Filmfest 670 Cinema
Dort oben ist es besser als unter Menschen
Gorillas im Nebel (Originaltitel: Gorillas in the Mist) ist ein US-amerikanischer Spielfilm aus dem Jahr 1988, der auf der wahren Geschichte der Zoologin und Verhaltensforscherin Dian Fossey und ihren Studien zum Verhalten von Gorillas basiert.
Das Drehbuch von Anna Hamilton Phelan entstand aufgrund eines Artikels von Harold T. P. Hayes und Fosseys Autobiografie Gorillas im Nebel. Regie führte Michael Apted und die Hauptrolle spielte Sigourney Weaver, die für ihre Leistung den Golden Globe gewann und eine Oscar-Nominierung in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin erhielt.
„Gorillas im Nebel“ ist einer der ganz großen Filme für militante Tierschützer. Für Tierliebhaber, die nicht so militant sind, hält er mit der Figur Dian Fossey schon deshalb eine Menge bereit, weil sie von Sigourney Weaver gespielt wird. Die Rolle der Gorilla-Forscherin trug ihr eine Oscar-Nominierung ein, die Trophäe als beste Schauspielerin in einem Kinofilm des Jahres 1988 erhielt aber Jodie Foster für ihre Rolle in „Angeklagt“. Das bedeutet nicht, dass wir „Angeklagt“ besser fanden als „Gorillas im Nebel“. Mehr dazu steht in der –> Rezension.
Handlung (a)
Im Jahr 1967 kommt die US-amerikanische Wissenschaftlerin Dian Fossey nach Ostafrika ins Virunga-Massiv im Kongo, um dort das Leben der vom Aussterben bedrohten Berggorillas zu studieren. Während der Kongo-Krise muss sie das Land verlassen. Sie beschließt in Ruanda weiterzuforschen. Sie muss sich zunächst an das schwierige Leben im Dschungel anpassen, aber ihre Mühe zahlt sich aus, denn es gelingt ihr schließlich, das Vertrauen einer Gorillagruppe zu gewinnen. Fossey macht es sich zur Aufgabe, das Leben der bedrohten Art zu schützen. Ihre Methode, direkten Kontakt mit den Gorillas zu pflegen ist zuerst umstritten, zieht dann jedoch das Interesse des National Geographic auf sich, der den Fotografen Bob Campbell nach Afrika schickt, um Fosseys Arbeit zu dokumentieren.
Schnell teilt auch er Fosseys Begeisterung für die Tiere und die beiden werden ein Paar. Die Beziehung zerbricht allerdings, als Bob aus beruflichen Gründen nach Borneo reisen muss, Dian aber bei den Gorillas bleiben möchte. Die Konflikte mit Wilderern der Batwa und der Nationalparksleitung spitzen sich im Laufe der Jahre zu, da Fossey zu immer drastischeren Mitteln greift, um die Gorillas zu schützen. So quält sie zum Beispiel das Kind eines Wilderers und führt an einem gefangenen Wilderer eine Scheinhinrichtung durch. Sie hat zu ihrer menschlichen Umwelt keine normale Beziehung mehr und ist bald nur noch von Feinden umgeben. Eines Nachts wird sie in ihrer Hütte von einer unbekannten Person mit einer Machete ermordet. Ihr Leichnam wird auf einem Gorillafriedhof in Ruanda bestattet. Im Abspann werden ihre Verdienste um das Überleben der Gorillas gewürdigt.
Rezension
„Michael Apted hat die Geschichte der Dian Fossey behandelt, als würde ihr etwas fehlen. Er hat sie ergänzt: mit Sentimentalität, malerischem Pomp und weiblicher Schönheit. Dadurch fehlt dem Film genau das, was vielleich: das Wichtigste ist: die Wahrheit“ (1).
Da ist auf jeden Fall etwas dran, wenn man die Fotos der realen Dian Fossey mit ihrer Filmverkörperung vergleicht, und sentimental ist ein Film, in dem Tiere als Opfer gieriger und wahrhaft dummer Menschen gezeigt werden, immer. Das ist so unvermeidlich, wie dass in einem Western geschossen wird. Malerisch ist der Film aufgrund der malerischen Landschaft, in welcher er spielt, aber im Vergleich zu dem, was heutige Digitaltechnik aus diesem Dschungel gemacht hätte, wirkt er doch recht nah an der Realität. Es gibt Schmutz und Regen und auch die Gorillas haben etwas filziges Fell, in denen sich Pflanzenteile verfangen.
