Filmfest 690 Cinema
Der Ventilator und der Lichtstrahl
Black Rain (übersetzt: Schwarzer Regen) ist ein Actionthriller des Regisseurs Ridley Scott aus dem Jahr 1989, der unter anderem das Aufeinandertreffen der japanischen und der US-amerikanischen Kultur der Moderne thematisiert. Hauptdarsteller sind Michael Douglas, Andy García und Ken Takakura. Die Musik steuerte Hans Zimmer bei.
Regisseur Ridley Scott hat viele sehr bekannte Filme gedreht, „Alien“ (1979) und „Blade Runner“ (1982) sind Werke, die man bis heute mit ihm verbindet und die von den Filmfans hoch geschätzt werden. Der letzte Film von ihm, der Eingang in die Top 250 der IMDb fand, war „Gladiator“ (2001) – der uns allerdings, im Gegensatz zu „Alien“, weniger überzeugt hat. Und wie und wo steht es mit „Black Rain“? In der –> Rezension.
Handlung (1)
Die New Yorker Cops Nick Conklin und Charlie Vincent werden in einem Restaurant Zeugen eines Mordanschlags auf einen Yakuzaboss. Sie können den Mörder Sato dingfest machen und erhalten den Auftrag, ihn nach Japan zu überführen. Conklin, gegen den die Dienstaufsicht gerade wegen verschwundener Drogengelder ermittelt, sieht das ganze als lästige Pflicht, während Vincent sich ein paar schöne Tage in Ōsaka machen will.
Am Flughafen Osaka-Itami übergeben sie Sato den Behörden, müssen aber Minuten später feststellen, dass sie ihn seinen eigenen Leuten ausgehändigt haben. Die japanische Polizei der Präfektur Ōsaka reagiert mit Verachtung, der zuständige Inspektor Matsumoto, genannt „Masa“ oder respektvoller Mas-San, gibt den beiden die alleinige Schuld. Er und Conklin werfen sich anfangs nicht viel mehr als Beleidigungen an den Kopf, und als sie sich auf die Jagd nach Sato und seinen Komplizen machen – Conklin und Vincent erhalten unter der Aufsicht von Masa den Status von Beobachtern ohne Mitwirkungsrecht – wird alles nur noch schlimmer. Gegen den Befehl seines Vorgesetzten bezieht Masa die beiden stärker in die Ermittlungen ein, und sie geraten in den Bandenkrieg zwischen Sato und Sugai. Bei einer Razzia im Versteck Satos werden einige Bandenmitglieder festgenommen, darunter einer der „Polizisten“ vom Flughafen. Gefunden werden Probedrucke von Falschgeld. Masa beschuldigt Conklin bei ihren Vorgesetzten der Unterschlagung, weil er ungewollt Zeuge wurde, wie Conklin Geldscheine eingesteckt hat. Dieser hat mit Vincent das Geld näher untersucht und wollte Masa über die Hintergründe des Bandenkriegs informieren.
Nach einer langen Nacht in einer Karaoke-Bar kommen sich die drei Polizisten näher, reden über ihre gegenseitigen Wertvorstellungen, und Conklin erhält von der amerikanischen Entertainerin Joyce Ratschläge, wie er sich als Gaijin (ein Ausländer, Fremder) verhalten soll. Conklin und Vincent lernen schnell, was es heißt, die Männer der Yakuza zum Feind zu haben. Als sie sich zu Fuß zu ihrem Hotel auf den Weg machen, werden sie von einer Motorradgang überfallen und getrennt. Conklin erreicht seinen Partner gerade noch, um mitanzusehen, wie er von Sato mit einem Wakizashi geköpft wird. (…)
Rezension
Seltsamerweise hat Scott nie einen Oscar gewonnen, aber wir können an dieser Stelle nicht durchdeklinieren, welche seiner Filme es verdient gehabt hätten, gegen die Wettbewerber zu gewinnen, gegen die seine Werke bei den Preisverleihungen für die jeweiligen Produktionsjahre anzutreten hatten.
