Frontpage | Wirtschaft | Lebensmittelpreise steigen auch durch Spekulation
Liebe Leser:innen, auch wir haben dieses Thema schon häufiger behandelt: Spekulation als Auslöser von Katastrophen. Besonders in den Fokus ist dabei die Spekulation mit Lebensmitteln gerückt, seit in der Ukraine Krieg herrscht. Bereits zuvor war die Lage angespannt, aber derzeit kommen sehr viele Faktoren zusammen, welche die Zahl der Hungertoten auf der Welt erheblich steigern werden. Auch auf dem gegenwärtig stattfindenden Weltwirtschaftsforum von Davos in der Schweiz wird darüber diskutiert, doch eine Lösung sei nicht in Sicht, heißt es. Für das zirkulierende Kapital ist ein weiteres Problem aufgetreten: Die Börsen wackeln und die rein finanzkapitalgetriebene Blase der letzten Jahre scheint im Platzen begriffen zu sein. Dadurch fließt mehr Geld auch in die Spekulation mit wenigen noch lukrativen Rohstoffen.
Die Zahl der von Hungersnot Betroffenen in der Welt hat sich schon während der Corona-Krise beinahe verdoppelt und wird durch die gegenwärtigen Umstände weiter steigen. Dabei spielt der Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle, ist aber nicht die einzige Ursache für die Probleme der Verteilung von Grundnahrungsmitteln, wie Sie aus dem letzten verlinkten Beitrag ersehen konnten. Uns fällt dabei gerade „Jenseits von Eden“ ein, in dem der Vater das Geld, mit dem einer seiner Söhne auf steigende Bohnenpreise spekuliert hatte, als Geschenk und Ersatz für eine eigene geschäftliche Fehlinvestition ablehnte. Damals war der Erste Weltkrieg der Grund für den spekulationsgetriebenen Preisanstieg an den Märkten.
Wir reagieren heute auch mit einem Newsletter von Foodwatch, der uns in der Tat schon zum zweiten Mal zugegangen ist und bitten Sie alle, dem Unheil der Spekulation mehr Beachtung zu schenken. Nicht nur, aber derzeit besonders auf dem Gebiet der existenzwichtigen Nahrungsmittel. Beachten Sie auch die Pointe am Ende des Newsletters, die mit einem P. S. beigefügt ist. Wir finden es übrigens legitim, dass die Organisation auch für ihre eigene Arbeit in solchen Nachrichten wirbt, deswegen haben wir die Aufforderungs-Links hier reproduziert:
**** NEWSLETTER FOODWATCH ****
Auf diesen Newsletter haben wir ungewöhnlich viel positive Resonanz erhalten. Das zeigt: Das Thema Spekulation mit Nahrungsmitteln bewegt. Da viele Newsletter im Alltagsgeschehen untergehen, haben wir uns entschlossen, ihn noch einmal zu versenden. So haben alle Interessierten die Chance, ihn zu lesen. Wir bitten um ihr Verständnis.
Im Sudan hat sich der Brotpreis binnen kurzem verdoppelt, weltweit springen die Lebensmittelpreise um ein Drittel nach oben.[1] Ein Grund: Finanzinvestoren spekulieren mit Nahrungsmitteln – und die EU lässt sie machen. Bitte setzen Sie sich jetzt für wirksame Regeln gegen die Finanzwetten ein – werden Sie foodwatch-Mitglied.
Hallo Thomas Hocke,
es ist ein zutiefst unmoralisches Geschäft: Seit Russlands Panzer ukrainische Weizenfelder verheeren und der Krieg den Handel blockiert, steigen die Preise für Weizen und andere Nahrungsmittel rasant.[2]
Doch dahinter steckt nicht nur die Angst vor Knappheit, sondern auch die Geldgier von Finanzinvestor:innen: Sie spekulieren an den Börsen mit Getreide, um sich ihre Taschen zu füllen.
