Frontpage | 7 Umfragen zum Russland-Ukraine-Krieg | Zum Mitmachen oder Nachlesen
Liebe Leser:innen,
das Meinungsbild zum Russland-Ukraine-Krieg folgt dem Kriegsgeschehen, aber es gibt auch etwas wie Konstanten, die sich trotz aller aktuellen Aufregung über den russischen Angriffskrieg durchaus erhalten, das sieht man z. B. der Sonntagsfrage, deren Werte sich kaum verändern (die SPD bleibt knapp vor der Union, die Grünen würden gegenüber der Wahl im September 2021 zulegen, auch, weil viele mittlerweile mit Annalena Baerbock als Außenministerin leben können usw.).
Viele neue Fragestellungen dominieren derzeit allerdings, darunter Fragen, die uns nie zuvor so gestellt wurden. Wir haben heute ein Bündel von Civey-Umfragen für Sie geschnürt, bei den neueren Umfragen können Sie noch mitmachen, bei den älteren sich das Ergebnis anschauen. Wir kommentieren natürlich ein wenig und geben unsere eigene Meinung preis.
Cluster Gefahr für Deutschland
Wir steigen ein mit einer nunmehr historischen Abstimmung. Sie wurde vom 6. bis 10. Februar durchgeführt.
Denken Sie, dass Russland unter Wladimir Putin eine Gefahr für Deutschland darstellt?
Wie würden Sie, wie würden wir alle heute abstimmen? Wir haben damals mit „eher nein“ abgestimmt. Heute würden wir „neutral“ votieren. Keine Panik, aber auch nicht zu viel Naivität. Vor dem Angriff auf die Ukraine war das Meinungsbild sehr differenziert, wie Sie anhand des Abstimmungsergebnisses sehen konnten. Nun zu einer aktuellen Umfrage, bei der sie noch mitmachen können:
Sorgen Sie sich, dass sich der Ukraine-Russland-Krieg auf Deutschland ausweiten könnte?
Wir sind knapp zwei Monate weiter und die Fragestellung hat sich konkretisiert. Wir halten zwar auch die wirtschaftlichen Folgen, die uns möglicherweise bevorstehen und jene, die schon sichtbar sind, für eine Ausweitung, aber gemeint ist etwas anderes, wie der Civey-Begleittext erläutert:
Der Russland-Ukraine-Krieg löst weltweit Ängste vor einem globalen Konflikt aus. Vor allem Nachbarländer wie Polen fürchten eine Ausweitung des Krieges. Dementsprechend wird derzeit die Militärpräsenz in Osteuropa ausgebaut. Dazu beigetragen hat auch die jüngste Ankündigung Russlands, bei einer „existenziellen Bedrohung” den Einsatz von Atomwaffen nicht auszuschließen. Das sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag dem CNN.
Sowohl Deutschland als auch die Nato lehnen einen militärischen Eingriff in den Krieg ab. US-Präsident Joe Biden sagte jüngst, andernfalls könnte man so einen dritten Weltkrieg provozieren. Dennoch fürchtet er Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur der USA. Zudem vermutet er, dass Russland Chemiewaffen in der Ukraine einsetzen könnte. Auch deshalb kündigte er gestern weitere Sanktionen an.
Die meisten Experten und Expertinnen schließen eine nukleare Eskalation indes aus. Florence Gaub erläuterte vorgestern bei Lanz, dass die Drohungen eine Strategie sind angesichts des erheblichen Widerstands der Ukraine. „Das Reden über einen dritten Weltkrieg erzeugt bei uns Angst. Das will Putin. Nicht die Bombe ist die Waffe, sondern die Angst vor der Bombe.“, sagte die Sicherheitsexpertin im ZDF über den russischen Präsidenten.
