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Im Wahlkampf trennt sich zwar nicht automatisch die Spreu vom Weizen, aber die Analyse, warum Parteien in Umfragen gut abschneiden und andere nicht, sollte man wirklich nach Gründen besser auftrennen, als dies zumeist getan wird. Jeder weiß es und schreibt darüber: Der interne Zustand der Partei Die Linke ist nicht nur nicht der beste, das ist derzeit in keiner Partei der Fall, die Chancen auf einen Einzug in den 20. Bundestag hat. Aber bei der Linken ist er besonders miserabel.
Die einen schreiben Bücher, mit denen sie der eigenen Partei die Wahlchancen beschädigen, die anderen wollen jene dafür ausschließen, der Kampf zwischen Identätspolitiker:innen und Klassenkämpfer:innen ist nicht nur in vollem Gange, er wird auch vermutlich zugunsten des Mittelmainstreams entschieden werden, der u. a. die Regierungsbereitschaft über identitätsstiftende Prinzipien stellt. Das alles wird ja auch analysiert und man könnte sich jeden Tag vor Wut irgendwohin beißen, wenn man gerne eine mehr solidarische Politik in Deutschland hätte. Wenn Solidarität nicht einmal in einer linken Partei vorgelebt werden kann, wo sonst? Aber neu ist das persönlich-ideologisch motivierte Spaltertum ja im linken Spektrum nicht.
Es gibt aber ein weiteres Problem, dem viel zu wenig Beachtung geschenkt wird: Wie sieht es mit der Kompetenz aus, die den Parteien von den Menschen im Land zugerechnet wird? Wir meinen nicht das, was sich manchmal bei Markus Lanz zeigt, wenn Linke ihr Parteiprogramm erklären sollen. Heute geht es um Digitalkompetenz. Mich hat nicht überrascht, dass die FDP, die ständig von Digitalisierung faselt, aber während der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung auch nicht viel bewegt hat, dabei von über 15 Prozent der Abstimmenden, die bisher an dieser Umfrage teilgenommen haben, am besten bewertet wird:
Die CDU kommt sogar auf 22 Prozent. Das sind weniger, als sie wohl an Wählerstimmen bekommen haben wird, wenn am 26.09.2021 das Ergebnis der Bundestagswahl ausgezählt sein wird. Bei der FDP hingegen ist ein „Extra“ vorhanden, denn bei der „Sonntagsfrage“ steht sie aktuell bei ca. 12 Prozent. Auch die Grünen werden mit 18 Prozent für vergleichsweise digitalkompetent gehalten. Aber dann kommen die Probleme: Nur knapp 9 Prozent setzen auf die SPD, wenn es um Digitalisierung geht und gruselige 2,5 Prozent trauen der Linken hier am meisten zu. Das heißt auch, dass die Linke von vielen gewählt wird, obwohl sie jener Partei ihrer Wahl auf einem wichtigen Zukunftsfeld nichts zutrauen. Hingegen wird sie von vielen nicht gewählt, die Fragenstellungen der Digitalwirtschaft für besonders wichtig halten.
Selbstverständlich hat auch die Linke eine Haltung zur Digitalisierung, aber sie hat es bisher nicht ansatzweise verstanden, diese als Konzept nach draußen zu tragen und vor allem klarzumachen, dass Digitalisierung nicht nach dem Muster der Neoliberalen weiterlaufen darf: nämlich als Treibstoff für die immer stärkere Prekarisierung vieler Wirtschaftsbereiche. Die Plattformökonomie, die nicht vorhandene Organisationsmacht derjenigen, die in der Digitalindustrie arbeiten, das alles muss man in den Vordergrund rücken und Digitalisierung menschenfreundlicher gestalten. Dazu dringt aus der Linken sehr wenig nach außen und dies, obwohl dort viele Gewerkschafter:innen politisch tätig sind, die dringend besorgt über die zunehmende Desorganisation der Arbeitnehmerschaft sein müssten. Ohnehin fällt auf, dass die Linke nicht nur kakophonisch wirkt, und das ausgerechnet in Wahlkampfzeiten, sondern auch noch im Wesentlichen mit Themen befasst ist, die leider im Moment kaum jemanden interessieren: Soziales und Digitales, das ist es, was bearbeitet werden muss.
