Filmfest 692 Cinema
Unbesiegt oder unbeirrbar im Irrglauben?
Die Unbesiegten (Originaltitel: The Undefeated) ist ein US-amerikanischer Western von Andrew V. McLaglen mit John Wayne und Rock Hudson in den Hauptrollen.
In John Waynes späten Filmjahren, nach der großen Zeit mit John Ford und Howard Hawks als Regisseuren, wurde Andrew V. McLaglen ein bevorzugter Partner für den alternden Superstar, und im Fall von „Die Unbesiegten“ auch für Rock Hudson. Fast zwei Stunden lang ist dieser Western, ist es ein Spätwestern in der Zeit der Spätwestern oder weist er in eine neue Zeit hinein? Wir klären dies und mehr in der –> Rezension.
Handlung
Eröffnet wird die Handlung mit einer Szene aus dem Sezessionskrieg, in der ein Kavallerieregiment der Nordstaaten nach dem Kampf davon informiert wird, dass der Bürgerkrieg zu Ende ist. Zudem wird hier einer der Hauptcharaktere, John Henry Thomas, eingeführt.
Nun erfolgt ein Zeitsprung. Der Colonel der Konföderierten Armee, James Langdon, ist gerade dabei, die Abfahrt mit einem Treck nach Mexiko vorzubereiten, denn die ehemaligen Soldaten haben Angst, der Rache der Nordstaaten ausgesetzt zu sein. Unterdessen beschließt Colonel John Henry Thomas nach seiner Entlassung aus der Armee mit seinen verbliebenen Kameraden ins Gebiet von New Mexico und Arizona zu ziehen, um dort Wildpferde einzufangen und diese dann möglichst gewinnbringend an die US-Armee zu verkaufen. Doch Abgesandte des Kaisers Maximilian I. von Mexiko machen ihm ein besseres Angebot, deshalb beschließt er, die Pferde nach Mexiko zu treiben.
Auf dem Weg nach Mexiko trifft Colonel John Henry Thomas auf den Treck der konföderierten Soldaten mit ihren Familien. Nach einer kleinen Kontroverse wird Thomas mehr oder weniger gezwungen, den Konföderierten zu helfen, als ihr Lager von mexikanischen Banditen angegriffen wird. Thomas und seine Männer greifen in die Kämpfe ein und besiegen die Banditen. Langsam freunden sich die ehemaligen Feinde an, feiern sogar den Unabhängigkeitstag zusammen. Unterdessen entwickelt sich zwischen Charlotte, der Tochter Langdons, und Blue Boy, dem Adoptivsohn Thomas’, eine Liebesbeziehung.
Vorerst aber ziehen die Trecks weiter und gehen ihre eigenen Wege. Während Thomas auf die Bezahlung seiner Pferde wartet, wird Langdons Treck von Aufständischen unter General Rojas gefangen genommen. Die Aufständischen verlangen als Lösegeld die Pferde von Thomas, die sie dringend benötigen. Unter der Drohung, seine Soldaten zu erschießen, wird Langdon gezwungen, Thomas um die Pferde zu bitten. Langdon reitet zu Thomas, der zusammen mit seinen Leuten der Übergabe der Pferde zustimmt. Nach einem Gefecht mit französischer Kavallerie bringen sie die Pferde zu den Aufständischen. Diese lassen daraufhin die Südstaatler frei und gemeinsam zieht man wieder zurück in die Vereinigten Staaten.
Rezension
Der erste Film, den Andrew V. McLaglen mit John Wayne gemacht hat, war „McLintock“, sechs Jahr vor „Die Unbesiegten“. Damals war John Wayne noch gerade im Vollbesitz seiner Organe, aber nicht mehr lange, 1964 wurde ihm ein Lungenflügel entfernt. Der Western war 1963 nicht mehr ganz auf der Höhe, aber es gab im Rahmen des Gewohnten Ansätze zu neuen Betrachtungen und zur Entmythifizierung, daran hat auch John Ford in seinen späten Regiejahren noch mitgewirkt, etwa in dem wohlgeratenen „The Man Who Shot Liberty Valance“ (1962), mit John Wayne (natürlich) und mit James Stewart. Selbstverständlich musste Wayne auch dort der eigentliche Held sein, der aber nicht den Ruhm erntet. Doch schon in früheren Ford-Filmen deutete sich eine Ambivalenz bei der Regie an, die Ford auch auf seine Figuren übertrug, die oft von John Wayne verkörpert wurden.
