Filmfest 516 Cinema
Helden und Heldendarsteller wachsen mit ihren Aufgaben
El Cid ist ein US-amerikanischer Abenteuer- und Historienfilm des Regisseurs Anthony Mann aus dem Jahr 1961, der die Legende um den spanischen Helden Rodrigo Díaz de Vivar, genannt „El Cid“, erzählt.
Wenn schon, denn schon, dachten wir uns um die Weihnachtszeit 2014 herum und haben unsere Kenntnisse in Sachen Monumentalfilm gründlich erweitert, weil dieses Genre sich doch sehr mit den christlichen Wurzeln eines Festes verbindet, das heute nur noch zum gegenseitigen Austausch von Tinnef und der Gestaltung von Fassaden mit Gestaltungselementen bar jeden Geschmacks verwendet wird. Anlässlich der Veröffentlichung im Jahr 2021 halten wir fest: Es hat sich alles weiterentwickelt. Wie sich unser Verhältnis zu „El Cid“ entwickelt hat, während wir uns dieses Werk angeschaut haben, beschreiben wir in der -> Rezension.
Handlung (1)
Der Film spielt in Spanien um 1080 zur Zeit der Reconquista. Maurische Truppen verwüsten das Grenzland zum christlichen Spanien, töten Geistliche und verwüsten Kirchen. Der spanische Edelmann Rodrigo Díaz betritt eher zufällig das Kampfgebiet, sieht die Zerstörungen und kann in einem kurzen Gefecht die Mauren unschädlich machen. Unter den Gefangenen befinden sich fünf hochrangige Muslime, unter ihnen der Al-Mutamin, der Emir von Saragossa. Er lässt sie entgegen der Order des Königs frei. Er scheut nicht den Kampf gegen die Muslime, will aber völlig zu Recht sie nicht weiter provozieren und so weitere Christen im Grenzgebiet gefährden. Die Freigelassenen sind über diese Geste verwundert. Rodrigo Díaz will jedoch die Spirale des Hasses nicht noch weiter nach oben schrauben, aus berechtigter Furcht vor Racheaktionen der Söhne der Wesire gegen die christlichen Spanier im Grenzland. Die Wesire sind tief beeindruckt und erkennen in ihrem Sieger einen edlen und klugen Menschen, wie sie es bei ihren für primitiv gehaltenen Gegnern nicht erwartet hätten. Sie leisten ihm den Eid, niemals wieder christliche Siedlungen anzugreifen, und geloben ewige Freundschaft. Sie werden diesem Ehrencodex auch im weiteren Verlauf der Geschichte Folge leisten. Als Zeichen ihrer Wertschätzung geben sie ihm den Namen El Cid (= der Herr), als Anerkennung dafür, dass er seinen Hass überwinden konnte und sie für ihr Ehrenwort ziehen lässt.
Daraufhin wird Diaz vor das Gericht Ferdinands des Großen, König von Kastilien, León und Asturien gestellt. Rodrigo Díaz kann seine Motivation dem König verständlich machen, denn auch dieser will keine weitere Eskalation. Während seiner Verteidigung wird er vom Schwertführer des Königs der Feigheit bezichtigt. Wegen der Beleidigung durch den Schwertführer, dessen Tochter Jimena er eigentlich heiraten wollte, fordert Diaz ihn zum Duell auf. Er will ihn nicht töten, aber Blut soll fließen. Das gelingt ihm, er kann den Schwertführer verwunden, doch der Schwertführer will jetzt den Tod des Gegners, lehnt es ab, den Kampf zu beenden und wird, da er unterlegen bleibt, schließlich von Rodrigo Díaz getötet.
Der Vorfall schürt den Hass seiner Gegner und Konkurrenten. Als er in einem neuerlichen Zweikampf auch den Schwertführer des Königs von Aragonien besiegt und damit für Kastilien die Stadt Calahorra gewinnt, wird seine Ehre zwar wiederhergestellt und die Anklage fallen gelassen, doch Jimena begegnet ihm weiterhin kalt und abweisend. Nachdem sich El Cid bei einem Feldzug bewährt hat, kann er Jimena mit Einwilligung des Königs schließlich doch heiraten, auch wenn Jimena nur widerwillig einstimmt. Sie zieht sich in ein Kloster zurück. Ihre Liebe zu Rodrigo ist zwar mittlerweile erwacht, doch kann sie ihm den Tod ihres Vaters immer noch nicht verzeihen. (…)
Rezension
Die Monumentalfilme, die zu Weihnachten gezeigt werden, haben demgemäß alle etwas mit dem christlichen Glauben zu tun. Vor einigen Jahren war es „Quo Vadis“, jetzt also die beiden Filme, die acht oder neun Jahre später entstanden – was vor allem filmtechnisch eine Menge ausmacht, denn die letzten großen Innovationen, Breitwand und Stereo, hatten in der Zwischenzeit stattgefunden und kamen verständlicherweise diesem ausladenden Genre mit seinen meist sehr langen Werken in besonderem Maß zugute.