So viel Angst haben wir jetzt noch nicht, deswegen haben wir soeben mit „eher nein“ gestimmt. Sicher, wir haben uns alle bereits geirrt, aber mittlerweile schält sich auch heraus, dass Putins eigentliches Kriegsziel die Abtrennung der rohstoffreichen Ostgebiete der Ukraine ist und vielleicht, wenn’s hoch kommt, ein Regime Change. Das erste Ziel kann er locker ohne Atomkrieg erreichen und wenn dann auch noch der Rest der Ukraine sich zur Neutralität verpflichtet, hat er auf ganzer Linie gesiegt, und das ist wirklich wahr. Hierzulande wurde das lange verkannt, erst in den letzten Tagen dämmert es langsam den Journalisten, dass Putin gar nicht so dumm dasteht, wie es auf den ersten Blick ausschauen mag. Putinfreunde werden es sicher auch schaffen, alles, was bisher beim Angriff schiefgelaufen ist, als geniale Schachzüge zu enttarnen. Wir sind schon gespannt auf die Ergebnisse dieser Überlegungen. Das war’s dann aber auch, Freund Wladimir, das müssen wir langsam auf die Rolle bekommen. Putin kann man auch ohne atomares Risiko eindämmen. Ihm bleibt dann nur, sich an China zu wenden und Herr Xi wartet schon darauf, Russland als rohstoffreiches Vorfeld des eigenen Terrains unter die Fuchtel zu bekommen. Außerdem steigen unsere Chancen, dass Kriege sich nicht auf Deutschland ausweiten, mit jedem Prozent mehr an regenerativen Energien und sicheren Rohstoffen, die hierzulande erzeugt oder eingekauft werden.
Cluster Wirtschaftsfolgen
Die bisherigen Sanktionen werden Russland nicht in die Knie zwingen, zumindest nicht in einem Tempo, das erforderlich wäre, um dadurch den Ukraine-Krieg zu wenden. Aber was tun? Einige EU-Politiker:innen fordern härtere Sanktionen. Die Umfrage ist ganz aktuell, lesen Sie bitte erst den Begleittext von Civey, den Abstimmungslink posten wir unterhalb:
Mehrere EU-Länder fordern härtere Sanktionen gegen Russland wegen der Invasion der Ukraine. Im Gespräch sind Import-Einschränkungen auf Metalle wie Palladium oder Aluminium, aber auch ein Öl- und Gas-Embargo. Der ARD zufolge zahlt Deutschland monatlich ca. 370 Millionen Euro für Metalle aus Russland. Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt ein Energie-Embargo wegen der verheerenden wirtschaftliche Auswirkungen ab.
Die Bundesregierung soll die auf Metalle gerichtete Sanktionen aus eigenen Wirtschaftsinteressen erfolgreich verhindert haben. Dies kritisierte der Außenminister Lettlands Edgars Rinkēvičs in der Sendung Kontraste. Ihm zufolge würde Europa unter den wirklich harten Sanktionen nicht lange leiden, da dadurch die „die russische Militärmaschine und die russische Wirtschaft” sehr schnell kollabieren würde.
Das Bundeswirtschaftsministerium soll erklärt haben, dass ein allgemeines Einfuhrverbot metallischer Rohstoffe noch nicht zur Debatte stand. Man schließe derartige Sanktionen nicht generell aus. Die „Versorgung der europäischen Wirtschaft und Bevölkerung” stehe aber im Fokus. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisiert Deutschlands Haltung und wirft ihr vor, wirtschaftliche Interessen vor Menschenleben zu stellen.
Update am 03.04.2022 um 22:00 Uhr: Als wir die folgenden Abschnitte verfasst hatten, war uns das „Massaker von Butscha“ noch nicht bekannt. Deswegen müssen wir ergänzen: Natürlich hängt es auch vom weiteren Kriegsverlauf ab, was getan werden muss. Was uns so erstaunt, ist die absolute Sinnlosigkeit dieses Kriegsverbrechens an Zivilisten: Gleich, welche Strategie Putin verfolgt, darin kann derlei nicht inkludiert sein. Möglich wäre also auch, dass die abziehenden russischen Einheiten ihren Frust außer Kontrolle geraten ließen. Möglich wären aber auch andere Interpretationen. Leider bleibt es aber bei der Feststellung, die wir hier vorwegnehmen: Schärfere Sanktionen, die uns selbst härter treffen werden als Russland, ändern auch an solchen Taten nichts. Weder als Strafaktion nachträglich, noch sind sie als Präventivmaßnahmen geeignet.
