Filmfest 702 Cinema
Love Story ist ein Film-Melodrama aus dem Jahr 1970. Das Drehbuch schrieb Erich Segal, der Autor des gleichnamigen Romans. Der Film erzählt die tragische Geschichte eines jungen Collegepaares und wurde zu irgendjemand der größten Filmerfolge der frühen 1970er Jahre. Weltweite Bekanntheit erlangte die Titelmelodie von Francis Lai. Regie führte Arthur Hiller. Der Film wurde am 16. Dezember 1970 in den USA uraufgeführt.
„Love Story“ war einer der großen Erfolge des Kinos an der Wende zu den 1970ern, als der amerikanische Film nach neuen Wegen suchte – was ist heute noch dran am Zauber? Wir klären dies und mehr in der –> Rezension.
Handlung
Die Studenten Oliver Barrett und Jenny Cavalleri lernen sich am College kennen, als Oliver in der Bibliothek, in der Jenny arbeitet, ein Buch ausleihen will. Er ist ein am College beliebter Eishockeyspieler und Student aus reichem, konservativem Elternhaus, sie hingegen ist die Tochter einfacher italienischer Einwanderer und musikalisch äußerst begabt. Das ungleiche Paar beginnt eine Beziehung und beschließt trotz anfänglicher Schwierigkeiten zu heiraten. Oliver wendet sich von seiner Familie ab, da sein Vater mit einer sofortigen Heirat nicht einverstanden ist.
Das Paar vermählt sich per „self-made-wedding“ und zieht in ein bescheidenes Appartement, da Oliver jegliche Unterstützung von seinem Vater ablehnt und sich mit Aushilfsjobs durchschlagen muss. Jenny arbeitet indessen unterbezahlt als Musiklehrerin. Oliver beendet sein Jura-Studium und beginnt eine Karriere als Anwalt, wodurch sich die finanzielle Situation des jungen Ehepaars deutlich verbessert.
Jenny geht zum Arzt, da sich ihr Kinderwunsch nicht erfüllt. Es stellt sich heraus, dass sie an einer Blutkrankheit leidet, die unheilbar ist. Oliver bittet seinen Vater um Geld, um Jenny die bestmögliche Therapie zu finanzieren, verschweigt aber aus Stolz den Grund seiner Bitte. Der Vater leiht ihm das Geld, da er glaubt, es sei für einen anderen Zweck. Die Krankheit lässt sich nicht lange hinauszögern, und Jenny stirbt in Olivers Armen.
Als er das Krankenhaus verlässt, trifft er auf seinen Vater. Dieser hat inzwischen erfahren, wofür sein Sohn das Geld tatsächlich benötigt hatte. Er sagt Oliver, dass es ihm leid tue, woraufhin Oliver erwidert, dass Liebe bedeute, niemals um Verzeihung bitten zu müssen. Mit dieser Andeutung an Versöhnung endet der Film, wo er begann: Oliver sitzt auf einer Parkbank und denkt an seine verstorbene Frau.
Rezension
Wenn es nach den Nutzern der IMDb geht, ist der Lack etwas ab, ein Durchschnitt von 6,9/10 ist nicht superb. Aber die 46 Jahre, die seit dem Dreh von „Love Story“ vergangen sind, haben ihre Spuren hinterlassen. Romantische Filme haben es heute generell schwer, den „Test of Time“ zu bestehen, weil die Zeiten sich so gewandelt haben. Da kommen andere Filme aus den frühen 1970ern, wie „Einer flog über das Kuckucksnest“, die den Eindruck erwecken, als seien die Zustände in der Psychiatrie mittlerweile auf die Welt als Ganzes übertragbar und deren Aktualität dadurch gefühlt immer mehr anwächst, von anderem Kaliber. Ähnliches gilt für die harten Polizeithriller, für Italowestern und was sonst in den späten 1960ern oder frühen 1970ern die Leinwand bevölkerte.