Außerdem gibt es zwischen „Ben Hur“ und „El Cid“ eine Identität: Die des Hauptdarstellers Charlton Heston, der mit ersterem Film zum Heldendarsteller wurde und diesen Status mit „El Cid“ zur ultimativen Ausformung brachte. War Ben Hur noch eine Kunstfigur, mit der Filmschaffende im Grunde machen konnten, was sie wollten und war er ein überwiegender Pazifist, der nur bedingt durch ein wechselhaftes Schicksal und zunächst widrige, dann günstige Umstände zur Teilnahme an einem Wagenrennen kam, ist der Cid anders gestrickt. Er hat keinen Nebenbuhler wie Jesus, der immer spürbar ist, auch wenn er wenig Spielzeit hat und nie von vorne gezeigt wird, er handelt aus einer Bestimmung heraus, die er nicht hinterfragt, wie Ben Hur jemand war, der Fragen gestellt hat.
Aber El Cid ist ja auch eine historische Figur und Spaniens Nationalheld, mit der Folge, dass sich um ihn Legenden ranken, deren sich die aufwändige Verfilmung von 1961 bedient. Die El Cid-Forschung war zu dem Zeitpunkt schon so weit gediehen, dass man den Mann hätte ambivalenter und historisch exakter zeichnen können, aber dann hätte es ja viele prächtige verbale und physische Gefechte nicht gegeben. Zuweilen kommt es doch ans Tageslicht, dass El Cid oft sein eigenes Ding gemacht hat, so sehr konnte man die Geschichte nun doch nicht glätten, dass dies nicht auffällig wäre und von der unendlichen Treue eines Ritters der Tafelrunde gibt es bei diesem Ritter graduelle Abweichungen nach unten. Man unterlegt seinem eigenmächtigen Handeln aber, wie die Legende es wohl auch tut, einen ganz und gar für den König und für Spanien denkenden Hintergrund, weil Spanien uneins ist und der junge König Alfonso nicht denken kann. Noch nicht, jedenfalls.
Die große Pracht und Präzision, mit der „El Cid“ gefilmt ist, die überwiegend historisch belegten Figuren, suggerieren eine Genauigkeit, die der Film inhaltlich nicht hat und emotional nicht haben kann, denn eines hatte sich seit „Quo Vadis“ kaum verändert: Das Grundmuster eines Hollywoodfilms, das eine Liebesgeschichte beinhalten sollte, die in ihrer Größe und Einmaligkeit die Größe des Werkes spiegelt, und den Hang, alles zu einer Schlachten- und Abenteuergeschichte zu verdichten, anstatt sich auf die Personen und ihre Motive zu konzentrieren – die werden, wenn man von El Cid absieht und vielleicht von seiner Frau Jimena, nur angerissen, die Königsfamilie so eingeführt, dass man bereits vorhandene Sympathien und Antipathien gegenüber El Cid hinzunehmen hat, sie stehen in der Eröffnungsbilanz, ohne dass wir als Neulinge im Geschehen Fragen zu stellen haben. Es ist erstaunlich, wie karg viele Figuren gezeichnet sind, und das gleich aus zwei Gründen.
Einerseits stand wahrlich genug Spielzeit zur Verfügung, um besonders die beiden Prinzen Sancho und Alfonso mehr mit Eigenschaften zu füllen, die besonders Alfonsos späteres, beinahe selbstzerstörerisches Verhalten erhellen, zum anderen stammt der Film von Anthony Mann.
Anthony Mann haben wir kennengelernt durch seine stringenten und psychologisch ausgefeilten Western mit James Stewart in der Hauptrolle, der mit seiner Versatilität Manns Medium war. Wie jemand von dort zum Monumentalfilm kommt? Mann hatte bereits die Feuersbrunst von „Quo Vadis“ gefilmt, hatte ursprünglich mit „Spartacus“ ein ähnliches Epos filmen sollen wie „El Cid“, überwarf sich aber mit Hauptdarsteller und Produzent Kirk Douglas und es blieben die Szenen in der Gladiatorenschule übrig. Eine Verknüpfung zwischen episch und Western gab es ein Jahr vor „El Cid“, als er für MGM nach bewährtem Muster die Wiederverfilmung eines alten Stoffes leiten sollte: „Cimarron“. Wir kennen den Film, seine Stärken und Schwächen, aber leider lässt sich kaum ausmachen, wer für welche Parts verantwortlich ist. Denn wieder gab es Unfrieden, Mann schied aus und Charles Walters, eher ein anerkannter Musical-Regisseur, führte den Film zu Ende.
Von den Western mit Stewart und noch weniger von den Films Noirs, mit denen Mann in den 1940ern die Aufmerksamkeit der Studiobosse erregt hatte, ist in „El Cid“ wenig übriggeblieben, und das ist schade. Der Film glänzt weder mit überragender atmosphärischer Dichte, noch ist er besonders straff oder psychologisch besonders versiert gefilmt. Er ist von allem ein wenig, aber am meisten eben doch ein klassisches Ritterepos im Stil der vergangenen 1950er. Ein solches sollte Mann noch einmal machen, mit „Der Untergang des Römischen Reiches“ (1964), dann war die Zeit für Monumentalfilme erst einmal vorbei und New Hollywood meldete sich, an Regisseuren wie Mann und anderen erprobten Kräften vorbei.