Sollte sich die Bundesregierung Ihrer Meinung nach für härtere Sanktionen gegen Russland einsetzen?
Oder lesen Sie vor der Abstimmung noch unseren Kommentar. Wir haben es weiter unten dargestellt, wie spüren die Folgen schon jetzt. Gegenwärtig stimmen nicht weniger als 55 Prozent derer, die schon ihre Meinung geäußert haben, klar für mehr Sanktionen. Wir haben den Verdacht, dass man sich darauf verlässt, dass die Bundesregierung die Härten schon ausgleichen wird, ist ja plötzlich eh Geld für alles Mögliche da. Wir sind da vorsichtiger. Schon deshalb, weil die persönlichen Mehrkosten nicht von Entlastungen gedeckt werden, das zeichnet sich klar ab.
Sicher, die Ukrainer:innen könnten sagen: Erst hat der Westen uns an sich herangezogen, jetzt geht er nicht ins Risiko. Das ist eine Sichtweise, die man vertreten kann. Unsere ist die: Solange in Deutschland jedes Jahr die Ungleichheit wächst und die Mehrheit der Bevölkerung wirtschaftlich immer weiter gestrippt wird, hat die Solidarität für ein imperialitisches Ringen zwischen Russland und dem Westen Grenzen. Mittlerweile tritt erheblicher Unmut hinzu: Die rechtslastige ukrainische Regierung soll endlich diesen unmöglichen Herrn Melnyk aus Deutschland abziehen, der sich hier zunehmend wie ein Vollidiot aufführt. Die Dreistigkeit, mit der die Bundesregierun und im Grunde wir alle angegangen werden, muss Grenzen haben. Wir wissen, wie sehr das ukrainische Volk leidet, wir sind für jede Hilfe für Geflüchtete und dafür, dass die Ukraine selbst über ihr Schicksal bestimmen darf und nicht Putin einfach der Durchmarsch erlaubt werden darf, mit dem scheinheiligen Argument, es gebe dann weniger Opfer. Aber bevor die Waffenlieferungen immer weiter ausgedehnt werden und die Anti-Russland-Sanktionen ebenfalls, müssen auch vitale Interessen abgewogen werden, die uns alle, nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU betreffen. Man kann heute über die deutsche Energiepolitik nicht mehr viel Gutes sagen, das trifft leider zu, aber wenn die deutsche Regierung der Wirtschaft hierzulande die Rohstoffe abdreht, dann wird die gesamte, ohnehin wirtschaftlich wackelige EU erheblich in Mitleidenschaft gezogen.
Das bedenken offensichtlich einge Schlaumeier aus Polen oder von anderswo nicht, die versuchen, Deutschland jetzt eins dafür mitzugeben dafür, dass es an ihrem Protest vorbei Nord Stream 2 mit Russland zusammen gebaut hat (und für einige andere Dinge, die den mittlerweile nur noch Zwei-Drittel-Demokraten in diesen Ländern nicht passen). Diejenigen, die sagen, die deutsche Bevölkerung wird unter noch härteren Sanktionen möglicherweise mehr leiden als die russische, könnten Recht behalten, wenn immer weitere die Gesamtwirtschaft betreffende Schritte eingeleitet werden. Wir erinnern uns: Die hiesige Wirtschaft ist schon nicht sehr gut durch Corona und dort herausgekommen, einer der Gründe sind Versorgungsklemmen, Probleme der weltweiten Warenbeschaffung. Dem nun eins draufzusetzen, indem man sich selbst auch noch die 50 Prozent der hierzulande benötigten Galieferungen, die aus Russland stammen, abdreht, anstatt es Putin zu überlassen, sich damit endgültig ins Abseits zu stellen, kann nicht unsere Unterstützung finden. Nein, nicht das, was Sie jetzt vielleicht denken. Wir können im Notfall auch elektrisch heizen, das wäre sogar günstiger, vor allem ökologisch (bezogen auf eine weiter unten stehende Anmerkung).
