G7 repräsentieren nur 10% der Welt +++ Kommentar | Frontpage | Geopolitik | G7-Gipfel Elmau

Frontpage | Geopolitik | Wirtschaft | G7 in Zahlen

Unser heutiger Info-Artikel mit Grafik behandelt die G7, die „großen Industrienationen“ und ihre Stellung in der Welt. Auf den ersten Blick sieht man, wirtschaftlich ist sie stärker als bevölkerungsmäßig, auf letztere Zahl bezieht sich die Überschrift.

G7 repräsentieren nur 10% der Welt

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz 

 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Aktuell treffen sich die „G7“ im bayerischen Schloss Elmau. Das Kürzel stand ursprünglich für die sieben größten Wirtschaftsnationen der Welt. Doch ginge es rein danach, müsste der selbsternannte Elitekreis schon längst anders aussehen. Gleichwohl vereinen die G7-Staaten immer noch einen großen Teil der Weltwirtschaftsleistung auf sich, wie die Statista-Grafik zeigt – allein die USA steuern hier laut Internationalem Währungsfonds fast ein Viertel bei. Gleichzeitig repräsentiert die Gruppe aber gerade einmal zehn Prozent der Weltbevölkerung. Was Joe Biden, Olaf Scholz und die anderen Staatschefs besprechen, hat indes auch Auswirkungen auf die restlichen 90 Prozent. So zählt beispielsweise der russische Angriff auf die Ukraine und die damit einhergehende Verschärfung des Hungers in vielen Weltregionen zu den wichtigsten Themen.

Wir haben im ersten Artikel des Tages bereits erwähnt, dass die G7 unter anderem beschlossen haben, ein eigenes Infrastrukturprojekt, ähnlich der chinesischen „Neuen Seidenstraße“ aufzulegen, ein Angebot an Länder vor allem des Südens – nach unserer Ansicht viel zu spät. Die G7 sind in vielen Dingen sehr unbeweglich geworden, die Entzweiung der letzten Jahre sitzt tief und der Anteil der G7 an der Weltbevölkerung schrumpft stetig. Nicht, weil deren Bevölkerung rückläufig ist, sondern, weil in einigen Teilen der Welt das Wachstum ungebremst voranschreitet. Und wirtschaftlich?

Nach dem Zweiten Weltkrieg repräsentierten die USA 50 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts, wie die Berechnungsgröße damals noch hieß, mit der die Wirtschaftskraft der Nationen gemessen wurde. Aber nach der Normalisierung der Lage bis in die 1970er hinein schaffen sie es schon seit vielen Jahren, über 20 Prozent zu bleiben. Anders als Europa wachsen die USA also etwa mit der Weltwirtschaft, während der europäische Anteil sinkt.

Sie erinnern sich gewiss daran, dass die G7 bereits zur G8-Gruppe angewachsen war, aber Russland ist nicht mehr dabei. Wenn es um die größten Volkswirtschaften geht, vollkommen zu Recht, denn Russland ist weltweit nur die Nummer 11 und hat kaum Möglichkeiten, sich nach vorne zu bewegen, wenn die Konversion von einem Rohstofflieferanten zu einer modernen, diversifizierten Volkswirtschaft nicht endlich gelingt. Insofern war die Aufnahme in die G8 ein Goodwill-Zeichen des Westens, das Wladimir Putin aber nicht weit genug ging. Das russische Großmachtdenken ist sicher nicht ethisch besser oder schlechter als das des Westens, aber anders als im Westen entbehrt es ökonomisch leider einer Grundlage. Wenn man die G7 heute erweitern wollte, dann müssten China, Indien und Südkorea neu aufgenommen werden, bevor Russland an der Reihe wäre. Für die in den letzten Jahren rasant gewachsenen Großökonomien gibt es aber seit einiger Zeit noch das Format G 20, bei dem alle diese Länder dabei sind.

Die G7 sind noch etwas anderes: Sie sind westliche Demokratien, und das unterscheidet sie von vielen Mitgliedern der G20. Das unterscheidet sie auch von Russland, trotzdem hat man dem Land den Zugang zu diesem Club gewährt. Im Vertrauen darauf natürlich, dass sich das Land demokratisieren wird. Die G20 hingegen repräsentieren über 80 Prozent des weltweiten BIP und es sind mehr als schwierige Kandidaten darunter. So sehr der Westen sich auch uneinheitlich und ethisch wenig sauber zeigt, das ist, die meisten dieser Länder betreffend, kein Vergleich zu dem, was sich in einigen der G20 abspielt, insbesondere in China, wenn es um die ganz wichtigen Nationen geht. Deshalb hat ein eigener westlicher Club unbedingt seine Berechtigung und es wäre langsam an der Zeit, die europäischen Volkswirtschaften fit für den Kampf mit China zu machen. Wir haben uns bereits im Beitrag über Wirtschaftsminister Habeck sehr skeptisch gezeigt, dass das strategisch funktionieren wird.

