Wofür Deutschland seine Militärausgaben verwendet (Statistik) + Kommentar | Frontpage | Geopolitik, Verteidigung | Rüstung, Militärausgaben

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Wir waren erstaunt darüber, wie gering der Anteil an den Militärausgaben in Deutschland für Ausrüstung ist. Kein Wunder jedoch angesichts dieser Zahlen, dass die Bundeswehr von vielen Stellen als mehr oder weniger nicht einsatzfähig bezeichnet wird. Hingegen würde uns brennend interessieren, wie die immer weiter steigenden Anteile für „Sonstiges“, besonders innerhalb dieses Clusters die nicht „zuordenbaren Ausgaben“, strukturiert sind.

Es ist nicht nur die Schuld einer ignoranten Merkel-Regierung oder aller Bundesregierungen seit der Wende, dass selbst eine zahlenmäßig so reduzierte Truppe, wie die Bundeswehr sie mittlerweile darstellt, nicht mehr adäquat ausgerüstet und einsatzfähig gehalten wird. Es gibt im Bundestag den Verteidigungsausschuss und alle Parteien, die im Bundestag vertreten sind, haben das Recht, dort über die Ausgabenverwendung zu diskutieren. Hier zunächst die Zahlen:

Diese Statista-Grafik ist unter einer Lizenz CC-BY-ND erstellt worden und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder.

Hier noch einmal die Entwicklung der Rüstungsausgaben in Deutschland, die für die letzten Jahre ohnehin bereits starke Steigerungen ausweisen. Allein im Zeitraum von 2018 auf 2020, also binnen von nur zwei Jahren, betrug die Steigerung satte 18 Prozent. Gibt es irgendeinen anderen Ressort-Etat, in dem zum Beispiel wichtige Zukunftsprojekte angesiedelt sind, der so gepflegt wurde? Die Zahlen für 2021 werden sicher noch einmal höher liegen. Das ist auch im europäischen Vergleich viel, das gleiche Niveau wie Frankreich es aufweist und nur 7 Milliarden weniger als bei Spitzenreiter Großbritannien. Deutschland hat zwar die größere Volkswirtschaft, ist aber nicht, wie diese Staaten, u. a. Atommacht und muss daher keine teure Infrastruktur für landeseigene Atomwaffen bereithalten.

Zur Erklärung schreibt Statista:

Deutschland hat den Anteil der Ausgaben für Ausrüstung an den Militärausgaben zuletzt erhöht und gleichzeitig den Anteil der Personalkosten reduziert. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten der NATO. So stieg der Anteil der Ausrüstungsausgaben im Zeitraum von 2014 bis 2020 von 12,9 Prozent auf rund 17 Prozent. Der Personalkostenanteil sank dagegen von 50,7 auf 42 Prozent. Der Ausgabenanteil für Infrastruktur blieb über den Zeitraum nahezu konstant. Der Anteil der sonstigen Ausgaben stieg von 32,6 Prozent auf 37,4 Prozent.

Die Personalkosten beinhalten sowohl militärische als auch zivile Ausgaben und Pensionen. Die Ausrüstungsausgaben erschließen laut Quelle die Hauptausrüstungsausgaben sowie Ausgaben für Forschung und Entwicklung von Hauptrüstungen. Die Infrastrukturausgaben umfassen die gemeinsame Infrastruktur der NATO und nationale militärische Vorhaben. Unter sonstigen Ausgaben fallen Betriebs- und Instandhaltungsaufgaben, sonstige Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie nicht genauer zuordenbare Ausgaben.

In einer Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar 2022, wenige Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, verkündete SPD-Kanzler Olaf Scholz eine 180-Grad-Wendung in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, welche nicht weniger als einem Paradigmenwechsel gleichkommt: Als Konsequenz aus den Angriffen auf die Ukraine versprach die Bundesregierung zum einen, Waffenlieferungen aus dem Bestand der Bundeswehr an die Ukraine zu tätigen, zum anderen eine beachtliche Aufstockung des Wehretats um 100 Milliarden Euro vorzunehmen.