Aber wir machen uns große Sorgen ums Ganze. Die immer weiteren Forderungen seitens der Ukraine und auch einiger eng mit ihr verbundener europäischer Länder, speziell jener, die plötzlich Platz für Millionen von Geflüchteten haben, obwohl sie bisher jede faire Regelung für Immigrant:innen auf EU-Ebene blockiert haben, müssen ebenso ihre Grenzen haben wie Putins Angriffskrieg. Deutschlands Bonität trägt immer noch das Schicksal des Euro und wenn hierzulande die Lichter ausgehen, waren alle Opfer umsonst, die wir in Wirklichkeit schon seit vielen Jahren bringen, genauer: seit der Finanzkrise 2008, damit die EU und der Euro überleben. Wie oft wurde die deutsche Politik dafür an den Pranger gestellt, mal von den einen, mal von den anderen, obwohl diese Personen genau wussten, dass das nur billige Ablenkungsmanöver sind und dass sie auch deswegen so billig sind, weil die Menschen hierzulande sich ihrer historischen Verantwortung überwiegend sehr bewusst sind.
Jetzt fangen schon Nicht-EU-Länder an, sich aufzuführen wie die Axt im Walde, speziell Regierungen, die alles andere als frei von jedem Zweifel sind, dass sie faschistische Spurenelemente aufweisen und faschistische Organistionen ihnen nahestehen. Ein derlei respektloses Verhalten hatte es seitens der russischen Regierung lange Zeit nicht gegeben, es hat sich erst in den letzten Jahren so entwickelt, dass von dort immer mehr Warnsignale kamen. Dennoch war der Vortrag nie so, wie ihn z. B. der Herr Melnyk sich ihn herausnimmt.
Wir haben trotzdem mit „neutral“ gestimmt, weil die solchen Typen gegenüber nicht gerade positiven Emotionen nicht das Gesamtbild unseres Verhaltens bestimmen sollten. Es ist, wie so oft: Es kommt darauf an, was, wie, welche Folgen es hat und was man im Gegenzug damit erreichen kann. Das muss genau abgewogen werden.
Wenn Russland durch China gestützt wird, brauchen wir uns hier nicht krummzulegen bis zum Anschlag. Genau danach sieht es im Moment aus, wenn man sich anschaut, wie resistent Herr Xi und Konsorten gegenüber dem Ansinnen der EU sind, sie auf ihre Seite zu ziehen. Btw: Hat sich das Trumpsche Sanktionsgedöns gegenüber China stark auf dessen Entwicklung ausgewirkt oder kam das Land mit Abstand am besten durch die letzten Jahre, auch durch Corona? Man muss eben manchmal auch die Zusammenhänge etwas mehr in den Blick nehmen, bevor man zu schnell irgendetwas ankreuzt, das gilt bei jeder Wahl. Der Westen läuft stark Gefahr, sich lächerlich zu machen, wenn er kleinteilig immer weitere Sanktionen beschließt und Putin lustig weiter Krieg führt. Dann würden wir eher dem zustimmen, dass man in größerem Umfang als bisher Waffen an die Ukraine gibt, wenn die Menschen sich entschließen, weiterzukämpfen. Das ist ihr Recht, so, wie es unser Recht ist, von unserer Politik zu verlangen, dass sie nichts in die Wege leitet, was uns allen mehr auf den Kopf fallen werden, als viele denken.
