Filmfest 777 Cinema
Die Klarheit des gereiften Mannes
Dreckiges Gold (Originaltitel: The Train Robbers) ist ein US-amerikanischer Western aus dem Jahr 1973 mit John Wayne in der Hauptrolle. Der Film wurde vom 23. März bis Juni 1972 im mexikanischen Bundesstaat Durango gedreht[1]
Wenn man einen Western mit John Wayne sehen will, der in den früheren 1970ern gedreht wurde, sich aber anfühlt, als stamme er aus den späten 1950ern, der es aber mag, dass sich die Farben im Film inzwischen noch einmal weiterentwickelt hatten, der ist bei „Dreckiges Gold“ richtig. Ebenso derjenige, der Zitat-Zitate mag, wie die Ankunftsszene: Staubige, rudimentäre Western-Stadt, Männer warten, ein Gleis, ein Zug – doch dann kommen die anderen nicht, wie geplant, mit der Bahn, sondern zu Pferd aus dem Nirgendwo. „High Noon“ (1952) und auch schon „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) lassen grüßen. Schon deswegen war uns trotz der altmodischen Erzähl- und Spielweise klar, dass der Film nach 1968 entstanden sein musste. Außerdem wirkt John Wayne wie ein Zitat seiner selbst, nur drei Jahre später sollte er mit „Der letzte Scharfschütze“ (1976) seinen letzten Film drehen. Mehr zu „Dreckiges Gold“ lesen Sie in der Rezension.
Handlung (1)
Die Beute eines Eisenbahnüberfalls lagert in einem abgewrackten Zug in der Wüste. Die Witwe des beim Überfall getöteten Anführers der Räuber, Mrs. Lowe, heuert Lane und fünf seiner Freunde an, um das geraubte Gold sicherzustellen. Sie behauptet, das Gold der Rio Grande Railroad zurückgeben zu wollen, damit ihr Sohn ein gutes Andenken an seinen Vater hat. Die Belohnung von 50.000 Dollar der Eisenbahngesellschaft verspricht sie Lane und seinen Freunden. Die Abenteurer treffen auf die überlebenden Mitglieder der Räuberbande und einen Pinkerton-Detektiv, die ihnen das Gold streitig machen. Als sie die Beute schließlich Mrs. Lowe in Liberty, Texas, ausgehändigt haben, verzichten Lane und seine Freunde großzügig auf ihr Geld, damit der Sohn von Mrs. Lowe eine ordentliche Ausbildung erhalten kann. Als der Zug gerade am Abfahren ist, klärt sie der Detektiv von der Plattform des letzten Wagens aus auf, dass die Frau nicht die Witwe des Räubers ist, sondern eine Betrügerin namens Lilli, die auf den Goldschatz aus ist. Sie war als Prostituierte in dem Bordell, in dem Lowe hinterrücks erschossen wurde. Lanes Trupp reitet dem Zug hinterher, um sich das Gold erneut zu holen.
Rezension
Mittlerweile habe ich einige der späten Filme John Waynes gesehen. Auch, wenn sie nicht alle komplett gleich sind, sind sie im Wesentlichen Wiederholungen dessen, was wir aus der klassischen Zeit kennen. Bei keinem anderen Superstar jener Jahre war die Erzählstruktur dermaßen an den Darsteller gebunden. Zumal, wenn er selbst als Produzent fungierte, wie in diesem Fall. Das ließ keine Weiterentwicklung in dem Sinne zu, dass man bei Waynes Genrefilmen von Spätwestern sprechen kann. Einige Male ließ Wayne eine Ironisierung zu, wie in „True Grit“ oder „Rooster Cockburn“, aber nie auch nur ein Schielen in Richtung New Hollywood. Auch das gehörte zu seiner konservativen Denkweise. Absatz ergänzt anlässlich der Veröffentlichung der Rezension im Jahr 2022.
Trotz all des Verschleißes, den die Zeit den großen Helden und dem großen Genre zugefügt hat, kommt hier noch einmal das Gefühl auf, man ist erstens auf sicherem Gleis und zweitens mit sicherem Geleit unterwegs. Wer würde sich John Wayne nicht anvertrauen, obwohl er sichtlich behäbiger wirkt als einige Jahre zuvor? Wer würde nicht glauben, dass er alles und jeden im Griff behält – vor allem, wenn man weiß, dass dieses Vehikel des Regisseurs Burt Kennedy sicher nicht gedacht war, um Wayne zu entzaubern. Anders als, wenn auch mit Respekt „The Shootist“. Vielmehr ging es in „Dreckiges Gold“ darum, seinen Mythos noch einmal aufleben zu lassen.
Einer sehr einfachen Handlung hat Kennedy eine ebensolche Bildsprache zugeordnet. Dadurch wird das Szenario beinahe grafisch, besteht meist nur aus wenigen Bildelementen, die unter einem hohen Himmel liegen und scharf gegeneinander kontrastieren, den Szenen häufig eine geometrische Struktur geben. Im Bereich traditioneller Visualität sicher einer der bis dahin schönsten Western, der aber immer so gestaltet ist, dass das ironische Ende nicht überrascht. Es wirkt zwar ein wenig an den Haaren herbeigezogen und überhastet, aber dass es noch einen Twist gibt, erwartet man beinahe. Vielleicht nicht diesen, der die hohen Moralansprüche von Waynes Figur infrage stellt, aber irgendeinen.
