UPDATE +++ Wer bezahlt unsere Abgeordneten? +++ Mehr Geld für Bundestagsabgeordnete? (Umfrage) | Frontpage | PPP, Umfrage | Diätenerhöhung 2022

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Liebe Leser:innen,

  • sozusagen wie bestellt hat Abgeordnetenwatch heute wieder darauf hingewiesen, wie sich Abgeordnete partout sperren, ihre Nebeneinkünfte anzugeben, obwohl sie dazu mittlerweile  per Gerichtsentscheidung verpflichtet wären. Sie verletzen somit ihre Transparenzpflichten. Aber warum? Das Weitere zum Update folgt unter dem Ausgangstext von gestern (alles zum Update in blauer Schrift).
  • müssen Sie Diät halten, um angesichts von 7,6 Prozent Inflation (aktueller Juni-Wert) nicht noch Monat übrig zu haben, wenn das Geld schon alle ist? Über 30 Prozent der Menschen in Deutschland wollen tatsächlich bei den Lebensmitteln versuchen zu sparen, angesichts der aktuellen Krise. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hingegen bekommen eine Erhöhung, die bei den meisten Menschen ausreichen würde, um nur damit das Essen für einen Monat zu finanzieren. Das hat eine Umfrage von Civey hervorgerufen, die so lautet:

Wie bewerten Sie es, dass Bundestagsabgeordnete ab Juli 2022 im Monat durchschnittlich 300 Euro mehr verdienen?

Hier der Begleittext von Civey aus dem Newsletter, unser Kommentar folgt im Anschluss:

Seit dem 1. Juli gilt für Bundestagsabgeordnete eine neue Diätenregelung. Infolge dessen erhöhen sich die Diäten im Durchschnitt um 300 € im Monat. Demnach erhält auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun ein Monatsgehalt von knapp über 30.000 €. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekommt 25.500 € plus Sonderzulagen. Das Einkommen muss dann noch versteuert werden.

Die Erhöhung gilt für alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages, also auch für die Fraktionen von AfD, Union und Linke. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bekommt dagegen ohne Mandat keine Erhöhung. Neben dem Monatsgehalt erhalten Abgeordnete zudem eine steuerfreie Aufwandspauschale in Höhe von 4583,39 Euro. Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die Eltern sind, erhalten zusätzlich 145,60 Euro pro Monat je Kind.

Diäten wurden in Deutschland 1906 als Entschädigung eingeführt. Damit werden einerseits Verdienstausfälle ausgeglichen, die bei Bundestagsabgeordneten durch die Ausübung ihres Mandats entstehen. Zudem sind die Diäten eine Anerkennung der großen Verantwortung, die Volksvertreterinnen und -vertreter tragen, die beim Ausüben ihrer Tätigkeit außerdem in der Öffentlichkeit stehen. Zuvor war die Mitgliedschaft im Parlament ehrenamtlich.

Eine wichtige Zahl hat man vergessen: Wie hoch sind die „Grunddiäten“ für den oder die „einfache Abgeordnete:n“ eigentlich? Also ohne alle möglichen Sondervergünstigen und ohne ein Amt, das zusätzlich Geld einbringt?

Die Diäten für Bundestagsabgeordnete liegen seit 1. Juli 2021 bei 10.012,89 Euro brutto im Monat. Vorher waren es zwei Jahre lang 10.083,47 Euro, also rund 70 Euro mehr. Hinzu kommen die steuerfreie Kostenpauschale von monatlich 4.560,59 Euro sowie Aufwandsentschädigungen beispielsweise für Sitzungen. (Q1)

Was es sonst noch alles gibt, ist in der Quelle auch nachzulesen. Aber wir posten diese Umfrage auch wegen des Wissenszuwachses für uns alle. Oder hatten Sie gewusst, dass der Reichstag bis 1905 eine Art Freizeitparlament war? So weit würden wir nicht gehen wollen, es heute genauso zu handhaben, aber ein ganz wichtiger Punkt ist oben noch nicht berücksichtigt: Was verdienen Abgeordnete eigentlich so nebenbei und wie hilft ihnen dabei ihr Status als Parlamentarier:in? 