Kreativität ist etwas, das sich Menschen in der Digitalwirtschaft in hohem Maße zurechnen und was andere ihnen zubilligen. Teilweise stimmt es, in weiten Bereichen ist es aber auch nur ein Narrativ von vielen. Die Linke hingegen wirkt nicht kreativ, nicht einmal dabei, wie sie ihre bekannten sozialen Forderungen vertritt. Umso weniger dort, wo sie Typen ansprechen muss, die es nicht so mit klassischen Ideologien, aber viel mit Bits und Bytes haben. Wenn man ihnen erklärt, dass man ihre Arbeit sozialer gestalten will und dass sie sich selbst besser sozial absichern könnten, wenn sie einem linken Digitalkonzept gegenüber aufgeschlossen wären, anstatt wegen der Rückständigkeit der Politik ihre Jobs in Gefahr zu sehen oder die Flurcht durch den neoliberalen Tunnel zu versuchen, dann wäre viel gewonnen. Noch besser wäre es, diese Menschen für die Mitarbeit an alternativen, nicht neoliberal hinterlegten DIgitalkonzepten zu gewinnen.
Gerade in diesem Bereich arbeiten viele Menschen, die so gestrickt sind: Hier ist ein Problem oder eine Idee und wir erstellen die Lösung oder das Ergebnis. Das ewige Geplänkel in der Linken, das niemanden voranbringt, ist nicht deren Ding, dafür sind z. B. Sozialberufe viel empfänglicher. Bei den Sozialberufen ist mit dem Bilden eines Stuhlkreises der Tag schon halb gewonnen, während Techworker darin nichts weiter als Zeitverschwendung sehen. Das ist natürlich zugespitzt, aber dass viele Technologiearbeitende einer Partei wie der FDP zuneigen, die ihnen ein hohes Lebensrisiko aufzwingt, ist verständlich, weil sie sich, wenn sich jung und kraftvoll fühlen, am meisten nach möglichst großer Freiheit sehnen, nicht nach Gemeinschaft und Absicherung. Wenn sie das Ende des Tunnels aus tausend möglichen Gründen nicht erreichen: Pech, das ist Kapitalismus.
Aber offenbar sind es nicht nur IT-Freaks, die nicht viel von linker Digitalisierung halten, denn es werden wohl kaum alle Abstimmenden in Digitaltechnologiebranchen arbeiten. Auch jene, die, wie wir, nur „User“ sind, können auf Anhieb wichtige Eckpfeiler linker Sozialforderungen aufsagen, 13 Euro Mindestlohn, Vermögensteuer, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr etc., aber auch wir müssen stark nachdenken und auch nachschauen, bevor wir wissen, was die Linke über die Digitalisierung denkt und wie sie diese gestalten möchte. Wir helfen uns und unseren Leser:innen jedoch gerne aus: https://www.die-linke.de/themen/digitalisierung:
- Digitalisierung für Menschen statt für Profite
- Monopole müssen zerschlagen werden
- Nichtkommerzielle Plattformen fördern
- Grundrechte stärken
1. „Monopole müssen zerschlagen werden. Wir wollen ein Kartellrecht, das auch online scharfe Zähne hat. Mit einem Plattformstrukturgesetz wollen wir Datenschutz sicherstellen und alle Dienste verpflichten, den Im- und Export persönlicher Inhalte in offenen Formaten anzubieten.
2. Konzerne müssen in den Ländern Steuern zahlen, in denen sie wirtschaftlich aktiv sind. Wir fordern eine stärkere Besteuerung der Gewinne am Ort der Umsätze und die Einschränkung der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben, die der Gewinnverlagerung dienen.
3. Nichtkommerzielle Plattformen fördern: Selbstverwaltete und öffentliche Alternativen brauchen eine verlässliche öffentliche Finanzierung. Für ein offenes, solidarisches und freies Internet.