„Love Story“ aber ist ein ganz klassisches, höchst einfach gestricktes und glücklicherweise kurzes Melodram, das mit dem Tod der weiblichen Hauptfigur im Alter von nur 25 Jahren endet, und dieser Tod ist nicht etwa durch eine Tötungshandlung oder durch einen spektakulären Unfall verursacht, sondern schlicht durch Leukämie, wenn ich die indirekte Beschreibung ihres Krankheitsbildes richtig verstanden habe. Natürlich ist Leukämie nichts Schlichtes, und die Kombination, dass jemand, der so jung, so vielversprechend, so hübsch und lebhaft ist, davon betroffen wird, macht besonders betroffen. Es ist nicht zu ändern, wir nehmen einen solchen Fall anders war, als wenn er einen älteren, wenig attraktiven Menschen betrifft und müssen uns stark zurückhalten, dass wir nicht ausrufen: Sie war noch so jung! Als ob ein solcher Tod nicht für ältere Menschen genauso schlimm wäre, zudem hinterlassen sie in der Regel mehr Nachkommen. Einen Tod als „natürlich“ akzeptieren wir, was immer seine Ursache ist, heute erst, wenn jemand etwa auf die 80 zugeht.
Ich habe vor dem Schreiben ein wenig in die Kritik des von mir so geschätzten Roger Ebert geschaut und er ist der Meinung, der Film sei viel besser als das Buch, das stilistisch grausam sei und die Charaktere nicht mit dem Leben erfülle, das Ali McGraw als Jenny und Rayn O’Neal als Oliver den Figuren einzuhauchen in der Lage sind. Ich habe das Buch in so jungen Jahren gelesen, dass ich a.) keine Erinnerung mehr an den Stil habe und b.) damals noch gar nicht so auf stilistische Eigenheiten eines Textes geachtet habe wie vor allem seit der Zeit, als ich an der Uni ein wenig mit Literatur zugange war und selbst ein wenig schreiben begann. Aber ich kann mich erinnern, dass mich das Buch ebenso einige Taschentücher gekostet hat wie der Film.
Ebert fragt weiterhin, ob es falsch ist, wenn ein Film so auf die Tränendrüse drückt. Ich bin auch da mit ihm einer Ansicht und sage: nein. Sicher, die Story ist höchst banal, wenn man vom Jennys Tod absieht und lässt sich zudem unter dem Gesichtspunkt der Kapitalismuskritik durchnudeln, wenn man bei einem solchen Film wirklich die Konzentration auf den Aspekt legen will, dass er höchst system-affirmativ ist und eine hintergründige Versöhnungsbotschaft zwischen den Klassen transportiert, ohne dabei ironisch zu werden, wie etwa Billy Wilders „Sabrina“, an den er mich stellenweise erinnert hat. Ebenso gibt es Momente, in denen Douglas Sirks berühmte Melodramen der 1950er anklingen – die aber immer soziale Aspekte neben einer großen Liebesgeschichte in den Vordergrund gestellt haben. Hier füllt der Kontrast zwischen Oliver als Spross eines Geschlechtes von Superreichen und Jenny als Tochter eines Pizzabäckers die Leere, welche der Film sonst aufweisen würde, mehr nicht. Von der Spannung der unterschiedlichen Herkunft bezieht er mehr Volumen als von allen anderen Themen, ohne dass diese Spannung ihn kantig machen würde.
Die persönliche Konfliktlage ist nur bei Oliver angesiedelt, weil er Jenny heiratet, obwohl sein Vater ihm befehlen will zu warten, ob die Liebe den Test der Zeit besteht, dagegen lehnt sich der Sohn auf, macht es trotzdem, verliert die finanzielle Unterstützung, kriegt kein Stipendium, weil die Eltern zu viel Geld haben, Jenny muss mit ihrem Gehalt als Junglehrerin die beiden durchbringen. Kam mir etwas vor wie „kein BaföG, weil die Eltern, bittesehr, dankeschön“. Oliver verkauft additional Weihnachtsbäume, am Ende sind sie über den Berg, weil er ein guter Jurist geworden ist und in eine gute Kanzlei einsteigen konnte. Das Blöde ist, dieser banale Plot kommt mir irgendwie sehr bekannt vor. Was nichts anderes bedeutet, als dass das Leben oft genauso banal ist wie mancher Film. Die Kritik will das nicht wahrhaben und vor allem nicht die Tatsache, dass wir uns nichts dabei vergeben, genau das im Film zu sehen, in 90 oder 120 Minuten, was wir aus Jahren eigener Anschauung kennen. So funktioniert jede „Daily Soap“ und es ist wohl ähnlich wie bei den Krimis: In ihnen können wir Verbrechen gruselwohlig beobachten, unseren Ängsten Lauf lassen, aber sie doch einhegen und uns quasi selbst beobachten, weil wir nicht betroffen sind. Dies erzielt offenbar kathartische Wirkung. Ebenso ist es bei zwischenmenschlichen Nöten und Themen wie dem Tod. Es fühlt sich echt an und betrifft uns glücklicherweise nicht persönlich.
