Newsroom, Update Frontpage 23.06.2021 | Umfrage Rassismus | Civey, Fußball-EM 2020
Verblasst die Regenbogenfahne der LGBTI*-Menschen angesichts inflationärer und heuchlerischer Verwendung?
Wir updaten heute unseren Artikel von vorgestern mit einer angeschärften Meinung von den Nachdenksenkseiten, weil die Zusammenstellung von ethisch mehr als fragwürdigen Regenbogenfarbenverwendern ein Licht auf die Doppelzüngigkeit und Scheinheiligkeit des Kapitals und vieler Politiker:innen wirft.
In dem Text ist die Rede von Unternehmen, sogar aus der Rüstungsindustrie, die sich mittlerweile mit den Regenbogenfarben schmücken, aber natürlich nur im Westen, während deren Dependancen in Weltgegenden mit strikter LGBTI*-Unterdrückung die Einbindung der Zeichen von bunter Weltoffenheit lieber weglassen. Alles dient nur einem Ziel: Mehr Kohle machen.
Wo es gut ist fürs Image, ist man bunt, dort, wo ein Risiko in einem Pro-LGBTI*-Statement liegen würde, lieber nicht. Heuchlerisch auch die Politik: Die CSU hatten wir im Ausgangsartikel bereits erwähnt, im Artikel der NDS wird erwähnt: Vor wenigen Jahre haben sie noch gegen die Ehe für alle gestimmt (das gilt übrigens auch für Angela Merkel), aber jetzt Schutzmasken in den Farben des Regenbogens tragen ist wohlfeil. Und nun zum Artikel von Jens Berger in den Nachdenkseiten:
Wenn der Regenbogen zur Farce wird (nachdenkseiten.de)
TH
Frontpage | Umfrage Rassismus | Civey, Fußball-EM 2020
Bisher haben wir uns zur Fußball-EM 2020 noch gar nicht geäußert, weil wir uns bereits vor Jahren entschieden haben, keine umfangreiche Sportberichterstattung mehr zu machen. Vor allem dann nicht, wenn es um Ereignisse geht, die einen nationalistischen Einschlag haben, und das ist bei Ländertournieren in Mannschaftssportarten nun einmal so.
Hingegen ist die von den Funktionären der Sportorganisationen so gerne heraufbeschworene Wirkung solcher Events allerhöchstens auf diejenigen Personen beschränkt, die sich an den Austragungsorten und in deren Umfeld begegnen, nicht auf die unzähligen Fernshzuschauer:innnen. Das ist kein Statement von uns gegen den Sport oder den Fußball, sondern allgemein auf solche Großereignisse bezogen.
Wenn man aber schon solche altmodischen Turniere spielt dann hätte man doch wenigstens etwas gegen Rassismus tun können und gegen Ausgrenzung von LGBTI*-Menschen. Indem man es zum Beispiel zugelassen hätte, dass das Münchener Fußballstadion Stadion Allianz-Arena, Heimat des FC Bayern, in Regenbogenfarben leuchten darf. Es geht dabei um das heute Abend stattfindende Gruppenspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer gegen ihr Pendant aus Ungarn. Anlass ist die LGBTI*-feindliche Gesetzgebung in Ungarn, die unter den Augen der EU von der Regierung eines EU-Mitgliedslandes installiert wird.
Eines ist schon richtig: Es wäre vor allem Sache der EU-Institutionen und der übrigen EU-Regierungen gewesen, Ungarn auf dem Weg der Beachtung der Menschenrechte zu halten, der Sport ist nicht die erste Adresse dafür und kann politische Fehler nicht reparieren. Aber dass er auch politisch ist, kann man nicht einfach negieren. Auch wenn die UEFA an diesem Abend „Hausherrin“ der Allianz-Arena ist, dem Wunsch des Münchener Stadtrates nach der Regenbogenbeleuchtung hätte sie nachkommen müssen. Da sie dies nicht tut, wirken die vielen Banner gegen Rassismus, die man bei Turnieren schon gesehen hat, unglaubwürdig. Es ändert sich nichts dadurch, dass man es dieses Mal nicht schön allgemein und damit unverbindlich halten kann, sondern dass jeder weiß, wer gemeint ist.
