Platzverweis für Trimmel – Tatort 32 #Crimetime 1101 #Tatort #Hamburg #Trimmel #NDR #Platzverweis

Crimetime 1101 Titelfoto © NDR / Telepress

Platzverweis für Trimmel ist ein deutscher Fernsehkrimi des NDR und wurde am 19. August 1973 im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Es ist die 32. Episode der Kriminalreihe Tatort und der 6. Fall von Hauptkommissar Paul Trimmel, gespielt von Walter Richter. Trimmel hat es mit einem Mord im Zusammenhang mit dem damaligen Bundesliga-Skandal zu tun.

Nicht weniger als 52 Spieler aus acht damaligen Bundesliga-Vereinen und einige Funktionäre waren in diesen Skandal verwickelt. Nicht aber der HSV, wie am Ende stolz berichtet wird, in einer Art Durchbrechung der Vierten Wand: Würden wir unsere Logistik für den Dreh zur Verfügung stellen, wenn wir keine saubere Weste hätten? Findig, wie Trimmel manchmal war, hätte er antworten können: Wäre gerade die Verweigerung der Kooperation nicht verdächtig gewesen? Große Vereine wie der HSV oder Bayern München waren in der Tat nicht in den Bundesliga-Skandal verwickelt, aber vor allem im Main-Rhein-Ruhr-Bereich und in Westfalen waren die meisten der damaligen Bundesligisten betroffen. Wie konnte man diesen Vorgang zu einem Tatort machen? Darüber steht mehr in der –> Rezension.

Handlung

Ein Mann fährt mit einem Wagen nachts auf einen Sportplatz. Aus dem Kofferraum holt er eine Leiche, die er in einem Fußballtor ablegt, wo die Leiche am nächsten Morgen gefunden wird. Bei dem Toten handelt es sich um Louis Spindel, der aus dem Ruhrgebiet stammt, aber seit sechs Wochen in Hamburg in einer heruntergekommenen Pension wohnte.

In seinem Zimmer wird eine Bargeldsumme von über sechstausend DM gefunden, obwohl seine Wirtin aussagte, er habe keine Arbeit gehabt. Spindel wurde ab und an von einer Frau namens Olga besucht. Weiterhin kam jeden Mittwoch ein Mann vorbei, der Spindel eine größere Geldsumme übergab. Als „Geldbriefträger“ wird ein gewisser Jonny Feldmann ermittelt. Trimmel vermutet hinter den Zahlungen einen Hintergrund in Zusammenhang mit dem Bundesligaskandal.

Trimmels Assistent Petersen findet heraus, dass Spindel des Öfteren eine Frau besucht hat, die allerdings nicht Olga, sondern Irene Kohl hieß.

Laumen sucht Feldmann auf, der nicht sonderlich überrascht über den Tod Spindels zu sein scheint. Feldmann stellt sich ahnungslos über die Herkunft des Geldes. Höffgen ermittelt derweil, dass Spindel über 100.000 DM in Wertpapieren besaß und dass das Geld vom Spielervermittler Prack stammte, der in den Bundesligaskandal verwickelt war. Das Geld hätte Spindel als Provision für die Vermittlung eines bekannten Fußballstars gezahlt.

Trimmel fährt daraufhin ins Rheinland, wo der Tote herstammt und der Spielervermittler ansässig ist, um vor Ort die Ermittlungen fortzusetzen. Im Zug sitzt auch Feldmann, sowie die Mannschaft des HSV. Feldmann wird im Zug von einem Mann namens Tuffinger auf Prack und Spindel angesprochen, Feldmann verweigert das Gespräch.

In Köln sind sowohl Trimmel als auch Feldmann im Stadion und verfolgen ein Bundesligaspiel zwischen dem 1. FC Köln und dem HSV. Im Stadion trifft Trimmel auf seinen Bremer Kollegen Böck.

Feldmann trifft sich am Rande des Spiels mit einer Frau, die er mit „Frau Spindel“ anspricht. Trimmel lässt unter einem Vorwand von einem Streifenpolizisten die Personalien der Frau überprüfen. Die Dame heißt Olga Spindel und wohnt in Bonsdorf.