Eines aber hat Mann nicht verlernt, und das hat uns trotz Anschauen zu später Stunde gut wach gehalten: Sein Gefühl für die Inszenierung knisternder zwischenmenschlicher Spannungen. Davon lebt nämlich „El Cid“ zu einem großen Teil. Selten ist wohl in einem Abenteuerfilm eine Liebesgeschichte so wendungsreich verlaufen wie die zwischen dem Cid und Jimena, und dies reicht schon aus, weil es sich mit dem Lauf der Dinge verknüpft, ihn beeinflusst, von ihm beeinflusst wird und wir haben am Ende das Gefühl, das war wirklich etwas Besonders. Überhöht, das versteht sich von selbst, wie die gesamte El Cid-Figur. Manchmal ist diese Überhöhung dann nervig, wenn die Dialoge sich zu ausführlich mit den Grundlagen dieser Heraushebung befassen, sie sozusagen in unsere Köpfe hämmern wollen. Man hätte etwas mehr auf Charlton Heston vertrauen dürfen, der macht seinen El Cid nämlich ausgezeichnet. Mag er auch nicht der größte Schauspieler im Hollywood jener Zeit gewesen sein, für diese Rollen war der Hüne mit den scharf gezeichneten Zügen hervorragend geeignet. Die Männlichkeit und Entschlossenheit, die er ausstrahlt, die Festigkeit und Lauterkeit, ja seine ganze Ausstrahlung werden von Heston gut rübergebracht und man versteht, warum Menschen sich an ihn banden, ihm zuliefen, ihm verziehen, auch die Tötung des eigenen Vaters in einem Duell.
Trotz der Tatsache, dass Anthony Mann einige seiner Stärken nicht voll ausspielen konnte, muss man ihm attestieren, dass er das Projekt im Griff hatte. Die Längen sind gewollt, die umfassenden Schlachtenszenen mit unzähligen Statisten choreografisch gut gestaltet, der Film im Ganzen ist visuell mit seinem dominanten Rot der spanischen Wimpel und Flaggen und dem roten Blut der Feinde auf dem Schwert des Cid klar und nicht mehr so kunterbunt, wie die Farben zur großen Zeit des Technicolor noch daherkamen. Für das Drehbuch, das die historische Wahrheit der Legende opfert und damit auch im neuen Jahrzehnt der Aufrichtigkeit dort weitermacht, wo das vorherige mit seinen mächtigen, machmal auch schwülstigen Dramen aufgehört hatte, fiel bald auf die Fimmoguln zurück, weil das Publikum etwas anderes sehen wollte, aber El Cid spielte in den USA immerhin noch mehr als das Doppelte seiner Kosten ein.
Finale
Auch die Botschaft von „El Cid“ muss selbstverständlich zu Weihnachten passen, sonst wäre der Film kein bevorzugtes Ausstrahlungsobjekt in dieser Zeit, und das geht so:
El Cid sieht als einziger Mensch das große Ganze, sieht Spanier und Mauren in Spanien als eine Einheit, die sich gegen die von Afrika her anstürmenden Horden El Yussufs verteidigen müssen, die aber durch innere Zwietracht geschwächt werden. Seine Botschaft ist nicht Frieden, aber wenigstens Einigkeit und Völkerverständigung. Moslems und Christen werden – zu Anfang hat man den Verdacht, dies sei nicht der Fall – gleichermaßen als Kulturträger dargestellt, mit dem Höhepunkt, dass El Cid zu seinem Freund Al-Mutamin, den er durch Gnadengewährung nach Kampf und Sieg über diesen Wesir für sich gewinnen konnte, sagt, dieser mache ihn noch zum Moslem. Ob das heute noch möglich wäre, wo sich das Verhältnis zwischen Christen und Moslems in den letzten Jahrzehnten kaum verbessert hat?
Ein guter Film darf keine schlechten Aussagen machen, und wenn man von der ewigen Besingung und Stilisierung von als Übermenschen geeigneten historischen Figuren absieht, die immer etwas Faschistoides und Undemokratisches ausstrahlt, ist an „El Cid“ nicht viel auszusetzen. Und er hat wirklich mitreißende Momente, die für Emotionen sorgen können.
76/100
© 2021 (Entwurf 2014) Der Wahlberliner, Thomas Hocke
Regie | Anthony Mann |
Drehbuch | Philip Yordan, Fredric M. Frank Ben Barzman (ungenannt) |
Produktion | Anthony Mann, Samuel Bronston |
Musik | Miklós Rózsa |
Kamera | Robert Krasker |
Schnitt | Robert Lawrence |
Besetzung | |
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