Man denkt an das Italo-Westerngenre, in dem es sowieso keine Moral im höheren, im religiösen oder verantwortungs- oder gar gesinnungsethischen Sinne gibt, das sich 1973 ebenfalls schon auf dem absteigenden Ast befand. Man denkt an die Spätwestern, die in den 1960ern aufkamen und ebenso ticken und man merkt, dass das Team hier ganz bewusst einen Gegenakzent setzen wollte. Dabei ist kein Hammer an Spannung und Charakterzeichnung herausgekommen, aber ein Wohlfühlwestern in den erwähnt grandiosen Gemälden.
Gibt es so etwas wie Wohlfühlwestern? Doch. Und das liegt daran, wie die Figuren zueinander gestellt werden. Anfangs bringen Waynes alte Freunde zwei neue Jungs mit für den Auftrag Stoßtrupp Gold, man kennt sich nicht, da fliegen schon mal die Fäuste. Natürlich die von John Wayne, umgekehrt muss man sich um ihn keine Sorgen machen, man hat nie das Gefühl, diese lebende Legende wird ernsthaft angegriffen. Im Gegensatz zu einigen früheren Filmen wird er bei der wilden Schießerei am Eisenbahnwrack und später in dem Ort namens Liberty, der danach und nach einigen einhergehenden Explosionen quasi nicht mehr existiert, nicht einmal verletzt, obwohl Dutzende von Kugeln um ihn herumpfeifen. Manches in dem Film wirkt durchaus abstrakt und wir meinen, das ist so gedacht.
Wie sich gegen Ende der Ort quasi im Nichts auflöst, eher implodiert als explodiert, wie das Gold mit dem Zug und mit der Frau, die sich als Lilly mit drei „l“, als Lilly, die Lügnerin, entpuppt, davonfährt, das wirkt, als würde man die Kulissen der Westernstädte in Hollywood zusammenklappen und sagen, das war’s! Es war eine große, schöne Zeit, aber jetzt liegen nur noch ein paar Bretter herum und hinter den Fassaden ist erkennbar gar nichts gewesen als Fiktion. Im Verlauf des Films lässt Wayne nochmal den Macho raus und Sprüche gegenüber seinem jungen Begleiter raus wie: Du bist ein Mann, deswegen tust du dies und das, und alles ist okay, weil Männer Männer sind.
Für einen zu Beginn kritischen jungen Mann wird er dabei zur Vaterfigur oder zum Kultobjekt, wie für uns alle, die wir den Giganten noch einmal in einer klassischen Rolle sehen. Die Dialoge wirken für 1973 bereits stark antiquiert, aber wir hatten nicht den Eindruck, die Filmer hätten das nicht gewusst. Wayne hatte darüberhinaus ein wenig Selbstironie ausgepackt und spielt uns vor, dass er nicht mehr der Mann für eine Frau sein kann, die weniger an Jahren zählt als die Ära, in welcher er immer denselben Sattel reitet.
Neben der Bebilderung trägt auch die Musik zum Traditionsgefühl bei, die Anleihen bei Elmer Bernstein zu nehmen scheint, und der hat seine großen Westernmelodien zu Beginn der 1960er geschrieben, darunter den weltbekannten Score für „Die glorreichen Sieben“ (1960). Das Jubelnde ist nicht mehr so deutlich, die Figuren, die übers Altern reden, lassen aber seltsamerweise keine elegische Stimmung aufkommen.
Finale
„Dreckiges Gold“ ist gewissermaßen ein in die Neuzeit hineinragender Western-Dinosaurier, und da passiert etwas, das wir bemerkenswert finden. Wir hatten uns im Anschluss „Silverado“angeschaut, der 1985 entstand und als einer der ersten „modernen“ Western gilt – und festgestellt, dass die beiden Filme auf ihre Weise gut zueinander passen. Nicht nur wegen des vielen Gelbbrauns in der Farbgebung, sondern auch, weil man sich den sogenannten Spätwestern der 1970er wegdenken kann, ohne das Gefühl zu haben, in der Entwicklungsgeschichte des Westerns fehle ein Bindeglied.
Das weist uns darauf hin, dass die späten 1960er und die 1970er gewissermaßen ein medienhistorischer Umweg waren. Vieles, was damals anders gemacht wurde als zuvor, hat sich heute nicht erhalten. In „Dreckiges Gold“ hat man gar nicht versucht, irgendetwas wesentlich anders zu machen als zehn oder fünfzehn Jahre zuvor. Und das wirkt seltsam charmant, obwohl der Film sicher nicht der Schnellste ist und viele reflexive Dialoge beinhaltet – doch das gab es in den frühen und mittleren 1960ern schon, als die Charaktere anfingen, über sich und die Welt nachzudenken und die langen Abende und sogar das Warten auf die Schießerei anfingen, philosophisch zu werden. Und mit goldenen Worten wie: Du wirst immer einmal mehr aufstehen, als man dich umhaut, kann wohl fast jeder etwas anfangen, der mitten im Leben steht. Selbst der Titel spielt mit. Mit einem Eisenbahnraub namens „The GreatTrain Robbery“ fing im Jahre 1903 der Spielfilm an. Mit diesem uramerikanischen Genre.
70/100
© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
Regie | Burt Kennedy |
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Drehbuch | Burt Kennedy |
Produktion | Michael Wayne |
Musik | Dominic Frontiere |
Kamera | William H. Clothier |
Schnitt | Frank Santillo |
Besetzung | |
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