Es ist in der Tat die Hauptdarstellerin, die den Film veredelt, und die den Wunsch nach mehr erweckt, als uns gezeigt wird. Roger Ebert hat in seiner Kritik darauf hingewiesen, die Story von Dian Fossey sei ohnehin bekannt und man habe dieser durch den Film nichts Wesentliches hinzugefügt (2). Wir wissen nicht, ob deutsche Magazine wie GEO die Berichte im National Geographic, für das Dian Fossey gearbeitet hat, und das in den USA ein viel gelesenes Magazin ist, übernommen haben, aber wir kannten Fosseys Geschichte nicht, insofern trifft das Argument wohl vor allem auf Kinogänger in den USA und aus den 1980er Jahren zu, als Fossey ermordet wurde.
Uns hat der Film also eine Menge erzählt. Dass wir gerne mehr gewusst hätten, liegt vor allem an der sehr knappen Einführung der Person vor ihrer Zeit in Afrika. Sie taucht in einer Vorlesung von Dr. Leakey auf, überzeugt ihn offenbar im Handumdrehen von ihrer Mission, obwohl sie keine ausgebildete Wissenschaftlerin ist, und das Abenteuer beginnt. Uns fehlt die Vorgeschichte, wie eine Laiin sich einem solchen Lebensprojekt verschreiben kann, die – und das irritiert natürlich – so hübsch und elegant ist, dass man sich nicht ohne Hintergrundwissen vorstellen kann, wie sie auf die Idee verfällt, komplett aus der Zivilisation auszutreten. Das soll kein Vorurteil gegenüber Wissenshaftlerinnen transportieren, aber der Normalfall ist, dass man immer wieder zurückkehrt dorthin, wo man sozial verankert ist. Eine solche Verankerung scheint Fossey nicht zu haben.
Zwar lässt der Film die Deutung zu, dass die Langfristigkeit ihres Afrika-Aufenthalts sich erst durch die Arbeit selbst ergeben hat, aber Transformation in eine fanatische Frau, die mit der Zeit die Menschen wohl ebenso verachtet, wie sie die Tiere liebt und nur deshalb überhaupt noch jemanden an sich heran und sich und ihre Lieblinge fotografieren lässt, damit sie weiter Geld für ihre Forschungen bekommt, können wir nicht vollständig erfassen. Ein Mann besucht ihr kleines Camp in den Bergen, der National Geographic-Fotograf Bob Campbell.
Zwischen ihnen entsteht eine Liebesbeziehung und als er verständlicherweise klar macht, dass er nicht immer dort leben kann, als er sogar vorschlägt, die Hälfte des Jahres woanders zu bringen, damit er seinem Job nachgehen kann und das übrige halbe Jahr in ihrer Station, weist sie dies klar zurück. Es wirkt nicht, als ob sie von ihm enttäuscht zu sein scheint, als ob sie ernsthaft erwartet hätte, dass er sich ihr ganz und gar anschließt, sondern, als ob sie schon damit gerechnet hätte, eine Entscheidung treffen zu müssen und sie zögert nicht, bei der Wahl zwischen den Gorillas und dem einzigen Menschen, der ihr wirklich etwas bedeuten könnte. Sie wirkt zu dem Zeitpunkt bereits vollkommen auf ihre Mission fixiert.
Um ihre Gorillas zu bewachen, darf sie sie auch nicht verlassen, so kann man es sich immerhin zurechtlegen. Sie zu schützen, ist absolut notwendig, wie wir immer wieder erfahren. Dass die grausame Art, wie ihr Lieblingsgorialla Digit getötet, ja ermordet wird, bei dieser Ausdrucksweise, die sie gebraucht, können wir mitgehen, sie noch mehr von der Welt der Menschen separiert, ist nicht so schwer nachzuvollziehen. Hollywood hat viele Mittel, solche Persönlichkeitsmetamorphosen, wie Dian Fossey eine erlebt haben könnte, darzustellen, sie werden in Michael Apteds Film allerdings sparsam angewendet. Vielleicht wurden zwar die Mittel von Fossey mit der Zeit brutaler, mit denen sie den Affenkillern entgegentrat, aber ihre Einstellung wirkt von Beginn an sehr fest und ganz auf das Wohl der Tiere ausgerichtet.