Bereits in den ersten Tagen des Krieges flossen Milliarden Euro und Dollar in Fonds, die mit Nahrungsmitteln spekulieren.[3] Anleger wetten an den Rohstoffbörsen auf steigende Kurse und treiben so die Börsencharts steil nach oben. Der ehemalige UN-Berichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, bringt es auf den Punkt: „Die Spekulation ist zurück, hier wird auf steigende Preise gewettet, also quasi auf Hunger.“[4]
In Ländern wie dem Jemen oder dem Sudan, in denen schon jetzt der Hunger grassiert, wird Getreide und Brot für viele unbezahlbar. Selbst Hilfsorganisationen bekommen für das gleiche Geld nur noch 30 bis 50 Prozent der Hilfsgüter.[5]
Die Folge: Bei noch mehr Menschen bleibt der Teller leer – darunter auch Millionen Kinder. Die Mangelernährung schädigt ihre Körper oft lebenslang.
Eigentlich hatte die Politik aus der letzten Spekulationskrise gelernt. Nachdem Anleger 2007 und 2008 die Preise schon einmal in die Höhe getrieben hatten, führte die EU Obergrenzen für die Spekulation ein.[6] Doch die sind viel zu hoch, um die Finanzwetten wirksam zu begrenzen. EU und Regierungen müssen die Spekulations-Obergrenzen dringend senken.
foodwatch hat jahrelang gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln gestritten. Aus Erfahrung wissen wir: Die Finanzlobby hat noch immer viel zu viel Einfluss in Brüssel. Wir Bürger:innen müssen dagegenhalten. Daher brauchen wir Sie: Bitte helfen Sie mit, das Zocken der Finanzindustrie zu stoppen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einem monatlichen Förderbeitrag!
Was eine kleine Organisation wie foodwatch bewegen kann, haben wir 2011 gesehen. Unser Report „Die Hungermacher“ deckte die Machenschaften der Nahrungsmittel-Spekulant:innen an den Börsen auf.[7] Unsere Kampagne „Hände weg vom Acker, Mann“ brachte das unmoralische Geschäft in die Zeitungen und Abendnachrichten – und wurde für die Banken zum PR-Desaster. Die Commerzbank und andere stiegen ganz aus, einige wie die Deutsche Bank gaben sich zumindest zerknirscht.
Denn so richtig trauen Banken sich die Spekulation mit Nahrung nur, wenn es im Verborgenen bleibt – und die Behörden sie lassen. So auch jetzt: Immer wieder verstecken sich Investor:innen dahinter, dass Weizen, Getreide und Co. durch den Krieg eben knapp würden – und allein diese Knappheit die Preise treibe. Und tatsächlich kaufen reichere Länder und auch Unternehmen aus Sorge um knapp werdende Nahrungsmittel schon jetzt zukünftige Ernten zu teils hohen Preisen auf.
Doch diese Krisenangst allein kann die immensen Preissprünge nicht auslösen, wie Expert:innen betonen.[8] Denn auffällig viele Investor:innen, die mit Ernährung gar nichts zu tun haben, pumpen gerade Milliarden in den Markt – und blähen die Preise damit auf.[9] Das niederländische Recherchenetzwerk Lighthouse rechnet das am Beispiel zweier großer Investment-Fonds vor, die mit Nahrung handeln: Im gesamten Jahr 2021 hätten sie lediglich knapp zweihundert Millionen Euro investiert – in den ersten vier Monaten dieses Jahres allein schon das Sechsfache.[10]
Bei mehr als 800 Millionen Hungernden auf der Welt dürfen wir das nicht zulassen.[11] foodwatch klärt über die Machenschaften der Finanzjongleure auf und fordert energisch striktere Regeln. Heute bitten wir Sie dafür um Ihre Hilfe: Lassen Sie uns gemeinsam die Spekulation mit Nahrungsmitteln bekämpfen – werden Sie foodwatch-Mitglied!
Vielen Dank für Ihre Unterstützung und herzliche Grüße
Ihr Dr. Chris Methmann
Geschäftsführer foodwatch Deutschland
P.S.: Manchmal verschlägt es mir die Sprache, wie schamlos es in der Finanzbranche zugeht: „Ukraine-Krieg treibt Preise für Agrar-Rohstoffe wie Weizen und Raps – so können Anleger profitieren“ schreibt ein Branchenportal Mitte März.[12] Da war der Krieg noch keinen Monat alt. Bitte lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass dieses Treiben ein Ende hat.
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