Frontpage | Wirtschaft | Millionäre, Lobbyismus, Vermögen
Zweieinhalb Monate bis zur Bundestagswahl. Wir werden die Zeit nutzen, nicht nur politische zu fordern und Fälle von Gefahr für die Demokratie aufzuzeigen, sondern Sie auch darüber zu informieren, wo alles herkommt. Alles, was geschieht, muss ja Hintergründe haben. Wieso zum Beispiel privilegiert die Union den Besitz von fremdgenutzten Immobilien so massiv, warum ist es der Politik egal, dass die Mehrheit der Bevölkerung in immer stärkerem Ausmaß enteignet wird, solange nur der Immobilienhype anhält? Einen Teil der Erklärung bietet die folgende Grafik:
Nicht weniger als 43,7 Prozent der Vermögensanlagen der Millionäre in Deutschland bestehen auf den ersten Blick aus Immobilien (selbstgenutzte und fremdgenutzte). Aber in einem weiteren Punkt verstecken sich ebenfalls Immobilienwerte in erheblichem Ausmaß: Im Betriebsvermögen. Maschinen und Anlagen werden abgeschrieben, deren Wert mindert sich vom Moment der Anschaffung an. Für Immobilien gilt dies hingegen nur steuerlich, sie stellen ungeachtet dessen oft die größten realen Vermögenstatbestände des Betriebsermögens dar.
Wir dürfen davon ausgehen, dass sich insgesamt mehr als 60 Prozent des Vermögens der Millionäre in Deutschland aus Immobilien aller Art bestehen. Aus bestehendem Vermögen kann man weiteres generieren, indem man es zum Beispiel günstig beleiht, was derzeit besonders attraktiv ist. Wenn Sie einen der wichtigsten Gründe für suchen, warum weiterhin billiges Kapital gestreut und jetzt auch eine erhöhte Inflation risktiert wird, dann hier: Die Vermögen lobbyieren massiv dafür, dass ihre Immobilien immer weitere Wertsteigerungen erfahren, die Blase nicht platzen kann. Anders als Normalverdiener frisst bei ihnen nicht die Geldentwertung an der Substanz, sondern die Immobilien ziehen mit und steigen aufgrund des massiv in den Markt getragenen billigen Kapitals und der dadurch künstlich geschaffenen Nachfrage sogar wesentlich schneller im Wert als jede andere, vor allem jede andere einigermaßen sichere Geldanlage. Immobilien sind aber immer nur so viel wert, wie sie an Rendite erbringen und am Markt als Spekulationstatbestände eingeschätzt werden. Die Rendite spielt mittlerweile nicht mehr die Hauptrolle, sie ist so niedrig wie nie zu vor, ähnlich wie die Aktien von Unternehmern in Relation zur Dividende oder zum Gewinn so hoch stehen wie nie zuvor. Die Fantasie, die dafür sorgt, dass die Märkte nicht zusammenbrechen, liegt in weiteren Steigerungen. Die Geldpolitik ist in dem Dilemma gefangen, dass sie diesen Hype weiter antreiben muss, weil sie ansonsten die nächste Finanzkrise riskieren würde.
Eine massive Korrektur all dieser Werte auf realistische Größenordnungen würde, anders als die schleichende Enteignung von Sparguthaben und kleinen Geldanlagen der Normalbevölkerung, auch die Reichen treffen. Und die Banken, welche das alles finanzieren. Letzteres dürfte für die Politik der EZB, die den Immobilienhype weiter fortführen möchte, sogar wichtiger sein als das Schicksal einzelner Millionär:innen die sich vielleicht verspekuliert haben. Der nächste Bankencrash könnte dafür sorgen, dass das gesamte System ins Wanken kommt. Außerdem können sich durch die Geldflut bei gleichzeitig anziehender Inflation nicht nur Private, sondern auch Staaten schneller entschulden. Die kleinen Leute, die nicht so flexibel in den Möglichkeiten sind, ihr weniges Erspartes anzulegen, haben nicht nur das Nachsehen, sondern müssen jetzt auch noch vermehrt Strafzinsen bezahlen. Die Millionäre wird das nicht treffen, wie man an der obigen Verteilung ihres Vermögens nach Anlageklassen sieht. Geldanlagen, inklusive Aktien und andere Wertpapiere, machen gerade 10,8 Prozent ihres Vermögens aus. Der Vollständigkeit halber: Auch Betriebe können Geldanlagen im Vermögen halten, deshalb dürfte der reale Anteil, wie bei den Immobilien, höher liegen als in der Grafik ausgewiesen. Im Begleittext von Statista heißt es:
Millionäre in Deutschland verfügen im Schnitt über ein Bruttovermögen von rund drei Millionen Euro. Die Statista-Grafik zeigt auf Basis einer neuen Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wo ihr Geld landet. Den mit durchschnittlich rund 40 Prozent größten Anteil des Geldes stellt das Betriebsvermögen dar, also die Menge aller Vermögensgegenstände, die in einem betrieblichen Zusammenhang stehen. Ein weiteres Viertel des Vermögens ist in sonstigen Immobilien investiert. Die beiden anteilsmäßig größten Vermögensbausteine zielen damit laut DIW auf die Generierung von Erträgen ab, etwa durch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. durch den Betrieb eines Gewerbes. Reine Geldvermögen spielt eine geringere Rolle, denn nur 10 Prozent ihres Geldes stecken Millionäre in Geldanlagen. Den geringsten Teil ihres Vermögens investieren sie in Versicherungen, Fahrzeuge, Sachanlagen und Bausparvermögen.
Empirische Grundlage sind die vom DIW Berlin in Zusammenarbeit mit Kantar erhobenen Daten des Sozio-oekonomischen Panels. Im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsbefragungen, in denen das Vermögen auf Haushaltsebene erfasst wird, werden im SOEP die individuellen Vermögen aller Personen ab 17 Jahren eines Privathaushalts separat und in mehreren Kategorien erfragt.
TH