„Black Rain“ jedenfalls ist für uns sicher nicht verdächtig, einer der besten Filme seines Jahrgangs zu sein. Die Bilder sind für damalige Verhältnisse sehr stylisch, die Musik von Hans Zimmer lässt den Film neuer wirken, als er ist – nur der Look von Michael Douglas wies anfangs darauf hin, dass es sich nicht um ein Produkt der 1990er handelt, sondern dass der Film in dem Jahr entstand, in dem die Berliner Mauer fiel. Nicht nur hierzulande ist das eine Zeitenwende gewesen. Ideologisch ist diese allerdings noch nicht zu verspüren, denn hier stehen sich das Amerikan von Ronald Reagan bzw. George Bush senior und das Japan der 1980er gegenüber, das „den Frieden gewonnen hat“, wie Masa gegenüber Conklin ausführt. Unverkennbar die ikonischen Firmennamen über der glitzernden City von Tokio-Osaka, die wir heute noch kennen, die aber nicht mehr jenen beinahe mythischen Glanz unbesiegbarer Technologie aufweisen wie vor 25 Jahren.
Von der Japan-Agonie der 1990er ist noch nichts zu spüren, wohl aber vom angekratzten Selbstbewusstsein der Amerikaner. In einer Kritik haben wir gelesen, am Ende achten die beiden Polizisten Masa und Conklin gegenseitig ihre Kulturen.
Wir meinen eher, sie achten und lieben einander vielleicht sogar als Personen, aber ein tieferes Verständnis für die Kultur des anderen konnten wir nicht erkennen. Was Ridley Scott mit einer Thrillerhandlung umrahmt, ist der Konflikt zwischen Individualismus made in USA und japanischem Korpsdenken. Man merkt deutlich, trotz der Originalschauplätze und eines kapablen Darstellers für Masa (Ken Takakura), aus welcher Richtung der Film gebürstet ist und welche Perspektive er einnimmt. Die Japaner werde bezichtigt, noch nie eine eigene Idee gehabt zu haben, und gerade für uns hierzulande ist das pikant, weil sie ihren industriellen Aufstieg damit begonnen haben, dass sie hemmungslos deutsche Produkte kopierten und die Ergebnisse, erzeugt zum halben Lohn der Arbeitenden wie hierzulande, zum halben Preis anboten. Die Ergebnisse sind bekannt, mehrere Vorzeigebranchen sind dadurch hierzulande innerhalb weniger Jahre verschwunden. Heute steht diese Phase des industriellen Angriffs der Japaner auf den Westen nicht mehr so im Fokus, weil die Welt sich immer weiterentwickelt und China noch einmal eine ganz andere Herausforderung darstellt, allein aufgrund seines von einer riesigen Bevölkerung getragenen Potenzials.
In einem behält Conklin, behalten Scott und die USA auf jeden Fall Recht: Die US-Unterhaltungsindustrie, die immerhin ein großes Kreativpotenzial hat, wird noch manchen Wandel in der inustriellen Führerschaft der Welt überstehen, während die Japaner nichts tun, was nicht heute die Koreaner auch können, nur eben wiederum günstiger. Und die Chinesen natürlich. Und demnächst vermutlich die Vietnamesen. Auf Japan ist das zurückgefallen, womit es einst groß wurde. Wir in Europa schauen ohnehin im Wesentlichen zu, unserer inustriellen Basis weitgehend beraubt. Vielleicht ist das besser so, denn die Konkurrenz zu den in der Tat rücksichtslosen Asiaten, zu immer neuen Völkern, die bereit sind, sich für kleinen Lohn und für den Aufstieg im Dienst der Nation, also in Wirklichkeit des Kapitalismus, zu schinden, ist auf Dauer nicht durchzustehen. Unser amerikanisches Erbe nach dem zweiten Weltkrieg ist eben, dass wir eher sind wie Conklin als wie Masa. Nicht im Sinn eines Actionhelden, der den Japanern zeigt, wie man die gefährlichen Yakuza zur Strecke bringt, aber als Individuen in einer Welt mit einer Million Shades of Grey.
Dass Masas Ehrenkodex Conklin zu denken gibt, ist ebenfalls eine individuelle Geschichte zwischen den beiden. Dass Korruption dem Ansehen der Polizei schadet, ist keine speziell japanische Erkenntnis und wir glauben nicht, dass es irgendein Land gibt, in dem nicht auch Schmiergeld fließt, angesichts der finanziellen Möglichkeiten der Unterwelt und der Unterbezahlung der Polizei in Relation zu ihrem gefährlichen und oft frustrierenden Job.
