Crimetime 1120 – Titelfoto © WDR
Der Tausch (Arbeitstitel: Hände hoch, Schimanski!) ist ein Fernsehfilm aus der Fernseh-Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF.
Der Film wurde vom WDR produziert und am 13. April 1986 erstmals gesendet. Es ist die 180. Folge der Tatort-Reihe. Für die Kriminalhauptkommissare Horst Schimanski (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik) ist es ihr zwölfter Fall. Anlässlich des 40. Sendejubiläums des Duisburger Tatorts strahlte der WDR am 14. Dezember 2021 eine in HD abgetastete und digital restaurierte Folge aus.
Bemerkenswertes gibt es zu diesem Fall auf jeden Fall zu vermelden:
Der Titelsong Midnight Lady stammt aus der Feder von Dieter Bohlen und wurde von dem früheren Smokie-Sänger Chris Norman gesungen. Das Lied belegte im Mai/Juni 1986 sechs Wochen Platz eins der deutschen Charts. Die deutsche Version sang Roland Kaiser; sie wurde 1997 als eine Art Hommage in Schimanski: Hart am Limit verwendet.[2]
Ob der Film selbst bemerkenswert ist, klären wir in der –> Rezension.
Handlung (1)
In der Duisburger Haftanstalt versucht ein iranisches Kommando den Elektronikwissenschaftler Bohm junior zu befreien, um ihn zu entführen. Die Anstaltsbeamten können dies verhindern. Ein Mitglied der Bande nimmt sich bei der Flucht das Leben.
Kriminalhauptkommissar Schimanski, der seit kurzem mit seiner neuen Freundin Veronique und deren Sohn Simon zusammenlebt, befragt mit seinem Kollegen Thanner den Wissenschaftler Bohm jr. Dieser kann sich keinen Reim auf den Vorfall machen und so sucht man dessen Onkel in der Firma auf, der ihnen eröffnet, dass er Mikrochips für Raketen herstellt. Bohm junior, der wegen Trunkenheit am Steuer mit Todesfolge einsitzt, war an der Entwicklung dieser Chips maßgeblich beteiligt. Mittlerweile hat Kollege Hänschen einen orientalischen Journalisten ausfindig gemacht, der Bohm im Gefängnis vor der Aktion aufgesucht hatte. Dieser wird noch vor dem Eintreffen von Schimanski und Thanner im Stundenhotel ermordet.
Nachdem Schimanski vergeblich versucht hat, in der iranischen Gastarbeiterszene Informationen zu bekommen, entführt das iranische Kommando den Sohn von Veronique in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Thanner wird nebenbei in einer Disco von Sheila, einem Mitglied des Kommandos, abgelenkt. Schimanski wurde zu einem Treffen mit Hänschen gelockt, um nicht dazwischenfunken zu können.
Anni und Tom über „Der Tausch“:
Anni: Midnight Lady, Love takes Time … Dieter Bohlen, Modern Talking ohne, und vermutlich der Schimansiki-Tatort, in dem die Scheiße wirklich kulminiert ist. Das ist schon eine Persiflage auf eine Tatort-Persiflage, falls das überhaupt geht. Ich glaube, den Zeitgeist der 1970er verstehe ich eher als den um 1985. Ich dachte übrigens eher an 1987 oder 1988, bevor ich das Drehdatum gesehen habe. Aber so riesig waren die Unterschiede ja damals auch wieder nicht, zwischen den Jahren.
Tom: Und die Frage ist wirklich, ob das nicht vielleicht besser so war. Der Peinlichkeitsfaktor solcher Filme ist heute ganz schön hoch. Die naturalistische, komplett unstilisierte Darstellungsweise von Schimanski war in Wirklichkeit die Stilisierung eines Megaprolls zur unrealistischsten Kunstfigur am Tatort bis eigentlich – naj a, bis heute. Selbst die Durchgeknallten unter den aktuellen Cops haben manchmal echte Reibereien zu befürchten, weil sie sind, wie sie sind.
Anni: Eigentlich sind wir in dieser Zeit, in der alle ausgequetscht werden wie die Zitronen, bloß neidisch darauf, wie viel Fun damals war. Doch, diese widerlichen Bettgeschichten, diese Leben, ohne Angst vor Repression haben zu müssen, dieses ewig Spätpubertäre, das aber nicht so langweilig war wie das, was du heute leben musst, wenn du nicht einer Sondergruppe angehörst, die tausend Privilegien hat: die Suspendierung und dann einfach weiter so und Dachwohnungen mit tollen Panoramafenstern und weißen Fliesen und sowas.
