Filmfest Vorschau Zuhause
Liebe Leser:innen, es wird wieder einmal Zeit, Sie auf ein TV-Event hinzuweisen, das uns in die Abgründe der Seele führt. Sind Sie schon einmal gekränkt worden? Sicher. Aber so richtig? Nachhaltig? Hört es gar nicht auf, nachzuwirken? Dann könnten Sie sich Gedanken darüber machen, wie Sie künftig solche Situationen anders angehen oder wie Sie mit der Nachwirkung anders umgehen. Sonst könnte vielleicht so etwas passieren … aber lesen Sie selbst:
Pressetext:
am Dienstag, dem 24. und Mittwoch, dem 25. August 2021, zeigt ZDFneo an zwei aufeinanderfolgenden Tagen um 21.45 Uhr mit jeweils drei Folgen die sechsteilige Serie „Am Anschlag – Die Macht der Kränkung“, inspiriert vom Sachbuch des Autors und Psychiaters Reinhard Haller („Die Macht der Kränkung“). Ab Freitag, dem 20. August 2021, 10.00 Uhr, sind alle Folgen in der ZDFmediathek abrufbar.
Unter der Regie von Umut Dağ und nach dem Drehbuch von Agnes Pluch sind in den Hauptrollen Murathan Muslu, Julia Koschitz, Johanna Wokalek, Antje Traue, Lea Zoë Voss, Jonas Holdenrieder, Ulrike Willenbacher, Paul Wollin, Anian Zollner und Alev Irmak zu sehen.
In der hochspannenden neoriginal-Serie steht in jeder Episode das Schicksal und die Kränkung eines der sechs Protagonisten im Fokus. Georg (Murathan Muslu) ist Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma und macht sich mit Mixed Martial Arts und Anabolika für seine Frau Eva (Antje Traue) stark, die bei einem Autounfall ihr Augenlicht verloren hat. Für Mira (Julia Koschitz) ist ihr Job alles, doch ihr Chef, mit dem sie eine Affäre hat, droht sie zu hintergehen. Miras Mutter Ingeborg (Ulrike Willenbacher) hat ein enges Verhältnis zu ihrem Nachhilfeschüler Paul (Luis Aue), doch dieser ist verzweifelt als er erfährt, dass sie der Liebe wegen ins Ausland gehen möchte. Pauls Mutter Sarah (Johanna Wokalek) ist als Ärztin und alleinerziehende Mutter am Limit. Und Lorenz (Jonas Holdenrieder), der in der Shopping-Mall kellnert, ist hoffnungslos in die Friseurin Saschi (Lea Zoë Voss) verliebt. In Rückblenden wird auf einen Amoklauf im Einkaufszentrum hingedeutet. Am Tag X wird das Unglück geschehen: Doch wer hat die Tat begangen und was hat sie oder ihn dazu getrieben?
„Am Anschlag – Die Macht der Kränkung“ ist eine Produktion der Mona Film und Tivoli Film (Produzenten Thomas Hroch und Gerald Podgornig, Producerin Gudula von Eysmondt) in Koproduktion mit ZDFneo und ORF.
*** Ende Pressetext ***
Kürzlich erste hat Arte eine über 30-teilige Reihe namens „Therapie“ gezeigt, in der es um die Verarbeitung von Traumata geht, die mit terroristischen Anschlägen ins Leben von Menschen gekommen sind. Es gibt aber viele weit mehr alltägliche Ereignisse, mit denen Menschen nicht fertig werden. Nicht mehr fertig werden, weil es einfach zu dicke kommt, weil es sich türmt, weil die eine, die entscheidende Kränkung das Fass zum Überlaufen bringen kann. Nach meiner Ansicht werden Warnzeichen, die darauf hindeuten, auch in Therapien und in der sozialen Arbeit viel zu wenig ernst genommen. Vielleicht ist dies ein systematischer Fehler, vielleicht auch: Wir sind alle nur Menschen und es ist schwierig, auch für die Heiler:innen oder Helfer:innen, alles so abzuschichten, dass es nicht zu sehr belastet oder es fällt sehr schwer, Menschen richtig auszudeuten. Trotzdem: Die Tendenz ist immer noch, Entwicklungen eher zu verschlafen als zu aufmerksam oder auch ein wenig zu aufgeregt zu sein. Spielt dieser Aspekt in der Serie eine Rolle? Die professionelle Fernsehkritik findet die Serie auf jeden Fall gut gemacht, so viel an dieser Stelle:
Rainer Tittelbach vergab auf tittelbach.tv 5,5 von 6 Sternen und urteilte, dass die narrative Vielfalt, die hohe Qualität ihrer Darstellung und eine intelligente filmästhetische Erzählweise verhindern würden, dass Experten einem die Macht der Kränkung erklären müssen. Die Serie erzähle ihre zahlreichen Dramen mit den Mitteln eines analytischen Thrillers, indem bis zuletzt offenbleibt, welche Person der rund zehn potenziellen Täter Rot sieht.[14]
Man kann also nach der Serie offenbar selbst besser beurteilen, was Kränkungen auslösen und das ist allemal besser, als vermeintlichen Überreaktionen hilflos gegenüberzustehen. Sie zu vermeiden, ist natürlich eine ganz andere Sache, kann man das als dritte Person? Aber nur, wer versteht, kann wenigstens darüber nachdenken, was er selbst zum Beispiel mit Kränkungen auslöst. Im täglichen Leben gibt es immer noch unzählige Situationen und allzu viele Menschen, die sich über die Wirkung von Kränkungen kaum Gedanken machen und dies ist einer der Gründe dafür, warum kein Frieden in die Gesellschaft einkehrt. Der Übergriff ist so schnell geschehen und so schwer ist es, ihn zu korrigieren, falls überhaupt möglich. Jeder Sachbeitrag, sei es per ernsthafter Auseinandersetzung in einem allgemeinverständlichen Buch, sei durch ein fiktionales Format, kann dazu beitragen, unser Bewusstsein für Kränkungen anderer zu stärken.
Das ZDF macht mit seinem Sender „neo“ immer häufiger „Neoriginals“, gerne auch in Kooperation. Die öffentlich-rechtlichen Sender antworten also, man kann fast sagen, mit einer gewissen Ironie auf „Amazon Originals“, „Netflix Originals“ und wie alle Streamingangebote heißen, die zunächst nur mit Prime- und anderen Abos zu sehen sind. Für schlappe 18,36 Euro im Monat (nach der Erhöhung des Rundfunkbeitrags) erhalten Sie aber bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wirklich viel. Nicht alles, was gut ist, aber eben viel. Wie zum Beispiel das „Neoriginal“ namens „Am Anschlag“. Hier nochmal der Hinweis, dass man sich die Serie schon einige Tage vor der Ausstrahlung in der Mediathek anschauen kann und danach selbstverständlich auch noch für eine Zeit, falls man die Fernsehpremiere verpasst hat.
TH