KunstKalender | Kultur | Auktionen = Medien für zeitgenössische Kunst
Liebe Leser:innen, und nun zu etwas vollkommen anderem. Ist es Wirtschaft, ist es Kunst & Kultur? Wir haben, in der Hoffnung, dass die Welt nicht doch bloß ein Basar ist, sondern sich Ideen, Konzepte, Inhalte hinter dem verbergen, was wir täglich sehen, die nachfolgende Grafik und den zugehörigen Text dem Bereich Kultur, nicht dem Bereich Unkultur, zugeordnet. Wir werden dieses Mal auch wenig kommentieren. Falls überhaupt.

Zeitgenössische Kunst behandelt in ihren Werken zwar moderne Themen, hinsichtlich des lukrativsten Mediums dominieren jedoch seit Jahrzehnten klassische Darstellungsformen. Laut Daten von ArtPrice.com wurden 2020 73 Prozent der weltweiten Auktionsumsätze mit zeitgenössischer Kunst mit dem Verkauf von Gemälden generiert, sieben Prozent entfielen auf Drucke und weitere sieben Prozent auf Zeichnungen und Arbeiten auf Papier. Wie unsere Grafik zeigt, hat vor allem die Fotografie hinsichtlich der Umsatzrelevanz deutlich eingebüßt.
Wurden 2005 bei Auktionen noch rund 16 Prozent des Umsatzes mit zeitgenössischer Kunst mit fotografischen Werken aufgerufen, waren es 2020 nur noch zwei Prozent. Malerei hingegen scheint nicht nur bei Sammler:innen klassischer, sondern auch moderner Kunst seit Jahrzehnten am beliebtesten zu sein. Besonders interessant: Trotz der Tatsache, dass der NFT-Markt in den vergangenen zwei Jahren einen regelrechten Boom erfuhr und entsprechende Werke wie Beeples Everydays: The First 5000 Days, das 2021 für 69 Millionen US-Dollar versteigert wurde, Schlagzeilen machten, entfielen 2020 nur fünf Prozent der Umsätze mit zeitgenössischer Kunst auf diese Sonderkategorie digitaler Kunstwerke.
Angaben von UBS und Art Basel zufolge wurden 2020 weltweit rund 21 Milliarden US-Dollar auf privaten und öffentlichen Auktionen umgesetzt, das meiste davon in den USA, China und dem Vereinigten Königreich. Auf den Bereich der Nachkriegs- und zeitgenössischen Kunst entfielen im selben Jahr ungefähr 4,7 Milliarden US-Dollar, was etwa 22 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht.
Obwohl Deutschland im internationalen Vergleich in Sachen Umsätzen keine große Rolle spielte, ist das Land dank der documenta in Kassel dennoch einer der wichtigsten Ausstellungsorte für zeitgenössische Kunst. Die alle fünf Jahre stattfindende Ausstellung feiert 2022 ihre fünfzehnte Ausgabe und wird zwischen dem 18. Juni und 25. September unter anderem Künstler:innen wie Jimmie Durham, Richard Bell und Yasmine Eid-Sabbagh eine Bühne bieten. Kuratiert wird die diesjährige documenta vom indonesischen Künstler:innenkollektiv ruangrupa.
Unser Akzent liegt derzeit auf anderen Themen, keine Frage, und wir können nicht alles abbilden, wofür wir uns interessieren und müssen enge Prioritäten setzen. Wir befürchten, falls es nicht zu einer unerwarteten Explosion der Arbeitsgeschwindigkeit / -effizienz kommt, wird das auch so bleiben, zumal sich im Moment ein Anstieg der Kreativität auf einem Gebiet abzeichnet, der eben gerade nicht zu Bildenden Kunst gehört. Würden wir nicht schreiben, würden wir malen, Visuelles und Schriftliches liegen bei uns eng beieinander, manchmal herrscht Harmonie, nicht selten Duellatmosphäre. Aber ist der internationale, manchmal spektakuläre Kunstmarkt ein Ausdruck der Wertschätzung von Kunst oder auch nur die Spitze der Investments in eine weitere Anlageklasse, weil das vagabundierende Kapital Mühe hat, sich zu amortisieren, und werden deshalb absurde Preise für einzelne Kunstwerke erreicht?
Es gibt Liebhaber:innen und Sammler:innen von Format, aber nach dem, was wir wahrnehmen, dominiert der Hype des einzelnen Objekts, das möglicherweise in irgendeiner Kammer verschwindet, über strategische Sammlertätigkeit, denn der Markt bringt, wie überall, Stars hervor und vernachlässigt unzählige Künstler:innen, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Promotion und Zufall, Manipulation und Enthusiasmus vereinigen sich auf dem Kunstmarkt zu einem Gebräu, das in der einen oder anderen kritischen Dokumentation als nicht sehr kunst- und feinsinnig enttarnt wurde. Bei dieser Enttarnung hilft, dass die menschliche Eitelkeit auf dem Kunstmarkt eine besonders große Rolle spielt.
Was bliebe vom Rausch des Erwerbs kostbarer Stücke oder des Geschäfts mit ihnen ohne Selbstdarstellung, gerade auf diesem Gebiet? Es nennt sich nicht von ungefähr darstellende Kunst. Im Gegensatz zum geschriebenen Wort, dessen Wert sich durch den Verbreitungsgrad definiert, lebt die darstellende Kunst vom Mangel an Verbreitungsfähigkeit, sofern es sich um Originale handelt. In einer Welt der Vermassung ist es verständlich, dass das Einzelstück per se wertvoll ist. Auch, dass moderne Kunst sich klassische Medien sucht, ist nachvollziehbar, denn der Beinahe-Ewigkeitswert hat sich bisher immer noch am besten auf Materialien gezeigt, die zum Bewahren besonders gut geeignet sind. Moderne Kunst im Rahmen moderner Medien hat hingegen unweigerlich etwas Flüchtiges, dessen Erhaltung zudem einen vergleichsweise hohen Aufwand erfordert.
Warum Plastisches weniger geht als Zweidimensionales, das allenfalls dreidimensional wirkt, dafür sind wir keine Experten, vielleicht ist auch das Angebot zu schmal, vielleicht ist die Wand im privaten Bereich schlicht der beste Aufbewahrungsort, im Vergleich zum freien Raum mit dem Erfordernis allseitiger Besichtigungsmöglichkeit eines Ausstellungsstücks. Dass Fotografie als künstlerische Ausdrucksform immer problematischer wird, liegt schon eher auf der Hand: Der Manipulation und „künstlerischen Ausformung“ durch geschickte Amateure sind mittlerweile keine technischen Grenzen mehr gesetzt. Daher wird sich dieser Teil des Marktes wohl mehr oder weniger auf Epochen beschränken, in denen das noch nicht möglich war, und was damals abgelichtet wurde, lässt sich nicht vermehren und in Form von Stilen fortführen. Dieser Bereich der Kunst ist nach unserer Ansicht in einer Sackgasse gelandet. Vielleicht gibt es noch etwas für Porträt- und Modefotograf:innen zu holen, die mit exklusiven Subjekten arbeiten können, um exklusive Objekte herzustellen.
TH