Trimmel folgt Frau Spindel, diese wird am Bahnhof von Tuffinger angesprochen. Die beiden steigen in ein Taxi, Trimmel misslingt die Verfolgung. Feldmann fährt derweil mit dem Zug nach Hamburg zurück, auf der Fahrt betrinkt er sich. Tuffinger kehrt zum Bahnhof zurück, Trimmel will mit ihm über Louis Spindel reden, der Mann rennt aber davon und schüttelt Trimmel abermals ab. Trimmel lässt sich zu der Adresse fahren, die Tuffinger vormals angesteuert hatte. (…)

Rezension

Am Ende des Films kommt man zu dem Schluss, dass es doch viel einfacher sein muss,  Schiedsrichter zu bestechen als ganze Mannschaften. Das hat man wohl aus dem Bundesliga-Skandal gelernt und es stimmt ja auch: Es gibt viel weniger Beteiligte, die etwas durchsickern lassen könnten. Daraus entstand, allerdings nicht als Aktion aus der Liga heraus, sondern von Wettangebotsbetreibern, der Wettskandal von 2005, in dem der Schiedsrichter Rober Hoyzer bestochen wurde, um Spiele zu verschieben. Bei den heutigen Millionengagen der Profis in der Ersten Liga sollte man meinen, der Anreiz sei geringer geworden, sich durch derlei unsportliches Verhalten ein Zubrot zu verdienen, aber die Bestechungsgelder würden bei dem heutigen Milliardengeschäft natürlich ebenfalls wachsen. Ob man sie noch so leicht zahlen könnte, ist eine andere Frage, aber es gibt weltweit genug Territorien, die gerne illegal erwirtschaftetes Geld bunkern. Der Bundesligaskandal wurde durch die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland überstrahlt und es heißt, geringe Strafen und Begnadigungen seien auch wegen der WM ausgesprochen worden. Das klingt nicht absurd, denn es waren wichtige Nationalspieler wie Klaus Fischer betroffen, aber auch solche, die heute noch in ihren Vereinen als Legenden gefeiert werden, wie Reinhard „Stan“ Libuda von Schalke 04. Im Wesentlichen ging es darum, dass einige Vereinsfunktionäre abstiegsbedrohter Vereine Spielern anderer Vereine Bestechungsgelder angboten, wenn diese Spiele verloren gehen ließen, die für den jeweiligen Abstiegskandidaten wichtig waren. Kurioserweise kam es dabei zu Überbietungswettbewerben.

In „Platzverweis für Trimmel“, der zwischen der Aufdeckung des Skandals und der WM 1974 gedreht wurde, hallt dieser nach und es wird ein grelles Schlaglicht auf Spielervermittler und Vereinsfunktionäre geworfen, aber das, was wir sehen, ist im Wesentlichen ein Fake: Bestechlichkeit von Schiedsrichtern als elaboriertere Form der Spielmanipulation wird lediglich behauptet. Die Fußballmanager, die so im Sumpf drinstecken, dass sie echt nicht mehr von Fake unterscheiden können, glauben, die Manipulation hätte tatsächlich stattgefunden. Dabei beruht der Trick nur auf Statistik bzw. deren Auswertung: Referees, die besonders gerne Elfmeter pfeifen, werdne als bestochen bezeichnet, wenn sie genau das tun. Diese Auflösung ist allerdings bei näherer Betrachtung kritisch zu betrachten: Denn zum einen ist ja nicht klar, welche Mannschaft durch diese Pfeiffreudigkeit begünstigt wird, zum anderen kann man nicht hingehen und sagen: Dieses Mal hat die Bestechung nicht geklappt, weil der Schiri noch genug Geld auf dem Konto hatte für den nächsten Mallorca-Urlaub. Das wirkt zu sehr wie das, was es ist: vom Zufall abhängig. Trotzdem ist die angesprochene Schiedsrichterbestechung die logische Konsequenz aus dem Skandal, an dem viel zu viele Personen beteiligt waren, als dass er hätte unter der Decke bleiben können.