Einige der Abgeordneten verdienen weit mehr Geld mit Nebentätigkeiten als mit ihren Abgeodnetenbezügen, besonders in der CDU/CSU und der FDP sind solche Fälle häufig. Sollte man aber nicht sein ganzes Streben auf das Wohl für die Wähler:innen und nicht auf ein eigenes, das eine ohnehin komfortable Vergütung immer weiter in die Höhe treibt. Sicher, es gibt die sogenannten leistungslosen Millionen- und Milliardeneinkommen, vor allem von superreichen Erb:innen, aber diese dürfen kein Maßstab für eine tätigkeitsbezogene Vergütung sein, gleich, ob privat, als Staatsdiener:in oder als Abgeordnete:r. Und trifft die Inflation nicht auch die Parlamentarier? Und ist es nicht brav, dass die Diätenentwicklung an die Lohnentwicklung gekoppelt wurde und es deshalb während der Coronaentwicklung sogar eine ganz leichte Absenkung um ca. 75 Euro gab? Man kann es auch so sehen: Jetzt wissen Sie, warum der Mindestlohn tatsächlich steigt, warum also einige Abgeordnete, besonders aus den aktuellen Regierungsparteien, deren Angehörige meist nicht zu den Nebenbei-Großverdienern zählen, den Menschen am unteren Rand des Einkommensspektrums auch mal etwas zugutekommen lassen. Das ist doch immerhin nur halb so klassistisch wie bei der Union und der FDP. 

Es gibt jedoch einen weiteren Aspekt: Die Politiker:innen tragen nicht nur eine hohe Verantwortung, besonders die Minister:innen und der Kanzler, sie sind auch verantwortlich. Zum Beispiel dafür, dass bei uns eine Krise nach der anderen so schlecht wie irgend möglich gemanagt wird. Schon Angela Merkel müsste man die Altersbezüge dafür kürzen, dass sie eine Geldpolitik zugelassen hat, die es der EZB jetzt unmöglich macht, auf die Inflation angemessen zu reagieren. Und erst die grottenschlechte Performance während Corona. Macht die neue Regierung es besser? Am 11. Juli könnte es dazu kommen, dass Deutschland kaum noch russisches Gas erhält. Das hätte man direkt nach dem Kriegsbeginn und den ersten Sanktionen wegen der Ukraine schon zumindest ins Kalkül ziehen müssen, aber hier wurde weiter schwadroniert, als ob nicht die andere Seite auch die Möglichkeit hätte, zu sanktionieren, und nichts anderes ist das, was sich auf dem Energiemarkt derzeit abspielt. 

Für ihre jahrelangen Versäumnisse, für die Fahrlässigkeit und Inkompetenz, die in unserer gegenwärtigen Politik das Bild bestimmt, haben deren Ausübende nach unserer Ansicht nicht auch noch eine Gehaltserhöhung auf einem Niveau verdient, das netto bei kaum jemanndem von ihnen nicht fünfstellig sein dürfte (netto gerechnet, die oben genannten Summen müssen immerhin versteuert werden; in der Praxis sind die Steuersätze allerdings sehr niedrig, weil Politiker:innen so viel Volksdienliches absetzen können). Deswegen haben wir mit eindeutig nein gestimmt, wie derzeit über 70 Prozent der Menschen, die sich an dieser noch jungen Umfrage bereits beteiligt haben. Auch privates Missmanagement wird oft noch mit dem goldenen Handschlag belohnt, ab einer gewissen Einkommensklasse spielt die Performance kaum noch eine Rolle, scheint es, aber das rechtfertigt nicht die Honorierung schlechter Politik mit weiteren Diätenanstiegen. Es ist eher ein allgemeines Problem, dass wir nicht wirklich in einer Leistungsgesellschaft leben, sondern in einer, in der die Frechheit und der unbedingte Wille zum Abzocken ganz hoch im Kurs stehen.

Auch daran ist die Politik schuld, mit Gesetzen, die sie geschaffen hat und die derlei Verhalten begünstigen und damit, dass sie jene, die selbst diese lockeren Gesetze übertreten, so gut wie niemals angemessen sanktioniert. Wir halten es so: Bis endlich wieder eine Vermögensteuer erhoben und Superreiche, die dank einer Million Schlupflöchern so gut wie gar keine Steuern zahlen, mehr für Gemeinschaftsaufgaben herangezogen werden, die doch im Moment so besonders wichtig sind, dass die Politiker uns schon auffordern, die Wohnung im Winter bitte allenfalls einzelraumweise zu heizen, werden wir nicht dafür sein, dass Abgeordnete, die all das ermöglichen, billigen, fördern, super finden, den Superreichen in den ***** kriechen, mehr Geld bekommen.