Was „Love Story“ für mich aber vor allem anziehend macht ist, wie Ali McGraw die Jenny-Rolle interpretiert. Sie ist in ihrer kessen, charmanten, aber doch irgendwie konservativ-seriösen Art unwiderstehlich. Umso mehr steige ich als Zuschauer darauf ein, wenn es Parallelen gibt, wie zum Beispiel, dass ich mich an der Uni tatsächlich in eine hübsche dunkelhaarige Mitstudentin verliebt war und mit ihr einige der schönsten denkbaren Momente erlebt habe. Und sind nicht viele Abschiede in Form eines Auseinandergehens, die ich seitdem erfahren habe, eine Summe von Verlusten, die ähnliche Wirkung hat wie der Tod eines einzelnen, sehr geliebten Menschen? Immerhin hat Oliver seine große Liebe gefunden, das kann er mitnehmen, und das können nicht viele von sich in der Form behaupten, wie es hier gezeigt wird. Es ist ein schlichter Film über einfache, große Gefühle, und er trifft im Stil seiner Zeit sehr gut den Ton, man fühlt seine Entstehungszeit auch gut heraus. Heute wirkt auf mich nichts darin oder daran grundfalsch.
Witzig fand ich in der Wikipedia die Anmerkung zum „McGraw-Effekt“, den Roger Ebert ausgemacht haben will, nämlich, dass dem Tod geweihte Menschen in Filmen immer schöner werden. Ob das in unserer Fantasie ablaufen soll oder dergestalt, dass sie wirklich so gezeigt werden, inklusive einer Änderung der Maske, die zum Beispiel die ursprünglich braungebrannte Jenny blasser und edler wirken lässt, konnte ich leider nicht nachlesen, denn in seiner Rezension zu „Love Story“ ist dieser Effekt interessantereise nicht beschrieben, obwohl er sich auf diesen Film beziehen muss.
Fazit
Man sollte innerlich nicht zu sehr gealtert sein und nicht zu zornig über unsere zynische und gewalttätige Zeit, um den Film mögen zu können, ich freue mich bei Werken wie diesem immer wieder, dass ich da noch mitgehen kann – ohne komplett die kritische Distanz zu verlieren, dafür bin ich doch schon zu lange – sic! – auf der Kritiker-Seite. Aber es gibt eine Transformation zwischen dem Moment des Anschauens und dem des Schreibens, und das ist gut so.
Als ich eingangs die IMDb-Wertung erwähnte, habe ich den Clou bewusst rausgelassen. Während ältere Männer ab 45 den Film so schlecht bewerten wie keine andere aufgeschlüsselte demografische Gruppe (6,7/10) ist es bei Frauen ab 45 genau umgekehrt. Sie werten mit am höchsten (7,6/10). Und wer wollte bestreiten, dass emotional erfahrene und kompetente Frauen sich mit Gefühlsdingen besser auskennen als vom Leben enttäuschte, verhärtete Männer?
79/100
© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)
Regie | Arthur Hiller |
Drehbuch | Erich Segal |
Produktion | Robert Evans David Golden Howard G. Minsky |
Musik | Francis Lai |
Kamera | Richard C. Kratina |
Schnitt | Robert C. Jones |
Besetzung | |
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