Tom: Da steckt schon einiges von der realen Zeit drin. Die Musik und wie die Leute drauf waren, auch wenn sie nicht alle Schimanski und Tatort guckten. Mich stört diese überzogene Schimanski-Selbstdarstellung ein bisschen, aber in der Hauptsache ist es der Plot. Solch einen ausgemachten Blödsinn sieht man selbst in Tatorten selten. Von der anfänglichen Befreiungsaktion, die trotz Riesenaufwand schiefging über die Idee, Schimmis angenommenen Sohn zu kidnappen bis zu dieser nachgemachten Agentenstory gegen Schluss mit Umkippen eines Jeeps bei mäßiger Geschwindigkeit auf ebenem Waldboden – das wäre James Bond nie passiert. Da hat der fette Schimmi sich wohl zu sehr zur Seite gelehnt.
Anni: Das ist jetzt aber ein bisschen fies. Wie hätten die anderen denn sonst den Cop einholen und im Wald noch ein lustig Scheibenschießen veranstalten sollen? Und natürlich die eigene Mit-Terroristin oder als was man sie bezeichnen will, umbringen. Aber Wirtschaftskrimi ist ja auch Glücksache. Eine Fabrik in den USA und eine in Deutschland und die Iraner wollen den Chip und nur der Typ im Gefängnis hat alles im Kopf, was dieses High-Tech-Teil ausmacht, nicht etwa die Firma, in der es hergestellt wird. Auweia. Und gibt es jetzt die Ausfuhr-Verbotsliste für waffenfähiges Hightech oder nicht? Niemals hätte an den Iran hier 1987 etwas in der Art geliefert werden dürfen. Und davon träumen wir heute noch, dass es was gibt, was nur in den USA oder hier herstellbar ist und gerade im militärischen Bereich nicht auch von anderen Ländern geliefert werden kann. Natürlich erfährt man nicht wirklich Wertvolles über den Hintergrund, dafür umso mehr darüber, wie man eine Carrera-Bahn nicht bespielt.
Tom: Thanners Disco-Ausflug, nur, damit der vorsichtshalber abgelenkt ist. Oder wie Schimanski am Türscharnier herumsägt und kein Mensch bekommt es mit. Aber der Bodycount war für damalige Tatort-Verhältnisse recht hoch, es gab mehrere Leichen und am Ende einiges Tatütata. Insofern auch schon ein Rückgriff auf – übrigens nicht so schlechte – Tatorte aus den 1970ern. Es ist aber auch schwierig, den Ton zu treffen. Man entwickelt so eine Figur wie Schimanski und stellt sie dann in eine Situation, die eigentlich Ernsthaftigkeit erfordert, da ist es viel leichter, eine Menge Fehler zu machen als alles oder das Meiste richtig.
Anni: Den Schluss fand ich dann wieder gut – zack und Schimmi liegt rückwärts im dreckigen Wasser. So geht’s, wenn man die Klappe gegenüber den USA zu groß aufreißt. Und Heiner Lauterbach spielt einen unsympathischen BKA-Typ. Dieses Muster, dass immer, wenn es politisch brisant wird, höhere Ebenen übernehmen wollen, ist ja heute ein Standard in den Tatorten. Vermutlich, weil es noch unglaubwürdiger wäre als das, was sich dann abspielt, so zu tun, als ob Mordkommissionen in irgendwelchen Städten diesen Titanenkampf gegen die OK und wen noch alles allein durchführen könnten oder dürften. Schon die Teams, die auf zwei, vier Ermittler_innen zugeschnitten sind, sind ja eigentlich angesichts der Art von Verbrechen und der Verbrecher viel zu klein. Also, mich hat’s nicht mitgerissen, ich gebe aber zu, das fällt mir bei Schimanski sowieso schwer. 6/10
Tom: Ich bleibe sogar auf 5/10 stehen. Höher geht die Skala nicht, da kann ich schütteln, so viel ich will. Ich sehe in diesem Tatort mehr Mängel als Pluspunkte.
5,5/10
© 2022, 2017 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
(1) Wikipedia
Stab und Besetzung: Regie Ilse Hofmann Drehbuch Hartmut Grund Chiem van Houweninge Produktion Hartmut Grund Musik Dieter Bohlen Kamera Karl Kases Schnitt Gisela Thielens Besetzung Götz George: KHK Horst Schimanski Eberhard Feik: KHK Christian Thanner Chiem van Houweninge: Hänschen Ulrich Matschoss: Karl Königsberg, Kriminaloberrat Yolande Gilot: Veronique Nicole Ansari: Sheila Rainer Matschurat: Simon Dieter Eppler: Karl Bohm sen. Gerhard Garbers: Karl Bohm jun. Abbas Maghfurian: Wirt Peter Hohberger Bobby Gaetano Dieter Eickelpoth Heiner Lauterbach: BKA Beamter