Welchen Einfluss dies Aufstockung des Wehretats auf die Verteilung der Militärausgaben haben wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Es ist wahrscheinlich, dass der Anteil der Ausgaben für Ausrüstung weiter steigen wird. So hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) die Anschaffung amerikanischer F-35-Tarnkappenjets bekannt gegeben, um die alten Tornados der Luftwaffe zu ersetzen. Einer dieser Jets kostet mehr als 100 Millionen US-Dollar in der Anschaffung.

In den USA werden sogar Kampfflugzeuge gebaut, die das Zwanzigfache kosten, da kann man froh sein, dass diese Megaflieger hierzulande nicht bestellt werden sollen (falls die USA sie überhaupt exportieren). Und dann der Raketenschutzschirm, mindestens zwei Milliarden, mit der in Deutschland bei öffentlichen Beschaffungen und Aufträgen üblichen Option auf Vervielfachung der Kosten bis Fertigstellung. Ob der Raketenschutzschirm sinnvoll ist, wollen wir an dieser Stelle nicht diskutieren, es gibt sowohl Argumente dafür als auch dagegen. Auf jeden Fall aber meinen wir, er muss nicht Gegenstand des „Sondervermögens“, wie der geplante Sonderschuldenberg im Wege klarer Täuschungsabsicht genannt wird, sein. Deutschland hat in den vergangenen Jahren bereits die Rüstungsausgaben deutlich erhöht und wenn es wirklich dazu kommt, dass der reguläre Rüstungsetat zwei Prozent vom BIP umfasst, wie in der Nato vereinbart und von den USA gefordert, sollte mit einem vernünftigen Finanzmanagement alles, was notwendig ist, in diesem Etat enthalten sein. Kein Grund weit und breit, 100 Milliarden zusätzlich in die Rüstung zu stecken, die keinerlei Mehr an Sicherheit bringen werden, wie wir an anderer Stelle erläutert haben.

Wir halten auch die Aufstockung des Rüstungsetats von derzeit 1,5 auf 2 Prozent am BIP für nicht notwendig, hingegen muss das Thema Misswirtschaft in und mit der Bundeswehr endlich ernsthaft angegangen werden. Jeder Kaufmann weiß, dass eine Prüfung vorzunehmen ist, wenn die „sonstigen Kosten“ immer weiter ansteigen, dass die Zuordnung immer weiterer Posten, deren Sachzweck sich nicht klar und seriös als notwendig darstellen lässt, darauf hinweisen, dass es sich hier nicht um Kernaufgaben eines Unternehmens, in diesem Falle der Bundeswehr, handelt. Vermutlich fallen unter diese Kosten z. B. die massiven Werbeaktionen der Bundeswehr um neue Soldat:innen, was man aber wohl nicht so gerne öffentlich in den Raum stellt: Es belegt, dass die Truppe massive Schwierigkeiten hat, Nachwuchs zu finden, obwohl sie sich darstellt, als sei sie die Lebenschance an sich für alle jungen Menschen, die Verantwortung, Spaß an Technik und Abenteuer miteinander verbinden möchten. Auch dies ist eine Täuschung, angesichts der Zustände bei der Bundeswehr und der Tatsache, dass sie keinen klaren Auftrag mehr hat, sondern für politische Zwecke nach Gusto der jeweiligen Regierung und im Schlepptau der USA missbraucht wird, die zu solchermaßen desaströsen Ergebnissen wie in Afghanistan führen können.

Bei der Bundeswehr liegt sehr vieles im Argen, was man mit immer mehr Geld nicht lösen kann, und das ist mehr als bedauerlich. Es ist fahrlässig, es ist gefährlich. Denn wir sind sehr wohl der Ansicht, dass ein Land sich selbst gegen Aggressoren verteidigen können muss. Wenn es sein muss, alleine, besser aber eingebunden in eine starke Gemeinschaft von funktionierenden Demokratien. Es gibt viele Lehren aus dem Unheil der deutschen Vergangenheit und aus der wenig erfreulichen Gegenwart, dem Russland-Ukraine-Krieg, und diese gehört dazu. Um die Situation zu verbessern, sind intelligente und kooperativ gestaltete Lösungen, z. B. innerhalb der EU, gefragt, nicht das Gießkannenprinzip.

TH

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