Es ist ja, im wirtschaftlichen Weltmaßstab, noch gar nicht viel passiert, trotzdem schießen die Preise bereits spekulativ in die Höhe. Auch diesen Effekt darf man doch nicht einfach außer Acht lassen: Dass solche Sanktionen von Marktakteuren benutzt werden, um gegen diejenigen zu wetten, die die Sanktionen verhängen, obwohl diese Sanktionierenden rohstoffseitig noch von Russland, dem Sanktionierten, abhängig sind. Leider ist das so, im Finanzkapitalismus. Irgendwer findet immer eine Idee, wie man die Krise noch verstärken kann, indem man mit ihr spekuliert. Viel mehr Einflussfaktoren, als man so denkt, viel mehr rücksichtslose Personen, die ihr eigenes Ding machen und sich einen Teufel um unsere Befindlichkeit oder um die Menschen in der Ukraine scheren sind da am Werk. Sie nutzen die Lage wieder einmal aus, wie jede Krise, um sich selber die Taschen voll zu machen. Siehe dazu auch diesen Beitrag. Dazu dürfen wir uns nicht hergeben.
Weiter im Text:
Hier der Civey-Begleittext:
Angesichts der hohen Spritpreise schlägt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einen Tankrabatt von bis zu 40 Cent je Liter zur Entlastung der Bevölkerung vor. Dieser soll direkt beim Bezahlen an der Tankstelle abgezogen werden. Der Kraftstoffpreis soll so auf unter zwei Euro pro Liter gesenkt werden. Ob der Rabatt eingeführt wird und in welchem Umfang, könnte sich noch diese Woche entscheiden.
Die Grünen lehnen den Rabatt ab und plädieren für ein Energiegeld, das an alle Bürger und Bürgerinnen direkt ausgezahlt werden soll. Entlastungen sollten der Grünen-Chefin Ricarda Lang zufolge nicht am Benzinpreis ansetzen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürwortet das Energiegeld ebenfalls und kündigte zudem Entlastungen bei Strom, Wärme und Mobilität an.
Die Opposition fordert von der Regierung, beim Sprit sofort für Entlastungen zu sorgen. Laut Tagesspiegel könnte der Preis von Benzin und Diesel bald auf über 2,50 Euro steigen. Linke und Union fordern etwa eine Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für auf Erdgas, Strom und Fernwärme. Die AfD will zudem die CO2-Abgabe abschaffen. Die Linke schlägt ferner eine staatliche Strompreisaufsicht vor.
Diese Umfrage wurde vom 15.03. bis 18.03. durchgeführt, ein überraschend kurzer Zeitraum, aber sicher haben a.) sehr viele abgestimmt und b.) gibt es mittlerweile als Ergebnis der Überlegungen das Energiepaket. Über 50 Prozent der Abstimmenden waren ganz oder überwiegend für den Tankrabatt. Wetten, dass da alle Fahrer von fetten SUVs dabei waren? Wir halten dieses Gießkannenprinzip nach wie vor für falsch, hingegen das Energiegeld, das mehr oder weniger allen zugute kommen soll, für zu gering. Aus dem eigenen Nähkästchen: Uns wurde gerade eine Steigerung der Heizkostenpauschale um über 30 Prozent angekündigt, „aus politischen Gründen“. Dass wir eine Gaszentralheizung haben, können wir persönlich nicht ändern. Als sie eingebaut wurde, war sie sicher der letzte Schrei und kein Mensch hätte binnen weniger Jahre mit dem Bashing dieser Heizungsart aus Klimagründen und gleichzeitig einer Situation wie dem Russland-Ukraine-Krieg gerechnet. Das ist eine richtige Zangenbewegung und wir denken auch an die vielen Menschen, die gutgläubig noch vor wenigen Jahren Gasheizungen in ihre Neubauten eingebaut, gefördert vom Staat, wenn damit allein oder im Verbund mit PV-Anlagen bestimmte KfW-Ziele erreicht wurden; viele solche Häuser haben wir aus beruflichen Gründen besichtigt. Auch solche mit Wärmepumpen, die vor ein paar Jahren aber noch eher die Ausnahme waren. Was wir nun mehr zahlen müssen, wird von der vorgesehenen Summe nicht annähernd ausgeglichen, obwohl es, da liegt die Hausverwaltung schon richtig, politische Preise sind. Unsere Befürchtung: Trotz der Anhebung könnte es zu Nachzahlungen kommen, die wir bisher niemals hatten.