Zum Update der Text von Abgeordnetenwatch, den wir heute erhalten haben. Da wir ihn als Foto präsentieren, hier der Link, mit dem Sie diese wichtige NGO fördern können.

Wenn Sie auf die Frage „Wer bezahlt unsere Abgeordneten?“ mit »ich«, »wir«, „die Steuerzahler:innen“ geantwortet hätten, wäre das nicht falsch gewesen, bezieht sich aber nur auf das „Grundeinkommen“ der Abgeordneten mit allen Privilegien, die damit verbunden sind. Wir haben gestern bereits darauf hingewiesen, dass die Diäten für manche dieser Parlamentarier nur ein Zubrot sind. Dass diese sich ihren privaten Direkt-Geldgebern mehr verpflichtet fühlten als uns, den Wähler:innen, liegt auf der Hand. Deswegen ist die Arbeit von Abgeordnetenwatch besonders wichtig für den Erhalt der Demokratie. Hin und wieder geben wir Text von AW deshalb an Sie weiter. Wir sollten das in nächster Zeit wieder häufiger tun, ebenso die Arbeiten von Lobbycontrol, Frag den Staat, Foodwatch, Campact und ähnlichen Initiativen, die uns dabei helfen, die Gefahren für die Demokratie zumindest besser wahrzunehmen.

Ob wir diesen Gefahren ernsthaft etwas entgegensetzen, hängt auch davon ab, wie wir uns verhalten: Wählen wir nur oder nicht einmal das, oder engagieren wir uns für echte Demokratie? Wir tun Letzteres gegenwärtig in der Hauptsache mit „Der Wahlberliner“, unserem Hauptstadtblog. Wir fühlen uns jenen verbunden, die sich auf wesentlich aktivere Weise, vielleicht sogar hauptberuflich, damit auseinandersetzen, wie die Demokratie vor den Angriffen von innen geschützt werden kann. Einer der verdeckten, aber größten Angriffe ist der ausufernde Lobbyismus derer, die sich Abgeordnete mehr oder weniger kaufen können. Übrigens oft von Steuergeldern, wenn man etwas genauer hinschaut, denn Spenden sind bekanntlich abzugsfähig und die vielen Lobbyisten, die nicht produktiv im Sinne echter Wertschöpfung tätig sind, sondern nur die Politik infiltrieren sollen, verteuern Waren und Dienstleistungen, die wir kaufen.

Wir zahlen also auf mehrfache Weise dafür, dass unsere Interessen als Zivilgesellschaft hinter denen der Geldgeber von Abgeordneten zurückstehen müssen. Das muss uns bewusst sein und immer, wenn wir verstehen wollen, was Politiker uns durch die Blume sagen, müssen wir dies alles mitdenken. Selbst dann, wenn es um Themen wie Krieg und Frieden oder Umweltbelange geht, die auf den ersten Blick nichts mit Lobbyismus zu tun haben. Letzteres betreffend, ist das eigentlich nicht neu und wohlbekannt: Dass die Energiewende in Deutschland mehr oder weniger in den Sand gefahren wurde, hat viel mit Lobbyismus zu tun.

Die Kriegssituation in Europa ist hingegen noch neu, da muss man erst einmal lernen, ein paar Schritte weiter zu denken. Vom Offensichtlichen hin zu dem, was sich dahinter verbergen könnte. Nicht quer, nur einfach ein paar Schritte weiter. Auf wen stoßen wir da? Zum Beispiel auf die Interessen der Rüstungsindustrie, für die sich auch grüne Abgeordnete wie der Herr Özdemir einsetzen, der wiederum langfristig gewachsenen Einfluss innerhalb seiner Partei und damit  auf  Wirtschaftsminister Rober Habeck hat.

Wir wüssten von solchen Lobbyverbindungen gar nichts, gäbe es nicht die Arbeit von Organisationen wie Abgeordnetenwatch. Der etablierte Journalismus kümmert sich mittlerweile viel zu wenig um derlei Dinge. Früher hätte vor allem der „Spiegel“ sich dieser Aufgabe gestellt, aber der höchst bedauerliche Qualitätsverlust von Medien wie diesem macht NGOen umso wichtiger, die versuchen, hinter die Kulissen zu schauen.

Wir stehen umso mehr dahinter, dass wir gestern in der Civey-Umfrage gegen eine Erhöhung der Diäten für Abgeordnete des Deutschen Bundestages votiert hatten.

 

TH

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