4. Öffentliches Geld für öffentliche Nutzung: Mit Steuergeldern finanzierte IT-Infrastruktur muss Open Source sein und lizenzfrei durch andere öffentliche Körperschaften weiterverwendet werden können. Das gilt auch für Forschungsergebnisse.
5. Grundrechte stärken: Zum Schutz vor staatlicher Ausspähung und Überwachung müssen Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen und allgegenwärtige Videoüberwachung verboten werden. Geheimdienstliche Hintertüren in Software sind auch ein Sicherheitsproblem. Whistleblower brauchen gesetzlichen Schutz.
6. Arbeits- und Mitbestimmungsrechte ausbauen: Auch für Beschäftigte über Plattformen, bei Subunternehmen und Soloselbständige müssen Unternehmen Arbeitsschutzrechte und Tarifverträge einhalten und die Sozialversicherung bezahlen. Überwachung von Beschäftigten muss hart bestraft werden. Betriebsräte müssen bei Investitionen und Standortentscheidungen mitbestimmen können.
7. Telekommunikationsnetze in öffentliches Eigentum: Der Bund soll 10 Mrd. Euro pro Jahr investieren, um den Breitband-Ausbau schnell voran zu treiben. Die durch Bundesmittel geschaffene Infrastruktur bleibt in öffentlicher Hand.
8. Datensicherheit und Datenschutz ab Werk: Die Hersteller von IT-Geräten müssen für die Sicherheit der gespeicherten Daten garantieren und den Zugriff Unbefugter ausschließen. Das darf nicht als Pflicht auf Verbraucher*innen abgewälzt werden.
9. Strom- und Rohstoffverbrauch begrenzen: Wir brauchen klare Vorgaben für IT-Geräte, Rechenzentren und Softwareprogrammierung, um weitere Umweltzerstörung zu verhindern. Wir müssen auch demokratisch entscheiden, welche Sachen wir nicht digitalisieren.
10. Kein Vorwand für Personalkürzungen: In Behörden, Schulklassen, auf dem Bahnsteig und im Bus muss weiterhin menschliches Personal arbeiten, das bei Schwierigkeiten ansprechbar ist und helfen kann. Öffentliche Leistungen müssen immer auch nicht-digital zugänglich sein.
Ist das was? Die soziale Seite wird gut beleucht und das Geschriebene ergibt Sinn, die technische hingegen gar nicht. Wenn man vom Breitbandausbau, in welcher Form auch immer, absieht, der in Deutschland mittlerweile eher rein Running Gag ist als gelebte Realität. Also wirkt die Beschreibung eben doch einseitig, denn man muss die technischen Grundlagen verstehen und dieses Verständnis zeigen, wenn man die Digitalisierung mit ihrer hohen und leider gemeinwohlfeindlichen, Egoismus und Segregation fördernden Eigendynamik so lenken will, dass das herauskommt, was in den genannten 10 Punkten gefordert wird. Außerdem stört uns beim Wahlberliner eine Sache, die ebenfalls eine Tendenz in der Linken darstellt und die explizit sozialfeindlich ist: Anstatt, dass Kreative für ihre Arbeit wieder anständig bezahlt werden, soll alles kostenlos sein, was sie erarbeiten. Oben steht nur, dass öffentliche Gelder der Öffenlichkeit zugutekommen sollen (keine vollständige Privatisierung von Gewinnen, die erst durch öffentliche Gelder möglich wurden), und die Zerschlagung der Monopole wäre geradezu eine Chance für einen Neustart für die verpeilte europäischen Digitalwirtschaft.