Wenn man die Ford-Wayne-Filme vergleicht mit den Wayen-McLaglen-Filmen, kann man es etwa so zusammenfassen: John Ford verwendete Wayne als Medium und machte aus ihm erst einen richtigen Schauspieler und Superstar. John Wayne machte aus Filmen mit McLaglen Vehikel für seine erzkonservativen Ansichten und dominierte das Set, wie er wollte, obwohl er sich kaum noch gerade auf dem Sattel halten konnte.
Dadurch wurden diese Werke in ihrer Tendenz teilweise unausstehlich, länglich und stellenweise langweilig. In „MacLintock“ überwiegt immerhin noch ein gewisser gedehnter Humor und das Teaming mit Maureen O’Hara lässt eine wirklich schöne Erinnerung aufkommen: An „Der Sieger“ („The Quiet Man“) von 1952, in dem John Ford die beiden schon zum wiederholten Male zusammenbrachte und der wirklich gut gemacht ist. Auch, weil er in Irland spielt, nicht im Westen, und Ford war irischer Herkunft und hatte sichtbar ein Herz für das, was er da mit viel Verve ins Bild setzte, während er nach seinem Einsatz im Zweiten Weltkrieg zunehmend kritische Töne in seine Western einfließen ließ.
„Die Unbesiegten“ ist kein Spätwestern und Übergangswestern, es wird in ihm nicht einmal der Versuch unternommen, etwas mit der Zeit zu gehen. Oder doch? Die Tochter des Südstaaten-Cornels, gespielt von Rock Hudson mit Oberlippenbart, darf sich in einen Angehörigen der First Nation verlieben und der Vater hat gar nichts dagegen. Wenn das bloß in dem Gesamtsetting nicht so berechnend wirken würde, wäre es ein Move nach vorne. Denn der Film strahlt letztlich vor allem eines aus: „Hey, Leute, wir stehen in Vietnam in einem schweren Kampf und Norden und Süden müssen richtig gut zusammenhalten, sonst wenden wir das Ding mit diesen ekelhaften Congs nicht mehr.“ Im Zweiten Weltkrieg war es deshalb anders, weil Nord und Süd tatsächlich eine Vereinbarung hatten, die sich in Epen wie „Vom Winde verweht“ ausdrückten: Der Norden respektiert den Süden, auch wenn es keine Sklavenhalterei mehr geben darf und alle zusammen gegen die Nazis. Nach dem Krieg kam aber die Bürgerrechtsbewegung und die rechtliche Gleichstellung aller Amerikaner:innen im Civil Rights Act von 1964 und das war wieder ein schwerer Schlag für die rassistischen Ex-Sklavenhalter in den Ex-Konföderierten-Staaten. Bis heute wehen die Konföderierten-Flaggen teilweise in diesen Staaten und was drücken sie wohl aus?
Man muss sich das vor Augen halten, wenn man ermitteln will, auf welchen Narrativen Filme wie „Die Unbesiegten“ fußen. Ich dachte, bevor ich recherchiert hatte, dass der deutsche Titel sicherlich wieder so eine sachfremde Verzerrung darstellt, tut er aber nicht. Dieser Mexiko-Western heißt im Original genauso. Dabei sind die Südstaatler doch besiegt und wollen deshalb sogar auswandern. Wenn jemand sein eigenes Herrenhaus anzündet und sich abwendet mit dem Satz: „Ach, so schön war’s“, ist er dann nicht besiegt? Und was ist mit dem Nordstaatler, der am Ende die vielen schönen Pferde der mexikanischen Revolutionsarmee von Benito Juarez vermutlich umsonst überlassen muss, mit welcher er reich werden wollte? Ist er unbesiegt? Vielleicht gilt das für beide in dem Sinne, dass sie gemeinsam zurück in die Staaten reiten und dort, jeder auf seine Weise, von vorne beginnen. Nichts mehr mit dem Siedeln im unruhigen Mexiko oder dem großen Geld durch den Verkauf von Pferden zur Beförderung einer falschen Sache, nämlich die der französisch-kaiserlichen Besatzer von Mexiko. Der reine Geschäftssinn ist nicht alles, wenn auch gezwungenermaßen, denn der mexikanische Revolutionsgeneral lässt den Viehtreibern keine Chance. Im Gegenteil, er würde die Südstaatler alle umbringen lassen, wenn der Nordstaatler und seine Cowboys ihm nicht die Pferde überlassen. Und was er dann doch froh ist, dass er das nicht tun muss, der arme Mann, als die Herde in die Stadt einreitet.
Auf den ersten Blick sind nie so viele falsche Töne in diesen Filmen, aber wenn man etwas genauer hinschaut, findet man mehr als nur unterschwellig eine Haltung, die man hinterfragen muss. Nicht umsonst hat Victor V. McLaglen in den 1970ern vor allem Militärfilme gemacht.