Wenn man die Handlung des Films betrachtet, kommt man sogar eher zu dem Schluss, Conklin ist hintergründigerweise als Individualist auch der Teamplayer, nicht Masa. Letzter nimmt nur Befehle seines Superintendenten entgegen, handelt aber stets allein, während die beiden US-Polizisten sich aufeinander verlassen und dicke Kumpels sind. Doch das Übergeordnete ist die Einbindung in eine große, leider anonym wirkende und daher nicht erstrebenswerte Gemeinschaft in Japan und die engen Relationen zu wenigen anderen Personen, denen man vertrauen kann, in den USA. In Europa darf man im Allgemeinen von einer Mischform ausgehen, besonders in Deutschland mit seinen kollektiven Ansätzen, die nicht auf die Nation, sondern auf soziale Komponenten zielen sollten, wenn die gegenwärtige Form der hiesigen Demokratie sich eine Raison d’être erhalten will.
Conklin motzt die Leute an, die gegen ihn wegen Bestechlichkeit ermitteln, obwohl sie, wie wir sehr spät im Film erfahren, den richtigen Riecher besitzen. Masa lässt sich von seinem Vorgesetzten zusammenscheißen, obwohl er das Richtige tut, er würde aber nie darüber diskutieren. An all diesen Verhaltensweisen ist natürlich etwas Realistisches zu beobachten, aber der US-Großstadtpolizist wird mit seinen Möglichkeiten wieder einmal idealisiert. Es ist im Grunde lächerlich, dass er sich als Gaijin in Japan dermaßen in Szene setzen kann. Auch die Art, wie er seinen Kumpel verliert und wie die Yakuza-Motorradtruppen agieren, ist zwar effektvoll, aber doch ziemlich stilisiert. Diese Mischung aus einer realen japanischen Glitzerwelt, die Ende der 1980er noch ganz neu wirkte und spekulativen Übertreibungen ist einem echten Kulturvergleich unangemessen, aber dieser dient gut als Vorwand für eine ganz konventionelle amerikanische Cop-Geschichte, wo ein Einzelkämpfer immer mehr zur Herausforderung für ein ganzes System wird. Es ist das Copfilm-Muster, das in den späten 1960ern und 1970ern entwickelt wurde und im Grunde bis heute besteht.
Finale
Der Film ist für seine Zeit schnell und brutal, man hatte aus den Actionfilmen und den Vietnamkriegsfilmen der Vorjahre einiges mitgenommen, was die Darstellung von Gewalt und die rasante Abfolge von eindrucksvoll bebilderten Handlungselementen angeht. Allerdings schafft es Scott neben allem, was uns an dieser Japan-Orgie genervt hat, zwischen Conklin und Masa zwei Momente zu organisieren, die uns berührt haben. Davon hätte es mehr geben dürfen, denn Männerfreundschaften gehören zu den schönsten Beziehungen, die man literarisch und im Kino darstellen kann. Vor allem, wenn man Gegensatzpaare bildet, wenn man Typen zeigt, die einander erst einmal fremd oder feindselig gegenüberstehen und auf einer Heldenreise zur Kooperation finden müssen.
Durch den Streit zwischen dem Alt-Yakuza Sugai und dem jungen Wilden Sato erfährt man, und das kann man mitnehmen, einiges über die Bandenstrukturen und den Ehrenkodex innerhalb dieser Strukturen – aber der Falschgeldkrieg als Rache an den USA und die durch sie erlittenen Leiden im Zweiten Weltkrieg und gleichzeitig als Bumerang-Effekt der Kolonisierung durch die USA ist wiederum eine Art ideologisches Knallbonbon, das schön in die Angst vor der gelben Gefahr mit der roten Sonne passt, die in jener Zeit nicht nur in den USA herrschte, aber ob die Yakuza-Bosse wirklich durch solche Ideen motiviert sind, wagen wir zu bezweifeln.
66/100
© 2021 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia
Regie | Ridley Scott |
Drehbuch | Craig Bolotin, Warren Lewis |
Produktion | Craig Bolotin, Stanley R. Jaffe, Sherry Lansing |
Musik | Hans Zimmer |
Kamera | Jan de Bont |
Schnitt | Tom Rolf |
Besetzung | |
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