Aber wenn Menschen, die geistige Leistungen erbringen, von welchen, die das nicht einmal in Erwägung ziehen, von ebenjenen, die sich lieber bei anderen bedienen, in ein minimales Grundeinkommen getrieben werden sollen, weil sich ihre Arbeit nicht mehr monetarisieren lässt, dann ist das der falsche Ansatz, um Gemeinwohl zu definieren. Solche Ansätze gibt es aber in der Linken, bezeichnenderweise kommen Protagonist:innen solcher arbeitnehmer- und gegenüber Soloselbstständigen feindlichen Ansätze u. a. von den Piraten, die in Auflösung begriffen sind. Dazu muss die Linke endlich etwas Konstruktives sagen, denn der Zwang, alles, was mit der sogenannten kreativen oder künstlerischen Höhe erschaffen wird, die ein Copyright allemal rechtfertigt, für lau abzugeben, gleich, wie wertvoll es ist, wird nicht die totale Informationsfreiheit und Kunst für alle bewirken, sondern einen erheblichen Rückgang bei Innovation und künstlerischer Produktion. Und diese Produktion ist nun einmal häufig eigenpersönlich und seltener kollektiv, zumindest nicht vom Ansatz, der Idee, der Entwurfsarbeit.
Deswegen ist es übrigens für uns nicht neutral, wenn Kanzlerkandidatinnen der Grünen von anderen einfach mal abkupfern, ohne den Ersteller:innen von prägnanten, ungewöhnlichen Formulierungen, die man offenbar für übernehmenswert erachtet, wenigstens einen Credit zu geben, indem man klarmacht, dass man zitiert und die treffende Beschreibung von Tatbeständen nicht selbst erfunden hat, sich also nicht sprachgewandter darstellt, als man ist.
Linke sind gegenüber Kreativen oft erstaunlich indolent oder ignorant und tun genau das, was das Kapital auch tut: Diejenigen, die anderen Schönes und Interessantes schenken, prekarisieren und stattdessen Roboterei, auch wenn sie von Menschen ausgeführt wird, in den Mittelpunkt rücken. Nichts gegen einfache, monotone Jobs, irgendwer muss sie unbedingt ausführen und sollte für den geringen Spaßfaktor bei diesen Jobs gut bezahlt werden. Oder, wenn es technisch machbar ist, stattdessen ein Grundeinkommen beziehen. Der Umkehrschluss darf aber nicht Raum greifen, dass alle, die Dinge tun, die der eigenen Person und anderen gefallen, dies umsonst tun müssen, zur Strafe dafür, dass sie bei ihrer Kreativarbeit auch etwas wie Freude über das Ergebnis empfinden. Es fällt schon auf, wie wenig die Linke die zunehmende Prekarisierung des Kunstbetriebs mit allen seinen Sparten thematisiert, unter der besonders die produzierenden, in zweiter Linie aber auch viele performende Künstler:innen leiden. Kann es sein, dass gewisse Personen in der Linken nicht nur ausbeutende Kapitalist:innen im Blick haben, sondern es Menschen auch nicht gönnen, dass diese von ihrer eigenen, niemand anderem schadenden geistigen Arbeit gut leben können, ein gutes Gefühl für Ästhetik haben, dafür, was andere schick finden könnten – und auch noch Sinnstiftendes dabei empfinden?
Warum das für uns zum Thema Digitalisierung zählt? Auch Kunst und Kreatives werden heute vielfach digital erstellt und / oder bearbeitet und dort findet die meiste echte Innovation statt, die schützenswert ist. Außerdem hat uns die Abbildung der verschiedenen Lizenzstufen vom Copyright bis zur vollkommenen Verwendungsfreiheit auf der Seite der Linken getriggert, auf der sie die zehn Punkte gelistet haben, die wir oben ganz ohne Wahrung eines Copyrights wiedergegeben haben. Doch wenigstens deren Herkunft haben wir erläutert. Nein, das Copyright ist nicht einfach „rot“, es sei denn, man versteht es so: Der Schutz desselben ist eine linke, rote Angelegenheit. Mal darüber nachdenken, auch ein Angebot an uns zu machen, Linke? Fair ist fair! Besonders, wenn es um faire Arbeitsbedingungen geht. Und dann lasst uns über Digitalisierung so reden, dass auch technisch orientierte Menschen den Eindruck gewinnen, dass die Linke oder Die Linke Bescheid weiß.
TH