Diktaturen haben bezüglich der Steuerung ihrer Bevölkerung und ihrer Wirtschaft Vorteile, die kritisch zu betrachten sind, aber man muss es nicht überall so dümmlich neoliberal rennen lassen wie bei uns, das tut sonst kein Land auf der Welt mehr. Das tun auch und gerade nicht die USA, bei denen der Staat seit einigen Jahren seine Backup-Funktion wieder sehr beherzt wahrnimmt, wenn die Wirtschaft essenzielle Probleme bekommt. Man konnte dies z. B. in der Bankenkrise gut beobachten, die in der EU beinahe im kompletten Chaos inklusive Sprengung des Euro geendet wäre und u. a. Deutschland als Finanzzentrum massiv geschwächt hat. Auch jetzt sind die USA besser aufgestellt und können z. B. geldpolitisch schneller auf die hohe Inflation reagieren, als das im sehr kippeligen Euro-Europa der Fall ist.

In den G7 sind immerhin vier europäische und drei EU-Staaten vertreten, aber sie sind auch zusammen nicht das stärkste Glied der Kette. Zumindest nicht ökonomisch. Die Entwicklung der Demokratie, deren Vorhandensein eine Raison d’être dieses Formats darstellt, ist ein Thema, das genauso besprochen werden müsste wie das Verhältnis zu Russland und der Systemkampf mit China. Nun gibt es diese Gipfel, wie jetzt einer in Bayern stattfindet, aber schon so lange und ist die Welt dadurch besser geworden? Was meinen Sie? Vielleicht wäre es ohne eine Abstimmung zwischen diesen Ländern, deren Symbol die Gipfel ja eher sind, als dass dort wirklich die Weichen der Politik gestellt werden, noch schlechter gelaufen. Das ist hypothetisch, aber die Realität ist nun auch nicht so, dass man sagen könnte: Uff, ein Gipfel mit netten Menschen wie Joe Biden und Kanzler Scholz, jetzt wird alles gut.

Es wirkt nicht mehr ganz so wüst und man hat nicht mehr dieses Bauchgrimmen wie zu der Zeit, als Donald Trump die USA vertreten hat, aber die Entwicklung lässt sich nicht zurückdrehen. Die USA sind nicht mehr das Land, das 1990 als erste der entscheidenden Nationen die Möglichkeit der deutschen Wiedervereinigung positiv bewertet hat, sondern durch ihre inneren Kämpfe auf eine Weise unberechenbar geworden, die sehr bedenklich stimmt. Vorwärts, wir gehen zurück ins 19. Jahrhundert, scheint ein derzeit sehr angesagtes Motto zu sein. Wird Joe Biden schon nach zwei Jahren eine lahme Ente sein, wenn der Sturm der Unzufriedenheit nach den Midterms die demokratischen Mehrheiten in Senat und Kongress hinwegfegt? Die progressiven Menschen in den USA im Osten und im Westen müssen schauen, dass sie mehr Kinder bekommen als die Rednecks, Abtreibungsrecht hin oder her, sonst wird es in diesem Land immer finsterer werden oder es muss durch Einwanderer gerettet werden. Woran sich wiederum die Frage anschließt, ob die aktuellen Einwanderergruppen die USA gesellschaftlich voranbringen oder eher den Rückschritt befördern.

Man muss nur ein wenig an der Oberfläche der idyllischen G7-Fassade kratzen, dann kommen unzählige Probleme gerade ganz an der Spitze zum Vorschein, die so gar nicht zur Urlaubsatmosphäre in Bayern passen wollen. Gleichwohl, man sollte sich immer wieder treffen, und Kanzler Scholz ist ja der Neuling in der Gruppe der Staats- und Regierungschefs, die sich hier zusammenfinden. Ein wenig Glanz und auch ein wenig Verrücktheit, nach Trumps Abgang ist ja immerhin noch Boris Johnson aus der Zeit der wilden Narzissten übrig, kann nicht schaden, um diesen sehr nüchtern wirkenden Lenker der deutschen Politik in schöne Bilder zu rahmen.

Wir sind im Moment trotzdem froh, dass Scholz ist, wie er ist. Das gibt uns das Gefühl, dass auf deutscher Seite diejenigen, die in Sachen Ukrainekrieg zum Durchdrehen neigen, nicht das letzte politische Wort haben werden. Ebenso in den USA. Wir glauben, dass Joe Biden ziemlich genau weiß, wie weit er gehen wird und was nicht infrage kommt. Wir schätzen die Lage eher so ein, dass sich die USA nicht in einem Abnutzungskrieg in der Ukraine komplett exponieren werden, nachdem mehrere Auslandsengagements ziemlich in die Binsen gegangen sind. Die Europäer müssen aufpassen, dass sie nicht ohne die Rückendeckung der westlichen Führungsmacht dastehen, wenn sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen. Da sei Scholz vor, denn Deutschland ist auf diese Rückendeckung aufgrund seiner schmächtigen außenpolitischen Statur am meisten angewiesen, mehr als das Vereinigte Königreich oder Frankreich oder irgendein anderer G7-Staat.

TH

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s