Ein aufwendiger, routiniert gestalteter Western mit tendenziös-patriotischen Tönen, restaurativen Vorstellungen von Autorität und einer simplen Verherrlichung von Militarismus.“ – Lexikon des internationalen Films[2]
„Ein aufwendiges, routiniert gedrehtes Western-Spektakel, das die Möglichkeiten seines Stoffes an plump vorgetragene Patriotismen verschenkt.“ – Evangelischer Filmbeobachter[3]
Ich kritisiere durchaus die Kritik der beiden damals führenden Filmkritikstellen in Deutschland, aber in dem Fall haben sie den Dreh schon bekommen, wir sind immerhin in den späten 1960ern, als ganz langsam durchsickert, dass es zu gesellschaftlichen Veränderungen kommen könnte, sogar in Deutschland.
Unbesiegt sind letztlich die Protagonisten. John Wayne schafft es noch einmal, eine hübsche Frau für sich zu gewinnen und der Mann aus dem Süden wird auch in den USA wieder seinen Platz finden, unbesiegt, wie er innerlich ist, nachdem er zuvor schon den Friedensschluss von 1865 nicht akzeptieren wollte. Das sind die Richtigen, eben niemals aufgeben, auch wenn eine Sache eindeutig verloren ist. Kein Wunder, dass in den USA kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Filme gemacht wurden, in denen es darum geht, wie die Nazis konspirativ weltweit ihre Netze weiterspinnen und dass man auch die Befürchtung hatte, dass es im besetzten Deutschland unruhiger zugehen würde, als es letztlich war. Die Sache der Nazis war aber nicht so gut wie die Sache der Sklavenhalter, das haben unsere Vorfahren dann doch schnell eingesehen und die meisten wollten auch nicht dabei gewesen sein, während sich in den USA wohl heute noch jeder damit brüstet, der Vorfahren unter den konföderierten „Rebellen“ nachweisen kann. Wozu sonst immer wieder Filme, in denen diese Rassisten so verhätschelt werden?
Finale
Sicher spiegelt sich in unserer Betrachtungsweise, dass John Wayne und andere, die den reaktionärsten Teil der Öffentlichkeit repräsentierten, sich auf einem Propagandafeldzug befanden, als der Film gedreht wurde. Dabei ist ihnen allerdings etwas entgangen: Während man den mexikanischen Revolutionären eine gewisse Sympathie entgegenbringt, denn gehen sie nicht letztlich den Weg wie die USA ihn im Unabhängigkeitkampf gegen Großbritannien gegangen sind, merkt man nicht, dass die Vietnamesen und andere Völker ebenso ein Recht auf Selbstbestimmung haben müssen und wie krude es ist, alle möglichen Diktaturen in der Welt nur aus geopolitischem US-Interesse heraus gegen den Freiheitswillen dieser Völker zu unterstützen? Der Sturz von Salvador Allende in Chile, das krasseste Beispiel eines amerikanischen Übergriffs zulasten der Freiheit, kam zwar erst 1973, aber die Einäugigkeit der amerikanischen Moral, die in Wirklichkeit vor allem an Nützlichkeitserwägungen, nicht an Werten ausgerichtet ist, sieht man in diesem Film ganz gut am Werk. Was nicht passt, wird in Hollywood passend gemacht. Deswegen mag ich heute diese Ära aber auch: Weil sich junge, progressive Filmer auf den Weg machten, um sich diesem rückwärtsgewandten Mainstream entgegenzustellen – und sie hatten Erfolg damit, die Filme von New Hollywood konnten sich auch kommerziell behaupten, weil sie den Geist der wirklichen Freiheit einfingen, in denen nicht zwei alt Militärs das Sagen über das Schicksal unzähliger Menschen haben und sie im Notfall für komplett sinnlose Zwecke verheizen würden.
52/100
© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
(1), kursiv, zitiert, tabellarisch: Wikipedia
Regie | Andrew V. McLaglen |
Drehbuch | James Lee Barrett Stanley Hough |
Produktion | Robert L. Jacks |
Musik | Hugo Montenegro |
Kamera | William H. Clothier |
Schnitt | Robert L. Simpson |
Besetzung | |
· John Wayne: Col. John Henry Thomas
· Rock Hudson: Col. James Langdon · Antonio Aguilar: Juarista Gen. Rojas · Roman Gabriel: Blue Boy · Marian McCargo: Ann Langdon · Lee Meriwether: Margaret Langdon · Merlin Olsen: Cpl. Little George · Melissa Newman: Charlotte Langdon · Bruce Cabot: Sgt. Jeff Newby · Jan-Michael Vincent: Lt. Bubba Wilkes · Ben Johnson: Short Grub · Edward Faulkner: Cpt. Anderson |