Wir kennen Fosseys Biografie nicht, auf welcher der Film basiert, vielleicht steht dort alles genau so, denn sich in der Selbstwahrnehmung erklären zu müssen, die eigenen Wandlungen beschreiben zu müssen wie ein Romanautor das Werden einer Figurenpersönlichkeit, ist keine Pflicht und wir wissen nicht, ob Fossey Veränderungen an sich in Schriftform reflektiert hat. Falls nicht, kann man den Film so drehen, dass eine mögliche Veränderung und Fanatisierung eher nachrangig ist. Vergleicht man Bilder der echten Dian Fossey aus den 1960ern mit solchen, die kurz vor ihrem Tod entstanden sind, kann man keinen starken Persönlichkeitswandel herausfiltern. Manche Menschen verändern ihre Ausstrahlung innerhalb weniger Jahre oft auf frappierende Weise, wirken als junge Menschen härter oder weicher als später, ändern ihren Stil, ihre Haltung – all diese Wandlungen kann man bei Fossey nicht ausmachen.
Finale
Wir finden es gut, dass man inhaltlich eng bei den Tatsachen geblieben ist und nicht zu viel hinzugedichtet hat, und wenn Fosseys Zeit vor der Idee ihres Leben mit den Gorillas nicht sehr gut dokumentiert sein sollte, rechtfertigt sich auch das Einsetzen des Films kurz vor ihrem Aufbruch in den Kongo.
Etwas kurios jedoch, dass ein Kritiker vom Rang eines Roger Ebert (a.a. O.) moniert hat, dass man den Film nicht hollywoodlike enden lässt, dass er teilweise deprimierend wirkt – gerade diese Hollywoodisierung mit nicht wirklichkeitsgetreuem Happy End ist doch dem Kritiker als solchem meist ein Gräuel, weil damit die Sehnsucht der Massen nach Harmonie und Trost befriedigt werden soll, auch dann, wenn die Verweigerung der Affirmation und des süßen Kleisters mit Kuss und Schluss doch angezeigt wäre, um das Nachdenken über mehr zu stärken als das „Uff, alles ist gut!“, möglicherweise verbunden mit wohligem Schaudern. Dass manche Stoffe über viele Jahrzehnte hinweg durch den amerikanischen Weg des Filmens überhaupt massentauglich wurden, nehmen wir selbst nicht so gerne wahr, aber nun haben die Künstler auf eine solche Verfälschung verzichtet, schon bekommen sie auch dafür wieder Kritik ab und einen oder einen halben Stern weniger.
Sicher wäre es schöner gewesen, wenn nicht nur die Gorillas aufgrund von Fosseys Arbeit und ihrer Art, sich einzumischen, vor dem Aussterben bewahrt worden wären, sondern auch sie selbst ein weniger kryptisch-tragisches Ende genommen hätte, aber das Ende ist richtig so. Es lag in der Luft, dass irgendjemand sich irgendwann so sehr an ihr stören würde, dass ihre Beseitigung die Folge war. Wer mit Gorillas so umgeht wie die Einheimischen im Film es tun, der hat keine Mühe, eine missliebige Person zu ermorden. Die Frage, die sich eher stellt, ist, wieso es nicht früher zu einem Anschlag auf ihr Leben kam.
Wir tendieren sogar dazu, dem Film eher seine überwiegend konventionelle Machart zur Last zu legen, wenn es denn etwas Wesentliches zu kritisieren gibt. Das ganze große Mittendrin fehlt, was die Person und ihre Welt angeht. Nicht, dass zu wenige Szenen mit den Gorillas gefilmt worden wären, diebeszüglich war es ein großartiger Job, der Tiertraining mit Tricktechnik auf die damals bestmögliche Weise miteinander verbindet, aber zum Beispiel hätten wir’s nicht schlecht gefunden, wenn uns das, was Fossey in ihre Notizkladden geschrieben hat, mehr erläutert worden wäre.
Es gibt diese Art Off-Kommunikation mit Leakey, aber die dreht sich mehr um alltägliche Dinge, und sie stirbt mit der Zeit ganz ab. Vielleicht auch ein Zeichen für ihre Isolierung, aber der adäquate Ersatz wäre mehr Einblick in ihr Verschriftlichtes gewesen. Man hätte es, um den Film nicht zu langsam werden zu lassen, ähnlich wie den während Wanderungen etc. gezeigten Austausch mit Leakey, nicht unbedingt so darstellen müssen, dass sie dabei in der Hütte sitzt und tatsächlich gerade schreibt.
84/100
© 2021 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
(a), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
(2) Roger Ebert, Kritik vom 23.09.1988
Regie | Michael Apted |
Drehbuch | Anna Hamilton Phelan |
Produktion | Arnold Glimcher, Terence Clegg |
Musik | Maurice Jarre |
Kamera | John Seale |
Schnitt | Stuart Baird |
Besetzung | |
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