Das ist übrigens auch ein Hint für Verschwörtungstheoretiker:innen: Selbstverständlich gibt es Verschwörungen, wie man anhand des Bundesligaskandals gesehen hat, denn hier haben mehrere zum (illegal herbeigeführten) Nachteil anderer ohne deren Wissen zusammengewirkt. So etwas gibt es logischerweise auch in der Politik. Überall eigentlich. Aber an einigen der ganz großen Verschwörungsnummern, die immer wieder im Gespräch sind, müssten Tausende beteiligt gewesen sein, und dass nicht irgendeine wissende Person irgendwann ein Enthüllungsbuch schreibt oder wenigstens anonym an die Presse geht, ist unwahrscheinlich. Einige Verschwörungen sind in der Tat durch  Whistleblower enttarnt worden, wie wir wissen. Aber z. B. die Weltverschwörung wäre eine Nummer zu groß dafür, dass sie nicht nachweisbar wäre. Dass Mächtige zusammenarbeiten, um noch mächtiger zu werden, findet hingegen recht offen statt und man muss es nicht als Verschwörung zu bezeichnen, sondern kann die Systemkritik an den für die Mehrheit negativen Ergebnissen dieser immer weiter anwachsenden Machtballung in den Vordergrund stellen.

Ich weiß nicht, ob ich jetzt alle Fußballtatorte gesehen habe, aber „Platzverweis für Trimmel“ dürfte der erste davon gewesen sein. Sehr gut kann ich mich an die Bundesliga der 1970er nicht mehr erinnern. Nur, dass wir an der Durchreiche zwischen Küche und Frühstücksbar oder wie man das nennen soll, zwischen Küche und Esszimmer, ein Kofferradio stehen hatten, in dem Fußball live in der Samstagsnachmittags-Konferenzschaltung lief. Damals fanden tatsächlich noch alle Spiele gleichzeitig statt, so spannend. Mein erstes Fußballspiel, zu dem mein Vater mich mitnahm, war ein 1:0 gegen den 1. FC Köln seitens unserer Heimmannschaft. Dieses Stadion  sieht immer noch ähnlich aus wie die Sportanlagen im Film ,aber der Verein spielt ja auch nur noch dritte Liga, wenn’s hochkommt Was für eine Setting-Tristesse, im Vergleich zum heutigen Hochglanzevent Fußball mit seinen fancy Arenen und durchgestylten Fans. Und volle Stadien waren offenbar auch in der Bundesliga die Ausnahme. Die WM 1974 war wohl wirklich nötig, um dem Ganzen einen Schub zu geben. Und: Die Bundesliga war damals zeitweise die beste überhaupt. Bevor die anderen sich entschlossen, richtig professionell zu werden und außerdem Menschen wie Dr. Fuentes zu vertrauen, könnte man aus heutiger Sicht festhalten. Danach konnte auf lange Sicht nur noch Bayern München mithalten und so kam es, dass seit gefühlt 125 Jahren keinen anderen Meister mehr gegeben hat. Wie so vieles in Deutschland steckt der Fußball in einer ziemlichen Schräglage, die von großer Ungleichheit, vielen verpassten und verpennten Chancen etc. kündet. Immerhin hilft das heutige Drumherum-Tamtam dabei, die Tatsache etwas in den Hintergrund zu drängen, dass Deutschland im Fußball zuletzt ziemlich viel vergurkt hat.

Tatortfans, die auch Fußballfans sind, können noch genau sagen, welche Spiele man im Film sieht, die Namen der Spieler, die ins Bild kommen, das überlasse ich über gerne ihnen, zumal selbst mein obiges erstes Spiel einige Jahre später stattfand. Die Atmosphäre an den Samstagnachmittagen mit dem laufenden Radio, währenddessen machte jede:r irgendwelche Freizeitarbeit drinnen oder im Garten, kann ich aber noch gut erinnern. Aber wie ist es mit dem Krimi?

