem als Träger der christlichen Botschaft wahrzunehmen und nicht als eigenständige Persönlichkeiten. Trotzdem gehört Petrus, zusammen mit dem Junge Lazarius, die zweite berühmte Szene des Films, in der Gott durch den Jungen zu Petrus spricht und dieser umkehrt, ins brennende Rom zurückkehrt, um seinen Glaubensbrüdern beizustehen und sich am Kreuz zu opfern – wie es Christus getan hatte, den Petrus gemäß dem Neuen Testament und damit ans Kreuz lieferte.
Viele, vor allem später bekannt gewordene Schauspieler waren in kleinen Rollen zu sehen, das Tableau ist so reichhaltig, dass wir auf eine Einzeldarstellung weiterer Rollen verzichten.
Inhalt, Ausstattung
Das Rom zur Zeit der Cäsaren wird in diesem Film so lebendig wie in keinem Film zuvor und vielleicht danach niemals wieder. Der Atmosphäre hat sicher geholfen, dass man tatsächlich in den römischen Cinecittà-Studios gedreht hatte, und nicht in Hollywood. Damit war die italienische Filmstadt als Basis zur Auslagerung teurer Produktionen etabliert. Die Ausstattung, die Farben und die Direktion der Massenszenen mit unglaublichen 150.000 Statisten, das alles war der Maßstab seiner Zeit und wurde teilweise später nie mehr übertroffen. Die Zuschauer im Kolosseum, die dem Spektakel der Christenzerfleischung durch Löwen beiwohnen, waren tatsächlich allesamt echte Statisten. Auch die Löwen, 63 an der Zahl, waren echt. Wie auch anders, 1951. Heute könnte man das alles günstig in 3D animieren, damals war der Film genauso pompös wie seine Nero-Figur.
Christenverfolgungen im Rom nach Kaiser Augutus gab es tatsächlich, es dauerte lange dreihundert Jahre, bis das Christentum etabliert war. Aber es wird bezweifelt, ob sie gerade unter Nero das hier gezeigte Ausmaß erreicht haben. Auch das Kolosseum wurde erst einige Jahre nach Neros Tod erbaut. Man hat einiges an historischer Genauigkeit drangegeben, um möglichst viele Ereignisse der damaligen Zeit dramaturgisch zu verdichten, und wenn man diese Vorgehensweise mit anderen Filmen vergleicht, liegt sie im üblichen Rahmen der „history of the world, according to Hollywood“.
Das Einzige, was dem Film fehlt, um technisch durchaus moderner zu wirken als aus dem Jahr 1951 stammend, ist das Cinemascope-Format, das erst – mit dem Sandalenfilm „The Robe“ – zwei Jahre später marktreif wurde.
Drei Parallelen – Das Dritte Reich und das alte Rom – MGM und Hollywood – Das alte Rom und die USA
Wenn man den Film an sich vorüberziehen lässt, kommt man schon nach recht kurzer Zeit auf eine Idee. Sechs Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wirkt „Quo vadis?“ wie eine Allegorie auf genau jene Zeit. Der wahnsinnige Herrscher als Anspielung auf Hitler, die Christenverfolgung als Holocaust, die brennende Stadt als Krematorium und gleichzeitig als Abgesang auf ein hypterthrophes Imperium. Der Herrscher des MGM-Studius, Louis B. Mayer, wollte den Film nicht so verstanden wissen, Dore Schary, der ihn zu jenem Zeitpunkt als Produktionsleiter ablöste, war anderer Ansicht.
Interessant, dass zu jenem Zeitpunkt auch das klassische Hollywood-System der riesigen, Schauspieler, Regisseure und Autoren beherrschenden Studios, gerade durch das aufkommende Fernsehen angegriffen wurde und ein Film wie „Quo vadis?“ eine erste Replik war. Es ist klar, dass ein solches Leinwandereignis auf den kleinen, grau-griesigen Bildschirmen damaliger Zeit nicht adäquat wiedergegeben werden konnte, noch mehr gilt dies für die Breitwandfilme, die folgten. Aber das alte Hollywood-System zeigte danach ebenfalls Schwächen, insbesondere MGM verlor seine unumstrittene Führungsposition. Insofern ist die zweite Allegorie des Films, wenn auch nicht so deutlich, diejenige zum produzierenden Studium selbst, diesem glanzvollen Imperium, das sich auf die Fahne geschrieben hatte, die besten und teuersten Filme der Welt herzustellen. Dem Film selbst kommt diese Haltung natürlich zugute.
Eine weitere Linie ist kaum zu leugnen. Die Gründerväter der USA hatten ein weites Land vor Augen und ein Vorbild im Kopf. Nicht das cäsarische, aber das bürgerliche Rom vor der Kaiserzeit. Dass wir in den USA klassisch römisch ausschauende Bauten in Form von Kapitolen haben, nicht nur eines in Washington, sondern eines in jedem Staat, dass es den Senat als Kammer gibt, das ist eine ganz deutliche Herleitung aus römischer Tradition.
Und als es darum geht, am Ende des Films eine dauerhaftere Ordnung nach dem Cäsarenwahn zu finden, da wird man wohl an die Pax Americana nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht haben. Eine starke, dauerhafte, demokratische Ordnung mit den USA als Führungsmacht, die just in jenen Jahren wirtschaftlich und politisch ihren Höhepunkt erreichten, relativ zu anderen Nationen.