Die ungarische Regierung stellt sich außerhalb dessen, was in der EU als Konsens gelten sollte und es gibt dafür keine Sanktionen. Das ist schlimm genug. Gestern Abend habe ich mal in die Randberichterstattung zur EM geschaut, offenbar hätten auch ungarische Nationalspieler nichts gegen diese Demonstration für Toleranz und Menschenrechte und würden sie nicht als gegen sich gerichtet empfinden. Die Besten von ihnen kicken in Westeuropa und sind daher ein toleranteres gesellschaftspolitisches Klima gewöhnt. Wer weiß, vielleicht gehören einige von ihnen selbst der LGBTI*-Community an, trauen sich aber angesichts des erzkonservativen Trends in Ungarn kein Outing zu.
Bevor Sie abstimmen, lesen Sie bitte noch den Begleittext von Civey zur Umfrage:
Nationaltorwart Manuel Neuer trägt bei der EM eine Regenbogenbinde „als Bekenntnis für Toleranz gegen Hass und Ausgrenzung“. Zum heutigen EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn wollte München das Stadion als politisches Zeichen in Regenbogen-Farben beleuchten. Der europäische Fußballverband UEFA hat die Beleuchtung verboten, da er „eine politisch und religiös neutrale Organisation” sei.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wollte damit ein Zeichen für Vielfalt und Solidarität mit Homosexuellen und Transgender setzen. Es ist eine Reaktion auf ein jüngst verabschiedetes Gesetz Ungarns, das die Rechte von Homosexuellen und die Meinungsfreiheit beschneidet. Demnach sollen etwa homosexuelle Inhalte in Werbung oder Aufklärung über Homosexualität in Schulen verboten werden.
Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident, twitterte: „Schade“. Eine Erlaubnis „wäre ein sehr gutes Zeichen für Toleranz und Freiheit gewesen“. Der FDP-Politiker Gerhard Papke beschwert sich hingegen, ebenfalls auf Twitter, dass „der Fußball für die Kampagne gegen Ungarn missbraucht wird.“
Sie lesen, wie sich die hiesigen Parteien verhalten. Die CSU findet es „schade“,dies ist so zu lesen: Glück gehabt, dass wir uns damit nicht auseinandersetzen müssen, Achselzucken, weitermachen, obwohl wir nicht mehr ganz so rigide drauf sind wie in den Zeiten von FJS. Aber wir mögen doch den Freund Viktor Orbán, deswegen sind wir eigentlich froh, dass es so gelaufen ist.
Und wer steht wieder einmal der AfD am nächsten? Richtig, es sind die sogenannten Liberalen, die nur eines im Sinn haben. Dass der Euro für das Kapital rollt, in diesem Fall dasjenige, das im Sport verortet ist. Das ist deren Vorstellungen von Freiheit, und das soll natürlich auch während der EM so sein.
Dass die FDP in Umfragen derzeit so gut dasteht, bedeutet etwas ganz anderes, als es in den lange vergangenen Zeiten der sozialliberalen Koalition bedeutet hätte. Es bedeutet zum Beispiel, dass viele unter denen sind, die gegenwärtig die FDP unterstützen würden, die auch leicht zur AfD wechseln könnten. Es gab bereits mehrere Ansätze zur Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen. Es gibt sie auf Bezirksebene auch in Berlin und damit auf diese Weise rechte Politik gemacht werden kann, muss natürlich auch die CDU mitmachen, was sie tut. Den Fall Thüringen haben wir 2020 ausführlich besprochen. Es ist tatsächlich schon so, dass die Menschen in Berlin auf die Straße gehen müssen, damit es nicht zum Schulterschluss der sogenannten Liberalen mit den Rechten kommt. Was eine solche Konstellation in politischer Verantwortung für die LGBTI*-Menschen bedeuten würde, kann man sich an den fünf Fingern abzählen.
Es gibt also nur eine Antwort: Ja, auf jeden Fall. So habe ich abgestimmt und wir bitten darum, dass Sie die gegenwärtige absolute Mehrheit, die dafür ist, dass der Sport politisch Stellung bezieht, wenn es gegen Rassismus und Ausgrenzung geht, größer werden lassen.
Hier gibt es noch eine deutliche Meinung zur Sache, die stellenweise über die von uns geäußerten Ansichten hinausgeht und mehr Aspekte des Themas beinahltet: Klasse Gegen Klasse – Fußballmafia UEFA: Mit eurer Queerfeindlichkeit könnt ihr nach Hause fahr’n!
TH