Cluster Bundeswehr / Armee / Europa
Sollte Deutschland Ihrer Ansicht nach die Wehrpflicht wieder einführen?
Die Umfrage wurde am 6. März erstellt und ist abgeschlossen. Mehr als 50 Prozent der Befragten waren eindeutig oder überwiegend dafür. Das hat uns überrascht. Denn wer will schon ein Jahr seines kostbaren Lebens für den Dienst an der Gemeinschaft „verlieren“, in unserem mega-neoliberalen Zeitalter? Wir halten sehr viel vom „Bürger in Uniform“, einer Wehrpflichtarmee, die ein breites Spektrum an Menschen mit unterschiedlichen Ansichten integriert und außerdem der Mehrzahl der Einwohner:innen eine Grundausbildung in Sachen Wehrbereitschaft, aber nicht nur dies, sondern auch bezüglich bestimmter Anforderungen der Demokratie vermittelt. Vorausgesetzt, die „innere Führung“ eines Truppenteils nimmt den Auftrag ernst, sich damit auseinanderzusetzen.
Wer sich mit der Wehrpflicht nicht anfreunden kann, sollte einen zivilen Dienst belegen dürfen. Anders als zu unserer Zeit aber, ohne dafür quasi zur Strafe für die Wehrdienstverweigerung länger dienen zu müssen als die Soldaten (Soldatinnen gab es damals in Deutschland noch nicht). Mit der Frage, ob das eine das Grundmodell und das andere die begründete Ausnahme sein muss: Wir meinen, das muss freigestellt sein, auch wenn das Risiko hoch ist, dass sich die Mehrheit für den Zivildienst entscheiden wird. Beide Dienste müssen angemessen vergütet werden, es kann nicht angehen, dass die Zivis die allfälligen Lücken im Gesundheitssystem stopfen und quasi Ein-Euro-Jobs haben.
Die Umfrage lief vom 17.03. bis zum 30.03. Es gibt eine klare Mehrheit dafür, genau das zu tun, nämlich den Auftrag der Bundeswehr übersichtlich zu begrenzen. Da gehen wir voll mit. Für uns war es seinerzeit konstitutiv, dass die Bundeswehr eine reine Verteidigungsstreitmacht war, unter heutigen Umständen würden wir da niemals freiwillig hingehen und möglicherweise, falls das bei Wiedereinführung der Wehrpflicht notwendig wäre, den Wehrdienst verweigern. Nicht so sehr, weil es gefährlicher geworden ist, das hätte es nach der Lesart des Kalten Krieges damals auch sein können, sehr gefährlich und sozusagen über Nacht (wenige Jahre zuvor gab es z. B. den Zwischenfall anlässlich der Nato-Übung „Able Archer“, der zu einer heiklen Situation geführt hat), sondern, weil die Bundeswehr nicht für alle möglichen zweifelhaften Zwecke eingesetzt werden darf, mithin: nicht die Köfpe der Soldat:innen hingehalten werden dürfen für die imperialistische Politik einiger Hasardeure. Dies aber war seit 1999 mehr als nur einmal der Fall und wer werteorientierte Politik machen will, der muss diese Werte auch in seiner defensiven Militärstrategie ausdrücken. Die vielen Kriegstrommler, die im Moment journalistisch unterwegs sind, sollen aber gerne in die Ukraine gehen und sich eine Waffe aushändigen lassen. Wir hätten nichts dagegen, dass jemand seinen lautstark vorgetragenen Überzeugungen Taten folgen lässt.
Der große Knaller dieser Umfrage kommt zum Schluss. So, wie wir es interpretiert haben, war es nämlich gar nicht gemeint:
Die Bundeswehr sollte sich künftig auf die Bündnis- und Landesverteidigung konzentrieren, sagte die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) am Dienstag. Der Frieden in ganz Europa sei angesichts des Krieges in der Ukraine bedroht. Die Amtshilfe im Innern, wie sie die Bundeswehr derzeit etwa bei der Coronahilfe leiste, müsse jetzt enden. Auch Flüchtlingshilfe sollte ihrer Ansicht nach von zivilen Kräften geleistet werden. (Begleittext von Civey)
Man lernt nie aus, oder? Da, wo die Bundeswehr wirklich humanitär tätig wird und ihr Einsatz nur sinnvoll ist, soll so schnell wie möglich Schluss sein. Wir sind und sicher, dass viele Soldat:innen diese Einsätze lieber leisten, als zu dubiosen Zwecken in Krisengebiete geschickt zu werden. Wie aber, wenn sich Europas Armeen zu einer einzigen zusammenschließen würden?