Geht man nun 60 Jahre weiter, gewinnt der Film eine andere Note. Da gleichen die USA nämlich weit mehr dem überdehnten, alten Rom, das hier gezeigt wird, auch wenn man Bush nicht mit Nero gleichsetzen sollte, nur, um die Analogie perfekt zu machen. Denn dann müsste man 9/11 mit dem Brand von Rom synchronisieren und käme auf die Idee, er habe diesen Anschlag selbst inszeniert. Die Theorie gibt es zwar, wir gehören aber nicht zu ihren Anhängern. Die Erosionserscheinungen der immer noch führenden Macht sind deutlich und der Mangel eines Gegenbildes in Form des kommunistischen Blocks hat, das kann man schon 22 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sagen, nicht dazu geführt, dass die USA einen dauerhaften, umfassenden Weltfrieden unter ihrer Führung generieren konnten.
Wie im alten Rom, das von den Rändern nach und nach durch rebellische Volksstämme angegriffen und aufgezehrt wurde und das sich innerlich immer mehr korrumpierte, sind auch die USA vom Sockel herabgestiegen, auch wenn ihre territoriale Integrität nicht infrage steht. Die Vereinigten Staaten haben sich in zahlreichen, fragwürdigen Kriegen und mit einer vorwiegend an Interessen, nicht an demokratischen Idealen orientierten Politik moralisch und materiell verschlissen, wie einst das alte Rom. Die Stellung, die sie nach dem zweiten Weltkrieg als Leuchtturm der Freiheit und Insel des Wohlstands innehatten, werden sie nie mehr zurückerobern, gleich, wer dort als Präsident regiert.
Finale
„Quo vadis?“ ist eines der Hauptwerke des Hollywood-Kinos der 1950er Jahre mit starken Nachwirkungen, was die Entstehung von historischen und überhaupt epischen Filmen mit Überlänge angeht – und den man sich heute aus vielfältigen Gründen immer noch anschauen kann. Er gehört nicht zu den besten Filmen aller Zeiten, aber zu den wichtigen, weil er am Anfang einer Entwicklungslinie steht, wegen seiner vielfältigen Parallelen zur Wirklichkeit und der überzeitlichen Aussage, dass ein Imperium, das sich über andere zu weit erhebt, dem Untergang geweiht ist.
Ob man die christlich-fromme Grundtendenz des Filmes unterstützt, ist im Grunde unerheblich, denn natürlich weht der Geist der restaurativen frühen Fünfziger durch einen Film, dessen Grundwerte konservativ waren und der auf sehr selbstverständliche und schlichte Art mit christlicher Ethik umgeht. Letztlich wird aber auch hier gezeigt, dass Vergebung und Nächstenliebe zwar Werte sind, die eine bessere Welt herausbilden könnten, dass aber die Veränderungen offenbar doch eine Form von Aktivität erfordert, die Gewaltgefahr in sich trägt – etwa die Absetzung des Kaisers Nero durch Aufrührer aus den eigenen Reihen, angeführt vom geläuterten Marcus Vinicius.
Ergänzung 2021: Signifikant für bestimmte Verschiebungen ist, dass wir den Film 1989 mit 9/10 bewertet haben und im Jahr 2020 bei 76/100 standen, daran haben wir anlässlich der Überarbeitung und der Neufassung des Artikels als „Filmfest 90.1“ nichts geändert.
76/100.
© 2021, 2020, 2011, 1989 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
(1) Änderungen und Ergänzungen gegenüber „Filmfest 90 A“
- Titel: Leicht abweichende deutsche Version ergänzt („Quo vadis?“ anstatt „Quo Vadis“ im amerikanischen Original).
- Vorwort 2021 eingefügt.
- Grundinformationen aus der Wikipedia eingefügt.
- „Inhalt“ in „Handlung“ geändert und optisch ans aktuelle Muster blau 004867 angepasst, Wikipedia als Quelle erwähnt, nicht mehr als Info direkt unter der Handlung.
- Punktevergabe: Nur noch die Punkte erwähnt und um einen Punkt herabgesetzt.
- Kurzkritik aus „Das Internationale Filmverzeichnis Nr. 8“ aus dem Jahr 1989 ergänzt, dies ist der eigentliche Grund der neuen Version.
- Versetzung des Filmfest-Logos vom Vorwort weg zum Beginn der Rezension 2011.
- „Finale“ anstatt „Fazit“, Nummerierungen der Absätze entfernt, aber optische Gleichberechtigung der vier Absätze der Rezension 2011 beibehalten. Geringfügige inhaltliche Ergänzung von „Finale“ sowie Ergänzung des letzten Absatzes aufgrund der augenfälligen Veränderung der Bewertung im Jahr 2020 gegenüber 1989.
- Drei Tags ergänzt.
(2) Wikipedia
Regie | Mervyn LeRoy |
Drehbuch | John Lee Mahin S. N. Behrman Sonya Levien |
Produktion | Sam Zimbalist |
Musik | Miklós Rózsa |
Kamera | Robert Surtees William V. Skall |
Schnitt | Ralph E. Winters |
Besetzung | |
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