Timeline A | Wirtschaft | Lieferdienste
Unser heutiger Info-Artikel befasst sich mit einer Branche, die das Alltagsbild in den Städten mittlerweile stark prägt: Lieferdienste, deren Mitarbeitende vor allem per Fahrrad unterwegs sind. Welcher dieser Dienste ist der bekannteste, welcher hat die meisten Kund:innen?
Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Flink, Gorillas und Getir haben etliche Gemeinsamkeiten: alle werben damit, Lebensmittel innerhalb kürzester Zeit direkt an die Haustür zu liefern, alle sind mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertet und alle sind auf dem deutschen Markt aktiv. Aber es gibt auch den einen oder anderen Unterschied, wie Daten des frisch erschienenen Statista Global Consumer Survey Brand Profiler zeigen. Am bekanntesten ist beispielsweise Gorillas. Unter den befragten Online-Lebensmittel-Käufer:innen haben 44 Prozent schon von dem Unternehmen gehört. In allen anderen Bereichen liegt dagegen aktuell Flink vorne. Die Berliner sind am beliebtesten, haben die meisten Nutzer:innen, die höchste Markentreue und führen bei der Wahrnehmung in Medien (Buzz). Dagegen schneidet das türkische Unternehmen Getir in allen Kategorien am schlechtesten ab. Das kann sich natürlich noch ändern, wenn es das Unternehmen schafft, sich durchzusetzen. Das ist im Übrigen auch bei Flink und Gorillas noch fraglich. Letzteres hat gerade angesichts explodierender Kosten in der Verwaltung 300 Beschäftigte entlassen, wie unter anderem tagesschau.de berichtet.
Dies ist ein Timeline-A Artikel und wurde am 24.07.2022 veröffentlicht.
Dass „Gorillas“ nach den enormen Arbeitskämpfen, die dort ausgetragen wurden, am bekanntesten sind, verwundert nicht. Im Moment, so unser Gefühl, sieht man sie in Berlin kaum. „Flink“ hingegen schon, und zwar fast an jeder Ecke. Hier stark vertreten, aber nicht auf der Liste: „Wolt“. Unterschied: Flink ist flinker, weil mit E-Bikes unterwegs, Wolt ist gesünder, sofern Radfahren mit Muskelkraft in Berlin gesund ist. Weitere Lieferanten, die nicht vierrädrig motorisiert unterwegs sind, sehen wir eher selten, das gilt auch für „Getir“. Für unsere Ohren klingt der Name auch irgendwie nicht sehr lecker, etwa wie „Geh, Tier“, zwangsläufige Assoziation: „Geh, du Tier“ und wir stellen uns vor, was alles mit den Lebensmitteln ohne Aufforderung mitgeliefert wurde. Allen diesen Lieferdiensten gemeinsam ist nicht nur, was sie versprechen, sondern auch, was sie sind: Elemente einer Ökonomie, die kaum noch innoviert, sondern in erster Linie prekraisiert. Zum Arbeitskampf lesen Sie bitte hier den Tagesspiegel, der sich da sehr neutral stellt.
Haben Sie schon einmal einen Fahrradkurier gesprochen , der es geschafft hat, einen Betriebsrat zu gründen und sich gewerkschaftlich zu organisieren? Daher sind alle Arbeitskämpfe auf diesem Gebiet „wild“, den Mitarbeitenden bleibt gar nichts anderes übrig, wenn sie nicht den Geschäftsleitungen, von denen sie ausgebeutet werden, komplett hilflos ausgeliefert sein wollen. Es ist vielleicht nicht die Aufgabe von Statista, auf solche Hintergründe hinzuweisen, aber die „expandierenden Kosten in der Verwaltung“ haben uns nun wirklich getriggert. Sie werden hier synonym für etwas gesetzt, was man für die Größenverhältnisse solcher Unternehmungen als Massenentlassung aufgrund Unbotmäßigkeit oder Einforderung von Minimalrechten bezeichnen muss. Fairerweise wollen wir noch beifügen, dass der Tagesspiegel hier mehr Position gezeigt hat. „Digitale Sklaverei“ ist das Stichwort. Allerdings liest sich der Artikel selbst viel zahmer und man merkt, dass er von der Angehörigen einer Mitte-Partei geschrieben wurde. Geradezu lobend wird erwähnt, dass „Gorillas“ sogar Arbeitsverträge anbietet. Wow.
Klar, wenn man, wie andere dieser Dienste, die in Wahrheit Abhängigen als Solo-Selbstständige beschäftigt, kann man sie mit quasi jedem Lohn abspeisen. Ist ja alles der berüchtigte Marktpreis. Dieser Methode müsste generell ein Riegel vorgeschoben werden und die so beschäftigten Menschen müssten anderen Arbeitnehmer:innen rechtlich gleichgestellt werden. Erst dann kann man hierzulande wieder von Ansätzen einer fairen Arbeitskultur sprechen. Die Abhängigkeit von nur einem Unternehmen in einem solchen Job spricht doch klar dafür, dass es sich nicht um Selbstständigkeit, sondern um einen Mindestlohnumgehungstatbestand handelt. Was wir an dem Artikel kritisieren: Dass diese Lieferservices, die von archaischer Muskelkraft, hauptsächlich der von Migrant:innen, existieren, als Innovationstreiber verkauft werden. Da hat die SPD noch viel zu lernen oder immer noch viel zu lernen. Was ist Innovation, gehört dazu nicht auch gute Arbeit? Was hingegen treiben jene, welche die Digitalisierung für eine Rückwärtsentwicklung und für Ausbeutung ausnutzen? Gut hingegen: Die Erwähnung der Tatsache, dass der Aufenthaltsstatus migrantischer Mitarbeitender oft von Jobs wie diesen abhängt und sie dadurch erpressbar sind. Die Zustände bei „Gorillas“ kann man sich denken, wenn die Mitarbeitenden trotzdem den „wilden Streik“ gewagt haben.
TH