Diese Idee ist nicht neu, aber in Krisenzeiten gewinnt sie mehr Freunde. Das sieht man auch an den Umfragewerten. 50 Prozent der Abstimmenden sind eindeutig dafür, weitere 18 Prozent überwiegend dafür (Stand 03.04.2022, 14:00 Uhr). Wir haben uns kürzlich für eine Kooperation starker Demokratien ausgesprochen, um die Effizienz der Armeen zu verbessern. Aber unter gegenwärtigen Umständen sind wir nicht für eine vollintegrierte EU-Armee. Frankreich mit seinem ständigen Führungsanspruch würde versuchen, sie für seine imperialistischen Zwecke zu missbrauchen, egoistische Länder wie Polen oder Ungarn würden einfach nicht zu den Waffen greifen, wenn ihnen auch nur eine Klitzekleinigkeit bei einem Einsatz nicht ins nationalistische Konzept passt. Die EU, das wird aktuell durch den Krieg etwas verdeckt, ist an allen Ecken und Enden uneins, deswegen finden wir sowohl eine weitere finanzielle wie auch eine weitere militärische Integration gefährlich.
Schon die Politik der EZB führt in Deutschland seit Jahren zu massiver Verarmung der Mittelschicht, weil die Bank nicht aus dem Notmodus der Niedrigzinspolitik herauskommt, aus Angst, dass einige schwächere Volkswirtschaften sonst ganz zusammenbrechen würden. Vieles, was integriert wurde, muss erst einmal richtig funktionieren, dann kann man weiterdenken. Außerdem gibt es ein grundsätzliches Argument, das über die oben erwähnten Machenschaften Frankreichs und die zu große Uneinigkeit hinausgeht: Die EU ist bei Weitem zu klassistisch und neoliberal eingerichtet, als dass zum Beispiel wir persönlich dazu bereit wären, uns für sie mit der Waffe in der Hand einzusetzen, in ähnlichem Maße, als wenn es sich um Heimatverteidigung, um Haus, Hof, Familie handeln würde. Die seit vielen Jahren von der EU-Kommission initiierte Wirtschaftspolitik findet nicht unseren Beifall und da dies alles zusammengehört, trifft das auch auf eine EU-Armee zu. Es handelt sich ja dann nicht um eine Söldnertruppe, sondern um eine Armee der Bürger:innen, bei der jede Einheit die Interessen des gesamten Staatenbundes vertreten muss. Wir glauben, die vor Pan-Eu-Haltung strotzenden Parteigänger würden ihre Meinung schnell ändern, wenn durch diese Zusammenlegung eine Großarmee entstünde, die auch großimperiale Ansprüche repräsentieren würde und bei jedem Konflikt, den irgendein Mitgliedstaat irgendwo auslöst oder dem er beitreten will, alle anderen automatisch mit im Boot wären.
Schlusswort
Da der Beitrag länger wurde als geplant, ein paar Worte zum Ende. Es ist alles sehr kompliziert, deswegen auch kaum möglich, einen Report zum Russland-Ukraine-Krieg als Gesamtdarstellung zu schreiben und ihn, ähnlich wie bei unserem entsprechenden Corona-Feature, immer wieder upzudaten. Im Grunde wäre jetzt schon ein ganzes Buch fällig, wenn man versuchen würde, die Interdependenzen dieses Krieges halbwegs sachgerecht darzustellen. Die Trigger, die durch dieses Ereignis ausgelöst werden, betreffen im Grunde die gesamte Welt- oder Geopolitik.
TH