Vermutlich war „Platzverweis für Trimmel“ nicht nur der erste von einer doch beträchtlichen Anzahl von Fußball-Tatorten, sondern bietet auch ein geradezu erschreckendes Personpanorma. Der Mord hat nichts mit dem Fußball zu tun, sondern ist eine Beziehungstat, der sogar eine weitere Tötungshandlung folgt. Der Mörder ist eine krass überzeichnete und darum sehr gute Figur, die heute kaum noch glaubwürdig wirken würde, obwohl sie in das triste Umfeld, das dieser Tatort zeigt, sehr gut passt. Fußball ist eben doch etwas für Kinder, die es nicht so mit der Impulskontrolle und der intellektuellen Hinterfragung ihres Tuns haben. Nebenbei offenbart der Film ein Frauenbild, das mir bei dem Duo, das damals für alle Hamburg-Tatorte zuständig war, Peter Schulze-Rohr und Friedrich Werremeier, schon häufiger aufgefallen ist: Es ist besonders veraltet. Wenn Frauen im Vordergrund stehen, wie in dem hervorragenden „Der Richter in Weiss„, dann als manipulative Schlangen, die Unzurechnungsfähigkeit vortäuschen, in Wirklichkeit aber planvoll morden, als Störelemente, die sterbe müssen in dem ebenfalls (ansonsten) sehr guten „Exklusiv!„. Wenn beides nicht der Fall ist und die dritte Variante der Geheimnisvollen, die man in „Platzverweis“ auch sieht, zu nichts führt, wenn nicht alle drei Ehemänner tot sind (die humorvolle Variante 4), dann erleiden sie wegen ihrer gewissen Liederlichkeit gerne ein Schicksal wie hier die bemitleidenswerte Tilly, die nicht merkt, dass ihr Freund psychisch erkrankt ist und eine der trostlosesten Beziehungen führt, die ich bisher in einem Tatort gesehen habe. Achten Sie mal auf die Wohnung, das Bedrohliche an der langen Flurschlucht dieser alten Butze ist gut ins Bild gesetzt und auch sonst kann man nicht sagen, dass die Dekoration nicht mit uns sprechen würde. Freilich ist das eher ein Standard der damaligen Zeit, während heute Häuser und Wohnungen oft stylischer wirken, als man es anhand des vermuteten Einkommens der Bewohner vermuten würde.

Faszinierend ist immer wieder das erste echte Ermittlergespann im Tatort, denn Trimmel wirkt zwar wie ein Einzelgänger, ist es aber nicht. Er hat mit Petersen, Höffgen und weiteren Mitarbeiter eine recht realistisch wirkende Truppe und Petersen ist immer wieder ein Genuss, in seiner dezidiert norddeutschen Art und ganz in Schwarz. Trimmel ist ein richtiger Miesepeter, voll aus der Zeit gefallen, schon in den 1970ern, aber eben doch ein Original. Der seltsame Täter und sein Verhalten verbinden sich in „Platzverweis für Trimmel“ am Ende zu einem sehenswerten, aber nicht recht glaubwürdigen Kammerspiel, als die Ermordung von Tilly in der Originalwohnung nachkonstruiert wird. Da übermannt den Täter die große Traurigkeit und er hält einen der besten Monologe eines Hoffnungslosen, die ein Tatort bieten kann und wirkt gerade dadurch ebenfalls wie ein Relikt, wie ein Traumatisierter, geboren in einer grauenhaften Zeit vor unserer Zeit.

Finale

Die Wirklichkeit dürfen wir dabei aber nicht vergessen: Sie war damals nicht überall so, wie Tatorte sie gerne zeigen, auch  um sich von den poshen Settings in Reihen wie „Der Kommissar“ abzuheben und sie sind heute bei Weitem nicht immer so auf Glanzfassade ausgerichtet, wie neuere Filme der Reihe es suggerieren. Einen Nachteil des Films, den ich bisher eher neutral beschrieben habe, möchte ich nicht verschweigen: Das Zeitkolorit mag echt wirken, sofern es den Fußball betrifft, aber der Film hat mit 100 Minuten Spielzeit auch ein paar davon zu viel. Man wollte so viel Milieu zeigen, das ist klar, aber dass der Fußballskandal oder das, was danach vielleicht nicht mehr ging, nicht tatsächlich zu einem Mord geführt hat, ist eher schwach und leider typisch dafür, dass man sich nicht traut, Sport und Politik als durchaus gefährlich zu zeigen und außerdem wird der Trans-Europa-Express, mit dem Trimmel ins Rheinland fährt, zunächst von einem veraltet wirkenden E-Zug sechlecht gedoubelt. Wenn schon, denn schon, die Authentizität betreffend.

6,5/10

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2021)

Regie Peter Schulze-Rohr
Drehbuch Friedhelm Werremeier,
Peter Schulze-Rohr
Produktion Dieter Meichsner,
Wolfgang Kühnlenz
Musik Friedrich Scholz
Kamera Nils-Peter Mahlau
Schnitt Karin Wagner
Besetzung

 

 

 

 

 

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